Predigten für die festliche Hälfte des Kirchenjahres/Am heiligen Weihnachtsfeste 1831
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Als die Zeit erfüllet war, sandte Gott Seinen Sohn, geboren von einem Weibe. Heute ist die Zeit erfüllet, heute sandte Gott Seinen Sohn, heute gebar ihn Maria, die reine Jungfrau.
|Heute geht aus Seiner Kammer
Gottes Held,
Der die Welt
Reißt aus allem Jammer.
Ja, betet, lobet, danket – lasset hören die Stimme des Jauchzens, – Orgel und Posaunen müssen schallen, denn uns ist ein Heiland geboren, der uns selig macht von unsern Sünden! Gottes Sohn hat den Himmel zerrissen – hernieder gekommen ist ER – ER ist erschienen! Halleluja!
Wir wollen aus unserm Festwort die verschiedenen Personen herausheben und an das, was von jeder erzählt wird, unsre Betrachtung anschließen.
1. Die erste Person ist der Kaiser Augustus in Rom. Von ihm heißt es, er habe ein Gebot ausgehen lassen, daß alle Welt und also auch die ihm unterworfenen Juden geschätzet würden. Weiter steht von ihm samt seinem Landpfleger Cyrenius nichts im Texte. – Es war eine göttliche Fügung, daß der Kaiser dies Gebot ergehen ließ; der Kaiser war, ohne es zu wissen, ein Werkzeug in Gottes Hand, zwei der vornehmsten Weissagungen in Erfüllung zu bringen. Die erste Weissagung ist die, welche sich im Segen Jakobs (1. Mos. 49) findet, daß das jüdische Volk so lange von eigenen Königen regiert werden sollte, bis der Messias käme; – als nun der Messias kam, hatten die Juden keine eigenen Könige mehr, sondern ihr König war ein Unterthan des Kaisers in Rom, der sogar befehlen konnte, daß das Land geschätzet würde. So war die Weissagung erfüllt! – Die zweite Weissagung ist jene des Propheten Micha, nach welcher Bethlehem der Geburtsort des Messias sein sollte. Hätte der Kaiser die Schatzung der Juden nicht befohlen, so wären die Juden auch nicht in ihre Stammorte, also auch Maria und Joseph nicht nach Bethlehem gegangen, und Christus würde nicht in Bethlehem geboren, die Weissagung würde nicht erfüllt worden sein. So aber ist sie erfüllt! –
| Große Herren thun, was sie wollen, aber sie haben doch einen Herrn über sich, der ihnen oft unbekannt ist, – der alle ihre Herzen lenket wie Wasserbäche, daß sie ihm zur Verherrlichung Seines Namens, zur Aufrichtung Seines Reiches dienen müssen. Der Kaiser Augustus wird wohl Gründe gehabt haben, warum er die Schatzung anbefahl, – aber den höchsten Grund, warum Gott die Schatzung haben wollte, – daß nämlich die Weissagung erfüllt und der Heiland in der Stadt seines Stammvaters David geboren würde, den wußte er nicht. – Der Kaiser Augustus war ein Heide, aber Gott ist HErr über die Heiden – gutwillig oder widerstrebend müssen auch sie Gottes Willen thun.Weiter als das oben Erzählte steht nichts vom Kaiser Augustus in unserm Text. Er muß dem Heiland in die Stadt, den Stall, die Krippe helfen, wo ER geboren werden sollte; aber er selbst hat keinen Teil an Ihm, – zu ihm kommt kein Engel und verkündet ihm große Freude, weiset ihn auf den Heiland, der auch für ihn geboren sei, – er hört keinen Lobgesang der Heerscharen, – ihm sagt kein Hirte von dem Neugeborenen. Er ist eben ein großer Herr dieser Welt, – er schläft in seinem Palast zu Rom, oder wacht er, und sein Gewissen peinigt ihn für seine Sünden, für welche er keinen Heiland weiß? Es heißt hier: „Die Hungrigen füllet der HErr mit Gütern, aber die Reichen lässet ER leer“ – es geht an ihm in Erfüllung das Wort St. Pauli 1. Kor. 1, 26: „Nicht viel Gewaltige, nicht viel Edle sind berufen.“
Viel glücklicher seid ihr, meine Teuren, – unter euch giebt es keine Gewaltigen und Edlen nach dem Fleisch, aber ihr seid versammelt an Weihnachten, ihr wisset, was an Weihnachten geschehen ist, ihr singet, betet und höret die Predigt, welche wenig Gewaltige und Edle mögen. Denn es ist leider wahr, daß der Mensch oft, je vornehmer, edler, gewaltiger er ist, desto weniger von dem demütigen JEsus und Seiner Knechtsgestalt in der Krippe und am Kreuze wissen will. – Die armen Reichen und Großen, welche den ewigen Reichtum und die himmlische Größe von sich stoßen!
