Predigt beim 25jährigen Jubiläum des Vereins für innere Mission in Nürnberg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Hermann von Bezzel
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Predigt beim 25jährigen Jubiläum des Vereins für innere Mission in Nürnberg
Untertitel: gehalten in der Heilig-Geistkirche
aus: Vorlage:none
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: ca. 1912
Verlag: Verlag der Buchhandlung des Vereins für innere Mission
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Nürnberg
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


|
Predigt
beim
25jährigen Jubiläum des Vereins für innere Mission in Nürnberg


gehalten


in der Heilig-Geistkirche


von


Oberkonsistorialpräsident D. Dr. v. Bezzel.




[Verlag] der Buchhandlung des Vereins für innere Mission
Nürnberg, Ebnersgasse 10.


|
Gnade sei mit Euch und Friede von dem, der
da ist und der da war und der da kommt. Amen.
Alles was aus Gott geboren ist, überwindet die
Welt. (1. Johannes 5, Vers 4.) 


 In unsere Mitte tritt, um die Feier zu heiligen und der Festweise den rechten Ton zu geben, der Mann, der im Feuergeist den Glauben errang und die Liebe bezeigte, dessen Blick über Jahrtausende prophetisch hingeht und dessen Herz für die Not des kleinen Tages warm und treulich schlägt, Johannes der Evangelist, der unter allen Stunden seines reich bewegten Lebens die für die höchste hielt, da er Christum gefunden hatte, ein Mann der inneren Mission ohnegleichen, der ihre Kraft in Einem Namen, ihr Werk als für Einen Namen bekannte und übte.

 Ihm folgen die Reichsunmittelbaren, die jetzt in der Gemeinde der Vollendeten wohnen, einst ihre Lebensarbeit von Einem herleiteten und auf Eines bezogen. Ob ein Paulus von dem all vermögenden Leben des Christen oder ein Jakobus vom Königsgesetz für Königskinder rühmt, ob die großen Väter der Kirche ihre Weisheit Einem Namen verdanken wollen und ihre Lebensarbeit zu Einer Ehre tun, ob ein Luther als seine ganze Kraft den Glauben und als seine ganze Arbeit dessen Preis bezeugt, ein Aug. Hermann Franke das Geheimnis seines Lebens für andere sein Gottvertrauen nennt, oder Zinzendorf von dem Ewigen zu dem Ewigen sich geführt und führend bekennt, ein Wichern unsern Text als Lieblingswort erwählt und ein Löhe von der Schlichtheit des Glaubens bewahrt und von der Kraft der Hoffnung durchgeistet, sein Werk tut – immer sind es sieghafte Kräfte und segensreiche Werke auf Einem Grund zu Einem Ziel: Überwundene überwinden, Schwache siegen, Arme machen reich, im Streite geben sie Frieden und die Heimatlosen bereiten die Herberge.

|  So sei denn heute am Jubiläumstage das unausgesungene Lied zum Preise Gottes erhoben, wenn wir vom Geheimnis der inneren Mission rühmen: Auf festen Grund gebaut, mit Siegeskraft betraut.

Der Grund, da ich mich gründe,
Ist Christus und sein Blut.
Das machet, daß ich finde
Das ewig wahre Gut.
An mir und meinem Leben
Ist nichts auf dieser Erd. –
Was Christus mir gegeben,
Das ist der Liebe wert.
 Amen.


