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Mumbo

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Textdaten
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Autor: Theodor Herzl
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Titel: Mumbo
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aus: Philosophische Erzählungen, S. 121–134
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 1889
Erscheinungsdatum: 1900
Verlag: Gebrüder Paetel
Drucker: G. Bernstein
Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: ÖNB-ANNO und Commons
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[121]
Mumbo.
1889.


[123] In jener erquicklichen „Residenz“, die Sie aus so vielen deutschen Lustspielen kennen, lebte als schlichter Biedermann und Redakteur der „Volksstimme“ Herr Johannes Bunge. Johannes Bunge, genannt „Doktor“, war das Ideal eines Redakteurs für Alles. Er genügte in erstaunlicher Art den großen Anforderungen, die man bei einem kleineren Blatte an die Mitarbeiter zu stellen pflegt. Er war schön, jung, unendlich blond, wußte mit Schere und Oblaten meisterhaft umzugehen. Er war sprachenkundig wie ein Kavallerist und von der ritterlichen Schneidigkeit eines Hauslehrers. Der Orthographie war er in einer Weise mächtig, daß es dem Korrektor der Zeitung zuweilen Freudenthränen entlockte. Johannes Bunge kannte ferner das Geburtsjahr aller europäischen Fürsten, beherrschte die schwierigsten Partien des hundertjährigen Kalenders und verfügte über ein so wahrhaft encyklopädisches Wissen, wie es außer ihm vielleicht bloß der jüngste Brockhaus (letzte Auflage) besitzt. Zu alledem war er auch noch das Muster eines wohlinformirten Zeitungsmannes. Eine Bunge’sche Nachricht trug den Stempel der Verläßlichkeit an der Stirne. Wenn Bunge mit der ihm eigenthümlichen stilistischen Gewandtheit schrieb: „Wie wir aus bester Quelle erfahren…“, so konnte man ruhig darauf schwören, daß die Mittheilung echt, wahr, unbestreitbar sei und niemals „richtiggestellt“ werden könne. Dadurch war er eben seinem Konkurrenten von der „Morgenwacht“ so weit weit überlegen. [124] Die Perle der „Morgenwacht“, Herr Friedrich Schnepp, hatte ja auch seine Nachrichten, manchmal sogar sehr frische; aber Schnepp war leichtfertig. Den Morgenwächtern kam es zum Beispiel auf ein Attentat mehr oder weniger nicht an. Sie setzten die Fixigkeit über die Richtigkeit. Es ist dies das amerikanischere System der Zeitungsschreiberei. Die Morgenwächter zogen die Neuigkeit der Wahrheit vor. Diesem frivolen Treiben hatte die „Volkesstimme“ lange Zeit eine feierliche Langsamkeit und Gewissenhaftigkeit entgegengesetzt, die alle ehrbaren und nicht neugierigen Leute entzücken mußte. War nun in dieser guten Stadt die Neugier stärker als die Ehrbarkeit, oder gab es dafür andere Gründe – genug, die „Volkesstimme“, das viel angesehenere Blatt, büßte immer mehr Abonnenten ein. Da raffte sich der Eigenthümer der „Volkesstimme“ zu einer heroischen That auf und inserirte: „Redakteur gesucht!“ Auf diese Weise kam Johannes Bunge aus Berlin nach der „Residenz“, um als Perle angestellt zu werden. Er war schön, jung, blond, sprachenkundig, orthographisch u. s. w., und er wurde der Stolz und die Stütze seiner Zeitung. Diese hob sich zusehends wieder, denn zu ihrem alten Ansehen gesellte sich nun die neue Beweglichkeit. Johannes Bunge war immer mindestens so gut unterrichtet wie der Morgenwächter Schnepp, mit dem er in höflicher Feindschaft lebte. Aber Bunge wurde allgemein ernst genommen – ein Glück, das Herr Schnepp nie hatte erreichen können. Bunge und Schnepp haßten einander, wie Nachbarn, und der reichere Nachbar war Johannes. Er war es durch volle drei Jahre: bis zu dem Augenblick, wo Mumbo dazwischen kam.

Mumbo?

Ja wohl.

