RE:Caecilius 2

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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aus Kale Akte, Rhetor der augusteischen Zeit
Band III,1 (1897) S. 11741188
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2) Caecilius, nächst Dionysios von Halikarnassos der bedeutendste Rhetor und Kritiker der augusteischen Zeit. Geboren zu Kale Akte im nördlichen Sicilien (Athen. VI 272f. XI 466 a: Κ. ῥήτωρ ὁ ἀπὸ Καλῆς ἀκτῆς. Phoibammon III 44, 7 Sp. Κ. ὁ Καλακτίτης. Suidas fälschlich Καλαντιανός statt Καλακτῖνος), führte er ursprünglich den Namen Archagathos (Suid.). Die Angaben bei Suidas ἀπὸ δούλων, ὥς τινες (Hermippos von Berytos in περὶ τῶν διαπρεψάντων ἐν παιδείᾳ δούλων?) ἱστορήκασι und τὴν δόξαν Ἰουδαῖος wären an sich unanstössig, doch werden sie verdächtig, wenn wir die gleichen Bestimmungen von dem Quaestor des Verres aus dem J. 73 oder 72, Q. Caecilius Niger (Nr. 101), domo Siculus (Ps.-Ascon. 98), [1175] mit dem ihn Buchenau De script. libri π. ὕψ., Marburg Diss. 1849, 15. 41ff. mit Unrecht identifiziert, bei Plut. Cic. 7 lesen: ἀπελευθερικὸς ἄνθρωπος, ἔνοχος τῷ ἰουδαΐζειν (vgl. auch Plut. Cic. 36. Blass 174. R. Schöll Götting. gel. Anz. 1872, 1047); möglich, dass beide einer und derselben Familie entstammten (Martens De libello π. ὕψ., Diss. Bonn 1877, 18f., 5). Unter Voraussetzung der Richtigkeit der Suidasnotiz denkt C. Müller FHG III 331 an syrische Herkunft der Familie des C. und sieht in dem jüdischen Glauben des C. eine Stütze für seine Hypothese (dazu Bergk-Peppmüller Griech. Litt.-Gesch. IV 553, 52). Den Namen C. wird er von Nachkommen des Praetors L. Caecilius Metellus (Nr. 74), der im J. 70 Sicilien verwaltete, erhalten haben. Nach Suid. s. Καικίλιος, Ἑρμαγόρας, Τιμαγένης wirkte C. als Zeitgenosse des Theodoreers Hermagoras, der unter Augustus lehrte und hochbetagt unter der Regierung des Tiberius gestorben ist (Hillscher Jahrb. f. Philol. Suppl. XVIII 1892, 398) und des Timagenes, der, um 80 geboren, unter Pompeius seine rhetorische Lehrthätigkeit begonnen und bis in die Zeit des Augustus fortgesetzt hat, zweifellos unter Augustus in Rom, nicht früher, höchstwahrscheinlich aber bis in die Zeit des Tiberius hinein (die Bestimmung καὶ ἕως Ἀδριανοῦ in dem C.-Artikel des Suidas ist natürlich widersinnig, doch scheint sie eine über Augustus hinausgehende Lehrthätigkeit des C. anzudeuten; Daub Jahrb. f. Philol. Suppl. XI 1880, 432 vermutet καὶ ⟨εἶς τῶν⟩ ἕως Ἀδριανοῦ; der Zusatz ἅμα Καικιλίῳ) in dem Timagenes-Artikel kann sich seiner Stellung nach nur auf ἐπί τε Καίσαρος τοῦ Αὐγούστου καὶ μετέπειτα beziehen, vgl. den Hermagoras-Artikel; wenn nun Timagenes über Augustus hinaus unmöglich gelehrt, kaum noch gelebt hat, so liegt ohne Frage ein Irrtum des Suidas oder seiner Gewährsmänner vor, der durch die gewaltsame Textesänderung des Reinesius ἐπί τε Καίσαρος Γαΐου Ἰουλίου καὶ μετέπειτα Αὐγούστου ἅμα Καικιλίῳ gewiss nicht aus der Welt geschafft wird; C. Müller a. O. 331 nimmt zwei Caecilii und zwei Timagenes an). Die Angaben des Suidas über die Zeit der Wirksamkeit des C. werden gestützt durch die gut begründete Annahme, dass C. ein jüngerer Zeitgenosse des Dionysios gewesen ist; von ihm, der nachweislich zwischen 30 und 8 in Rom lebte und lehrte und dort seine rhetorischen und ästhetisch-kritischen, an römische Adressaten gerichteten Werke zum Teil jedenfalls gegen Ende der angegebenen Zeit (Christ Griech. Litt.-Gesch.² 539, 7) schrieb, erscheint, wie besonders Weise nachgewiesen hat, der mit ihm eng befreundete C. (Dion. ad Cn. Pomp. 3) in seiner litterarischen Thätigkeit stark beeinflusst (für einen älteren Zeitgenossen des Dionysios halten den C. u. a. v. Wilamowitz Herm. XII 1877, 332f., 12. J. Müller De figuris quaest. crit., Diss. Greifswald 1880, 6, 5. C. Müller a. O. 331. Caccialanza 16). Anderseits ist C. nicht viel jünger als Dionysios gewesen, dessen Geburt um 60 v. Chr. gesetzt wird; denn abgesehen davon, dass sich Dionysios auf ein Urteil des also damals jedenfalls schon einflussreichen C. beruft, gilt C. als Schüler des Apollodoros von Pergamon (s. Bd. I S. 2888; zu einem Theodoreer macht ihn seltsamerweise Thiele Hermagoras, [1176] Strassburg 1893, 196). Da Apollodoros um 23 v. Chr. 82jährig starb und nicht gut anzunehmen ist, dass er noch in seinen letzten Lebensjahren unterrichtet haben wird, so dürfte C. spätestens in den J. 40–35 seinen Unterricht in Rom genossen haben. War C. damals, wie wahrscheinlich, noch jung an Jahren, so mag man seine Geburt etwa um 50 ansetzen. Seine Lehrthätigkeit zu weit, womöglich in die ciceronische Zeit (O. Müller Griech. Litt.-Gesch. II³ 305, 20) zurückzusetzen, geht auch wohl deshalb nicht an, weil die anonyme Schrift περὶ ὕψους, die Martens a. O. 22–33 mit grosser Wahrscheinlichkeit in die Zeit des Tiberius setzt, – sie hat einen Schüler des Theodoros von Gadara (Geburt um 60, Blüte um 33) zum Verfasser – eine gleichnamige Schrift unseres C. zur unmittelbaren Voraussetzung und Grundlage ihrer lebhaften Polemik hat. Wenn der Rhetor Seneca unsern C. nicht nennt, so könnte das seinen Grund darin haben, dass seine Söhne ihn selbst haben hören können (contr. I praef. 4) und zwar, da sein jüngster Sohn Mela nach 4 v. Chr. geboren ist, etwa um 10 n. Chr.; dadurch würde der obige Zeitansatz eine neue Stütze erhalten. Indes erklärt sich das Schweigen des Seneca höchstwahrscheinlich daraus, dass C. nie als Declamator öffentlich aufgetreten ist, jedenfalls nicht in der damals beliebten Art zu declamieren, die ihm, weil sich gerade der Asianismus in ihr breit zu machen pflegte, zweifellos zuwider war. Das carmen de figuris, das man früher in die augusteische Zeit setzte und zum grossen Teil von C. περὶ σχημάτων abhängig machte, ist als Erzeugnis frühestens des 4. Jhdts. n. Chr. neuerdings erwiesen worden, mithin für die Chronologie des C. ohne Belang.