I.
 Was ist der Grund, daß ein armer Fischer, der außer seinem weltentlegenen See und den engen Gauen seiner Heimat wenig von der Welt gesehen und außer in seine nächste arme Umgebung wenig Blicke ins Leben getan hat, so weltoffen und weltbeherrschend vor uns tritt? Große Denker der Griechen haben sich Welten erbaut und zu schwindelnden Höhen erhoben, hohe Gedanken gefügt und tiefe Probleme geschaffen, mächtige Feldherrn Roms haben Länder durchmessen, Völker bezwungen, Gesetze und Ordnungen gegeben, alles durch Geisteskraft und eigenes Vermögen. Aber der arme Jünger Jesu Christi mit dem engen Weltbild und dem kleinen Gesichtskreis hat einen Standort für Betrachtung des Lebens und der Lebensaufgabe gewählt, den ein Plato nicht kannte und ein Augustus nicht sah. Er hatte einen Gottesgedanken, einen in Ewigkeit gefaßten, ahnend und anbetend erschaut, hat erfahren, daß dieser Gottesgedanke, wie er von Ewigkeit her zur Persönlichkeit ward, in der Zeit Menschengestalt annahm, die Fülle des Reichtums in Armut und die Tiefe der Weisheit in Torheit barg, er hat diese wundersame Knechtsgestalt, ihre göttliche Hoheit in täglicher Hinopferung bewährend und bewahrend erblickt, wie sein geheimnisvoller Freund aus ununterbrochenem Lebensverkehr mit dem Vater Kraft und Gabe verneute, also daß Er die ärmlich kurzen Begriffe von Klein und Groß, von Viel und Wenig, von Erfolg und Mißgeschick verwarf und umprägte. Er hat es erlebt, wie| aus dem Freunde der Arzt, aus dem Genossen des Leides sein Heiland ward, der Schmach und Schande des Kreuzes, des widerspruchsvollsten Zeichens auf sich nahm, um den Widerspruch im Leben der Seinen zu tilgen. Weil er Christo in die Augen und ins Herz hat schauen können, weiß er etwas von dem Geheimnis der Gottesgeburt. Der aus Gott Geborene lebt in Gott, mit Gott und für Gott: In Ihm und durch Ihn gebiert Gott neue Persönlichkeiten.

 Von dem Tage an, da eine Seele Jesum erblickt und in ihm als dem wahrhaftigen Gottesgeheimnis sich findet, weiß sie sich aus Gott geboren. An sich der flüchtige Sohn der Stunde, Schatten und Hauch, ein kaum genannter und bald vergessener Name ist er, weil aus Gott geboren ein Gedanke, um den die Ewigkeit sich mühte, dem die Zeit das äußere Gepräge und sein Gott die rechte Bedeutung verleiht. Aus Gott geboren ist der Tag mit seiner Pflicht, der Gedanke, der die Arbeit als Recht und das Heimweh als Freude anspricht. Wenn das kleinste Werk dem größten Ziele dienend und das unscheinbarste Wort die höchste Ehre verkünden will, sind sie aus Gott geboren, die Träne des Mitleides um die Not des Nächsten, der betende Gedanke an ihn, die werbende und wirkende Hand für ihn, jede Regung der Fürsorge und jede Erweisung des Erbarmens – aus Gott geboren. Wenn aber das Leid über die eigene Abirrung vom Lebensquell das Herz ergreift und die Angst über ein verfehltes Leben, welche durch die Vielgeschäftigkeit betäubt, aber nicht getröstet wird, dich überwältigt, so sind auch sie aus Gott geboren, der verlorene Sohn bleibt eben doch ein Sohn der Liebe und der Verleugner der Lebenskraft ist in seinem Leide ihr bester Bekenner.

