Kurze Biographie Herrn Johann Christian Hofmanns

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Autor: Anonym
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Titel: Kurze Biographie Herrn Johann Christian Hofmanns, gewesenen Geheimen Raths, Consistorialpräsidentens, und Protoscholarchs zu Coburg – nebst beyläufiger Anzeige eines vortrefflichen Beförderungsmittels der Geduld, Sanftmuth und Versöhnlichkeit
Untertitel:
aus: Journal von und für Franken, Band 5, S. 586–606
Herausgeber: Johann Caspar Bundschuh, Johann Christian Siebenkees
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1792
Verlag: Raw
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Originalherkunft:
Quelle: UB Bielefeld, Commons
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VIII.
Kurze Biographie
Herrn Johann Christian Hofmanns,
gewesenen Geheimen Raths, Consistorialpräsidentens, und Protoscholarchs zu Coburg –
nebst beyläufiger Anzeige eines vortrefflichen Beförderungsmittels der Geduld, Sanftmuth und Versöhnlichkeit.
Man hat im 3ten Stück des 4ten B. des Journ. v. und f. Franken bey der Todesanzeige des seel. Herrn Geh. Rath Hofmanns den Wunsch geäussert, daß doch eine vollständigere Nachricht von diesem würdigen Manne dem Publicum mitgetheilt werden möchte. Diesen gerechten Wunsch will| ich denn durch den gegenwärtigen Aufsatz zu erfüllen suchen, und bloß das Merkwürdigste von ihm, ohne Kunst und Schmuck, ganz der Wahrheit gemäß, erzählen. Dieses kann ich auch um so viel eher, weil ich das Glück hatte, nicht nur ihn selbst verschiedene Jahre hindurch in mancherley Lagen des Lebens zu bemerken, dessen persönlichen Umgang mehrmahls zu genießen, und dadurch seine Denk- und Handlungsart ziemlich genau kennen zu lernen, sondern auch seine Familien- und andere hieher gehörigen Nachrichten aus den ersten und besten Quellen schöpfen zu dürfen.
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 Er wurde am 11ten Febr. 1739 zu Salzungen im Meiningischen geboren, wo damahls sein Herr Vater, Johann Heinrich, als Amtsadjunct stand, der aber späterhin Regierungsrath zu Meiningen, und endlich Geheimer Rath zu Coburg wurde, wo er auch nach vieljährigen geleisteten treuen Diensten in einem Alter von 65 Jahren starb. Seine Mutter, Maria Sophia, war eine Tochter des ehemahligen Policeycommissairs und Hofadvocats, Theodosius Emanuel Volkhardts, zu Salzungen, und der Christina Maria, einer Tochter des dasigen Superintendentens Johann Paul Triers. Als der einzige Sohn, mit dem die Vorsehung| dieses Ehepaar erfreute, genoß er die sorgfältigste Erziehung, verlor aber seine zärtliche Mutter sehr früh, nach deren Tode sein Vater ein Fräulein von Stein, aus Barchfeld, heyrathete, mit welcher er 2 Söhne und 4 Töchter zeugte, die unser Seelige alle so innig und thätig liebte, als ob es seine leiblichen Geschwister gewesen wären. Die älteste von jenen Töchtern ist an den Herrn Hofrath und Stadtsyndicus Prätor, und eine der jüngern an den Herrn Regierungsrath Habermann zu Coburg verheyrathet. Sein älterer Stiefbruder, ein sehr geschickter und thätiger junger Mann, starb als Hof- und Regierungsrath daselbst in seinen besten Jahren an der Auszehrung; der jüngere aber lebt noch, und ist als S. C. S. Hofrath bey der geheimen Canzley in Saalfeld angestellt.
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 Seinen ersten öffentlichen Unterricht erhielt der Verstorbene in der Schule seiner Geburtsstadt. Sodann besuchte er das Gymnasium zu Schleusingen, wo er sich vom Jahr 1756 bis 59 sehr gründliche Schulwissenschaften erwarb. Im folgenden Jahre bezog er die Universität Jena, und blieb daselbst bis 1762. Darauf studierte er auch noch zu Halle anderthalb Jahre. Daß er aber seine Zeit und seine Talente wohl benutzt habe, das bezeugt| sein ganzes nachfolgendes thatenreiches und ehrenvolles Leben laut genug.