**
*

[125] Die für solche Zwecke geeigneten Mauern der Residenz bedeckten sich eines schönen Tages mit riesigen Anschlagzetteln, auf denen das eine einzige geheimnißvolle Wort zu lesen war:

Mumbo.

Zu einer anderen Zeit hätte es vielleicht eine volle Woche gedauert, bis das aufregende Räthsel gelöst worden wäre. Nicht so jetzt, wo „Morgenwacht“ und „Volksstimme“ um die Perlen rangen, einander die Neuigkeiten abliefen. Die „Morgenwacht“ hatte schon am nächsten Tage eine längere Notiz über Mumbo. Mumbo sei der Name einer Tinktur gegen das Ausfallen der Haare und zur Beförderung des Bartwuchses. Die „Morgenwacht“ knüpfte an diese Mittheilung einige scherzhafte und noch fast neue Bemerkungen über das Wesen der Reklame. Die „Volkesstimme“ schwieg an diesem Tage. Aber in ihrer nächsten Nummer hatte sie Folgendes: „Wie wir aus bester Quelle erfahren“ – Bunge ist aus der Klaue zu erkennen – „wie wir aus bester Quelle erfahren, ist Mumbo der beispiellos dressirte Elephant, der in dem demnächst in hiesiger Stadt gastiren sollenden Cirkus, welcher außerdem noch über zwei andere Stars, nämlich Miß Fiorentina, die gefeierte Jongleuse zu Pferde, und Mr. Box, den dümmsten „August“ der bewohnten Welt, verfügt, seine Künste produziren wird. Damit ist wohl die ganze Nichtigkeit einer in einem hiesigen Blatte erschienenen Notiz, in welcher Mumbo als Bartpomade ausgegeben wird, bewiesen…“

Und so war es. Bunge hatte wieder einmal über Schnepp gesiegt. Die „Volkesstimme“ war wohl um einen Tag später gekommen, aber welch ein Unterschied in der [126] Treffsicherheit. Die Bunge’sche Mittheilung war die richtige. Schnepps Gemüthszustand braucht nicht erst geschildert zu werden.

Bald darauf langte der Cirkus Madré in der Residenz an. Die drei Hauptsterne: Mumbo, Mr. Box und Miß Fiorentina eroberten sich im Sturme alle Herzen. Nicht unabsichtlich ist in dieser Reihenfolge der Elephant zuerst und die schöne Frau zuletzt genannt. Denn in der Kunst entscheidet die Größe der Leistung, die Galanterie hat zu schweigen. Und wenn man den Herrn Direktor Madré – geborener Mader – gefragt hätte, ob er Mumbo oder Fiorentina vorziehe, so würde er mit einem gräßlichen Stallfluch geantwortet haben: „Mumbo“! Und doch war Miß Fiorentina ein süßes Weib von schlanker Schönheit, von einem weichen Schwung der Linien. Wenn sie hoch zu Pferde mit drei Gummibällen, einer Orange und einem scharfgeschliffenen Yatagan spielte, wenn sie diese emporgeworfenen Gegenstände graziös wieder auffing, so dachten sich alle männlichen Zuschauer: Herrgott, was hat sie für schöne Arme! … Bei Mumbo waren es nicht die körperlichen Vorzüge, welche das Publikum bethörten. Mumbo war ein gesunder Elephant in den besten Jahren, weiter nichts. Aber seine Kunst! Mumbo ließ Alles weit hinter sich, was man bisher gesehen hatte. Er tanzte mit verbundenen Augen auf dem Seil, spielte mit dem Rüssel Violine und Klavier, feuerte eine Kanone ab – ein Genie. Mumbos Produktion war darum auch immer die letzte Nummer. Es wäre ja nicht möglich gewesen, das noch durch Höheres zu überbieten… Was endlich Mister Box betraf, so war er sicherlich der Dümmste von Allen, die sich je als „dummer August“ gezeigt hatten. Wenn er „Ahi“ rief, so jauchzte das ganze Haus. Wenn er plötzlich [127] stolperte und in den Sand der Arena hinfiel, so hielten sich selbst die feierlichsten Leute die Seiten vor Lachen. Die Wirkung der drei Stars läßt sich etwa so definiren: Mumbo flößte Achtung und Bewunderung ein, die Fiorentina Leidenschaft, Mr. Box aber Sympathie. Denn nichts ist den Leuten sympathischer als die Dummheit.