C. entfaltete eine vielseitige litterarische Thätigkeit. Die Aufzählung seiner Schriften leitet Suidas ein mit den Worten βιβλία δ’ αὐτοῦ πολλά und schliesst sie ab mit καὶ ἄλλα πλεῖστα. Wir vermissen bei Suidas die anderwärts bekannten historischen und rhetorisch-technologischen Schriften und finden nur die atticistischen Streitschriften und die philologischen, kritisch-ästhetischen und lexikographischen Werke verzeichnet; ob dabei eine Absicht seines Gewährsmannes vorgelegen hat, ob insbesondere damit auf das eigentliche und fruchtbarste Feld der Thätigkeit des C. hingewiesen werden sollte, muss dahingestellt bleiben. Wir beginnen mit den beiden historischen Werken, deren Titel Athenaios überliefert: 1) σύγγραμμα περὶ τῶν δουλικῶν πολέμων (VI 272f.), eine Specialgeschichte der Sclavenaufstände auf Sicilien, denen der Kalaktit begreiflicherweise ein warmes Localinteresse entgegenbrachte (daher ἀπὸ δούλων bei Suidas?); weite Verbreitung scheint das Werk nicht gefunden zu haben, da ausser der Notiz bei Athenaios nichts davon erhalten ist. 2) περὶ ἱστορίας (XI 466 a), nach Blass 175 eine Theorie der Geschichtschreibung, wie die gleichbetitelten Werke der Rhetoren Theodoros und Tiberius, die Suidas anführt; ,übrigens ist der Titel vieldeutig genug, wenn er überhaupt vollständig ist‘; das einzige Fragment 51 B. bezieht sich auf ἐκπώματα des Tyrannen Agathokles. Unter den streng rhetorischen Schriften nenne ich zuerst 3) die τέχνη ῥητορική oder wie sonst der Titel gelautet haben mag, vielleicht seine früheste, unter apollodoreischem [1177] Einflusse verfasste Schrift. Sie wird bezeugt durch Quint. III 1, 16 und Syrian. Schol. Hermog. στασ. IV 59 W. = II 11, 9 Rabe = frg. 48. Wohl mit Recht sieht Burckhardt 46, 41 in den Worten Syrians περὶ τῶν μεθόδων αἳ γυμνάζουσιν ἡμᾶς εἰς τὰ μέρη τοῦ πολιτικοῦ λόγου den Hauptinhalt des Lehrbuches des C. Unsicher ist die Annahme Morawskis, dass Alexandros Numeniu in einzelnen Abschnitten der Rhetorik von der τέχνη des C. abhängig sei (s. Bd. I S. 1458). Nur zwei Fragmente sind uns daraus erhalten, beide durch Quintilian, eins aus der Statuslehre III 6, 48 = frg. 49 (den drei στάσεις Apollodors πραγματικόν = an sit?, περὶ τοῦ ὀνόματος = quid sit? und ποιότης = quale sit? fügte er wie später Theon einen vierten ποσότης = quantum sit? hinzu), das andere aus dem Kapitel über die Argumentation V 10, 17 = frg. 50 (danach will er in der Rhetorik den Ausdruck ἀπόδειξις gebraucht wissen für das, was man gewöhnlich, besonders in der philosophischen Terminologie, ἐνθύμημα nennt, so dass, wie dieses einen unvollendeten Syllogismus bezeichne, ἀπόδειξις ein imperfectum epichirema sei; wir erinnern uns, dass der dritte Teil der Rede im apollodoreischen Lehrsystem ἀπόδειξις heisst, nicht, wie gewöhnlich, πίστεις; natürlich war C. der Ausdruck ἐνθύμημα in der allgemeinen Bedeutung ,Gedanke‘ sonst geläufig). Beide Fragmente legen Zeugnis ab von der peinlichen, ja kleinlichen Subtilität des C. in rhetorischen Dingen. Noch weit mehr tritt dies hervor bei den Fragmenten, die sich aus seiner ausführlichen Specialschrift 4) περὶ σχημάτων (Quint. IX 3, 89) erhalten haben; hier bot sich die beste Gelegenheit zu den feinsten Distinctionen, und C. hat es an solchen nicht fehlen lassen. Man fasste damals (vgl. Quintil. IX 1, 10ff.) die Figur entweder in dem allgemeinen und weitesten, aber für rhetorische Zwecke unfruchtbaren Sinne, wonach qualiscumque forma sententiae, sicut in corporibus, quibus, quoquo modo sunt composita, utique habitus est aliquis (Alex. Num. ΙΙI 12, 15 Sp.: πᾶς λόγος ἴδιόν τι σχῆμα ἔχει κατὰ φύσιν), dann ist nihil non figuratum, und Apollodoros hat recht, wenn er nach dem Zeugnisse des C. der Meinung ist incomprehensibilia (= ἀπερίληπτα Alex. Num. ΙΙI 9, 8 Sp.) huius partis (i. e. figurarum) praecepta; oder – und das war die Regel – man fasste die Figur in der speciellen und engeren, allein nutzbaren Bedeutung, wonach sie in sensu vel sermone aliqua a vulgari et simplici specie cum ratione mutatio ist. Letztere Fassung scheint die des C. gewesen zu sein, wenn wir seine Definition bei Phoibammon III 44, 7 Sp. = frg. 41 vergleichen: σχῆμά ἐστι τροπὴ εἰς τὸ μὴ κατὰ φύσιν τὸ τῆς διανοίας καὶ (ἢ?) λέξεως (Anspielung auf diese Definition bei Ps.-Long. 16, 2, vgl. Martens 14); wir vermissen in ihr die an sich selbstverständliche Bestimmung cum ratione, die jedoch durchaus caecilianisch war, wie frg. 5 lehrt; dort nennt C. den Antiphon deswegen ἀσχημάτιστος κατὰ διάνοιαν, weil er μὴ κατ’ ἐπιτήδευσιν μηδὲ συνεχῶς ἐχρήσατο τούτοις (i. e. τοῖς σχήμασι), ἀλλ’ ἔνθα ἡ φύσις αὐτὴ μεθοδείας τινὸς χωφὶς ἐπῆγεν (Text nach Sauppe 1667). Bei dieser Fassung des σχῆμα musste dem C. die Definition des Zoïlos, der das σχῆμα auf die durch die pseudodionysianische [1178] τέχνη bekannten λόγοι ἐσχηματισμένοι beschränkte, natürlich zu eng erscheinen (Quintil. IX 1, 14 = Phoib. III 44, 1 = frg. 41. 42). Er selbst dehnte den Begriff des σχῆμα, wie die Fragmente 29–42 lehren, sehr weit aus, so dass er die geringsten Abweichungen von dem gewöhnlichen Sprachgebrauche und der streng grammatischen Correctheit zu den Figuren rechnete. Schon auf diese Weise wurde die Zahl der Figuren ins Ungemessene erweitert. Dazu kam, dass er bei einigen Figuren verschiedene Species unter besonderen Namen unterschied, geläufige Bezeichnungen durch andere ersetzte, während er zugleich die alten Bezeichnungen zu feineren Nüancierungen beibehielt, auch wohl Tropen unter die Figuren aufnahm (die Belege s. bei Weise 11f.; vgl. auch Coblentz De libelli π. ὕψ. auctore, Diss. Strassburg 1888, 14. 