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 Im Jahre 1764 kam er mit seinem Herrn Vater nach Coburg, und fand da gleichfalls sein Glück. Denn noch in eben demselben Jahre wurde er als Secretair und Lehrer der Geschichte bey dem durchlauchtigsten Herrn Erbprinzen daselbst, und nachher auch bey dessen Prinzessin Schwester Carolina, angestellt; – ein Ehrenposten, für den er sich ganz schickte, indem er alle dazu erforderlichen Eigenschaften besaß. Er war ein wohlgewachsener Mann, von schöner Körpergröße und edler Gesichtsbildung, dessen ernste, und doch dabey freundliche Miene, so wie sein ganzes kluges und gütiges Betragen, Ehrfurcht und Liebe zugleich einflößte. Man bemerkte bald, daß er einst dem Lande noch andere wichtige Dienste würde leisten können. Mit weiser Güte aber ließ man ihn von unten auf dienen, um ihn so möglichst nützlich zu bilden, wiewohl er ziemlich schnell von einer Ehrenstufe zur andern emporstieg. Zu dem Ende wurde er den 10 Sept. 1766 zum Archivarius bey der herzoglichen Cammer ernannt. Hier brachte er das Archiv in Ordnung, und bekam zum Lohn einer zweyjährigen mühsamen| Arbeit (d. 1 Oct. 1768.) das Assessorat in diesem Collegium, und am 13 Jul. 1770 eine wirkliche Camerrathsstelle. Am 25 Jun. 1771 wurde ihm, mit Beybehaltung seines bisherigen Charakters, die Generaladministration des Lotto übertragen. Jedoch, dieses Geschäffte versah er nur eine kurze Zeit, weil er vermittelst eines überaus huldreichen Decrets vom 29 Jan. 1773. lediglich zum Besorger der besondern Angelegenheiten seiner regierenden gnädigsten Landesherrschaft erwählt; zwey Jahre darauf aber durch ein anderes vom 17 Sept. 1779 als wirklicher Hofrath und Geheimer Referendar, und den 15 Febr. 1782 als geheimer Hofrath und Consistorialpräsident angestellt wurde. Am 8 März desselben Jahres übertrug man ihm auch noch die Würde eines Protoscholarchen am berühmten Casimirianum auf eine feyerliche Weise, und am 8 März 1783 wurde er wirklicher geheimer Rath. Diese letzten Ehrenstellen nun bekleidete er bis an sein Ende mit eben der Treue und Rechtschaffenheit, wie seine vorigen, und erwarb sich dadurch große, anerkannte und bleibende Verdienste um sein Fürstenhaus, so wie um dessen ganzes Land. Er besaß dazu nicht nur den besten Willen, der durch die ausgezeichneten| und häufigen Gnadenerweisungen des erstern immer mehr Nahrung und Stärke erhielt, sondern auch alle nöthigen Einsichten und Geschicklichkeiten. Obgleich die Fächer, welche ihm angewiesen wurden, von sehr verschiedener Art waren, so wußte er sich doch sehr bald in denselben zu orientiren, und jedes ganz so zu bearbeiten, wie es bearbeitet werden mußte. Ausser der Gelehrsamkeit, welche er zur erwünschten Besorgung seiner Ämter nöthig hatte, war er auch noch in allerley galanten Wissenschaften geübt. Die Italienische und Französische Sprache verstand er sehr gut. Er war dabey ein großer Freund der Musik, besonders in seinen jüngern Jahren; blies selbst die Flöte, und spielte das Clavier nebst dem Violoncello, welches eine geraume Zeit sein Lieblingsinstrument war, daher er sich auch die schönsten Stücke dazu anschaffte. Auch den öffentlichen Concerts wohnte er ehemahls fleißig und gern bey. Kein Wunder, daß die Zauberkraft der Musik auch auf sein Herz die wohlthätigsten Eindrücke machte, da es deren schon von Natur so fähig war.
