Oesterreichische Berühmtheiten/3. Ein Minister ohne Portefeuille

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Autor: Sigmund Kolisch
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Titel: Ein Minister ohne Portefeuille
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aus: Die Gartenlaube, Heft 17, S. 264–266
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Biographische Skizze
Oesterreichische Berühmtheiten/3
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Oesterreichische Berühmtheiten.
Von Sigmund Kolisch.
3.0 Ein Minister ohne Portefeuille.

Bevor der Windstoß von 1848 die Verhältnisse bis zur Unkenntlichkeit durch einander geschüttelt, gab es zwei literarische Kaffeehäuser in Wien, das eine bei „Renner“ in der „Seilergasse“, das andere bei „Geringer“ auf dem „Bauernmarkt“. Dort kamen die gemachten Dichter und Schriftsteller zusammen. Lenau und Wittauer, der Redacteur der „Wiener Zeitschrift“, spielten Billard, Bauernfeld und Castelli spielten Karten; noch Andere rauchten, plauderten und tranken Kaffee. Hier versammelten sich [265] die Emporstrebenden, Neulinge auf der dornenvollen Bahn, die, von jugendlichen Träumen und Hoffnungen gewiegt, weder um das Gestern noch um das Morgen sich kümmerten: Moritz Hartmann, Joseph Rank, Isidor Heller, Johannes Nordmann, der Verfasser dieser Skizzen, und noch viele Andere. Hier ging es lebendiger und geräuschvoller zu, als in der vornehmen Gesellschaft bei Neuner. Schnurren und Witze aller Art wurden zum Besten gegeben. Man lachte, man besprach mit Eifer die Vorgänge des Tages, von denen man durch die Augsburger Allgemeine Zeitung in Kenntniß gesetzt wurde, man hörte, man pries; die verschiedenen Meinungen und Ansichten geriethen oft heftig an einander, ohne daß jedoch durch den Streit die Annehmlichkeit des persönlichen Verkehrs beeinträchtigt worden wäre.

Zu diesem letztern Kreise zählte auch der gegenwärtige österreichische Minister Johann Nepomuk Berger, der, obgleich mit seinen juristischen Studien und Arbeiten beschäftigt, unschuldige Schriftstellerei in Versen und in Prosa trieb, wie sie unter der mütterlichen Fürsorge der österreichischen Censur möglich war. Kleine und größere Aufsätze, Sinngedichte und sogar lyrische Ergüsse für Saphir’s Humoristen und für Frankl’s Sonntagsblätter verfaßte der nachmalige Redner, dessen Hauptvorzug in der schneidenden Schärfe seiner Dialektik, in der ätzenden Kraft seiner Witze und Sarkasmen besteht. Ja, bissig und sarkastisch ist Dr. Berger von jeher gewesen bis zur Härte, bis zur Schroffheit, und der arme Isidor Heller mit seinen Citaten und Denksprüchen hatte damals bei Geringer von dem kaustischen Cameraden gerade so viel zu leiden, wie später Herr von Schmerling, der Minister ohne Thatkraft, ohne einen politischen Gedanken, der, zum Aufbau eines freien Staates berufen, nichts grimmiger haßte und verfolgte, als den unabhängigen Sinn, die männliche Würde, die Selbstständigkeit des Bürgers. Ich erinnere mich, daß Berger einmal dem bestürzten Isidor, der die üble Gewohnheit hatte, bei jeder Gelegenheit Stellen aus Börne’s Schriften anzuführen, halb zornig und halb höhnisch die Worte zurief: „So lange werden Sie Börne citiren, bis Sie werden sein selber börnirt“, und schallendes Gelächter brach in der Kaffeehausgesellschaft aus, wie nachmals bei ähnlichen Ausfällen im Reichsrath. Es ist viel Galle in Berger’s Humor, die frühen Kämpfe mit den Erdengeschicken, die Sorge und Arbeit des Knaben um das tägliche Brod haben eine Bitterkeit erzeugt, welche alle Befriedigungen durch die Gunst des Schicksals überdauert.