30. 36). In dieser auf das kleinste Detail gerichteten, haarspaltenden Thätigkeit macht sich zweifellos Apollodors Einfluss geltend. Aber gerade diese Ausführlichkeit und Subtilität verschaffte dem C. damals und bei der Nachwelt grosses Ansehen. Kein Buch περὶ σχημάτων, trotzdem deren viele gleichzeitig im Umlaufe waren, wie das des Gorgias, Dionysios, Hermagoras, ist in gleicher Weise von griechischen und römischen Rhetoren ausgeplündert worden. Ich nenne nur Quintilian und Alexandros Numeniu (s. Bd. I S. 1456f.), auf dessen Schultern wieder Apsines (s. Bd. II S. 282), Aquila Romanus (Bd. II S. 315f.), Tiberius, Phoibammon, der Verfasser des Carmen de figuris u. a. stehen, und verweise im übrigen auf die genannten Arbeiten von J. Müller und Coblentz, der 27f. auch directe Benützung durch Aristeides und Hermogenes (vgl. auch 67ff. Martens 15, 1) annimmt, und Morawski Quaest. Quintil., Berliner Diss., Posen 1874, 44ff. Die Beispiele, mit denen C. seine Figuren belegt, entnimmt er nicht blos den Rednern, besonders Demosthenes, sondern auch den Historikern, so dem Thukydides und Herodotos, und den Dichtern, so dem Sophokles, Euripides, Eupolis (Δῆμοι). Daraus zieht Burckhardt 20 den unberechtigten Schluss, dass – was übrigens an sich wahrscheinlich ist – die Schrift περὶ σχημάτων vor der über die zehn Redner abgefasst ist, weil C. nach Abfassung der letzteren nur noch aus den Rednern seine Beispiele hätte entlehnen können. Dass wir es hier mit einer Jugendarbeit des C. zu thun haben, ist so ausgemacht, wie Weise uns glauben machen möchte, durchaus nicht. Überhaupt kann ich Weise nicht unbedingt beipflichten, wenn er scharf zwei Perioden der litterarischen Thätigkeit des C. unterschieden wissen will, eine, in der C. ,fast widerspruchslos mitten im vielverzweigten und inhaltsarmen Formalismus seines Lehrmeisters Apollodoros‘ (Stangl in der Recension von Weises Arbeit, Wochenschr. f. klass. Philol. VI 1889, 888) stehend seine streng-rhetorischen Schriften abfasste, und eine zweite, in der er sich von Apollodoros völlig lossagte und unter dem Einflusse des Dionysios in dessen Weise als Atticist kritisch, ästhetisch und litterarhistorisch arbeitete. Weise unterschätzt die Bedeutung Apollodors, der, wenn er des C. Lehrer war, als Atticist auch zweifellos des C. atticistische Richtung bestimmt hat. Mir will es scheinen – und dahin muss wohl Weises Urteil modificiert [1179] werden –, dass nächst Apollodoros und hauptsächlich nach des Apollodoros Tode um 23 v. Chr. Dionysios den nachhaltigsten Einfluss auf C. in der gleichen Richtung ausgeübt hat (vgl. auch Susemihl Griech. Litt.-Gesch. II 486, 111). Als Atticist hat sich nach der Ansicht J. Müllers C. in seiner Schrift über die Figuren gegen die Asianer gewendet; offenkundig richtet sich gegen ihr hohles, falsches, massloses Pathos seine Schrift 5) περὶ ὕψους, die wir nur aus der gleichnamigen Schrift des oben erwähnten anonymen Rhetors kennen (über den in den Atticistenkreisen des 1. Jhdts. v. Chr. zuerst aufgestellten Begriff ὕψος s. Schmid Rh. Mus. XLIX 1894, 151). Die Schrift war kurz, ein συγγραμμάτιον (1, 1), ein erster theoretischer Versuch über den hohen Stil, in der Hauptsache eine fleissige, ausserordentlich reiche Beispielsammlung (1, 1f. 4, 1), im Anschlusse an die Bestimmung des Begriffes des ὕψος (nach Rothstein geht die Definition 1, 3 auf C. zurück) und seiner Gattungen mit ausführlichen kritisch-ästhetischen Erörterungen, aber ohne besondere Vorschriften darüber, durch welche Unterrichtsmittel man zur wahren Erhabenheit des Ausdruckes gelangen könne (1, 1), wohl weil C. der Ansicht war, dass dies bei richtiger Erklärung des Wesens derselben und Veranschaulichung durch Beispiele überflüssig sei (besonders deswegen greift ihn sein nörgelnder Gegner an, ohne selbst mehr und Besseres zu leisten oder leisten zu können, Rothstein 9ff. Coblentz 54). Einleitend scheint C., nach der Anlage der von ihm abhängigen Gegenschrift zu schliessen, erst über die Fehler, die sich bei einem verkehrten oder übertriebenen Streben nach Erhabenheit leicht einstellen, über das Schwülstige und Frostige gehandelt zu haben (nicht auch über das παρένθυρσον des Theodoros, das nach Rothstein 1–4 der anonyme Theodoreer selbst in den Zusammenhang eingeschaltet hat). Daran schloss sich die Lehre vom Erhabenen selbst, insofern dasselbe entweder aus dem Gedanken oder aus dem Ausdrucke entstehe. Ps.-Long. 8, 1 unterscheidet fünf ,Quellen‘ des erhabenen Stiles, zwei mehr in der natürlichen Anlage begründete: τὸ περὶ τὰς νοήσεις ἁδρεπήβολον = τὸ μεγαλοφυές und τὸ πάθος, drei technische: ἡ τῶν σχημάτων πλάσις, ἡ γενναία φράσις und ἡ ἐν ἀξιώματι καὶ διάρσει σύνθεσις. Von diesen – fährt der Verfasser fort – ὁ Κ. ἔστιν ἃ παρέλιπεν, ὡς καὶ τὸ πάθος. Was C. ausser dem πάθος noch weggelassen hat, ist fraglich; Blass 202f., 3 denkt an die σχήματα, die sich unter der σύνθεσις subsumieren liessen (ihm folgt, wie auch sonst fast überall, Caccialanza 56), Rothstein 15f. an das μεγαλοφυές (dagegen Weise 44f., der sich seinerseits an Blass anschliesst, jedoch mit anderer Begründung). Jedenfalls hatte C. die Figuren in π. ὕψ. berücksichtigt. Aus den unter dem Namen des C. aus der Schrift des Anonymus überkommenen Fragmenten ersehen wir, dass C. des Timaios affectierte und frostige Redeweise (4, 1 = frg. 45), kühne Neubildungen, wie des Theopompos ἀναγκοφαγῆσαι (31, 1 = frg. 46) und den übermässigen Gebrauch von Metaphern (32, 1 = frg. 47) bekämpfte; zweifellos griff er nicht blos in den 32, 8 angezogenen συγγράμματα ὑπὲρ Λυσίου, sondern auch in π. ὕψ. selbst die schwungvolle, poetische Sprache Platons an (vgl. 29, 1. 