**
*

Am Eingange der Manege konnte man, so oft Miß Fiorentina auftrat, einen ernsten Mann bemerken. Es war Herr Johannes Bunge. Er, um dessen kostbare Gunst die muntersten Liebhaberinnen und die sentimentalsten Salondamen des Residenztheaters sich vergeblich bewarben, er hatte eine Schwäche für die Jongleuse zu Pferde. Er fühlte ganz wohl, welche Auszeichnung er ihr dadurch zu Theil werden ließ, daß er sie überhaupt gewahrte. Aber auch hochstehende Personen dürfen kleine Anwandlungen von Menschlichkeit haben, und so gab sich Johannes denn dieser vorübergehenden Herzenslaune hin. Im Allgemeinen war Johannes ein strenger und gerechter Mann; nur zuweilen drückte er gefällig ein Auge zu, namentlich wenn es sich um ihn selber handelte. Direktor Madré – der geborene Mader – hatte ihn der Jongleuse vorgestellt mit einigen begleitenden Worten, welche den „Doktor“ als den hervorragendsten Schriftsteller und Kunstkenner der Gegenwart erscheinen ließen. Miß Fiorentina schlug träumerisch die Augen auf zu dem hohen Manne, der seinen blonden Bart so ernst streichelte, als er ihr einige herablassende Freundlichkeiten über ihre Leistungen sagte. Miß Fiorentina war ein echtes Cirkuskind, aufgewachsen mitten unter gebändigten Löwen, purzelnden Clowns, fliegenden [128] Messern, in Freiheit dressirten Trakehnerhengsten und monocletragenden Mitgliedern aristokratischer Klubs. Was sie täglich sah, konnte ihr natürlich nicht imponiren. Um so stärker wurde sie durch dieses völlig Neue geblendet: die ernste Bildung, verkörpert in dem hervorragendsten Schriftsteller Doktor Bunge. Der Bauer, der auf dem Jahrmarkte die Produktionen eines abgerichteten Esels sieht, kann den Mund nicht erstaunter aufreißen, als Fiorentina vor Bunge. Nur war der ihrige ein sehr rosiger, kleiner Mund, und wenn sie ihn aufriß, kamen allerliebste Zähnchen zum Vorscheine. Dieser Mund war eine der größten Sehenswürdigkeiten des Cirkus Madré.

Es fehlte selbstverständlich in der Residenz nicht an kühnen Eroberern, welche sich um Miß Fiorentina bemühten. Ein hoher Adel und das löbliche Militär voran, in zweiter Reihe einige beklommene Herren vom Civil. Und unter all den strebsamen Männern, Knaben und Greisen gefiel der schönen Künstlerin jener Edle am besten, der ihr weder Blumen noch Bonbons, noch Brillanten schenkte, der bloß die Gewalt seiner Persönlichkeit, den ernsten blonden Bart und die Bildung auf sie wirken ließ: Johannes Bunge! Ihm galt ihr letztes Lächeln, bevor sie an der Hand des Stallmeisters in die Arena hinaushüpfte, dem Applaus entgegen; ihm ihr erster Blick, wenn sie ruhmbedeckt zurückkehrte. Bunge war beglückt, doch er trug sein Glück ernst, maßvoll, gelassen. Wenn ein Bunge liebt, so muß er Gegenliebe finden; das ist nicht anders möglich.

Welche Sommerfäden sich zwischen dem gefeierten Rezensenten und der gefeierten Künstlerin spannen, das entging vielleicht dem weniger scharf blickenden hohen Adel, dem löblichen Militär und den beklommenen Herren vom [129] Civil. Nicht entging es einem Manne, der unter der Maske des dümmsten August sein lauerndes Wesen und seine glühende Leidenschaft verbarg. Mister Box war in Miß Fiorentina sterblich verliebt, das wußte jeder Stallpage. Es ging sogar das Gerücht, daß er bloß darum der Gesellschaft des Herrn Madré angehöre, weil er stets in der Nähe der schönen Jongleuse bleiben wolle. Einem so dummen August steht bekanntlich die ganze Welt offen; er aber harrte unter wenig günstigen Bedingungen bei Madré aus, wegen der Geliebten.