| 2. Wir gehen weiter und denken an die Leute zu Bethlehem. Aber weder Augustus, d. i. die große Welt, noch Bethlehem, d. i. die lustige Welt, haben teil an der Geburt des HErrn und ihrem reichen Segen. In Bethlehem war alles voll Gäste, die in ihr zur Schatzung zusammengekommen waren, – in dem öffentlichen Gasthause, dergleichen es in etwas anderer Gestalt, als bei uns, auch im Morgenlande giebt, war ein Getümmel und Getöse – und die Mutter JEsu mußte in einen Stall gehen, um nur die Verheißung erfüllen und Gottes Sohn in Bethlehem gebären zu können. In dem Stalle war es auch schöner und stiller, als in der Herberge – und Christus ist, wie bei seiner Geburt, so immer, lieber gewesen, wo es still und ruhig herging, als wo es so viel Geräusch giebt. Auf Jahrmärkten, Messen, – in vollen Wirtshäusern, bei Tänzen und den übrigen ehebrecherischen Versammlungen der Welt hat Christus nie Sein Haupt niederlegen, ja Seinen Fuß nicht hinsetzen mögen; wohl aber ist ER oft in Hütten, in Ställen, in Höhlen, in Löchern der Erde, in einsamen Gebirgen eingekehrt, wohin die lustige Welt seine ernsthaften Bekenner aus Haß gegen allen göttlichen Ernst vertrieben hat. –In den Stall also trat Maria ein – d. h. nicht in einen Stall, wo gerade das Vieh war, sondern der Stall war leer, weil das Vieh mit den Hirten den ganzen Sommer über Tag und Nacht unter Gottes freiem Himmel ist. In den Stall trat Maria ein – und da gebar sie ihren Sohn. Bethlehem schrie und that, was es wollte, Bethlehem wußte nichts von der hohen Ehre, die ihm widerfuhr, – in ihre Mitte trat Gottes Held aus Seiner Kammer, und sie kannten Ihn nicht, sie suchten Ihn nicht, sie sangen Ihm kein Lied, – ja, sie gaben Ihm keinen Blick. In stiller Verborgenheit trat ER in die Welt ein – und mochte es der lustigen Welt nicht sagen, daß ER da sei, daß ER auch zu ihrem Heil gekommen sei!
Brüder, Schwestern, merkt es! wer JEsum in sein Herz haben will, der muß ihn nicht bei der lustigen Welt suchen, ER wohnt in der Stille und bei den Stillen im Lande. Ich| sage nicht: ER wohnt bei den Sonderlingen, bei den Kopfhängern, bei denen, welche die Winkel suchen, denn der Bösewicht hängt auch den Kopf, und Huren und Buben kommen auch in Winkeln zusammen – Kopfhängen, obwohl auch ein Frommer manchmal in der Traurigkeit der Buße den Kopf hängen läßt, – Kopfhängen ist immer ein Zeichen, daß man den Heiland nicht hat. Wo der ist, hebt man fröhlich das Haupt in die Höhe! – Aber das sage ich: im Tumult, bei denen, die ihre Nase hoch tragen, die eine freche Hurenstirn haben und so unverschämt ihren Kopf aufheben und herumwerfen, – bei den lustigen Weltkindern wohnt er nicht! Und weil es so viele lustige Weltkinder in eurer Gemeinde giebt, – so wohnt er bei vielen nicht. Viele von euch werden ohne Christum, ohne wahrhaftige Weihnachtswonne – Weihnachten halten – und die sind zu bedauern!3. Die dritten Personen sind Maria und Joseph. Sie gehen ruhig und in seliger Erwartung dessen, was mit dem Heiligen werden würde, das von Maria sollte geboren werden, – zwei Tagereisen nach Bethlehem. Maria achtet die Beschwerden der Schwangerschaft nicht, sondern geht, wohin es die Obrigkeit gebietet. Sie ist in irdischen Dingen der irdischen Obrigkeit gehorsam – und hat davon auch einen Segen. Denn der Obrigkeit im Irdischen folgen kann für demütige Leute geistlichen Segen bringen: Sie geht nach Bethlehem auf Befehl der Obrigkeit – und in Bethlehem darf sie ihren Heiland gebären und an dem Eingebornen Gottes Mutterpflicht erfüllen.