32, 7. [1180] Martens 8. 10f. Coblentz 32f.). Daher nennt ihn Martens 7 mit Recht incomptae mediocritatis acerrimus patronus; wir erkennen in ihm den echten Jünger Apollodors wieder (s. Bd. I S. 2889), und wenn Ps.-Long. 32, 1 von ihm sagt: περὶ πλήθους καὶ τῶν μεταφορῶν ἔοικε συγκατατίθεσθαι τοῖς δύο ἢ τὸ πλεῖστον τρεῖς ἐπὶ ταὐτοῦ νομοθετοῦσι τάττεσθαι, so scheint der Theodoreer dem Apollodoreer den starren Dogmatismus seiner Schule zum Vorwurfe zu machen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass ausser den genannten Fragmenten viele rhetorischen Termini, Beispiele, ja ganze Abschnitte der anonymen Schrift auf C. π. ὕψ. zurückgehen; so hat sich der Anonymus in dem einleitenden Abschnitte über das παρατράγῳδον oder οἰδοῦν und das μειρακιῶδες ganz eng an C. angeschlossen (Rothstein 1–4) und nicht blos die verkehrte Zurückführung des Schwures des Demosthenes de cor. 208 auf Verse des Eupolis in den Δῆμοι 16, 3 aus C. entlehnt (Wilamowitz Herm. X 338), sondern in dem ganzen Abschnitte über die Figuren und Tropen C. benützt, wenn er auch vieles naturgemäss zusammengezogen oder ausgelassen hat (Morawski 36, 38. 45f. Martens 13ff. Coblentz 13ff. Rothstein 4–9. 11f.); mit Sicherheit geht auf C. der Vergleich des Colosses (Platon) mit dem Doryphoros des Polykleitos (Lysias) 36, 3 zurück (Blass 192, 1. Martens 12f.), wahrscheinlich auch die andern Kunstvergleiche (Coblentz 59ff.); ziemlich allgemein führt man auch das der Genesis entnommene Beispiel 9, 9 auf C. zurück (daher τὴν δόξαν Ἰουδαῖος?), mit Recht auch das Lob auf des Hypereides delische Rede 34, 2 (Morawski Rh. Mus. XXXIV 375f. Coblentz 66), wie überhaupt vieles in den cap. 32–36 (Martens 11. Coblentz 64f.), den Tadel auf eine Stelle aus der pseudodemosthenischen Rede de Halon. 38, 1 (Martens 19. Coblentz 67); mit Wahrscheinlichkeit bezieht man auf C. als Quelle die Parallele zwischen Demosthenes und Cicero 12, 4 (Blass 194, 2. Morawski 33. Coblentz 57ff.; dagegen Martens 6), das Beispiel aus Aischylos 3, 1 (Weise 43, 2), die Stelle aus Xenophon 4, 4 (Rothstein 20, 1) u. s. w. Dass unter den τεχνογράφοι 12, 1, deren Definition der αὔξησις bekämpft wird, auch C. zu verstehen sei, behauptet Martens 20, bestreitet Rothstein 11f., 3. Sicher nicht gegen C. gerichtet sind die Ausführungen über den Wert theoretischer Untersuchungen über das Erhabene 2, 1ff., wie Martens 10, der zu φησί Κεκίλιος ergänzt, behauptet und Weise 45, 1 näher zu begründen versucht hat, vgl. Rothstein 11f., 3. Coblentz 52f. Was die Quellen des C. betrifft, so behauptet Rothstein 13f. Abhängigkeit von Theophrastos περὶ λέξεως, Coblentz 23f. 40f. 45 von stoischen Quellen; letzterer 56f. will ausser 9, 9 auch noch eine weitere Entlehnung aus dem alten Testamente finden. Zu C. π. ὕψ. vgl. die Arbeiten von Buchenau bes. 44ff. Burckhardt 20f. 44ff. Martens 5–22. Coblentz, darin kurzes Résumé 72–75. Weise 43–46. Rothstein Herm. XXIII (1888) 1–20. Die Werke 1–5 fehlen in der Aufzählung bei Suidas. Er beginnt seine Schriftenreihe mit 6) κατὰ Φρυγῶν in zwei Büchern, einer Streitschrift gegen die spöttisch Phryger genannten Asianer, von der uns kein Fragment erhalten ist. Schon im Titel klingt [1181] der Ton leidenschaftlicher Gereiztheit wieder, den wir aus den Schriften des Dionysios zur Genüge kennen (zum Ausdruck vgl. Dion. de ant. or. prooem. 1. Cic. or. 25. 27). Mit nr. 6 identificieren nr. 14 Blass 176, Caccialanza 18, Nitzsche Quaest. Eudoc., Leipziger Diss., Altenburg 1868, 36f. Bergk-Peppmüller a. O. IV 554, 53 u. a. Über den Unterschied der damals herrschenden zwei Richtungen der Beredsamkeit handelte die Schrift 7) τίνι διαφέρει ὁ Ἀττκὸς ζῆλος τοῦ Ἀσιανοῦ (Suid.), von der ebenfalls kein Fragment auf uns gekommen ist. Wohl sein bedeutendstes und reifstes Werk, die Frucht langjähriger Studien, liegt uns vor in 8) περὶ τοῦ χαρακτῆρος τῶν δέκα ῥητόρων (Suid.), frg. 1–23 (Burckhardt 6–13. Weise 21ff.). Dem Titel nach scheint es, als ob das Werk nur über den Stilcharakter der zehn Redner des Kanons (der nach der keineswegs überzeugenden Ansicht mehrerer Gelehrten von C. selbst zuerst aufgestellt worden sein soll, vgl. die Litteratur über den Kanon bei Brzoska De canone dec. or. Att., Diss. Breslau 1883, 3ff.; dazu Blass Att. Ber. I² 117f. Weise 26ff. Hartmann De canone dec. or., Diss. Göttingen 1891. Fränkel Arch. Jahrb. VI 1891, 55. Usener Arch. Anz. 1891, 93. Susemihl Griech. Litt.-Gesch. II 694ff. Kroehnert Canonesne poetarum scriptorum artificum per antiquitatem fuerunt? Diss. Koenigsberg 1897; näheres unter Kanon der Redner) gehandelt hätte, in Wirklichkeit aber beschäftigte es sich auch mit ihrem Leben und untersuchte die Echtheit der unter ihrem Namen überlieferten Reden, weil dies Studium die notwendige Voraussetzung und Grundlage bildete für eine richtige Würdigung ihrer Stileigentümlichkeiten (vgl. das ähnliche Verfahren des Dionysios in der Schrift über Deinarchos). Was die Zeit der Abfassung betrifft, so hat Weise überzeugend nachgewiesen, dass die Schrift nach des Dionysios ähnlichen Werken über die alten Redner, über Deinarchos, Thukydides und de adm. vi dic. in Dem. geschrieben sein muss, da einerseits Dionysios den mit ihm am gleichen Orte lebenden, engbefreundeten, dieselben Studien betreibenden C. an Stellen, wo er über seine Quellen spricht, nicht hätte ignorieren können und an andern Stellen zweifellos benützt hätte, wenn er sein Werk gekannt hätte (so ad Amm. I bei Festsetzung des Geburtsjahres des Demosthenes und in den Schriften über Thukydides bei der Frage nach dem Verhältnisse zu Antiphon), anderseits C. in vielen Punkten sich auf Dionysios bezieht, teils mit ihm übereinstimmend, teils von ihm abweichend. Aus diesem Werke des C. sind auf uns gekommen, mehr oder weniger gut verbürgt, biographische Notizen über Antiphon, wenn anders, wie gewöhnlich angenommen wird, das 9) σύνταγμα περὶ Ἀντιφῶντος bei Ps.