Der Cirkus-Direktor selber erzählte dies eines Abends mit spöttischem Grinsen dem Herrn Johannes. Fiorentina war eben in der Arena, und die beiden Herren plauderten mit einander am Eingange. Die Geschichte von des Spaßmachers Liebe belustigte Bunge außerordentlich.

„Er betet sie an, und sie will absolut nichts von ihm wissen“, schloß Herr Madré seinen drolligen Bericht.

„Na, das finde ich sehr begreiflich!“ meinte der Redakteur der „Volkesstimme“ lächelnd.

„O, warum? Er ist im Privatleben ein ganz hübscher Mensch, hat auch noch eine große Zukunft. Renz oder Fernando geben ihm das Dreifache seiner jetzigen Gage, wenn er bei ihnen eintreten will“, sagte der Direktor.

Johannes Bunge raffte sich zu einer Bemerkung von großer psychologischer Feinheit auf.

„Mein lieber Direktor“, sagte er und strich dabei gedankenvoll den Bart; „mein lieber Direktor, eine Frau kann nie einen Mann lieben, über den alle Leute lachen! Das sage ich Ihnen.“

In demselben Augenblicke ertönte dicht neben den Beiden ein wohlbekannter Ruf:

„Ahi!“

[130] Und der dumme August kollerte ungeschickt über die Barrière in den Sand. Ein donnerndes Gelächter…

**
*

Zum ersten Male hatte Doktor Bunge das Glück, Miß Fiorentina bis an ihr Hausthor begleiten zu dürfen. Die Vorstellung war noch nicht zu Ende, aber die Jongleuse hatte nichts mehr zu thun. So ging sie denn an seinem Arm nach Hause. Er preßte ihre Hand wiederholt in einer höchst zärtlichen Weise und flüsterte ihr allerlei hochtrabendes Zeug ins Ohr, das sie nicht verstand und wovon sie daher ganz entzückt war. Am Hausthore verabschiedete sie ihn aber. Er durfte ihr nur die Hand küssen. Dann ging er mit seligen Gefühlen und voll von Hoffnungen auf morgen durch die linde Nacht… Der Durst bewog ihn endlich, in seinem gewohnten Bierhause, beim „blauen Ochsen“ einzukehren. In dem Hinterstübchen, das durch Johannis regelmäßigen Besuch seine Weihe erhielt, saß heute auch Herr Friedrich Schnepp an einem Nebentische. Seit jener Mumbo-Notiz war wieder eine kleine Spannung zwischen den beiden Männern eingetreten, und sie behandelten sich gegenseitig als Luft. Bunge begab sich auf seinen Platz, brannte eine Cigarre an und träumte beim kühlen Bier weiter von Fiorentina…

Plötzlich wurde die Thür aufgerissen, und Mr. Box trat ein. Er lüpfte den Hut vor Bunge, übersah jedoch Herrn Schnepp vollständig. Nur im Vorübergehen, für keinen Anderen als Schnepp hörbar, murmelte er: „All right!“ Dann setzte sich Mr. Box an den dritten Tisch, wo sich schon zwei Herren befanden, und diesen erzählte er laut und vernehmbar in seinem sehr gebrochenen Deutsch, was sich soeben im Cirkus zugetragen habe:

[131] „Denken Sie, Gentlemen, uas uir just für ein Schreck haben gehabt. Es uar die letzte Number – Mumbo. Mumbo uar gewesen sehr unruhig schon die ganze Abend. Auf einmal, mitten in der Manège, er brüllt und strampt mit die Füße. Und auf einmal Mumbo legt sich auf das Sand und uill nicht aufstehen und hat Krämpfe. Ich sage zum Direktor: ‚Goddam, das sind Geburtsuehen‘. Und richtig, es uaren Geburtsuehen. Und mitten in de Manège Mumbo hat gehabt Junge. Drei kleine Mumbo! Drei Stuck!“ …

Herr Friedrich Schnepp hatte kein Wort von dieser Mittheilung verloren. Jetzt sah er hastig nach der Uhr, langte seinen Hut herunter und stürzte aus dem Zimmer.