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 Er besaß den gebildetsten liebenswürdigsten Charakter. Wenn es die Umstände forderten, wußte er zwar sein Ansehen mit Ernst| und Nachdruck zu behaupten; allein das hatte er wohl nur äusserst selten nöthig, da ihn Jedermann, der seinen Wehrt auch nur einigermassen kannte, innigst verehrte und liebte. Diese allgemeine Liebe und Hochachtung aber hatte er sich besonders durch sein ausserordentlich liebevolles Betragen gegen Hohe und Niedere und durch seine beständige und allgemeine Dienstfertigkeit erworben. Auch den geringsten Unterthan behandelte er mit der größten Herablassung, Güte und Leutseligkeit, ohne dabey seiner Würde das mindeste zu vergeben. Der Zutritt zu ihm stand einem jeglichen, wer er auch seyn mochte, zu allen Zeiten offen. Immer war er bereit, denen zu dienen, die ihn um Rath, Belehrung und Hülfe baten. Er bewillkommte Jeden mit der freundlichsten Miene, hörte ihn aufmerksam, theilnehmend und gelassen an, gab ihm dann die nöthige und mögliche Auskunft, und bewirthete ihn wohl noch obendrein. Daß diese seine ausnehmende Güte nicht selten gemißbraucht wurde, läßt sich leicht denken. Auch er hatte das gewöhnliche, aber bedauernswürdige Schicksal großer Männer, manche schöne Stunde durch unnöthigen Anlauf zu verlieren. Daher mußte er oft, nach einem unruhigen und lästigen Tage, noch in| der Nacht arbeiten, um wenigstens das Dringende und Unaufschiebliche von seinen gehäuften Berufssgeschäfften nachzuholen, was er ohne sein Verschulden des Tags über versäumt hatte. Diejenigen, die seine Lage kannten, haben sich oft über seine nicht zu ermüdende Geduld und Sanftmuth verwundert. Ich bin überzeugt, daß sie sich auf wahre Religion gründete; aber zu meinem nicht geringen Vergnügen fand ich meine Vermuthung, zu der mich einige unter seinen hinterlassenen Papieren berechtigten, bestätigt, daß er sich auch eines sinnlichen Hülfsmittels zu seiner Stärkung in der Ausübung jener schweren Tugenden bedient haben möchte. Da es nun von der Art ist, daß dessen Anzeige seinem Verstand und Herzen zur Ehre gereicht, und immer noch für sehr viele, besonders für Personen in ähnlichen Lagen, überaus wohlthätig werden könnte: so hoffe ich Dank zu verdienen, wenn ich solches meinen Lesern bekannt mache; von welchen vielleicht die wenigsten, etwas wissen. Es ist dieses nichts weniger als glänzend und kostbar, und doch, wie mich dünkt, seinem Endzweck überaus angemessen, und besteht in einer Schnupftobacksdose von gemeinem| Horn, deren äussern Deckelseite die Worte: Pater Lorenzo, eingeschnitten sind, der innern aber der Name Yorick. Sie war das Zeichen eines Ordens, welchen der berühmte Dichter Jacobi nebst einigen andern gestiftet hat. Zur Theilnahme an demselben lud er zuerst seinen Herzensfreund Gleim durch einen feinen und gefühlvollen gedruckten, von Düßeldorf d. 14 April 1769 datirten Brief ein, und suchte ihn dann durch eben dieses Mittel auch anderwärts zu verbreiten. Wie sehr ihm diese Verbreitung am Herzen lag, und welchen großen Nutzen er sich davon versprach, ist aus seinen eigenen Worten im erwähnten Briefe klar, wo er unter andern sagt: „Vielleicht habe ich in Zukunft das Vergnügen, an fremden Orten, hie und da, einen Unbekannten anzutreffen, der mir seine Dose von Horn, mit den goldenen Buchstaben reicht. Ihn werde ich so vertraut, als, nach gegebenem