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Organisations-Urkunde und Statuten der Rechtsschule zu Wetzlar

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Textdaten
Autor: Karl Theodor von Dalberg (formaler Urheber als Landesherr)
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Titel: Organisations-Urkunde und Statuten der Rechtsschule zu Wetzlar
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aus: Bayer. HStAM, Füstentum Regensburg Konsistorium 21
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Erscheinungsdatum: 1808
Verlag: akademische Buchhandlung (wahrscheinlich aus der "Wincklerischen" Buchhandel und Buchdruckerei)
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Erscheinungsort: Wetzlar
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Einleitung zur Rechtsschule Wetzlar

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Dass auch in dieser Stadt an der Lahn einmal eine Hochschule angesiedelt war, ist heute weitgehend unbekannt. Das macht die hier wiedergegebene Quelle mit ihrer Geschichte umso interessanter. Zur Gründung der Rechtsschule in Wetzlar haben zwei Faktoren maßgeblich beigetragen, die Auflösung des Reichskammergerichts und das weitreichende Bildungsprogramm des Fürstenprimas Karl Theodor von Dalberg.

Dalberg, der letzte geistliche Kurfürst, war durch den Reichdeputationshauptschluss Landesherr der vormaligen Reichsstadt Wetzlar geworden, die im Status einer Grafschaft einen Bestandteil des kurerzkanzlerischen resp. ab 1806 fürstprimatischen Staates ausmachte. Seine Politik orientierte sich in vielen Bereichen an den Werten der Aufklärung, davon zeugen unter anderem die zahlreichen während seiner Regentschaft entstanden Bildungsreinrichtungen. Neben der Rechtsschule in Wetzlar wurden im Dalberg-Staat noch in Aschaffenburg und Frankfurt weitere Universitäten eingeweiht. In Aschaffenburg entstand eine großherzogliche Landesuniversität mit einem breiten Studienangebot. Die Aschaffenburger Karls-Universität (circa 70 Studenten) besaß neben einer juristischen Fakultät auch eine katholische-theologische, kulturwissenschaftliche sowie eine forstwissenschaftliche. Die Professoren kamen vorwiegend von der Mainzer Universität, die im Zuge der französischen Besatzung aufgelöst worden war.[1] In Frankfurt waren es vor allem die Standortfaktoren einer Großstadt, wie bedeutende Krankenhäuser, Botanischer Garten, Mineralienkabinett, die 1812 zur Einrichtung einer medizinischen Fakultät führten. Nach gerade einmal zwei Jahren war das Hochschulexperiment der Medizinhochschule, Lyceum Carolinum, wieder aufgehoben, nachdem Frankfurt zu einer Freien Stadt wurde, einem Stadtstaat im Deutschen Bund.

Das Reichskammergericht, das über 11 Jahrzehnte (1689-1806) in Wetzlar ansässig war, hatte maßgeblich die Stadt geprägt. Kurz vor dessen Auflösung im Jahr 1806 zählte Wetzlar gerade einmal 4200 Einwohner, wovon allein 900 zum Gerichtspersonal zählten, dazu kamen etwa 60 Anwälte und Notare.[2] Somit hing jeder vierte Arbeitsplatz direkt mit dem Gericht zusammen. Da viele dieser Stellen überdurchschnittlich hoch bezahlt wurden, trug der Gerichtshof maßgeblich zu einer erhöhten Kaufkraft in der Stadt bei, wovon besonders deren Handwerker und Krämer profitierten.[3] Die Tätigkeit des Reichskammergericht gab der Kleinstadt außerdem eine überregionale Bedeutung und zog eine Vielzahl von Fremden an wie beispielsweise Kommissionen, die die bis zu Jahre dauernden Prozesse begleiteten. Die plötzliche Auflösung bedeutete für die Gerichtsbeschäftigten den Verlust ihres Einkommens und für die viele Dienstleister der Stadt und Umgebung den Einbruch ihres Absatzmarktes.[4] Der Wetzlarer Stadtrat wandte sich hilfesuchend an den Landesherrn. Doch anstatt das Rheinische Bundesgericht (das faktisch niemals in Tätigkeit kam) nach Wetzlar zu verlegen, wie es der Stadtrat vorgeschlagen hatte, veranlasste Dalberg die Gründung einer Rechtsschule, dessen ferierlich Eröffnuam 4. November 1808 im Gbeäude des ehemaligen Jesuitenkollegs stattfand.[5] Die Mittel, die bei einer Hochschulgründung den meisten Aufwand in der Beschaffung bedeuteten, waren schließlich schon vorhanden. Das Professorium konnte aus den ehemaligen Richtern und Anwälten (Procuratoren und Advocaten) gestellt werden. Die Rechtsschule besaß 6 ordentliche Professoren, die alle aus den ehemalige Mitarbeitern des Reichskammergerichts rekrutiert wurden.[6] Die ehemaligen Angestellten des Reichskammergerichts erhielten in den Jahren nach der Auflösung außerdem keine finanzielle Unterstützung von staatlicher Seite.[7] Die Gebäude mit ihren Räumlichkeiten waren ebenso bereits vorhanden. Auch an Lehrmaterial gab es kaum einen Mangel. Das Gericht verfügte über eine entsprechende juristische Fachbibliothek. Um der Hochschule mehr Bedeutung zu verleihen, erließ Dalberg ein Edikt, nach dem alle Richter in seinen Landen ein Lizentiat in Wetzlar erworben haben sollten. Der Historiker Magnus Biermer geht davon aus, dass die Rechtsschule in Wetzlar nicht nur ein Promotionsrecht innehatte, sondern dass dieses auch rege genutzt wurde.