-Plut. vit. X or. 832 e sich mit dem betreffenden ersten Abschnitte unseres Werkes deckt (Burckhardt 26, 3; zu frg. 1 vgl. Blass Att. Ber. I² 97. 206. II² 465), über Isokrates, Aischines (Blass a. O. II² 55), Lykurgos und Demosthenes (Blass III 1², 5), Bestimmungen über die Anzahl der erhaltenen echten und unechten Reden und eventuell anderen Schriften aller Redner, endlich Erörterungen über Vorzüge und Schwächen, Stilcharakter und künstlerischen Wert aller Redner mit [1182] Ausnahme des Lykurgos und Hypereides. Als Quellen für den biographischen Teil benützte C. des Krateros vortreffliche Sammlung athenischer Staatsurkunden (hieraus ist zweifellos durch C. entlehnt das Psephisma gegen Antiphon bei Ps.-Plut. 833 dff., sehr wahrscheinlich die Ehrendecrete für Lykurgos 307/6, Demosthenes 280/79, Demochares 271/70 bei Plut. 850 e–852 e; vgl. Krech De Crateri ψηφισμάτων συναγωγῇ, Berliner Diss., Greifswald 1888, 20. Blass III 2, 73. Susemihl I 601, 387), daneben so schlechte und unzuverlässige Quellen wie Idomeneus περὶ δημαγωγῶν und die Biographien des Hermippos, letztere nicht blos für Aischines, sondern auch z. B. für Isokrates (vgl. Keil Analecta Isocr., Prag u. Leipz. 1885, 89–94. Susemihl I 495, 14. 594). Als Quellen für die Kritik der Reden dienten ihm die Pinakes des Kallimachos und der Pergamener, daneben vermutlich Schriften des Dionysios, dessen Angaben er öfter nachzuprüfen scheint. Die antiphontischen Reden beurteilte blos C. als der erste Rhetor, der den Antiphon eines eingehenden Studiums würdigte, und zwar traf seine Athetese 25 Reden unter 60 (Blass I² 102f.); desgleichen kennen wir bei Isaios, Aischines und Lykurgos nur die Anzahl der von C. als echt angesehenen Reden; bei Lysias erklärte C. in Übereinstimmung mit Dionysios (so verstehe ich οἱ περὶ Διονύσιον καὶ Καικίλιον bei Ps.-Plut. 836 a) 233 Reden unter 425 als echt (Blass II² 354f.); unter den 60 dem Isokrates zugeschriebenen Reden liess C. 28, Dionysios 25 als echt gelten (Blass II² 103); auch bei Deinarchos scheint C. eine grössere Anzahl echter Reden als Dionysios angenommen zu haben (so Burckhardt 37, 29; anders Blass III 2, 275), desgleichen bei Demosthenes (Burckhardt 8. 33, 20); der von Dionysios vorgeschlagenen Umstellung der olynthischen Reden widersprach C. (frg. 17 a), gegen ihn verteidigte er nach Dindorfs Vermutung zu Schol. Dem. Phil. I 30 die Einheit der ersten philippischen Rede (Blass III 1², 300), die Rede über Halonnesos (des Hegesippos) hielt er im Gegensatze zu ihm für unecht (frg. 18). Mit den Reden des Demosthenes hat sich C. ganz besonders eingehend beschäftigt (vgl. Sauppe 1664f.); Suidas citiert ein Sonderwerk 10) περὶ Δημοσθένους ποῖοι αὐτοῦ γνήσιοι λόγοι καὶ ποῖοι νόθοι; ob wir es aber wirklich mit einer Monographie, einer Vorarbeit zu dem grösseren Werke, oder blos mit einem Abschnitte aus demselben in der Vita des Demosthenes zu thun haben, lässt sich mit Sicherheit nicht entscheiden. Nach einer Hypothese von Christ Abh. Akad. München XVI 1882, 175 fusste die Textesrecension des Demosthenes, die unter dem Namen des Atticus in Umlauf gesetzt wurde (wohl aus der ersten Hälfte des 1. Jhdts. der Kaiserzeit, im Verlage des Atticus erschienen), auf den Resultaten desjenigen Rhetors, der sich nach Dionysios (der es nicht gewesen sein kann) am meisten um Demosthenes verdient gemacht hat, des C. Ob und wieweit C. in der ästhetischen Würdigung der Redner von Dionysios und älteren Quellen abhängt, ist noch eine offene Frage. Sein Urteil über Lysias frg. 9. 9 b deckt sich mit dem des Dion. de Lys. 15. Auf das gleichlautende Urteil des C. in der Frage der Nachahmung des Thukydides durch Demosthenes beruft sich Dion. ad Cn. [1183] Pomp. 3 (vgl. auch Coblentz 30. 32ff.). In ähnlicher Weise wie Dionysios beobachtet C. den Stil der Redner nach der theophrasteischen Dreiteilung: σχήματα, ἐκλογὴ ὀνομάτῶν und σύνθεσις. Es ist interessant zu verfolgen, wie C. die Redner mit Bezug auf das σχηματίζειν τὴν διάνοιαν vom ersten bis zum letzten untersucht; so sind Antiphon und Andokides noch ἀσχημάτιστοι frg. 5. 7, Isaios πρῶτος σχηματίζειν ἤρξατο καὶ τρέπειν ἐπὶ τὸ πολιτικὸν (Blass II² 499, 1) τὴν διάνοιαν, ὃ μάλιστα μεμίμηται Δημοσθένης frg. 11, Deinarchos τῶν σχημάτων αὐτοῦ (Demosthenes) μιμητὴς ὑπάρχει frg. 23; zu Isokrates vgl. Phot. cod. 260, 487 b 28 und Sauppe 1664, zu Aischines Phot. cod. 61, 20 b 17 und Blass III 2, 164. Natürlich vernachlässigte er über dem λεκτικὸς τόπος den πραγματικός nicht, wie das Beispiel des Lysias zeigt. Eingehendere Urteile sind uns erhalten über Antiphon (Blass I² 117ff.), Isokrates (Blass II² 121. Sauppe 1664) und Aischines (Blass III 2, 132, 1. 163, 3. 