Zeichen, ein Freymäurer den andern, umarmen. Er kennt menschliche Tugend, und wünscht, besser zu werden. O, wie wollte ich mich freuen, wenn ich unter meinen hiesigen Mitbürgern einen mir so theuren Gebrauch einführen könnte! Dann würde die Religion sie nicht mehr entzweyen; der protestantische Geistliche würde den katholischen| Ordensbruder seinen Freund nennen, ihm verzeihen, daß er ein langes braunes Gewand trägt, und der Ordensbruder lernte, bey seinen Wallfarthen zu der im Hayn gelegenen Capelle, alle Menschen lieben, wegen der Gottheit, die für alle Menschen, aus Liebe, den Hayn erschuf. Wir, mein Liebster – setzt er in seiner Anrede an Gleim hinzu, – wenn die Ungerechten, denen unser Herz und unsre Musen nichts gethan haben, die uns hassen, weil wir nicht von ihren Feinden gehaßt werden; wenn diese an unsern Liedern sich rächen wollen, dann ziehen wir unsere Dose hervor, und werden nicht böse, und singen fort, ob wir sie vielleicht besänftigen können. Wer weiß, ob sie nicht selbst mit der Zeit bewogen werden, ein kleines Geschenk von Horn von uns annehmen?“
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 Dem edlen Wunsche des Stifters gemäß, fand auch sein Vorschlag wahrscheinlich an vielen Orten, wenigstens in Coburg, sehr baldigen und großen Beyfall. Dieß erhellet nicht nur aus dem Patent, welches unserm verewigten Hofmann ertheilt wurde, dessen Siegel und Unterschrift beweist, daß schon am 14 Aug. 1769. ein eignes Ordenscomtoir daselbst errichtet war, sondern auch| aus der mit Nro. XXVIII bezeichneten Dose desselben.
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 Der Ursprung, Sinn und Zweck dieses Ordens aber war folgender: Jacobi las einsmahls seinem Bruder, der, wie er versichert, gleiches Gefühl mit ihm hatte, und einem Zirkel von empfindsamen Frauenzimmern, Yoricks Reise vor. Sie kamen an die Geschichte des armen Franziscaners Lorenzo, welcher Yorick um ein Almosen bat, von ihm mit Unwillen abgewiesen wurde, durch sein sanftmüthiges Betragen aber dem Engländer Reue über seine Härte einflößte, und darauf zum Zeichen der Versöhnung von ihm eine schildplattene Dose bekam, wogegen er ihm die seinige von Horn gab, u. s. w. Sie lasen, wie Yorick diese Dose dazu gebrauchte, um den sanften, gelassenen Geist ihres vorigen Besitzers hervorzurufen, und den seinigen, bey den in der Welt zu kämpfenden Kämpfen in Fassung zu erhalten. – „Der gute Mönch war gestorben; Yorick saß bey seinem Grabe, zog die kleine Dose hervor, riß einige Nesseln zum Kopf des Begrabenen aus, und weinte.“ Nachdem Jacobi diese Stelle vorgelesen hatte, sahen alle Anwesende einander stillschweigend an. Jedes Glied der Gesellschaft| freute sich, in den Augen des andern Thränen zu finden. Sie feyerten den Tod des ehrwürdigen Greises Lorenzo, und des gutherzigen Engländers. Ihr Herz sagte ihnen: „Yorick hätte, wären wir ihm bekannt gewesen, uns geliebet;“ und der Franziscaner, glaubten sie, verdiene mehr, als alle Heiligen der Legende, canonisirt zu werden. Sanftmuth, Zufriedenheit mit der Welt, unüberwindliche Geduld, Verzeihung für die Fehler der Menschen, – diese ersten Tugenden lehrte er seine Schüler: wie viel besser sind sie, als der fromme Stolz der mehresten gestifteten Orden! Das Andenken an diesen erhabenen Mönch, und an den, der so willig von ihm lernte, war der ganzen Versammlung unaussprechlich süß; – viel