Ein Problem, mit dem die Rechtsschule von Anfang an zu kämpfen hatte, war die geringe Nachfrage. Da der Großteil der Akten verschollen ist, auch im Stadtarchiv lässt sich kaum etwas über dieses Hochschulexperiment finden, ist die genau Anzahl an Studenten über die Jahre schwer zu beziffern. Schätzungen gehen davon aus, dass um das Jahre 1809 etwa 30 Personen eingeschrieben waren, wonach ein Professor gerade mal fünf Studenten zu betreuen hatte.[8]

Früheres Haus der Familie Abel in Wetzlar
Zu den prominenten Absolventen der Rechtshochschule gehört beispielsweise Karl von Abel, der später Finanz- und Innenminister Bayerns, dessen Vater zuvor als Richter am Reichskammergericht tätig war und danach eine Professorenstelle an der Rechtsschule innehatte.[9] Dieser Fall steht exemplarisch, nicht nur für den Wechsel der Tätigkeit, vom Richter zum Dozenten, sondern zeigt auch das Umfeld, aus dem der Großteil der Studentenschaft stammte, nämlich aus dem direkten Umfeld des ehemaligen Reichskammergericht und nicht, wie man erwarten könnte, aus dem Stadtbürgertum.[10]

Die wenigen Professoren und paar dutzend Studenten der Hochschule konnten jedenfalls nicht annährend einen Ersatz für das Reichkammergericht bieten. Die Rechtsschule überlebte zwar noch das Ende des Dalberg-Staats (Staat des Fürstenprimas 1803-13) um ein paar Jahre, allerdings nur formell, ohne Studenten. Der Lehrbetrieb wurde bereits 1813 eingestellt. [11] Nach der Niederlage Napoleons 1813, die auch das Ende der Herrschaft Dalbergs einleitete, wurden die Territorien der Fürsten unter eine Art Zentralverwaltung gestellt. Nach dem Wiener Kongress 1816 wurde Wetzlar zu einer preußischen Exklave. Durch eine königlich-preußische Kabinettsorder kam 1816 der Beschluss, der die Rechtsschuleganz offiziell aufgelöst.

Das Dokument selbst kommt aller Wahrscheinlichkeit nach aus der "Wincklerischen" Buchhandel und Buchdruckerei, benannt nach Georg Ernst Winckler (1656-1728), der durch die Niederlassung des Reichskammergericht nach Wetzlar zog und dort ein florierendes Geschäft aufbaute. Eines der bekanntesten Gebäude Wetzlars, das Jerusalemhaus, ließ er als sein Wohnhaus bauen. Im Hinterhof befand sich die Druckerei.[12]

Einzelnachweise

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  1. Mathy, Helmut: Als Mainz Französisch war. Neuwied 1968. S. 21.
  2. Biermer, M. (1903): Die Rechtsschule in Wetzlar- Ein Beitrag zur deutschen Universitätsgeschichte., in: Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins Gießen. Band. 12 (1903), S. 109.
  3. Irene Jung: Wetzlar: Eine kleine Stadtgeschichte. Erfurt, 2010. S. 84.
  4. Hahn, Hans Werner (1991): Altständisches Bürgertum zwischen Beharrung und Wandel- Wetzlar zwischen 1689-1870, in: Gall, Lothar (Hrsg.):Stadt und Bürgertum, Band 2, München 1991, S. 222-223.
  5. Dölmeyer, Babara (2016): Die Rechtschule in Wetzlar (1808-1816), in: Geschichts- und Kunstverein Aschaffenburg e.V. durch Fußbahn, Heinrich (Hrsg.): Aschaffenburger Jahrbuch - für Geschichte, Landeskunde und Kunst des Untermaingebietes 31 (2016), S. 237–278, hier: S. 242.
  6. Herbert Hömig: Karl-Theodor von Dalberg. Staatsmann und Kirchenfürst im Schatten Napoleons. Paderborn, 2011. S. 495.
  7. Biermer 1903 S. 109.
  8. Herbert Hömig: Karl-Theodor von Dalberg. Staatsmann und Kirchenfürst im Schatten Napoleons. Paderborn, 2011. S. 495.
  9. Goetz, Walter, "Abel, Karl von" in: Neue Deutsche Biographie 1 (1953), S. 9-10 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11914543X.html#ndbcontent (Abrufdatum 01.03.2021.
  10. Hahn (1991) S. 80-81.
  11. Dölemeyer (2016) S. 237–278, hier: 243.
  12. Hahn (1991) S. 75, 190.

Editionsrichtlinien

[Bearbeiten]
  • Klein- und Großschreibung wurden übernommen.
  • Rechtschreibung und Zeichensetzung wurden ebenfalls originalgetreu beibehalten.




[1]


Organisations-Urkunde


und


Statuten


der


Rechtsschule zu Wezlar.





Wezlar,
in der akademischen Buchhandlung.
1808.

[2]
Wir Carl von Gottes Gnaden des heiligen Stuhls zu Regenspurg Erzbischof und Primas, der rheinischen Konföderation Fürst Primas, souverainer Fürst und Herr zu Regenspurg, Aschaffenburg, Frankfurt und Wezlar &c. &c.

Wir haben bereits durch Unser Patent vom 7. Juli laufenden Jahrs Unsern Willen zur Begründung einer neuen Rechtsschule in Wezlar erklärt. Nebst dem Zwecke zur Beförderung des Studiums der Rechtswissenschaften, haben Wir durch die Errichtung dieser neuen Rechtsschule auch für Unsere gute Stadt Wezlar, auf deren Wohlstand die Auflösung des ehemaligen Reichskammergerichts nachtheilige Folgen erzeugen mußte, die Erhaltung ihres Wohlstandes und zeitherigen Flors für die Rechtswissenschaften, so viel an Uns liegt, beabsichtet. In dieser Absicht haben Wir bereits mehrere Lehrer mit Gehalten ernannt, und behalten Uns vor, in sofern es die Aufnahme dieser Rechtsschule erfordern sollte, die Zahl derselben noch zu vermehren.