164). Ein so ausserordentlich reichhaltiges Repertorium verschiedenartigster Notizen, wie es das Werk über die zehn Redner bot, wurde natürlich von den Späteren viel herangezogen, besonders für die den Ausgaben der Redner vorauszuschickenden γένη (Busse Rh. Mus. XLIX 1894, 83). Es bildet die Grundlage für die pseudoplutarchische Schrift von den zehn Rednern. Direct oder indirect, mit oder ohne Namennennung findet es sich unter anderem benützt von dem Biographen Apollonios, Laertius, Diogenes (über die beiden letzten vgl. Maass Philol. Unters. III 131. Blass III 2, 159f., 4), Libanios, Hermias zu Platons Phaidros, den Scholiasten zu Demosthenes und Aischines, Suidas, besonders Photios, dessen Angaben eine neue notwendige Fragmentsammlung sehr bereichern würden. Für einen Teil dieses Werkes halten die von Ps.-Long. 32, 8 citierten 11) συγγράμματα ὑπὲρ Λυσίου (in mehreren Büchern?) Martens 7f., 6 und Weise 21, 1; Burckhardt dagegen 13–15 fasst sie als Specialschrift und versieht sie nach dem Inhalte des einzigen a. O. erhaltenen Fragmentes = frg. 24 mit dem zweiten Titel σύγκρισις Πλάτωνος καὶ Λυσίου ohne ersichtlichen Grund. C. ergreift in dieser Schrift Partei für Lysias und stellt den Redner in jeder Beziehung über den Philosophen. Das harte Urteil Ps.-Longins μᾶλλον μισεῖ τῷ παντὶ Πλάτωνα ἢ Λυσίαν φιλεῖ ist übertrieben und erscheint unberechtigt, wenn man die ruhige Beurteilung der beiden Männer durch C. in frg. 9. 9 b und der Fortsetzung von frg. 12 b aus dem Werke über die Redner dagegenhält; es lässt sich erklären, wenn man mit Burckhardt nr. 11 als Sonderschrift ansieht und viel früher ansetzt als nr. 8; in diesem Falle hätte jugendliches Ungestüm den leidenschaftlich erregten und vielleicht durch Angriffe von einseitigen Platonenthusiasten auf Lysias gereizten Jünger Apollodors zu unbedachten und ungerechten Ausfällen gegen Platon fortgerissen. Im übrigen werden wir uns die Beurteilung Platons bei ihm ähnlich zu denken haben wie bei Dionysios (worüber Blass 189ff. Coblentz 32f. 65f.); es handelte sich nicht sowohl um die materielle als um die stilistische Seite, und da erschien dem rigorosen Apollodoreer die einfache, schlichte Sprache des Lysias ungleich empfehlenswerter für [1184] den angehenden Redner als der dithyrambische Schwung und die wortreiche, poetische Sprache Platons, die nur zu leicht zu falschem ὕψος verleiten konnten; strenger Lysianer nach dem Muster der von Cicero oft verspotteten Attiker par excellence war er deshalb nicht (vgl. frg. 9. 9 b). In Ps.-Longins Schrift 12, 4 begegneten wir bereits einer zweiten Parallele, der zwischen Demosthenes und Cicero, die der Anonymus in den Hauptzügen, gewiss nicht in der Form, dem C. entnommen haben wird. C. hat nämlich nach dem Zeugnisse des Suidas eine 12) σύγκρισις Δημοσθένους καὶ Κικέρωνος geschrieben. Die Richtigkeit der Annahme vorausgesetzt, hat C. die Grösse des Römers keineswegs gegen die des Griechen herabsetzen wollen, vielmehr ihn als in seiner Art grössten Redner neben den gewaltigen Griechen hingestellt und die Vorzüge beider Männer gegen einander abgewogen. Plutarchos Dem. 3 = frg. 52, der auf diese Schrift des C. Bezug nimmt, tadelt mit auffallender Heftigkeit den C., der sich in jugendlichem Übermute vermessen hätte, eine über seine Kräfte gehende Aufgabe anzugreifen. Vielleicht liegt in der Plutarchstelle ein weiterer Anhalt für die Richtung vor, nach der des C. Kritik die beiden Grössen auf Grund einer Prüfung ihrer Reden mit einander verglich: τὸ τοὺς λόγους ἀντεξετάζειν (wie es C. gethan) καὶ ἀποφαίνεσθαι, πότερος ἡδίων (Cicero) ἢ δεινότερος (Demosthenes) εἰπεῖν ἐάσομεν. Wenn man das ἐνεανιεύσατο des Plutarchos wörtlich nehmen dürfte, so läge ein Jugendversuch des C. vor, andererseits setzt eine solche Parallele in der Regel eingehende Beschäftigung mit den in Vergleich gestellten Männern, hier also mit der griechischen und römischen Litteratur voraus, verweist uns also in ein späteres Alter. Interessant ist es, zu beobachten, dass der Grieche in dem heftigen Streite darüber, wem unter den Römern der erste Platz als Redner zukomme, den von den Attikern strengster Observanz und noch mehr von den Asianern seiner Zeit (z. B. von Cestius Pius) heftig angegriffenen Cicero über alle andern gestellt zu haben scheint. Wie er den Demosthenes mit dem grössten römischen Redner, so verglich er in der 13) σύγκρισις Δημοσθένους καὶ Αἰσχίνου (Suid.) den Demosthenes mit seinem grössten griechischen Nebenbuhler. Man wird unwillkürlich an Ciceros Schriftchen de optumo genere oratorum erinnert, mit dem er seine Übersetzung der nobilissumae orationes inter seque contrariae duorum eloquentissimorum, Aeschini et Demostheni einleitet (14). Ein Fragment aus dieser σύγκρισις hat sich nicht erhalten. Wohl im Anschlusse an sein Werk über die zehn Redner veröffentlichte er, um das allseitige Verständnis ihrer Werke zu fördern, ein rhetorisches Lexikon und eine Specialschrift über das Historische bei den Rednern. Blass 177, 1 unterscheidet zwischen einer atticistischen, von Suidas citierten ἐκλογὴ ὀνομάτων und einem als solches nirgends citierten λεξικὸν ῥητορικόν, das dem des Harpokration verwandt sei. Er hat recht; nur scheint die verderbte Suidasstelle beide Werke zu bezeichnen: κατὰ Φρυγῶν δύο· ἔστι δὲ κατὰ στοιχεῖον ἀπόδειξις τοῦ ἐιρῆσθαι πᾶσαν λέξιν καλλιρρημοσύνης· ἔστι δὲ ἐκλογὴ λέξεων κατὰ στοιχεῖον (die verschiedenen Versuche, den Text herzustellen, s. bei [1185] Boysen De Harpocrationis lexici fontibus quaest. sel., Diss. Kiel 1876, 26 und Nitzsche a. O. 36f.). Mit ἔστι δέ wird aller Wahrscheinlichkeit nach der Inhalt