Sie gebar ihn, sie wickelte ihn in Windeln, sie legte ihn in die Krippe. Kein Engel kommt zu ihr, keiner von denen, die draußen auf dem Felde singen; sie hat genug am Besuche jenes Engels, welcher ihr die Geburt ihres Erstgeborenen verkündigen sollte. Wo ER, der HErr, auf Erden erschien, umgiebt Ihn Niedrigkeit und Armut. – So ist Seine Mutter bei der Geburt einsam – sie unterbricht die heilige Stille nicht, – sie ist voll geheimer Seligkeit, welche kein Mensch sagen kann, welche sie selbst uns in jener Welt preisen wird! –
Die vierten Personen nehmen wir gleich dazu. Es sind| die Hirten. Sie weiden ihre Herden auf der Flur, wo einst in seiner Jugend auch David die Schafe seines Vaters gehütet hatte. Wer weiß, wie viele Jahre sie schon die Nächte hindurch Schafe gehütet hatten – und hatten kein andres Licht, als das Mondenlicht, keine andern himmlischen Heerscharen, als die Sterne, gesehen – die im gewohnten Gang und Lauf alle Nächte und Monden wiederkehren. Auch heute ist’s wie sonst, – aber was man nicht glauben kann, wenn man in die Nacht hinein an den alten Himmel hinan sieht – das geschah: die Klarheit des HErrn brach in diese Erdenwelt vom höchsten Himmel herunter und umleuchtete die Hirten, – und des HErrn Engel predigte freundlich die große Freude, daß Christus geboren, daß die Hoffnung der Väter, der Weibessame, Abrahams und Davids Sohn, geboren ist. Da fürchteten sich die Hirten – denn der sündhafte Mensch kennt die freundlichen Diener, welche zu seiner Seligkeit ausgesandt sind, nimmer, er vermutet Feindschaft. –4. Die fünften und letzten Personen sind die Engel. Seit dem Tage, da sie selig aus Gottes Schöpferhand hervorgingen, haben sie keinen solchen frohen Tag gehabt; – seit die Morgensterne den HErrn lobeten, und jauchzeten alle Kinder Gottes. Die seligen Engel sind Wesen, die alles lieben, was Gott liebt; – weil nun heute Gott die Welt also liebet, daß ER ihr seinen Eingeborenen giebt, so sind sie auch voll Lieb’ und Freundlichkeit – und sind heute besonders gern allzumal Diener, ausgesandt zum Dienste derer, welche die Seligkeit ererben sollen. Sie steigen herab von ihrem hohen Himmel, sie sammeln sich über der Flur, wo David ehedem und jetzt die armen Hirten der Schafe hüteten, – einer von ihnen predigt in dieser Nacht auf Erden, – und die andern unzähligen alle loben Gott mit lautem Gesang aus den Lüften, wie vom Chor. O lasset uns ihnen antworten, als die Gemeinde, lasset uns Halleluja dazu singen!
Aber was predigt der Engel? „Fürchtet euch nicht, ich verkündige euch große Freude!“ Ich bringe euch keine Botschaft des Zornes – die Zeit des Zornes ist vorüber – die Liebe Gottes ist heute vom Himmel in Strömen herabgegossen – ich bringe euch große Freude, – eine Freude, die heute euch widerfahren wird, – die aber von heute an die Welt durchlaufen und viele Herzen erfreuen muß, und wenn diese Freude und Freudenbotschaft die ganze Welt durchzogen hat, wenn allen Völkern diese Freude widerfahren ist, alle Welt diese Freudenbotschaft gehört hat, dann hat die Welt lange genug gestanden, dann wird sie vergehen, denn dann ist’s genug – Freude genug für die Menschen und Sünde genug für Gottes Geduld! Euch ist heute der Heiland geboren, Christus, der HErr ist geboren, in der Stadt Davids ist ER geboren – gehet nur hinein – in den Stall, wenn ihr in eurer Krippe| ein holdselig Kindlein in den Windeln liegen findet, so wisset, das ist der Neugeborene, – das ist der Heiland! Ihr seid arme Sünder, das wisset ihr wohl, – und eure Schafe und Fluren, wenn sie reden könnten, so würden sie’s bezeugen und rufen: Amen! arme Sünder sind sie, denn noch seufzen wir – und wenn die Hirten die Herrlichkeit der Kinder Gottes geerbt haben, werden die Schafe fröhlich gehen und die Fluren vor Freuden tausendfältig blühen! So würden Schafe und Fluren zeugen, daß ihr Sünder seid, – ihr wisset es aber selber schon, – ihr weinet selber drüber und seid demütig! Weinet nicht mehr! ER ist gekommen, der starke Held, der die Sünde, die Welt, samt Tod und Teufel überwindet, in der Krippe liegt ER! ER ist’s, – siehe, dieser zarte Leib ist das heilige Opferlämmlein ohne Fehl, abgesondert von den Sündern, das wird wachsen und groß werden und um eurer Missethat willen verwundet, um eurer Sünde willen zerschlagen werden! Auf Ihn werden eure Strafen und Schulden – ja alle eure Lasten gelegt werden, – und dies Lamm wird sie mit Leidensstärke tragen, drüber unterliegend sterben und drüber siegend auferstehen! Freuet euch, freuet euch – das bring ich euch – die Freudenbotschaft eurer Erlösung, eurer Freiheit – freuet euch, und abermals sage ich: freuet euch!