 Vor fünfundzwanzig Jahren hat aus Gottes ewigen Grundquellen, die da strömen und beleben, wo Er will, in dieser an Gottestaten so reichen Stadt ein Werk zwar nicht seinen Anfang genommen, aber in Geformtheit und äußerer Ordnung sich gezeigt, das man wohl den Verein für innere Mission nennt. Wie einst teure Stiftungen mittelalterlicher Frömmigkeit, Herbergen der Barmherzigkeit schufen, deren eine einem Joseph Schaitberger die Tore für einen Gottesdank öffnete, wie reformatorische Lebensverneuung auf persönliche| Armenpflege sann und drang, ein Andreas Rehberger in die Witwenstuben und Armenhäuser als Bringer einer guten Botschaft kam, Tobias Kießling, der Kaufmann mit der köstlichen Perle, um die Seelen seiner Mitbürger warb, wie der junge Pfarrverweser von Ägidien vor achtzig Jahren Bürgermeister, Patrizier und Professoren mit schlichten Bürgern um leibliche und geistliche Verarmung sich scharen hieß, so haben – dankbar sei der Heimgegangenen gedacht – ein Reindel und Heller, ein Bartholdy und Schwanhäußer den aus Gott geborenen Gedanken in sich Raum schaffen lassen: Was ihre innerste Kraft war, das drängte zu kraftvoller Tat: Ich gedenke des feurig wagenden, lebensvollen und Leben weckenden ersten Pfarrers Eurer Christuskirche, der sinnigen und innigen Leutseligkeit des unvergeßlichen Dekans Heller, der für Jedermann Zeit hatte, nur nicht für sich, ich erinnere an die feine Sorgsamkeit eines Bartholdy und an die selbstlose Nüchternheit und unverdrossene Rüstigkeit seines Nachfolgers. Wir wollen nicht Menschen rühmen, sondern den, aus dem ihr Wesen und Werk geboren war und freudig sprechen: Alles, was aus Gott geboren ist.
.
 Wir wollen auch nicht die Werke aufzählen, die in fünfundzwanzig Jahren Christentreue getan und geplant hat, noch die Anstalten nennen, in denen Gefallene und Gefährdete, Verlassene und Verlorene Rat und Hilfe finden, wir können nicht im einzelnen nachzählen, wie viel Rinnsale durch die mächtig sich ausbreitende Stadt und ihre Not hingeleitet wurden – wir wollen es nicht und wir können nicht. Aber wir erheben die Beichtfrage: War Alles aus Gott geboren, hat jedes Werk von Ihm den Ursprung und die Beglaubigung empfangen und der Reichtum der Betätigung bei Ihm die Stille gesucht, sind unsere Anstalten in Stein geformte Erlebnisse der Gottesnähe, Darstellungen aus einer geheimnisreichen Stunde, da Er uns das Herz rührte, ging durch alle Arbeit der warme Hauch des Persönlichen, den die Ewigkeit schenkt und der Augenblick gebiert, haben die vielen Tausende von der inneren Mission nicht den kärglichen Zehrpfennig einer Abschlagszahlung, sondern die unvergessene und unbezahlbare Wahrhaftigkeit der Liebe erfahren? Und die weitere Beichtfrage: Ist die sog. innere Mission,| die ein Kronrecht der christlichen Allgemeinheit sein will und sein soll, nicht auf einzelne Kreise beschränkt, die sich in sich selber ausleben und an sich sterben? Evangelische Festglocken haben den Tiefton des Bußgeläutes, dem apostolischen Alles steht das Wenig der Tat, dem Geheimnis der Gottesgeburt die Unheimlichkeit äußerer Erwägungen reuig zur Seite: Fünfundzwanzig Jahre sind klagend und anklagend, weil oft unausgenützt und unausgefüllt uns vorangezogen, vergrabene Pfunde reden wider uns, versäumte Gelegenheiten erheben sich aus dem Grabe. Daß unsere Arbeit nicht andere fortriß und unser Glück im Weinberg nicht für ihn begeisterte, drückt uns hart.
.
 Aber Reue und Leid sind aus Gott geboren, der Bußbekenntnis in Freude und Jubel wandelt und unsere Schuld auf starke Schultern legen will. Er hat in Christo werden und sein lassen, was seit einem Vierteljahrhundert hier geschah, Er wolle, was wider Ihn und ohne Ihn war, gnädig vergessen und vergeben. Zum unerschöpften Born Seiner Güte eilen wir heute, daß aus Ihm der höchsten und einzig wahren Persönlichkeit nicht Zahlen und Ziffern, Namen und Titel, sondern Persönlichkeiten entquellen möchten, deren höchstes Glück es ist, von Ihm zu stammen, in Ihm zu leben, für Ihn zu wirken. Mit hoffendem Auge, wie es königlichen Leuten zusteht und gebührt, überblicken wir die kommenden Jahre; der in der einzelnen Ähre schon das zur Ernte sich neigende Feld freundlich erblickte und im ersten Werbegang der Jünger das Ziel bis an die Enden der Erde steckte, in dessen Hand Diener und Dienerin Seiner Gedanken geraten, wolle geben, was Er befiehlt und dann befehlen, was Er will. Ihm geloben wir heute des Felsens zu gedenken, aus dem wir gehauen und des Brunnens, aus dem wir erflossen sind, die Lebenskräfte, die im schlichten nie veraltenden Evangelium ruhen, ins Herz zu fassen, ins Gewissen zu graben, in den Willen zu nehmen. Mehr Gebet tut uns not, die wir uns nicht nach Ruhe sehnen, die da erschlafft, sondern nach Stille, die da erstarken läßt. Wortreiches Bekenntnis, abwechslungsreiche Werkerei, die Haus an Haus und Zahl an Zahl reiht, verleugnen den Ursprung von dem Gott, der in der Stille wohnt und wirkt und schafft. Zu dem Gott geborenen Heiland Jesus Christus, dessen Leben Gehorsam,| dessen Kraft Gebet und dessen Sieg die Liebe war, treten wir in dieser Feierstunde: Mache uns zu Deinen Tagelöhnern, denn Ein Tag in Deinen Vorhöfen ist besser als sonst tausend.