eines Werkes angegeben, dessen Titel darüber Zweifel lässt. Den ungewöhnlichen Titel des einen Werkes hat Rohde Griech. Roman 326, 2 aus dem auch sonst anstössigen καλλιρρημοσύνης richtig hergestellt: 14) Die Καλλιρρημοσύνη (in mehreren Bänden, wenn der Genetiv beibehalten wird) war danach identisch mit der ἐκλογὴ λέξεων κατὰ στοιχεῖον, eine Schule der Wohlredenheit, das älteste Beispiel einer Wörtersammlung zum Behufe der Ausbildung rein attischer Schreibweise, eines atticistischen Lexikons (woher Coblentz 11 den Titel λέξεις Ἀττικαί hat, ist mir nicht gelungen festzustellen). Es entsteht die Frage, ob mit ἔστι δὲ κατὰ στοιχεῖον ἀπόδειξις u. s. w. der Inhalt der ebenfalls ungewöhnlich betitelten Schrift κατὰ Φρυγῶν wiedergegeben werden sollte (s. unter nr. 6). Das scheint unwahrscheinlich, vielmehr haben wir in den überlieferten Worten die Umschreibung des ungewöhnlichen Titels für das rhetorische Lexikon zu suchen, das schlechterdings mit den Asianern nichts zu thun hat. Danach möchte die Suidasstelle also zu emendieren sein: κατὰ Φρυγῶν δύο, [Titel des rhetorischen Lexikons], ἔστι δὲ κατὰ στοιχεῖον ἀπόδειξις τοῦ εἰρῆσθαι πᾶσαν λέξιν [τοῖς ῥήτορσι? vgl. den Titel zu nr. 16], Καλλιρρημοσύνης [Bandzahl], ἔστι δὲ ἐκλογὴ λέξεων κατὰ στοιχεῖον. Denkbar wäre auch, wenn man auf das dem Suidaslexikon vorausgeschickte Quellenverzeichnis, in dem als Quelle für die auf ein rhetorisches Lexikon hinweisenden Notizen K. Κ. Σικελιώτης, ἐκλογὴν λέξεων κατὰ στοιχεῖον angegeben wird, Gewicht legt, eine Verschiebung der Worte des Suidastextes in der Weise, dass man liest: κατὰ Φρυγῶν δύο, ἐκλογὴ λέξεων κατὰ στοιχεῖον, ἔστι δὲ ἀπόδειξις… λέξιν, Καλλιρρημοσύνης[?], ἔστι δὲ κατὰ στοιχεῖον. Wie dem auch sei, ein 15) rhetorisches Lexikon hat C. hinterlassen. Es war ein alphabetisch angeordneter Wort- und Sachcommentar, in dem teils seltenere bei den attischen Rednern vorkommende, einer Erklärung bedürftige, eigenartige oder ungewöhnliche Ausdrücke erklärt, teils Antiquitäten, besonders aus dem Staats- und Gerichtswesen erläutert wurden. Es ist Boysens Verdienst (De Caecilio Calactino lexici rhetorici auctore a. O. 18–33), aus Suidas, dem vierten und fünften Lexikographen bei Séguier und aus Gregorios von Korinth, Schol. Hermog. VII 2, 1119ff. W., denen allen des C. Lexikon vorgelegen hat, eine sehr stattliche Anzahl von Fragmenten des C. gehoben zu haben, deren Index er in der Appendix zu seiner Dissertation 85–90 in alphabetischer Übersicht zusammengestellt hat. Vollständig ist des C. Lexikon in kein rhetorisches Glossar aufgenommen worden, vielmehr finden sich bald mehr bald weniger Glossen in mehr oder weniger verkürzter und verderbter Gestalt bei den genannten Schriftstellern, am besten noch bei Suidas erhalten. Dass sich C. bei der Erklärung auf die Redner der Dekas beschränkt hat, ergiebt sich aus seiner Glosse κεφάλαιον bei Suidas. Unter diesen Rednern hat er, nach den Fragmenten zu schliessen, am meisten commentiert Antiphon, Lysias, Demosthenes, Aischines, was vortrefflich zu der auch sonst von ihm überlieferten kritischen [1186] Thätigkeit passt (vgl. nr. 9. 11. 10. 13), am wenigsten Andokides. Ausserdem werden hie und da Homer, Thukydides, Sophokles, οἱ κωμικοί, je einmal Aristophanes und Simonides, bezeichnenderweise nie Platon citiert, so jedoch, dass sie den Rednern entgegengesetzt werden. Die Glossen legen beredtes Zeugnis ab von dem intensiven, kritischen Sprachstudium, das C. den Rednern widmete, deren Sprachgebrauch er unter sich, mit dem anderer ἀρχαῖοι und dem seiner Zeit zu vergleichen pflegte. Welche Quellen ihm für die sachlichen Glossen vorlagen, lässt sich nicht bestimmen; an keiner Stelle nennt er einen Gewährsmann. Sein Lexikon lag dem Lysimachides vor, der in seiner Schrift περὶ τῶν παρὰ τοῖς Ἀττικοῖς ἑορτῶν (so ist längst richtig statt des überlieferten ῥητόρων emendiert) die Ableitung des θεωρικόν von αἱ θέαι, ὡς Καικίλιος ὑπέλαβεν, verwarf (Ammon. de diff. aff. voc. s. θεωρός. Müller FHG III 341f.). Gegenüber Schmidt und Althaus, die eine directe Abhängigkeit des Pollux von C. annehmen, sucht Boysen 27–30 nachzuweisen, dass Pollux aus Telephos von Pergamon geschöpft hat, und lässt es unentschieden, ob dieser des C. Lexikon oder dieselben Quellen wie C. benützt hat. Die Glossen des Harpokration sind in der Regel von den caecilianischen so verschieden, dass Boysen 31f. 16f. wohl gegen Schmidt Recht behält, wenn er direkte Benützung des C. durch Harpokration ablehnt; jedenfalls bildete C. nicht die Grundlage für das Lexikon des Harpokration. Mittelbare Benützung des C. liegt zweifellos vor in den Demosthenesscholien (durch Suidas), vermutlich auch in den Platonscholien, bei Methodios, Photios, im sog. Etym. M. (Boysen 30). Das andere vermutlich auch alphabetisch angeordnete lexikalische Werk des C. führte nach Suidas den Titel 16) περὶ τῶν καθ’ ἱστορίαν ἢ παρ’ ἱστορίαν εἰρημένων τοῖς ῥήτορσι. Darin wurden die geschichtlichen Notizen bei den Rednern der Dekas aus den Historikern belegt oder widerlegt. Um sich eine Vorstellung von dem Charakter eines solchen Werkes zu machen, vergleiche man Artikel bei Harpokration wie unter Μασσαλία als Beispiel für παρ’ ἱστορίαν und unter Μαντινέων διοικισμός als Beispiel für καθ’ ἱστορίαν (Blass 220f.). Buchenau a. O. 43f. zählt fälschlich unter den Werken des C. noch eine römische Geschichte auf; an der Stelle bei Strabon V 230, auf die er sich beruft, wird seit Kramer ὅ γε Κοίλιος ὁ τῶν Ῥωμαίων συγγραφεύς gelesen.