Wir finden nun für nöthig, die Einrichtung dieser neuen Rechtsschule durch folgende Vorschriften näher zu bestimmen.



[4]

I. Allgemeine Bestimmungen.

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§. 1.
Die Rechtsschule zu Wezlar ist in Ansehung ihrer innern Verwaltung Uns und Unserm Ministerium unmittelbar untergeordnet.
§. 2.
Dieselbe bildet 1) eine Lehranstalt, und 2) ein Spruch=Collegium, in Fällen, wo ihre rechtliche Entscheidung begehrt wird.
§. 3.
Sämmtliche Mitglieder der Rechtsschule geniessen den privilegirten Gerichtsstand, so lange derselbe von Uns in Unsern Landen noch beibehalten wird.
§. 4.
In Fällen der peinlichen Gerichtsbarkeit tritt der allgemeine Gerichtsstand ein; dahingegen bildet das Rechts=Collegium den Gerichtsstand für Disciplinarsachen nach den unten §. 47. u. f. bestimmten Vorschriften.
§. 5.
Zur Bestreitung der durch die Rechtsschule veranlaßten Kosten haben Wir einen Theil der Steuer=Revenüen zu Wezlar bestimmt, und werden diesen Fond, theils aus den Steuer=Revenüen, je nachdem die auf der Steuer=Einnahme zu Wezlar haftende Lasten sich
[5] vermindern, theils durch andere Zuflüsse zu vermehren suchen.
§. 6.
Zum Lokale für die Rechtsschule bestimmen Wir einen Theil des Erjesuitengebäudes, welches von dem Erjesuitenfonde unterhalten wird.
§. 7.
Das erforderliche Brandholz zur Heizung der Lehrsäle, wird aus dem zu den öffentlichen Bedürfnissen in Wezlar bestimmten Holzmagazine abgegeben, und das Bedürfniß der Rechtsschule wird in den jährlichen Etat des öffentlichen Brandholzbedürfnisses gebracht.
§. 8.
Wir haben zugleich die Errichtung einer öffentlichen Bibliothek aus den zu Wezlar bereits befindlichen Büchersammlungen zum Gebrauche der Rechtsschule verordnet, und werden auf Vermehrung dieser Bibliothek vorzüglichen Bedacht nehmen.
§. 9.
Wir bewilligen der Rechtsschule zu Wezlar ein Siegel mit Unserm Landeswappen, und der Umschrift: „Siegel der Rechtsschule zu Wezlar.“
§. 10.
Das Personale der Rechtsschule soll aus einem ständigen Direktor, welcher den Titel Kurator führt, den Lehrern, einem Sekretair und einem Pedellen bestehen.


[6]

II. Besondere Bestimmungen

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a) für die Rechtsschule, als Lehranstalt.
§. 11.
In wissenschaftlicher Hinsicht ist die Rechtsschule zu Wezlar unabhängig, und keinen andern Gesetzen unterworfen, als welche das allgemeine Staatswohl, Religion und Moralität vorschreiben.
§. 12.
Die Vorlesungen, wozu eigne Lehrer bestimmt und besoldet sind, werden öffentlich und unentgeldlich gehalten.
Eine Ausnahme tritt bey jenen Vorlesungen ein, welche
a.) entweder von einem besoldeten Lehrer ohne Nachtheil der vorgeschriebenen Gegenstände, oder
b.) von einem nicht besoldeten Lehrer zum Vortheile der Studierenden gehalten werden. — In diesen beiden Fällen ist die Beziehung eines angemessenen Honorars gestattet.
§. 13.
Die Eröffnung der Rechtsschule ist auf den 1. November laufenden Jahrs bestimmt.
§. 14.
Die Lehrkurse werden nach Semestern geordnet, wovon der Wintersemester mit dem 1. Nov. und der [7] Sommersemester mit dem 1. May seinen Anfang nimmt.
§. 15.
Zwischen den beiden Semestern treten Ferien von einem Monate ein, so, daß die Monate April und Oktober zu Ferienmonaten bestimmt sind.
§. 16.
Die Lehrer sollen sich mit dem Anfange und der Beendigung ihrer Vorlesungen so viel möglich an diese Norm binden, und die lästige Vervielfältigung der Lehrstunden am Ende der Lehrkurse zu vermeiden suchen. Fällt das Osterfest früher als im Aprilmonate, so können die Vorlesungen, insofern kein besonderes Hinderniß obwaltet, mit Ostern geschlossen werden.
§. 17.
Uebrigens werden für die Feste Weinachten und Pfingsten, so wie zur Fastnachtszeit, nur 4 Ferientage gestattet.
§. 18.
An besondern Festtagen einer oder der andern christlichen Religions=Gemeinde zu Wezlar, sollen, zur Vermeidung aller Kollisionen, die Vorlesungen gleichfalls ausgesetzt werden.
§. 19.
Die Wahl der Lehrbücher, und die Methode der Vorlesungen bleibt dem sachdienlichen Ermessen der Lehrer überlassen.