II.

 Aber rede ich hier nicht von einem überwundenen Standpunkt? Wer wird dem alten Christenglauben, der der engen Naivität früherer Jahrhunderte und der Kindlichkeit wundergläubiger Toren genugtut, jetzt noch das Wort reden. Die Humanität hat eine Lichtflut ergossen, die zu leugnen Unverstand wäre, reich genug, um die innere Mission in den Schatten zu stellen, hohe, edle Natürlichkeit hat allerlei geistliches Werk weit überboten. Vor 36 Jahren rang zu Ludwigsburg ein Mann mit dem Tode, dem als der aufrichtigsten Christusgegner einem ich stets Ehre zolle. Er hat die Religion als eine unvollkommene Art zu denken und das Luthertum einen Hymnus auf den Himmel, aber ein Pasquill auf die Menschheit genannt und den ehrlichen Mut besessen, die Frage: Sind wir noch Christen? einfach zu verneinen. Auf seinem Sterbebette ließ er sich das Buch des größten Philosophen über die Unsterblichkeit der Seele reichen, traurig legte er es weg „Das ist auch ein überwundener Standpunkt“. So ist er, sagt sein Biograph, aus der Welt der überwundenen Standpunkte hinweggegangen. Der Apostel aber redet von einem überwindenden Standpunkt, er hat an dem Felsen von Patmos das brandende Meer sich brechen, an der Einsamkeit des armen Gottessohnes alle Gegnerschaft zunichte werden sehen, er hat aber auch am eigenen Herzen erlebt, wie der Gott Geborene eine Welt von Vorurteilen überwand und eine Welt voll Elend tröstend erquickte. Er zieht die Summe seines Lebens, seine Mitapostel haben den Tod der Schande erlitten, die Christengemeinden sind verhaßt und verjagt, das Heidentum blüht reicher als je zuvor und seine Herrlichkeit ist wie ein Hohn auf die Unansehnlichkeit der Nazarener, aber er hat den Triumph und der Überwinder vor dem Lamm, das erwürgt war, vernommen, und den Blick in die neue Erde und den neuen Himmel getan und verkündet, was er geschaut: Alles von Gott geborene überwindet die Welt.

|  Wir rühmen es ihm nach. Wenn ein längst verklungen geglaubtes Gotteswort unser Herz trifft, daß es mit Angst nach Sünde und Gnade fragt und eine ganze Welt wertlos erscheint, weil ihr Gewinn nicht die Seele rettet – ist da nicht ein Sieg errungen? Neid und Bitterkeit schweigen, wo Jesus den am Kreuze erworbenen und erprobten Frieden darbietet, eine Welt von Vorurteilen sinkt in ihrer Hohlheit zusammen, wenn Er viel größer, als man je dachte, vor die Seele tritt. Wir leben oft im Schein und vom Schein: die Größe seines Wortes ruht in dessen Echtheit, schlecht und recht behüten es, der Schein flieht, die Wahrheit siegt, das berechtigte Sein vertreibt Schatten und erborgten Glanz, daß man nichts Großes zu sein begehrt, sondern nur etwas Echtes, die Vielseitigkeit verschmäht, um ein Ganzes zu sein. An sich verkauft und in sich befriedigt, lehnt die Seele Sinn und Sorge für die Not des Nächsten ab. Sie sieht den Bruder darben und schließt vor ihm zu, sie sieht ihn verkommen und will nicht sein Hüter sein, in seinem Blute liegen und geht vorüber. Aus der Tiefe der Selbstsucht, die Ihm das Herz gebrochen und den Tod bereitet hat, steigt in schweigender Majestät das Kreuz empor, eine Predigt der Liebe ohne gleichen und ohne Ende. Wer kann den stillen Einfluß seiner Passion ergründen und die Besiegten zählen, denen das Kreuz den Mut zur Selbstsucht abgewann: Was ich nun lebe, das lebe nicht ich!
.
 Alles, was aus Gott geboren ist, überwindet auch die Welt in ihrer Weite. Alles ist euer, ruft der größte Herold Christi, Schönheit der Antike, Größe der Weisheit ihrer Denker und Dichter, Alles untersteht dem, der Christi ist. Der leuchtenden Schönheit entfällt Glanz und Gabe, wenn sie Ihm sich entzieht, aber das Verachtete und Unwerte gewinnt hehre Würde, weil es Ihn sucht. Das arme Kind, das zur Sommerszeit über die Wiese hinsingt! „Schönster Herr Jesu, Herrscher aller Enden ist reicher und seliger als alle Meister in Kunst und Sang, wenn sie ihm nicht in das Auge geschaut haben. Verächtlich ist die Schwachheit, die zittert, zagt und bebt, aber die aus Gott geborene Jesu Christi ist zur Obmacht geworden, vor der alle Kniee sich beugen. Torheit ohne gleichen ist es, daß einer für andere sterben soll und daß dieser| Tod Lebensbedingung ist, aber bis an das Ende der Tage werden etliche ihre Zweifel und Bedenken in mutvollem Entschluß niederkämpfen und die Torheit als Weisheit preisen. –