„Friede auf Erden!“ Ach, was für ein Unfriede war bisher auf Erden: nicht nur Krieg und Kriegsgeschrei, nicht nur Gottes Strafen im Leiblichen, Krankheit und Tod nahmen den Frieden hinweg aus dem äußeren Leben, sondern auch inwendig im Herzen war kein Friede, – die Menschen hatten keinen. Christum – und Christus allein bringt Frieden. Friedefürst – das ist Sein Name schon im Buch der Weissagung. Christus nimmt den Fluch weg, den wir wohl verdient hatten, – die Strafen, die uns Gottes Zorn drohet, – Sein Leben giebt ER, daß Gott mit uns versöhnet würde und Frieden mit uns machte, – das böse Gewissen reinigt ER durch den Glauben an Sein Blut, – Seinen Geist giebt ER in unser Herz, – den Geist des Friedens und der Freude! Der Himmel singt die Erde an: „Friede auf Erden!“ Und es ist wahr: Unser Friede liegt in der Krippe – JEsus Christus ist unser Friede!
„An den Menschen ein Wohlgefallen!“ singen zuletzt die Engel – und ja! es ist wahr! Gott hat wieder Wohlgefallen an den Menschen, weil Sein Sohn selbst ein Mensch geworden ist. ER ist einer von unserm Geschlecht geworden – darum sieht der Vater das ganze Geschlecht an mit Wohlgefallen im Sohn des Wohlgefallens. O wäre uns JEsus nicht geboren, – dann hätte Gott kein Wohlgefallen an uns, sondern ER müßte Sein Angesicht von uns ungnädig wegwenden.
JEsus ist der Grund alles Wohlgefallens Gottes an uns. JEsus hat alle Tugend und Gerechtigkeit, die Gott fordert, – und alle unsre Untugend und Sünde trägt ER und versöhnt sie. Sollte der Gott nicht gefallen, der nicht allein selbst gerecht ist, sondern auch fremde Sünden tilgt? – O meine Teuren! JEsus Christus sei euer Wohlgefallen, ER sei eure Freude, dann gefallet ihr Gott wohl. Wer immer in Christo lebt mit Wohlgefallen, wie der Vater in Christo ist mit Wohlgefallen, – der gefällt Gott. Wer gläubig an dem hängt,| der heute in der Krippe liegt, dem ist die Sünde vergeben – und Gott nimmt ihn um Christi willen gnädig an!O daß ihr aus vollem Herzen in den Lobgesang der Engel einstimmen könntet! O daß euch JEsus wohlgefiele, daß ER eure Freude wäre, dann gefielet ihr auch Gott, und ihr könntet selig singen: „An den Menschen ein Wohlgefallen!“ – O daß ihr eure Sünde erkennetet und glaubtet an den von ganzem Herzen, der darum ein Mensch geworden ist, daß ER in göttlicher Kraft und menschlicher Demut unsre Sünden versöhnete, – die Feindschaft zwischen uns und Gott hinwegthäte – und in allen mühselig Beladenen Seinen stillen Frieden erweckete, der höher ist, als aller Menschen Vernunft. O, der Friede der Versöhnung, – der macht ein Herz so selig – und so stark, alles zu dulden und zu tragen um Christi willen! Wohl dem Menschen, der von sich und den Seinen singen kann: „Friede auf Erden!“ – In dem wird eine Freude, eine Lust an Gott und Seinem Sohn und Geist und an dem Reiche Gottes aufgehen, die sein ganzes Leben erleuchten und verschönen wird, – der wird den Engeln gleich werden an Lust, den HErrn zu loben, – der wird lernen danken, preisen, loben, lieben – und singen: Ehre, Ehre Gott in der Höhe! Und bis in die höchste Höhe, wo Gott ist, wird so ein Gebet aufsteigen. Gott wird Wohlgefallen daran haben, und wird Segen und Geist herniedertauen lassen, – daß Seine Kinder immer mehr Seines Friedens und Seiner Freude, Seines Wohlgefallens schmecken! Die Ehre Gottes wird den Menschen Friede, Freude und Wohlgefallen sein, und der Friede und das Wohlgefallen des Menschen an Gott wird Seine Ehre sein! Ehre, Ehre sei Gott in der Höhe, Friede auf Erden und an den Menschen ein Wohlgefallen! Halleluja! Amen.
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