[8]
§. 20.
Noch vor Endigung jedes Semesters, sollen jedoch die Lehrer die Anzeige der im künftigen Semester zu haltenden Vorlesungen und der gewählten Lehrbücher dem Kurator schriftlich übergeben, welcher solche der Gesamtheit vorlegen, und für die Fertigung des öffentlich bekannt zu machenden Lectionen=Verzeichnisses sorgen wird.
§. 21.
Wir haben für die nothwendigsten Rechtswissenschaften bereits ordentliche Lehrstühle errichtet, und wollen, daß die hiebey angestellten Lehrer in der ersten Zeit sich den ihnen angewiesenen Fächern besonders widmen mögen. Wir können jedoch in der Folge geschehen lassen, daß unter den Lehrern selbst eine Abwechselung in den verschiedenen Gegenständen der Vorlesungen eintrete, wenn der Kurator hievon vordersamst in Kenntniß gesezt seyn, und hiegegen Nichts zu erinnern finden wird.
§. 22.
Auch hoffen Wir, daß die angestellten Lehrer, nebst den ihnen zugewiesenen Fächern, Vorlesungen über andere mit der Rechtswissenschaft verwandte Gegenstände halten, und hiedurch die Ausbildung der Studierenden sowohl, als den Flor der neuen Rechtsschule nach möglichsten Kräften zu befördern suchen werden, wofür den Lehrern nach §. 12. die Beziehung eines Honorars gestattet ist.

[9]

§. 23.
Mit der Sorge für Befähigung der Rechtskandidaten in den Wissenschaften, soll die Lehranstalt auch die väterliche Vorsorge für die moralische Bildung der Studierenden übernehmen, und in dieser Hinsicht sich der nothwendigen Aufsicht befleisen.
§. 24.
Wir ertheilen Unserer Rechtsschule zu Wezlar schlüßlich die Befugniß, die akademischen Würden, im Fache der Rechtswissenschaft zu ertheilen, und werden hierüber am Schlusse dieser Verordnung noch genauere Bestimmungen geben.
b) als Spruchkollegium.
§. 25.
In der Eigenschaft als Spruchkollegium, soll die Rechtsschule zu Wezlar sich durch einsichtsvolle und unpartheyische Entscheidung in Fällen, wo auf derselben Urtheil compromittirt wird, Vertrauen zu erwerben suchen.
§. 26.
Die an die Rechtsschule, als Spruchkollegium, einkommenden Arbeiten werden von dem Kurator als Direktor zur Bearbeitung unter die Mitglieder dergestalt vertheilt, daß eine Gleichheit bey der Arbeit entstehe.
§. 27.
Jedoch soll bey dieser Vertheilung auf die Zeit,


[10] welche jedem Lehrer, nach den ihm zugewiesenen Lehrfächern, oder andern von Uns übertragenen Arbeiten, übrig bleibt, so wie auf den Gegenstand der Sache und das Fach des Lehrers Rücksicht genommen werden.

§. 28.
Die Beendigung solcher einkommenden Arbeiten soll nach Möglichkeit beschleunigt werden.
§. 29.
Die Reihe des Abstimmens bey der Rechtsschule als Spruchkollegium soll dergestalt bestimmt seyn, daß das dem Range nach jüngste Mitglied des Kollegiums zuerst, und der Direktor zulezt abstimme.
§. 30.
Die Abstimmungen werden in das Protokoll eingetragen, und die Mehrheit bestimmt den Beschluß und das Urtheil.
§. 31.
Die Sporteln und Kanzleygebühren werden nach dem Verhältnisse der Sache und nach dem bey Unsern Justizkollegien eingeführten Normen billig bestimmt, und ihr Ansatz sowohl in dem Protokolle, als auf den Vorträgen bemerkt.
§. 32.
Der Referent soll jederzeit ein Drittel der Sporteln vorausbeziehen; die übrige zwey Drittheile werden in gleichen Raten unter dem Direktor und den Mitgliedern des Spruchkollegiums vertheilt.

[11]

§. 33.
Für die Geschäftsordnung im Ganzen muß der Direktor sorgen.
§. 34.
Im Falle der Abwesenheit oder Verhinderung des Direktors besorgt das dem Range nach älteste Mitglied des Collegiums die Direktorialverrichtungen, welche bei Verhinderung des ältesten Mitglieds, auf das nächstfolgende übergehen.

III. Bestimmung der Verhältnisse und Pflichten des Personals.

[Bearbeiten]
1) Des Kurators als Direktor.
§. 35.
Das Amt des von Uns ernannten Kurators der Rechtsschule ist perpetuirlich, und keinem Wechsel unterworfen.
§. 36.
Der Kurator ist beauftragt, Unsere Verordnungen und Befehle in Ansehung der Rechtsschule in Ausführung zu bringen.
§. 37.
Ihm steht die gesammte Leitung und oberste Aufsicht der Anstalt, so wie die Einweisung sämmtlicher Mitglieder in ihrem Pflicht= und Geschäftskreis zu. Er soll über Ordnung und Handhabung der Gesetze und Statuten auf der Rechtsschule wachen.


[12]
§. 38.
Er empfängt den Handschlag der Beeidigung, und hat jedes Mitglied der Rechtsschule zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten.
§. 39.
Der Kurator präsidirt bei allen Versammlungen der Rechtsschule, und bei allen öffentlichen Handlungen.
§. 40.
Derselbe versammelt die Mitglieder der Rechtsschule so oft es nöthig ist, bringt die Gegenstände, welche die Rechtsschule betreffen, zur Deliberation der gesammten Lehrer, führt in allen Gegenständen der innern Verwaltung die erste Stimme, und zieht nach den erfolgten Abstimmungen den Beschluß.
§. 41.
In wichtigen Angelegenheiten befördert er die Vorträge des Rechts=Collegiums zur Entschliessung an Uns ein, oder erstattet selbst an Uns die erforderliche Berichte und Anfragen.
§.42.
Insbesondere soll der Kurator alle für die Rechtsschule erforderliche Ausgaben bei Uns in Vortrag bringen, und jährlich einen Bericht über den Zustand der innern Verhältnisse und Bedürfnisse der Rechtsschule an uns erstatten.