 Eine Welt des Elends und das Elend der Welt dringt aus zerrissenen Herzen, ob sie unter Seide oder Lumpen schlafen, zu uns heran. Das Evangelium mit seinen unvertilgbaren Lebenskräften heißt dies Leben durchleiden und überwinden. Soll die Welt der Sünde, die wie ein träger schwarzer Strom durch selige Gefilde zieht, um sie zu verheeren, das letzte Wort behalten, der Tod stärker sein, als das Leben und der Feind meiner Seele sein Recht behaupten? Die Gegenwart hat Eile, die Stunde drängt, die Zeit vergeht. Evangelische Kirche, Du weißt nicht, wie reich Du bist, erwecke die Gabe, die in Dir ist, als Dich, die aus Gott geborene, Dein Heiland taufte, Dein Luther konfirmierte, erobere nicht mit äußeren Waffen, die sich gegen Dich wenden müßten, sondern mit alter Wehr und Waffe, die der geführt hat, der unter Schweiß und Tränen sie schmiedete, für Deinen Herrn. Nicht die großen Massen gilt es zu gewinnen – das ist ein Phantom frommer Träumerei – sondern die Welt in der Einzelseele und die Einzelseele in der Welt, nicht neue Wege gilt es einzuschlagen, man siegt nur auf dem Wege der Selbstverleugnung, nicht neue Werte gilt es zu prägen, durch die ein Menschenleben erkauft werden kann, sondern die alten zu brauchen, die Er darzahlte, als Er ferner dem Siege denn je, Sein königliches Haupt neigte: Es ist vollbracht. –

 Teuere Festgemeinde! In unmittelbarer Nähe dieser Kirche steht ein einsames Kreuzesbild, das einst deinen herrlichen ehrwürdigen Gottesacker von St. Johannis zierte. Wie oft bin ich unter ihm gestanden und meine Seele verlor in seinem Anblick, was sie quälte und vergaß Sorge und Kummer. Unser Glaube – ihr laßt mich nicht vergeblich bitten und laden – der Glaube, der unsere Väter froh und frei machte, der Glaube an den Sieg des alten Evangeliums hat wesenhaft die Welt überwunden, er wird sie in allen ihren Tiefen und Höhen, in all ihrem Leid und Sterben auch wirklich überwinden. Für unser Volk ein Herz, weil Sein Herz für uns| gebrochen, die Liebe läßt den Glauben, der Segen den Sieg nicht allein. Die innere Mission gehe aus dem Kampfe in der Kammer zum Sieg in die Weite, und der Gesegnete segne, daß alle Quellen wieder zum Meere kommen, alle Strahlen wieder die Sonne finden, und alles, was von Ihm geboren ist zu Ihm heimkehre und bei Ihm bleibe.
Amen.


|
Druckereigenossenschaft
Noris, Nürnberg
Sophienstraße 15.

Telephonruf 1895.