Der Sohn eines Liechtenstein’schen Beamten in Nieder-Oesterreich, der frühzeitig starb und seine Familie in großer Bedrängniß zurückließ, verlebte Berger eine sehr traurige und entbehrungsreiche Jugend. Nachdem er in Folge seines Fleißes und seiner Fortschritte eine Hauslehrerstelle in Olmütz bekleidet, die ihm indeß sehr wenig zusagte, gelang es ihm endlich zur Fortsetzung seiner Studien nach Wien gehen zu können. Obgleich Neigung und Talent ihn auf das Gebiet der mathematischen Wissenschaften wiesen, drängten Nützlichkeitsrücksichten und praktische Gründe schwerwiegender Art ihn in die juridische Laufbahn. Der bekannte Astronom Littrow gab durch eine Bemerkung den Ausschlag, die er dem Verlangen des jungen Mathematikers nach einer Verwendung entgegensetzte. „Es giebt nur wenige Sternwarten und sehr viele Gerichtssäle in der Welt,“ lautete die wohlmeinende Ermahnung, und Berger ließ sich’s gesagt sein. Zu seinem Vortheil, wenn auch mit Widerstreben, nahm er Dienste bei der verrufenen Frau mit den verbundenen Augen, mit der Wage in der Hand. Und die Patronin hat sich seiner gnädig angenommen, ihn mit Ruhm und Gütern gesegnet und zuletzt zur Stellung eines Ministers emporgetragen. Was kann der Ehrgeiz des Herrn Berger Höheres suchen? Doch halt! einen Orden hat er auch, der Demokrat einen Orden, der ihm das Recht auf den Adelstand giebt. Es kostet ihn ein Wort, und er kann rufen, wie der Bankier in der Komödie: „Ich bin geadelt!“

Von den literarischen Anfängen des Ministers ohne Portefeuille läßt sich nicht viel Schmeichelhaftes sagen. Die Aufsätze, welche vor der Märzbewegung mit dem angenommenen Namen „Sternau“ unterzeichnet waren, lassen auch nicht einen Zug des Parlaments- und Gerichtsredners von Bedeutung errathen. Kindisches Geschwätz, ohne Stil, ohne Geschmack, ohne Klarheit – Floskeln, die anmaßend auftreten und ihre Sinnlosigkeit hinter dem prunkenden Getöne zu verbergen suchen – Anhäufung von Redefiguren, die man in Oesterreich von jeher als die Grundbedingung einer schönen Schreibart angesehen und von der sich auch jetzt noch nicht alle hiesigen Schriftsteller befreit haben. Um die schöngeistige Fähigkeit unseres Ministers zu charakterisiren, wollen wir einen einzigen Satz aus dem Artikel „Wahrheit, Schönheit, Freiheit“ anführen, den Sedlnitzky’s Polizei gestrichen hatte und der trotzig mit dem Zeugniß seines Märtyrerthums der Oeffentlichkeit sich vorstellte, als die alte Regierungsmaschine unter dem Fußtritt der akademischen Legion zerbrach.

„Wahrheit, Schönheit, Freiheit,“ schrieb Berger, „die göttlichen Gaben der Menschheit, das Angebinde ihrer rosigen Wiege, sie gingen unter“ etc. etc. Dergleichen findet sich fast in jeder Zeile der wunderlichen Auslassung. Da es nicht vorkommt, daß aus einem Flaum über Nacht ein Bart wird, so leuchtet ein, daß Berger seine Phrasenseligkeit in den neuen Zeitabschnitt mit hinüber nahm. Alles, was er in den ersten Tagen nach dem Ausbruch der Bewegung schrieb, wie: Die zehn Gebote des constitutionellen Staatsbürgers, die Zeitungsartikel und Flugblätter, tragen unverkennbar das Gepräge der Unmündigkeit an sich, in welcher eine väterliche Regierung den beschränkten Unterthanenverstand zu erhalten gewußt hatte. Ein umnachtetes Auge muß sich an’s Licht gewöhnen, um zu sehen; eine gebundene Kraft muß sich an die Freiheit gewöhnen, um zu wirken.