[13]

§. 43.
Unsere, die Rechtsschule betreffende Verfügungen werden jederzeit durch den Kurator der Rechtsschule bekannt gemacht.
§. 44.
Der Kurator besorgt überhaupt alle Direktorialverrichtungen, und unterzeichnet alle Ausfertigungen der Rechtsschule.
§. 45.
Er ertheilt den Studierenden die Matrikel.
§. 46.
Zur Immatrikulirung wird der Kurator ein eigenes Register halten, in welchem die Studierenden nach Vor= und Zunamen, Alter, Geburtsort und Tag der Präsentirung, mit Bemerkung ihrer Wohnung sich selbst einschreiben müssen.
§. 47.
Er untersucht und bestraft, in Hinsicht auf die studierenden Mitglieder der Rechtsschule, die minder wichtigen Disziplinarvergehungen, wobei die Strafe einen dreitägigen Arrest oder diesem gleichkommenden sonstigen Strafansatz nicht übersteigt.
§. 48.
Wichtigere Vorfälle bringt der Kurator zur Deliberation sämmtlicher Lehrer, und ernennt zur Untersuchung einen Kommissair.


[14]
§. 49.
In Untersuchungssachen, wo Mitglieder der Rechtsschule und andere bürgerliche Personen zugleich betheiligt sind, wird eine gemeinschaftliche Untersuchung mit dem Stadtamte zu Wezlar angeordnet.
§. 50.
In Fällen, wo die Vorlesungen eines oder des andern Lehrers durch legale Hindernisse auf längere Zeit unterbrochen werden, als von dem Lehrer, ohne Nachtheil der Studierenden, in der Folge wieder eingeholt werden kann, soll der Kurator für Supplirung durch einen angestellten andern Lehrer oder Suppleanten sorgen, und soll in solchen Fällen von dem verhinderten Lehrer durch Abgebung seiner Hefte die nöthige Supplirung erleichtert werden.
2) Der Lehrer.
§. 51.
Der Rang der Lehrer auf der Rechtsschule zu Wezlar ist mit dem Range Unserer Justitzräthe überhaupt in gleiches Verhältniß gesetzt, in welcher Hinsicht auch den Professoren das Prädikat als Justitzräthe beigelegt wird.
§. 52.
Der Rang unter den gegenwärtig angestellten Professoren selbst, ist bereits durch Uns bestimmt. Künftighin wird derselbe durch die Zeit der Dienstdekrete von selbst geordnet werden.

[15]

§. 53.
Uebrigens ist das Verhältniß der Lehrer unter sich auf völlige Gleichheit gegründet.
§. 54.
Die Lehrer der Rechtsschule sind im Allgemeinen verbunden, alles zu thun, wodurch der Zweck der Rechtsschule erreicht, und ihr Flor befördert wird. Wir setzen das Vertrauen auf dieselben, daß dieses der stete Zweck ihrer Bemühungen seyn werde.
§. 55.
Die Lehrer sollen ihre Vorlesungen fleißig und pünktlich halten, und, ausser den bestimmten Ferientagen, ohne legale Verhinderung solche niemals aussetzen.
§. 56.
Bey einer legalen Verhinderung soll dem Kurator der Rechtsschule hievon die Anzeige gemacht und gesorgt werden, damit unter den Studierenden keine Unordnung entstehe.
§. 57.
Wir erwarten, daß die angestellten Lehrer in den ihnen übertragenen Fächern der Rechtswissenschaft die möglichste Stufe der Vollkommenheit zu erreichen, und mit dem Geiste der Zeit stets fortzuschreiten suchen werden.
§. 58.
In den allgemeinen Organisationsgrundsätzen der


[16] Rechtsschule zu Wezlar haben Wir bereits in Ansehung des Plans und der Methode der Vorlesungen den Lehrern freye Wahl gelassen: Wir wiederholen daher nur, daß die Freiheit der Lehrer in wissenschaftlicher Hinsicht lediglich durch das allgemeine Staatswohl, Religion und Moralität beschränkt sey.

§. 59.
Während der Lehrzeit sollen die Professoren, ohne dringende Ursachen und ohne besondere Erlaubniß des Kurators, vom Sitze der Rechtsschule sich nicht entfernen.
§. 60.
Sie sollen über Fleiß und Sittlichkeit der Studierenden väterlich wachen, und nicht versäumen, sich durch Gespräche und zweckmäßige Examinaturen von dem Fleiße und Aufmerksamkeit der Studierenden zu überzeugen.
§. 61.
Bey den Prüfungen der Aspiranten zu akademischen Würden, wird den Lehrern ausdrücklich untersagt, mittelbar oder unmittelbar den Aspiranten die vorhabenden Fragen vorher zu eröffnen.
§. 62.
Als Mitglieder eines Spruchkollegiums, haben die Lehrer alle Pflichten fleißiger, unbestechlicher und unpartheyischer Richter zu erfüllen, hierdurch das allgemeine Vertrauen zu erwerben, und auf diese Art Unserer Absicht zu entsprechen.