zu süß, um nicht durch etwas Sinnliches unterhalten zu werden. Sie alle kauften sich daher eine Schnupftobaksdose von Horn, worauf sie die vorhin angegebene Schrift mit goldenen Buchstaben setzen liessen, und thaten das Gelübde, des frommen Lorenzo wegen, jedem Franziscaner etwas zu geben, der sie um eine Gabe ansprechen würde, und machten dabey folgendes zum Gesetz: Sollte sich jemand in unserer Gesellschaft durch Hitze überwältigen lassen, so hält| ihm sein Freund die Dose vor, und wir haben zuviel Gefühl, um dieser Erinnerung, auch in der größten Heftigkeit, zu widerstehen. Wäre einer so unglücklich, daß dieses nicht gleich den verlangten Eindruck auf ihn machte; so muß er zur Strafe die hornerne Dose mit einer andern verwechseln, bis er durch eine besonders gutherzige oder sanftmüthige That sie sich wieder erwerben kann. Unsere Damen, die keinen Schnupftoback brauchen, müssen wenigstens auf ihrem Nachttisch eine solche Dose stehen haben.[1] Es war aber dieser Gesellschaft nicht genug, diese Verabredung in einem kleinen Zirkel genommen zu haben. Sie wünschten auch, daß auswärtige Freunde sich ihnen darin gleichstellten. An einige schickten sie eine solche Dose als ein ihnen heiliges Ordenszeichen. Andern sollte der gedruckte Brief Jacobis ihre Gedanken mittheilen. Viele Leser desselben, sagt dieser, werden gar nichts dabey fühlen; andere nicht Muth genug haben, sich in eine Verpflichtung zum Kampf über sich selbst einzulassen; andere wohl gar klein| genug seyn, sich an den Wohlstand zu kehren, der ihnen durch eine Dose von Horn beleidiget scheint. Die ersten bedauren wir; von den zweyten hoffen wir einige Besserung; und die dritten leben nicht für uns.

 Vielleicht findet der eine oder der andere Fall auch bey manchem Leser dieser Stelle meines Aufsatzes statt, aber gewiß ist sie jedem edlen und fühlbaren Herzen angenehm und willkommen. Und Leser von solchem Herzen verzeihen mir daher auch diese Einschaltung sicher sehr gerne, ob sie gleich in der Ausdehnung nicht schlechterdings nothwendig zu meiner Hauptabsicht ist.

 Eben jenen Sinn und Zweck drücken auch die Regeln des oben angeführten Ordenspatents aus. Daß aber unser seeliger Hofmann seine Dose zu dieser rühmlichen Absicht fleißig gebraucht habe, sieht man ihr an, indem sie unten sehr stark abgerieben, und oben das Gold von der Aufschrift fast ganz verwischt ist. Und daß er sie auch nicht umsonst gebraucht habe, beweist die vorhin von seinem Charakter gemachte getreue Schilderung, da er doch von Natur zum heftigen und aufbrausenden Zorne sehr geneigt war.

|  Ob dieser heilsame Orden, der zu Coburg ganz erloschen zu seyn scheint, noch irgendwo existirt, weiß ich nicht. Wehrt aber dürfte er es wohl seyn, allenthalben eingeführt zu werden, weil selbst die Besten unter den Sterblichen, ihrer menschlichen Schwachheit wegen, sinnlicher Hülfsmittel zu ihrer Stärkung und Bevestigung in jenen schönen Tugenden der Gelassenheit, Sanftmuth, Zufriedenheit mit der Welt und ihren Schicksalen, Geduld und Versöhnlichkeit so sehr benöthigt sind, da es der Veranlassungen, ihnen entgegen zu handeln, so viele in der Welt gibt. Wer sich eine solche Dose anschafft, und sie dann auch zweckmäßig gebraucht, der, dünkt mich, ehret dadurch zugleich unsern nun vollendeten Herrn Geh. Rath nach seinem Tode, indem er, wenigstens in dieser Rücksicht, sein Gutes nachahmt.