Berger ist ein schlagender Beweis, wie viel der systematisch durchgeführte Geistesdruck an einem Menschen niederhält und zerstört und welchen Vandalismus eine Metternich’sche Regierungsweise im geistigen Leben einer Nation verübt. Wenige Monate der freien Bewegung haben in Berger Anlagen und Fähigkeiten geweckt, die sicher fortgeschlummert hätten in der Spitalluft, wie sie in Oesterreich vor 1848 wehte. So kam es, daß er, von Schönberg zum Reichstagsabgeordneten gewählt, in der Paulskirche zu Frankfurt am Main seine Mann stellte und sich bei allen Parteien eine gewisse Geltung erwarb. Laube, der in seinem Buche über „das erste deutsche Parlament“ Alle, die zur Linken gehören, ohne Unterschied des Alters, der Abstammung, der Aufrichtigkeit, mit seinem kritischen Krummsäbel niedermacht oder wenigstes bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt, vergleicht Berger, „den magern jungen Oesterreicher, den cynischen trockenen Logiker, den logischen Fanatiker“, mit Saint Just. Nun, ich gestehe, daß der Widersacher dem Opfer zu viel Ehre erweist. Die unbeugsame Mannheit des Franzosen überragt um viele, viele Kopflängen die des österreichischen Advocaten. Berger hätte schwerlich, wie Saint Just dem Nationalheer bei Charleroi und Fleurus, die Fahnen zum Siege vorangetragen. Und Saint Just hätte sich schwerlich zum Minister ohne Portefeuille von Herrn von Beust neben Herrn von Taaffe ernennen lassen und würde schwerlich, wenn er den 9. Thermidor, den 4. Prairial und andere Unglückstage der Freiheit überlebt hätte, von Napoleon oder Ludwig dem Achtzehnten einen Orden angeommen haben. Dies im Vorbeigehen zur Herstellung der Richtigkeit in einem unglücklichen Vergleich.

Dem Club angehörend, der im Donnersberg sich versammelte, stimmte und sprach Berger für durchgreifende Maßregeln, vor welchen die gemäßigte Mehrheit der deutschen Nationalversammlung wie vor dem Entsetzlichsten zurückschreckte. Zu den Entschiedensten und Radicalsten stand Berger in dem Streite, ob man den deutschen Staat von Grund auf neu bauen, oder ob man blos das alte Gemäuer übertünchen, schwarz-roth-golden aufputzen solle. Nachdem aber die Unentschlossenheit gesiegt hatte und als das baufällige Werk des Frankfurter Parlaments den Einsturz drohte, wurde Berger, wie so viele Andere seiner Meinung, an den Scheideweg gestellt, wo er zu wählen hatte zwischen der kühnen That und dem eigenen Wohlergehen und der blasse Hercules von Proßnitz schlug den sicheren Pfad ein, der zu einer ergiebigen Advocatur, zu Ansehen und Einfluß, und endlich empor zur Höhe führte, von wo man mit olympischem Behagen herab auf das Leiden und Ringen der armen Menschheit blicken kann. O, der Glückliche! Berger war nicht von den Hundert Einer, die bei den Thermopylen zu Stuttgart den äußersten, den verzweifelten Kampf für die Freiheit gekämpft. Man hat sogar behaupten wollen, er habe nachmals in nicht zu billigender Weise um Verzeihung seiner früher in Wien und Frankfurt a. M. begangenen Sünden gebeten; doch ist diese Behauptung völlig unerwiesen.

Am meisten ausgezeichnet hat sich Berger als Rechtsanwalt beim „mündlichen Verfahren“, wie man dies hier zu Lande nennt. Im Gerichtssaal war seine Beredsamkeit an ihrem Platz, [266] und Niemand, selbst nicht der gewaltige Mühlfeld, war gefürchteter von dem Widerpart, als Berger. Kein anderer Advocat besaß in dem Maße die Kunst, die Blößen des Gegners zu entdecken und die verwundbarsten Stellen mit den Pfeilen ätzenden Spottes zu treffen. Mancher Staatsanwalt krümmte sich unter den Schmerzen der erhaltenen Verletzungen und zahlte den Sieg, den ihm die Zeitverhältnisse verschafften, mit einem Stück moralischen Lebens. Während der zehn Jahre schweren Drucks, welche dem kurzen Freiheitsrausche der Völker auf dem europäischen Festlande folgten, war in Oesterreich der Gerichtssaal die einzige Zuflucht des geächteten Wortes, und Berger benutzte das Privilegium des Ortes und seines Berufes zu mancher freiheitlichen Auslassung. Daher seine zunehmende Popularität. So weit zurückgedrängt war in Oesterreich alles freiheitliche Trachten und Streben, und so heißes Verlangen trug die öffentliche Meinung nach einem erleichterten Athemzug, daß selbst ein gefahrloses Lispeln von einem menschlichen Recht gegenüber der sinnlosen Gewalt die Gemüther mit Genugthuung erfüllte und wie eine kostbare Gewährung angesehen wurde. Ein Lichtfunken in langer, banger Nacht wird leicht wie eine Sonne begrüßt.