[17]

3) Des Sekretairs.
§. 63.
Der Sekretair der Rechtsschule wohnt allen Versammlungen und Sitzungen des Rechtskollegiums bei.
§. 64.
Derselbe führt zwei Protokolle, eins für die Verwaltungsgegenstände der Rechtsschule, und ein anders für die Geschäfte der Rechtsschule als Spruchkollegium.
§. 65.
Der Sekretair besorgt alle Einträge und Ausfertigungen, unterschreibt solche mit dem Direktor, verwahrt alle Akten und Papiere, und haltet solche in Ordnung.
§. 66.
Demselben ist die Verrechnung aller bei der Rechtsschule eingehenden Gebühren übertragen, wozu er pünktliche Bücher haltet, welche er dem Kurator von Quartal zu Quartal vorlegen muß.
§. 67.
Die eingehenden Gebühren werden in einer Kasse unter doppeltem Beschlusse des Kurators und Sekretairs verwahrt. Die Rechnung wird von dem gesammten Rechtskollegium jährlich abgehört und adjoustirt.
§. 68.
Bescheidenes Betragen, anständige Verschwiegenheit


[18] und pünktliche Besorgung aller der von dem Kurator ihm übertragenen Geschäfte werden seiner Diensterfüllung unentbehrlich seyn.

§. 69.
So lange Wir die Stelle eines Sekretairs nicht bestimmt besetzen, bleibt die Wahl und provisorische Besetzung dem Rechtskollegium selbst überlassen, und geschieht die Vergütung nach Maasgabe der Arbeit des Sekretairs aus den eingehenden Kanzleygebühren.
4) Des Pedellen.
§. 70.
Die Anstellung des Pedellen, in der Person eines treuen und rechtschaffenen Mannes, und dessen Verpflichtung wird dem Kurator übertragen.
§. 71.
Derselbe sorgt für Reinlichkeit der Lehrsäle und des ganzen für die Rechtsschule bestimmten Lokals, so wie auch für anständige Ordnung während der Lehrstunden und bei öffentlichen Handlungen.
§. 72.
Derselbe soll die ihm zukommende Aufträge pünktlich besorgen, auf Weisung des Kurators die Versammlungen ansagen, während der Sitzungen des Rechtskollegs die Aufwartung besorgen, die erforderlichen Citationen vornehmen, und überhaupt alle die in Ansehung der Vorlesungen und öffentlichen Handlungen erforderliche Dienerdienste leisten.

[19]

§. 73.
Derselbe vollziehet zugleich die etwa dictirten Arreststrafen, nach den ihm zukommenden Vorschriften.
§. 74.
Die ihm zukommenden Gebühren bestimmt die Gebührenordnung der Rechtsschule.

IV. Bestimmung der Verhältnisse in Ansehung der Studierenden.

[Bearbeiten]
§. 75.
Die Bedingungen, unter welcher eine Person die Vorrechte eines akademischen Bürgers auf der Rechtsschule zu Wezlar erhält, ist die Immatrikulirung.
§. 76.
Wer den Matrikel verlangt, hat sich zuvor über sein Wohlverhalten an seinem Wohnorte oder letzterm Studierorte durch Zeugnisse zu legitimiren.
§. 77.
Er muß sich vor der Einschreibung zu guter Ordnung, Fleiß, sittlichem Betragen, Achtung gegen den Kurator und die Lehrer, Gehorsam gegen die Landesgesetze und die Statuten der Rechtsschule, so wie gegen die Obrigkeit und öffentliche Diener, durch Handgelöbniß an Eidesstatt verpflichten.


[20]
§. 78.
Die Matrikel wird von dem Kurator der Rechtsschule ertheilt.
§. 79.
Die Matrikel muß in der Regel innerhalb der ersten acht Tagen nach Beziehung der Rechtsschule, nachgesucht werden.
§. 80.
Hat der Neuangekommene dies versäumt, so untersucht der Kurator die Veranlassung und Gründe dieser Versäumniß, und bestimmt nach den Umständen, ob die Matrikel ertheilt, verweigert, oder etwa nur gegen höhere Gebühren ertheilt werden soll.
§. 81.
Die Gebühren der Immatrikulirung bestimmt die Gebührenordnung der Rechtsschule.
§. 82.
Das akademische Bürgerrecht hört auf,
1) durch die Verlassung der Rechtsschule, —
2) wenn der Studierende länger als ein halbes Jahr keine Vorlesungen besucht hat, ohne diese Zeit zur Prüfung oder Erhaltung einer akademischen Würde zu verwenden, —
3) durch die Strafe der Relegation oder gelinderen Wegweisung von der Rechtsschule.

[21]

§. 83.
Vorrechte der Studierenden sind:
1) der Genuß eines privilegirten Gerichtsstandes, —
2) die Erlaubniß, die bestimmten öffentlichen Vorlesungen unentgeltlich zu besuchen, —
3) der Gebrauch der öffentlichen Bibliothek.
§. 84.
In Disziplinarsachen stehen die Studierenden unter dem Kurator und der Gesammtheit der Lehrer, dem akademischen Senate, so zwar, daß wenn 3tägige Arreststrafe oder gelindere Strafen aufgelegt werden, jener allein, in wichtigern Fällen dahingegen nur in Verbindung mit diesem zu verfügen hat.
§. 85.
Wer von dem Kurator oder der Gesammtheit der Lehrer vorgeladen wird, muß zur bestimmten Zeit und am bestimmten Ort erscheinen. Wer der geschehenen Ladung nicht Folge leistet, oder durch Anführung triftiger Gründe eine Abänderung derselben nicht bewirkt, wird das erstemal mit eintägiger, in der Folge mit verschärfter Arreststrafe belegt.
§. 86.
Derjenige, welchem Stadt= Haus= oder Stubenarrest aufgelegt ist, soll, wenn er diesem Befehle zuwider handelt, wenigstens mit dreitägiger Arreststrafe belegt werden.