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 Gutes und Nachahmungswürdiges hatte aber derselbe noch gar manches von anderer Art. Dahin rechne ich, ausser den bereits genannten Tugenden, hauptsächlich noch seine zärtliche Liebe gegen seine verehrungswürdige Gattin, (Magdalena Friederika, einer gebornen von Sand, mit der er sich den 17. Jul. 1770 vermählte,) und| gegen seine hoffnungsvollen Kinder, deren ihm die Vorsehung 6 schenkte, nemlich 3 Söhne, und eben so viel Töchter, von welchen letztern 2 in ihrer zarten Jugend starben; der älteste von jenen aber, ein wohlgewachsener Jüngling von 17 Jahren, der die Rechte studiren und dabey sich vorzüglich den lebenden Sprachen widmen will, läßt mit Grund erwarten, daß er einst in die Fußstapfen seines Vaters treten werde. Ferner gehören hieher die Treue und Standhaftigkeit, die er seinen Freunden bewies, unter denen der seelige Herr Geh. Rath und Cammerpräsident Gruner, und sein in allem Betracht höchstwürdiger Amtsnachfolger, der Herr Geh. Hofrath und Consistorialpräsident, Georg Friedemann Göbel, mit oben an standen; so wie auch seine Mässigkeit im Essen und Trinken; seine Liebe zur Reinlichkeit und Ordnung, die aus seinem ganzen Hauswesen, aus seiner Kleidung, ja selbst aus seinen Liebhabereyen hervorleuchtete; nicht minder seine vernünftige Geselligkeit. Ich enthalte mich, von jeder insbesondere zu reden, damit es nicht scheinen möge, als wolle ich sein Lobredner werden. Nur von der letztern will ich noch ein Paar Worte sagen. Er liebte anständige Gesellschaft, und war| selbst ein munterer und angenehmer Gesellschafter; aber binden ließ er sich nie, sondern fand sich nur oft dabey ein, als es ihm Zeit und Umstände erlaubten, und um 10 Uhr Abends einer gewöhnlich selbst aus den angenehmsten Zirkeln nach Hause, um sich durch die nöthige Nachtruhe zur Verrichtung seiner wichtigen Geschäffte auf den folgenden Tag zu stärken. Er verstand fast alle gesellschaftlichen Spiele, fand aber kein Vergnügen daran, und machte daher nur selten, bloß andern zu Gefallen, Partie. Und so gerne er auch einen Theil seiner Ruhestunden dem Umgang froher Freunde widmete; so war er doch immer am liebsten unter den geliebten Seinen. Die Unterhaltung mit diesen gewährte ihm das angenehmste, süsseste Vergnügen, wie denn das bey jedem treuen rechtschaffenen Hausvater der Fall ist.
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 Der Seelige genoß zwar, im Ganzen genommen, eine sehr gute und dauerhafte Gesundheit; aber dennoch hatte er von Zeit zu Zelt mit sehr unangenehmen Zufällen zu kämpfen. So hatte er einsmahls den Zungenkrampf, welcher ihm die Zunge der Länge nach so zusammenzog und in die Höhe trieb, daß er weder zu essen noch zu trinken im Stande war. Bloß Brühen konnten ihm,| und von diesen nur etwas weniges, vermittelst eines Theelöffels, eingeflößt werden. Vier Wochen lang versuchte man alle mögliche Hilfsmittel umsonst. Endlich befreyten ihn Blutigel, welche ihm auf Anordnung seines gelehrten und geschickten Hausarztes, des Herrn D. Albrechts, von einem Ohr bis zum andern, unterhalb des Kinnes, angesetzt wurden, von diesem peinigenden Übel. Nachher verzog ihm ein Fluß den Mund, welcher äusserst beschwehrliche Zustand ein ganzes Vierteljahr hindurch dauerte. Seitdem schien er zwar vollkommen gesund zu seyn, und verrichtete auch seine Geschäffte unausgesetzt. Gleichwohl war er einige Jahre her nicht mehr ganz der lebhafte und muntere Mann, der er vorher war. Besonders verrieth sein gesenktes Haupt, und sein schwankender, stumpfer Gang, ziemlich deutlich die Abnahme seiner Kräfte. Mit Wehmuth und Betrübnis bemerkten das seine Verehrer und Freunde; aber Niemand ließ sichs einfallen, daß die Zeit seines Todes so nahe sey, als sie wirklich war.