Als das mittelalterliche Regierungssystem bei Solferino von Napoleon’s des Dritten Zuaven zu Boden geworfen wurde und die Gedanken der Neuzeit, triumphirend über das Besiegte hinwegbrausend, die verlorene Geltung forderten, mußte bei der Spärlichkeit hervorragender Persönlichkeiten nothwendig Berger die Aufmerksamkeit seiner Landsleute auf sich lenken und sich als einen der geeignetsten Volksvertreter in einem Parlament empfehlen. Wer in dem weiten Oesterreich wäre besser im Stande gewesen, die parlamentarischen Schlachten zwischen Dummheit und Einsicht, zwischen starrer Satzung und freiem Urtheil mitzukämpfen, als Berger, der ehemalige Abgeordnete in der Paulskirche, dem die Versammlung der größten Gelehrten von Deutschland ihre Achtung nicht versagen konnte? Sie hatten auch keinen Grund, ihre Neigung und Wahl zu bereuen, die Liberalen, welche in Berger ihr Vertrauen gesetzt. So lange er seinen Sitz als Abgeordneter einnahm, erhob sich seine Stimme stets für das Recht gegen die Gewalt, für die Freiheit gegen den Zwang, für den gesunden Menschenverstand gegen das Vorurtheil, und der Neid kann es ihm nicht absprechen, daß er der Sache des Fortschrittes wesentliche Dienste geleistet. Seitdem jedoch der Doctor auf der Ministerbank sitzt, haben sein Standpunkt, seine Haltung, seine Anschauungsweise, sein Wollen und Wünschen sich geändert. So eine Ministerbank, wo sie auch stehen mag, übt auf Alle, die ihr nahe kommen, einen Einfluß, den kein Physiolog zu berechnen und zu erklären vermag. Die Wirkung ist unausbleiblich, verhängnißvoll.

Oefters haben wir Gelegenheit gehabt, diese Metamorphose zu beobachten, die wohl auch in der antiken Welt vorgekommen sein muß, wenn auch Ovid in seinem berühmten Werk sie nicht anführt, und immer hat sie uns den Eindruck des Wunderbaren gemacht. Wie ein Zauber, rasch, überwältigend, vollzog die neue Atmosphäre die Umwandlung. Von Zugeständniß zu Zugeständniß drängen die neuen Nothwendigkeiten den politischen Grundsatz, und ehe man sich’s versieht, haben sie einen Eiferer in einen füg- und dehnbaren Unterhändler umgewandelt, der mit seinem Gewissen diplomatische Noten wechselt.

Den Anhängern und Gesinnungsgenossen Berger’s ist es schmerzlich, daß der demokratische Vorkämpfer sich zum fünften Rad am Staatswagen habe machen lassen und ein Ministerium ohne Portefeuille angenommen habe, das nicht einmal eine bestimmte Thätigkeit in Anspruch nimmt und auch nicht einmal den Vorwand gestattet, daß man seine Kraft dem Dienste des Vaterlandes zu widmen sich verpflichtet glaubt. Weil Herr von Beust es darauf abgesehen, meinen diese Freunde von ehemals, die Opposition im Reichsrath durch Entziehung der besten Kräfte zu vernichten, und die Ernennung eines Ministers ohne Portefeuille diese Absicht deutlich genug verrieth, hätte Berger seinen Ruhm darein setzen sollen, auf seinem Platz zur Linken im Reichsrath zu bleiben. Für den Ehrgeiz eines Menschen sei es mindestens eine eben so große Genugthuung, einen hohen Posten auszuschlagen als anzunehmen, der Erste in einer Partei als der Letzte in einem Cabinet zu sein. Dem verständigen Doctor könne es nicht unbekannt sein, daß er weder bei Hofe, noch auch bei seinen Collegen eine beliebte Persönlichkeit war und daß, wenn diese auf seiner Ernennung zum Minister ohne bestimmtes Fach bestanden, ihnen kein anderer Zweck vorschwebte, als die Beseitigung eines lästigen Gegners. War es nicht eben so recht als klug und im Interesse der Freiheit, diesen Gefallen zu verweigern und auf den Titel „Excellenz“ freiwillig zu verzichten?

Durch ihre Haltung in der Wehrfrage haben die Minister im Allgemeinen und Berger in’s Besondere bei der öffentlichen Meinung sich viel vergeben. Das Capital, welches auf militärischen Aufwand verwendet wird, hat sich als so schlecht angelegt erwiesen, daß man geneigt ist, die Sicherheit des Reiches in jeder anderen Entwickelung eher als in der Heeresmacht zu suchen. Man mußte also die Ueberspannung der Wehrkraft des Landes als einen Fehlgriff ansehen. Zur Entschuldigung der Minister konnte man nicht einmal denken, daß sie, ihrer Ueberzeugung folgend, sich irrten. Im Gegentheil, man wußte sehr wohl, daß Niemand mehr von der Fruchtlosigkeit dieser Ueberlastung des Landes durchdrungen sei, als eben die Herren am Ruder.