[22]
§. 87.
Glaubt sich ein Studierender durch eine bedeutende Verfügung des Kurators oder des akademischen Senats beschwert, so steht ihm die Berufung an Uns oder Unser Ministerium offen. Diese Berufung hat jedoch bei einer verfügten Relegation oder gelindern Wegweisung insofern solche einstimmig vom Senate erkannt worden, keinen Suspensiveffect. Eine Berufung bewirkt jederzeit Schärfung der Strafe, wenn die Beschwerde frivol befunden wird.
§. 88.
Das Wohl der Rechtsschule erfordert, daß Fleiß, Sittlichkeit und Ordnung auf derselben überall herrsche.
§. 89.
In den Vorlesungen sind alle Beifalls= oder Misfallsbezeugungen den Zuhörern untersagt.
§. 90.
Wer die Vorlesungen nicht gehörig besucht, soll vom Lehrer dem Kurator angezeigt, von diesem vorgefordert, seiner Pflichten erinnert, und wegen seines Unfleißes bestraft werden. Bleibt die Warnung und Züchtigung fruchtlos, so ist die Strafe zu verdoppeln. Unverbesserlich Träge sind von der Rechtsschule zu entfernen.
§. 91.
Vergehen gegen die gute Sitten und öffentliche Ruhe werden nach den obwaltenden Umständen bestraft.

[23]

Es soll hierbey nicht allein auf den vorliegenden Fall, sondern auch auf den Fleiß und das bisherige Betragen des Schuldigen Rücksicht genommen werden.

§. 92.
Alle Beleidigungen der Studierenden gegen einander und derselben gegen Bürger sind schärfstens verboten. Ist ein Studierender der beleidigte Theil, so darf er sich auf keine Weise selbst Genugthuung verschaffen, sondern muß die Sache bei der Obrigkeit des Beleidigenden anzeigen.
§. 93.
Wer diesem Gesetze zuwider handelt, so wie alle, welche sich bei einem Zweikampfe thätig zeigen oder Zuschauer abgeben, werden nach den Umständen scharf bestraft.
§. 94.
Alle Verbindungen unter den Studierenden, wodurch sich ihre Mitglieder ein besonderes Ansehen oder einen stärkern Einfluß auf ihre akademischen Mitbürger zu verschaffen suchen, sind verboten.
§. 95.
Die Stifter, Werber und Vorgesezte einer solchen Verbindung — was sie auch immer für einen Namen haben mögen — sollen ohne Nachsicht mit der Relegation bestraft werden. Den übrigen Mitgliedern ist eine nach den besondern Verhältnissen zu bestimmende Strafe aufzulegen.


[24]
§. 96.
In allen Nichtdisziplinar=Sachen sind die Studierenden den öffentlichen und Privat=Gesetzen des Landes und der ordentlichen Obrigkeit, unter welcher sie als Ehrenbürger stehen, unterworfen.
§. 97.
In Hinsicht auf Schulden, macht die Unerfahrenheit und Leichtsinn mancher jungen Leute eine besondere Verfügung nothwendig. Auf einige Arten von Schuldforderungen findet der Borg unbedingt, auf andere nur bis zu einer bestimmten Summe, auf die übrigen gar nicht statt.
§. 98.
In die Reihe der ersten Art gehören:
1) die Honorarien für Privatvorlesungen, Sprach=und andere Lehrer;
2) die Honorarien für Aerzte und Wundärzte, nebst den Forderungen für Arzneyen;
3) Forderungen für Kost und Wohnung;
4) desgleichen für die nöthige Lehrbücher nebst Buchbinderlohn.
§. 99.
Zur zweiten Art, wo der Borg nur bedingt auf eine gewisse Summe statt haben soll, werden gezählt:
1) Forderungen für Bücher, welche zwar zum Rechtsfache gehören, aber nicht nothwendige Lehrbücher sind, bis auf 25 fl.

[25] für Buchbinderlohn — 5 fl.

2) für Schreibmaterialien bis auf 5 fl.
3) für Kaufmannswaaren, die zur Kleidung dienen — 30 fl.
4) für Schneider= und Schumacherlohn bis zu — 15 fl.
5) Wäscherlohn bis zu 5 fl.
6) für Eßwaaren und Getränke bis zu 5 fl.
§. 100.
Wer einem Studierenden für andere Gegenstände oder über die bestimmte Summe borgt, hat darauf keine Klage.
§. 101.
Nach Verlaufe von drei Monaten nach contrahirter Schuld findet keine Klage mehr statt, und müssen dergleichen Klagen in jedem Falle vor dem Ende des Semesters angebracht werden, in welchem die Schuld kontrahirt worden ist.
§. 102
Anleihen an Studierende, besonders auf Pfänder, sind durchaus verboten. Der Gläubiger hat nicht allein keine Klage, sondern ist auch schuldig, das Pfand oder den zu beweisenden Werth herauszugeben, und wird der Polizeibehörde zur Bestrafung angezeigt.
§. 103.
Sämtliche das Schuldenwesen betreffende Verfügungen


[26] sind nur von den Fällen zu verstehen, wo der Studierende ohne der Eltern und Vormünder besonderes Wissen borgte. Haben diese ihren Sohn oder Pflegbefohlnen an einen Gläubiger verwiesen, um Geld oder Waaren auf Rechnung zu nehmen, so findet gegen den Studierenden keine Strafe oder Arrest statt, wohl aber sind die Eltern oder Vormünder zur Zahlung pflichtig.

§. 104.
Vorstehende gesetzliche Normen sollen jedem Studierenden bei der Immatrikulirung mitgetheilt, durch die Wochenblätter zur allgemeinen Kenntniß gebracht, und von Unsern Gerichtsstellen zur Richtschnur ihrer Erkenntnisse und Verfügungen gemacht werden.