Das Urteil über C. ist, je mehr man den Umfang und die Art seiner Thätigkeit durch Aufdeckung neuer Fragmente übersehen konnte, ein immer günstigeres geworden. Früher stimmte man vielfach Krüger Leb. d. Thukyd. 34 bei, der ihn einen ,jüdischen Kritiker von leichtfertiger Keckheit‘ nannte, jetzt neigt man mehr dazu, mit v. Wilamowitz Herm. XII 333, 12. 334, 14 in ihm ,den streitbarsten, gelehrtesten und betriebsamsten‘ der Atticisten, einen ,Mann von sehr feiner Sachkunde‘ zu achten. Auf dem Gebiete geschichtlicher Forschung darf man seine Stärke freilich nicht suchen, als Historiker tritt er durchaus in den Hintergrund. Als Rhetor hat er seine grossen Verdienste, wenn er auch ein neues System nicht begründet hat; hier liegt seine Bedeutung [1187] nicht sowohl auf dem Gebiete der εὕρεσις und τάξις (τέχνη), als vielmehr auf dem der Stillehre (περὶ σχημάτων, περὶ ὕψους). Am bedeutendsten ist er in seiner philologisch-kritischen und ästhetischen Thätigkeit. Hier knüpft er an den vermutlich von seinem Lehrer Apollodoros überkommenen Kanon der zehn Redner an. Die Methode seiner Forschung ist die des Dionysios. Um angeben zu können, wie weit ein jeder der zehn Redner als Stilmuster dienen könne, stellt er zuvörderst fest, welche Werke man ihnen mit Recht zueignen dürfe; erst auf dieser Grundlage würdigt er die Redner ästhetisch und misst ihren Wert durch Vergleichung unter einander und mit sonstigen Grössen ab, indem er gleichzeitig die historische Entwicklung der Beredsamkeit von dem παλαιότατος τῶν ῥητόρων Antiphon (C.-Glosse bei Suidas) bis auf ihren Höhepunkt in Demosthenes verfolgt. Als Kritiker feiert ihn deshalb schon das Altertum mit und neben Dionysios (Plut. Dem. 3. Herm. Plat. Phaedr. 188. Phot. cod. 61. 265). Durch sein Ansehen hat er dem Kanon der Redner allgemeine Geltung verschafft. Auf ihn und Dionysios geht im wesentlichen zurück, was in der Folgezeit über das Eigentum eines jeden Redners angenommen wurde. Doch genügt es ihm nicht, Stilmuster zur Nachahmung für die Jünger der Beredsamkeit hinzustellen; er sucht dem bei der Schullectüre der Redner alsbald hervortretenden Bedürfnisse nach exegetischen Hülfsmitteln durch Speciallexica und Commentare zu den Rednern zu entsprechen. Mit ihm beginnt die umfassende Litteratur der attischen Rednerlexica. So ist C. eine überaus vielseitige Erscheinung, ein subtiler Rhetor, ein feinfühlender Stilist, ein für seine Zeit gründlicher Kritiker, ein ungemein regsamer Philologe und Schulmann, aber zugleich und gerade deshalb auch einer der streitbarsten Vorkämpfer des Atticismus. Je mehr er die Stilvorzüge der alten Redner würdigt, um so tiefer wird sein Abscheu gegen die Stilverderbnis, die bald nach Demosthenes Tode allüberall aufschiessend im Asianismus die üppigsten Blüten trieb, um so energischer, ja rücksichtsloser seine Polemik gegen den verhassten Barockstil, die ihn selbst ungerecht werden liess gegen Männer wie Platon. Wie weit es ihm selbst gelang, in seinen Schriften die von ihm bevorzugten Stilmuster zu erreichen, entzieht sich unserer Beurteilung. Redner war er, so viel wir wissen, nicht; von den historischen Schriften, die für die Lösung der Frage in erster Linie in Betracht kämen (vgl. Dionysios und sein Geschichtswerk) kennen wir nur die Titel; von den übrigen Werken sind meist nur so kurze, dazu vielfach aus abgeleiteten und getrübten Quellen geschöpfte und mit anderen untermischte Notizen erhalten, dass es gewagt erscheint, danach den Stil des C. zu beurteilen. Die Terminologie ist im wesentlichen die dionysianische.

Litteratur über C. im allgemeinen: Die ältere Litteratur s. bei Westermann Gesch. d. Bereds. I Leipzig 1833, 197. Meier De Andocidis quae vulgo fertur oratione contra Alcibiadem comm. IV, Halle 1837 = Opusc. I 128ff. Müller FHG III 1849, 330–333. Burckhardt C. rhetoris fragm. coll., disp., comment., Basel 1863; Fragmentsammlung 26–47 (rec. v. Sauppe Götting. [1188] gel. Anz. 1863, 1661–1668). Blass Griech. Bereds. v. Alex. bis Augustus, Berlin 1865, 169–221. Weise Quaest. Caecil., Diss. Berlin. 1888. Caccialanza Riv. filol. XVIII 1890, 1–73. Hammer Jahresber. LXII 1890, 62–72.