Herr Bunge benahm sich viel ruhiger. Doch nach fünf Minuten erhob er sich ebenfalls. Es war die höchste Zeit, wenn das noch ins Morgenblatt kommen sollte. Er eilte in seine Redaktion und verfaßte einen ausgezeichneten Bericht, der sich über hundertfünfzig Druckzeilen erstreckte. Das Ereigniß wurde sehr anschaulich geschildert, zum Schluß konnte Herr Bunge aber einen leisen Tadel nicht unterdrücken. „Der Direktion, wiewohl sie sonst an Einsicht wenig zu wünschen übrig läßt, können wir nicht umhin, zu bemerken, daß sie ein in einem solch vorgeschrittenen Zustande befindliches Thier besser gethan hätte, nicht auftreten zu lassen; das ist kein Schauspiel für Götter.“

**
*

Am nächsten Morgen suchte Herr Bunge vergeblich den rivalisirenden Bericht in der „Morgenwacht.“ Dieses Blatt hatte gar nichts über Mumbos Entbindung. Welch ein Esel dieser Schnepp! Er hatte es gewußt und nicht [132] gebracht! Oder war er zu faul gewesen, noch in der Nacht zu schreiben? Ein neuer Sieg über den Morgenwächter. … Mit einem begreiflichen Gefühle der Genugthuung begab sich Herr Bunge in sein Bureau. Und da – da fand er einen schrecklichen Brief vor. Herr Madré schrieb nämlich, daß „an der ganzen Fabel der „Volkesstimme“ kein wahres Wort sei – schon darum, weil Mumbo dem männlichen Geschlecht angehöre“.

Man mußte Alles „richtigstellen“.

Herr Johannes Bunge war zerschmettert.

Die „Morgenwacht“ nützte diese Blamage weidlich aus und brachte eine längere Satire aus der Feder Friedrich Schnepp’s. Es wurde namentlich scharf betont, daß selbst die weiblichsten Elephanten sich nie dazu herbeilassen, mehr als ein Junges auf einmal in die Welt zu setzen. Nur der Gelehrte der „Volkesstimme“ könne so etwas behaupten…

Drei Tage lang wagte sich Bunge nicht auf die Gasse. Dann trieb ihn aber doch die Liebe zu Fiorentina wieder in den Cirkus. Wo er ging und stand, sah er spöttische, grinsende Gesichter. Er hüllte sich in seine alte Würde, und das half ihm auch wirklich in den Augen Einiger. Nur nicht bei Miß Fiorentina. Denn diese lachte ihm wegwerfend ins Gesicht, als er sich ihr nähern wollte, und sie wandte sich einem Anderen zu. Der Zauber, den Bunges Bildung auf sie geübt hatte, war gebrochen. Ein wenig zerknirscht trat er von Fiorentina weg. Da sagte Jemand hinter ihm:

„Eine Frau uird nie einen Mann lieben, über dem alle Leute lachen. Das sage ich Ihnen! Ich, Box!…“

Und laut und fröhlich schmetterte er dann ins Haus:

„Ahi!“

[133] Herrn Johannes Bunge stieg das Blut in den Kopf. Er ballte die Fäuste und drang auf den dummen August ein. Im nächsten Augenblicke kollerte die Perle der „Volkesstimme“ zusammen mit dem dümmsten August über die Barrière in den Sand des Cirkus. Sie wälzten sich über einander. Im Publikum hielt man es für ein gelungenes neues Intermezzo. Erst später, als man den schäumenden Bunge aufhob und hinausführte, kam die Wahrheit heraus. Der Morgenwächter behandelte den famosen Zwischenfall gleich in der nächsten Nummer unter der heiteren Spitzmarke:

„Gastspiel des Herrn Johannes Mumbo.“

Johannes Mumbo! So hieß er fortan, und seines Bleibens war nicht mehr in der Residenz. An seine Stelle kam als Perle Herr Friedrich Schnepp von der „Morgenwacht“…

**
*

Was weiter noch geschah, ist mir nicht bekannt. Ob Mr. Box die schöne Fiorentina heirathete? Und ob sie ihn betrog? Danach habe ich gar nicht gefragt, als mir diese Geschichte erzählt wurde. Mir schien sie doch schon des Aufschreibens werth. Denn sie zeigt, wie die Spaßmacher lieben und wie sie sich an den ernsthaften Leuten rächen.