V. Bestimmungen in Hinsicht auf Ertheilung der akademischen Würden.

[Bearbeiten]
§. 105.
Wir haben oben bereits der Rechtsschule zu Wezlar die Befugniß gestattet, akademische Würden im Rechtsfache zu ertheilen. Wir setzen hiebei nach dem Beispiele anderer Rechtsschulen drei Grade fest, nemlich: das Bakkalaureat, Lizentiat und Doktorat.
§. 106.
Der erste Grad, das Bakkalaureat, wird dadurch erworben, wenn ein Rechtskandidat, welcher bereits die Vorlesungen mehrerer Rechtsfächer gehört, sich zur [27] Prüfung sistirt, und seine Fähigkeiten in einem hiezu angeordneten Examen erprobt.
Die Kosten bei Ertheilung dieses Grades für Examen, Gebühren an die Bibliothek, Kanzlei und Pedellen, sollen nicht über 25 fl. steigen.
§. 107.
Der zweite Grad, die Würde eines Lizentiaten, wird erworben, wenn der Aspirant nach vollständigem Besuche der Vorlesungen in den nöthigen Rechtswissenschaften, entweder zu Wezlar oder auf irgend einer andern Rechtsschule, sich zur Prüfung sistirt, in allen Theilen der Rechtswissenschaft fähig befunden worden, und diese Befähigung durch eine öffentliche Vertheidigung rechtlicher Lehrsätze erprobt hat.
Die hiezu erforderliche Kosten sollen die Summe von 100 fl. nicht übersteigen.
§. 108.
Der dritte und höchste Grad, die Würde eines Doktors der Rechte, wird unter Voraussetzung der beiden erstern Grade, durch Verfassung und öffentliche Vertheidigung einer Abhandlung über eine wichtige Rechtsmaterie erworben, welcher die feierliche Promotion zur Doktors=Würde folgt. Die Kosten zur Gelangung dieser Würde sollen, mit Inbegriff der ersteren Grade, jedoch ohne die Druckkosten der Abhandlung, die Summe von 150 fl. nicht übersteigen.


[28]
§. 109.
Wenn der Aspirant auf einmal zur höchsten akademischen Würde gelangen will, so muß derselbe in zweien Prüfungen, sodann durch Abfassung und öffentliche Vertheidigung einer Abhandlung zur Erlangung der vorgeschriebenen drei Graden sich fähig gezeigt haben.
§. 110.
Die Ertheilung der akademischen Würden hat nur unter obigen Bedingungen statt, und kann in keinem Falle an abwesende Personen durch Ausfertigung eines Diploms ertheilt werden.
§. 111.
Jeder Aspirant zu einer akademischen Würde, muß sich zuerst persönlich bei dem Direktor der Rechtsschule melden, welcher hierauf sämmtliche Lehrer der Rechtsschule versammlen, und das Gesuch vortragen wird.
§. 112.
In dieser Versammlung muß der Aspirant die Zeugnisse über fleißige Besuchung der Vorlesungen über die vorzüglichsten Rechtswissenschaften, entweder auf der Rechtsschule zu Wezlar oder auf einer andern Rechtsschule, so wie das Zeugniß guter Moralität auf den Akademien, wo er diese Vorlesungen besucht, vorlegen. Wenn sodann gegen die Zulassung zum Examen nichts zu erinnern ist, so wird der Tag hiezu anberaumt.

[29]

§. 113.
Sollte der Aspirant zur Lizentiaten= oder Doktorwürde in der Prüfung selbst nicht bestehen, so muß derselbe entwedr abgewiesen, oder ihm zur bessern Befähigung ein Zeitfrist gegönnet, und dann ein zweites Examen anberaumt werden. In diesem Falle werden doppelte Examinatur=Gebühren entrichtet.
§. 114.
Ist der Aspiant bei den ersten Prüfungen für fähig befunden woden, zur Lizentiaten= oder Doktorwürde zu gelange, so sollen die Anstalten zur öffentlichen Handlung zwar mit Anstand, jedoch mit möglichster Ersparniß getroffen werden.
§. 115.
Die Ertheilung der akademischen Würden selbst, und die Ausfertigung der Diplomen geschieht in Unserm Namen.
§. 116.
Die Würde eines Doktors der Rechte soll zugleich die Berechtigung zu öffentlichen Vorlesungen und zur Stelle eines Supplenten auf Unsern Rechtsschulen ertheilen, und Wir verfügen, daß künftighin von allen Aspiranten zu Achterstellen und Advokaturen in Unserm Lande wenigstens die Würde eines Lizentiaten vorher erworben worden seyn müsse.


[30]

§. 117.
Wir befehlen allen obrigkeitlichen Behörden Unsers Landes, vorstehende Statuten in vorkommenden Fällen zu handhaben, und als gesetzliche Verfügungen, woran Unser Wille geschieht, zu betrachten.

Gegeben Frankfurt am 27. September 1808.


Carl Fürst Primas. 




Für 

gleichlautenden Abdruck:     
Der Kurator der Rechtsschule.

v. Mulzer.[WS 1] 



Anmerkungen (Wikisource)

  1. August Adam Joseph Freiherr von Mulzer (1772–1831). Direktor der Grafschaft Wetzlar (Bezeichnung der ehem. Reichsstadt im Verbund des Dalbergstaates). Zugleich Vorstand des Appellations- und Kriminalgerichts. Vgl. Neuer Nekrolog der Deutschen, Band 9, Ilmenau 1833, S. S. 1012–1018..