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 Noch am 16 Febr. dieses Jahres fehlte ihm nicht das geringste. Er sah Mittags nach Tisch mit Vergnügen einem Brautpaare nach, das vor ihm vorbeyzog. Aber in dem| Augenblick, da er das Fenster schließen wollte, traf ihn der Schlag. Kaum konnte er sich in den zunächst stehenden Sessel werfen. Voller Bestürzung eilten seine Hausgenossen herbey, und fragten nach seinem Befinden. Allein er konnte weiter nichts, als die Worte lallen: „es schmeckt bitter,“ und deutete dabey auf seinen Mund. Eilends wurde ihm Brechpulver eingegeben; aber es blieb ohne Wirkung. Seine Sprache war gleich nach jenen wenigen mühsam hervorgestammelten Worten gänzlich verloren und mit ihr auch sein Bewußtseyn. In diesem bedauernswürdigen Zustande lag er leider mehrere Stunden lang. Man versuchte alles mögliche zu seiner Rettung, aber alle angewandten Mittel waren und blieben fruchtlos, und er starb Abends um 7 Uhr in einem Alter von 53 Jahren und etlichen Tagen. Bey der Öffnung seines Leibes fand man, daß bloß die Lunge völlig aufgelöst war. Alle übrigen innern Theile waren frisch und unverdorben. Das Gerücht von seinem Hinscheiden verbreitete sich blitzschnell, und verursachte unter Hohen und Niedern Schrecken und tiefe Betrübniß. Alles beklagte mit der ungeheucheltsten Wehmuth den Verlust dieses herrlichen, verdienstvollen Mannes und ausserordentlichen| Menschenfreundes, selbst sein gnädigster Fürst und Herr, mit seinem ganzen hohen Hause. Ein unverkennbares Merkmahl seiner vollkommensten Zufriedenheit und Achtung gab er diesem seinem treuen Diener noch an dessen Begräbnißtage dadurch, daß er dessen Leichnam nicht nur von seinem geheimen Rath, Regierungspräsident, und Kanzler, Herr Heuschkel, als herzogl. Gesandten, begleiten, sondern auch mit Hofkutschen, Sonntags gegen Abend, den 19 Febr. zur Ruhestätte bringen ließ. Dieser ganze Auftritt war herzangreifend und seelenerschütternd. Von der Wohnung des Seeligen an bis zum Ende des Markts fuhren die vornehmsten Begleiter durch zwey dichte Reihen von Menschen, deren allergrößten Theil sichtbar nicht Neugierde, sondern die herzlichste, wärmste Theilnehmung und Liebe herbeygezogen hatte. Hier, und an den Fenstern der Häuser, vor denen die Leiche vorbey gebracht wurde, bis zum Gottesacker hinab, las man fast auf allen Gesichtern Schmerz und Kummer. Allenthalben wehten weiße Schnupftücher, um die Thränen zu trocknen, welche um den entschlummerten Edlen floßen. Es vereinigten sich aber auch alle Umstände, das Herz eines jeden Fühlbaren durch und durch| zu rühren, wohin unter andern auch dieser zu zählen ist, daß sich eine grosse Anzahl der besten Einwohner Coburgs aus allerley Ständen, ohne die geringste erhaltene Einladung, welche wohlbedächtlich unterblieben war, aus lauter Liebe und Hochachtung vor dem Trauerhause einfanden, die dem Leichnam mit feyerlichem Ernst und in die Augen fallender Rührung zu Grabe geleiteten, unter welche sich sogar ein K. K. Hauptmann, ein sehr wackerer Mann, der auf Werbung hier liegt, mit seinen beyden Unterofficiers, sämmtlich katholischer Religion, mischte, ohne dabey auf Rang und Stand zu achten, um so dem Entschlafenen auch in seinem Tode noch einen Beweis seiner innigsten Verehrung zu geben. Kurz, alles – alles verkündigte, auch dem fremden Zuschauer laut, daß ein ausgezeichnet großer und guter Mann begraben werde.



  1. Besser, dächte ich, wäre es gewesen, wenn sie sie beständig bey sich getragen hätten, um in jedem nöthigen Fall sogleich Gebrauch davon machen zu können.