Durch die Annahme des Ordens hat Bergcr wohl für immer mit der Partei gebrochen, die trotz mancher Fehltritte seinerseits nicht aufgehört hat, auf ihn zu zählen. Wenn ein Umschwung der Verhältnisse Herrn Berger von der Gewalt entfernt, wird er vielleicht zu seinem Verdruß gewahr werden, daß er trotz Rang, Titel und Auszeichnung in der Gesellschaft wie ein Verlassener dasteht, zwischen dem aufgebrachten und dem unversöhnten Elemente. Berger zählt nun dreiundfünfzig Jahre, und wenn nicht ein hartnäckiges Halsleiden seine Thätigkeit hinderte, so wäre es keine Frage, daß von seinem geistigen Vermögen und seiner rednerischen Begabung noch Erhebliches zu erwarten stände; in welchem Sinne, mag freilich dahingestellt bleiben.

Die Revolution von 1848 hat ihn auf einem Lehrstuhl der adeligen Anstalt „Theresianum“ gefunden, wo er Natur- und Criminalrecht vortrug; sie hat ihn liebevoll emporgetragen zum Capitol. Schade, daß er nicht immer dankbar ist! Der Besitz eines beträchtlichen Vermögens hat Berger die vollkommenste Unabhängigkeit gesichert; in Momenten körperlicher Erschlaffung spricht er von seinem Entschlusse, sich aus dem Getriebe der Welt in ein abgesondertes beschauliches Leben auf einem Landgute zurückzuziehen. Indessen die Lockungen des Einflusses, des regen Verkehrs, der glänzenden Laufbahn bringen ihn wieder auf andere Gedanken. Er bleibt und fährt fort, den Duft der Hofsphäre, die Süßigkeiten der Gewalt zu trinken. Ob dieser Doppelgenuß der Gesundheit des Ministers zuträglich, muß ärztlicher Entscheidung überlassen bleiben; daß aber Berger in seiner amtlichen Stellung zu keiner nützlichen Thätigkeit kommt, ist eben so ausgemacht wie die Abnahme seiner Popularität. Wir bedauern aufrichtig, daß eine so tüchtige Kraft von der rechten Bahn sich hat ablenken lassen.

Zur Ergänzung dieser Umrisse des emporgekommenen Mannes müssen wir eines Vorfalls erwähnen, der vor einigen Jahren großes Geräusch verursacht hat. Bei der Wahl der Abgeordneten für den Reichsrath in den Landtagen standen Berger und Schuselka als Bewerber um die Auszeichnung einander gegenüber; die größere Aussicht auf Erfolg hatte der Publicist, dessen Name damals ein hochgefeierter war, obgleich er an geistiger Bedeutung in keiner Weise mit dem Rivalen sich messen konnte noch kann. Unter diesen Umständen ist es geschehen, daß Berger in seiner Eigenschaft als Advocat die Einlösung von Wechseln, welche von Schuselka unterzeichnet waren, zu betreiben hatte und, da die Deckung unterblieb, gerichtlich auf Schuldenhaft antrug. Nun brach der öffentliche Unwille gegen den armen Berger los. Wer eine Kehle hatte, schrie Zeter ob solcher Unthat; wer nur eine Galle hatte, der wüthete gegen den Verfolger. Die Jugend der hohen Schule benutzte den schüchternen Anbruch der Freiheit zu einer Katzenmusik, mit welcher sie zur allgemeinen Genugthuung den Gegner des Herrn Schuselka bewirthete. Berger war seit damals eine mißliebige Persönlichkeit in Wien, allein Herr Schuselka vermochte nicht, sich auf der Höhe des Ruhmes zu erhalten, zu der ihn ein aufflackernder Volksenthusiasmus emporgehoben, und je mehr sein Glanz erlosch, desto leichter wurde es dem Advocaten Berger, das verlorene Ansehen wieder zu gewinnen. Wer weiß übrigens nicht, wie rasch die Menge vergißt, wie gern sie verzeiht! Auch geben wir die Hoffnung nicht auf, daß Berger Gelegenheit finden werde, von der öffentlichen Meinung Ablaß für kleine Sünden zu erlangen und seine Liebe zur Freiheit und zum Fortschritt trotz alledem und alledem zu bewähren.