Esus, Name eines keltischen Gottes, in der Literatur bekannt durch die vielbesprochene Lucanstelle Phars. I 444–446 et quibus immitis placatur sanguine diro Teutates, horrensque feris altaribus Esus (var. Hesus, Aesus) et Taranis Scythicae non mitior ara Dianae. Dazu kommen die sich zum Teil widersprechenden Scholien (Commenta Lucani p. 32 ed. Usener), von denen das eine ihn mit Mars identifiziert (Hesus Mars sic placatur: homo in arbore sic suspenditur usque donec per cruorem membra digesserit), das andere mit Mercurius (Hesum Mercurium credunt, siquidem a mercatoribus colitur, et praesidem bellorum et caelestium deorum maximum Taranin Iovem); vgl. Michaelis Jahrb. d. Gesellschaft für Lothring. Geschichte u. Altertumsk. VII 1895, 160f. (Glosse in einer Kölner Hs. Esus id est Mars, Jaffé u. Wattenbach Catal. 139f.). Ein weiteres literarisches Zeugnis existiert nicht, denn was Lactanz bietet (inst. divin. I 21, 3 (Galli Esum atque Teutaten humano cruore placabant), ist nur Paraphrase des Lucan. Die meisten erschlossen aus den Versen des Lucan eine pankeltische Göttertrias, Taranis-Iuppiter, Teutates-Mars, Esus-Mercurius (vgl. Caes. b. G. VI 17; dazu z. B. d'Arbois de Jubainville Cours de littér. celtique II 376ff.), eine Auffassung, die bei genauerer Analyse der Stelle der Pharsalia und Berücksichtigung der Denkmälerfunde nicht stand hält (vgl. bes. Salomon Reinach Revue celtique XVIII 1897, 137–149; hier ist weitere Litteratur verzeichnet). Der Name E. ist gesichert durch das bekannte Denkmal der nautae Parisiaci (CIL XIII 3926[1] b, Zeit des Tiberius, gefunden 1710 unter dem Chor von Notre Dame in Paris, jetzt im Museum von Cluny; Abbildung bei Desjardins Géogr. de la Gaule III pl. XI [vgl. denselben II 506ff. III 260ff.] und Rev. celtiq. XVIII 254). Auf diesem vierseitig skulpierten Block erscheinen außer Iuppiter (mit der Inschrift IOVIS) und Vulcan (Inschrift VOLCANVS) auf zwei aneinanderstossenden Seitenflächen folgende Darstellungen; 1. ein bärtiger Mann im Arbeitsrock, der die rechte Schulter freiläßt, mit einem Beil einen Weidenbaum behauend, darüber die Inschrift ESVS; 2. ein Stier, über dessen Rücken eine Binde hängt; auf seinem Rücken und Kopf stehen drei storchartige Vögel (Kraniche); darüber die Inschrift TARVOS · TRIGARANVS. Eine analoge Darstellung bietet das 1895 am Moselufer bei Trier ausgegrabene Monument, das ausführlich
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beschrieben ist von H. Lehner Korr.-Bl. d. westd. Ztschr. 1896, 33–49 (Abbild. 35. 37 und Bonner Jahrb. C 209; vgl. Archäol. Anzeiger 1897, 17. Rev. celt. XVIII 256). Auf der Vorderseite ist Mercur abgebildet und eine weibliche Gottheit (wahrscheinlich Rosmerta), darunter die Weihinschrift des Mediomatrikers Indus, die nur den Mercur erwähnt. Das Relief der linken Seite ist fast ganz zerstört, gut erhalten dagegen der Bilderschmuck der rechten Nebenseite. ,Hier sieht man einen bartlosen Mann in halber Grösse der Hauptfiguren, in kurzem Chiton, der an den Arbeitsrock der Vulcanbilder erinnert, unter einem Baume stehend, in dessen Stamm er mit einem Beile schlägt. Der Absatz an dem Stamm des Baumes zeigt, daß er ihn zu fällen beabsichtigt. Über dem Baume, dessen Blätter gezackt sind, erscheint links der deutliche Kopf eines Rindes mit kurzen kräftigen Hörnern und, wie es scheint, krausem Stirnhaar. Hinter und auf dem Rinderkopf stehen und sitzen drei grosse Vögel mit langen Hälsen, Beinen und Schnäbeln‘. Lehner kommt unter Berufung auf das 2. Lucanscholion (vgl. Mommsen R. G. V 95) zu dem Schlusse, daß E. = Merkur ist, insoweit er Handelsgott ist, und zwar, wie er wahrscheinlich zu machen sucht (E. und Tarvos Trigaranus Schutzgottheiten der Schiffer), soweit er den Handel zu Wasser beschützt. Dieser Gleichsetzung widerspricht die Art der Darstellung durchaus, sie hat mit den gewohnten Mercuriusbildern nichts gemein. Auf dem Trierer Denkmal ist Mercur auf der Hauptseite dargestellt, und es ist schwer glaublich, dass der Mann, der auf der Seitenfläche die Axt in den Baum haut – E., wie der Pariser Altar zeigt – dieselbe Gottheit vorstellen soll (vgl. Michaelis a. O. 161). Vielleicht würden wir zu größerer Klarheit gelangen, wenn die Sculptur der linken Seite des Trierer Steines noch erhalten wäre. Vorderhand lassen sich über die Bedeutung des Stieres und der Kraniche (vgl. den Artikel Tarvos Trigaranus), ihren Zusammenhang mit E. und das Wesen dieser Gottheit, von der offenbar auch die Lucanscholiasten nichts Sicheres wussten, nur unsichere Vermutungen hegen. Nach Mommsen R. G. V 95 ist E. ,der Entsetzliche mit seinen grausen Altären, aber dennoch ein Gott des Handelsverkehrs und des friedlichen Schaffens; er ist zur Arbeit geschürzt wie Vulcan, und wie dieser Hammer und Zange führt, so behaut er mit dem Beil einen Weidenbaum‘. Mowat (in seinem ausführlichen Aufsatz Bull. épigr. de la Gaule I 60ff.) sucht ihn mit Silvanus zu identificieren, was Hirschfeld Westd. Ztschr. VIII 137 zurückweist (vgl. Michaelis Jahrb. f. Lothring. Geschichte VII 1, 1895, 135 Anm.). Zur Deutung des Namens vgl. Glück Kelt. Namen bei Caes. 97ff. Holder Altkelt. Sprachsch. s. Esus, Hesus. Daß E. ein von allen Kelten verehrter Gott gewesen sei, läßt sich jedenfalls mit triftigen Gründen nicht nachweisen, und die Ableitungen Esugenus, Esuvius, Esumagius, Esumopas (s. den Artikel Esumus), Esunertus sprechen auch nicht dafür (vgl. z. B. Camulus und seine Ableitungen). S. Reinach (a. O. 149) geht im Skeptizismus wohl nicht zu weit, wenn er als Resultate seiner Untersuchung folgende Sätze aufstellt: Teutates, E., Taranis sind keine pankeltischen Gottheiten;
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nichts beweist, daß sie eine Trias gebildet hätten; sie haben nichts spezifisch Druidisches an sich; es sind die Gottheiten bestimmter Völker, die zwischen Seine und Loire saßen (vgl. seine Ausführungen S. 144ff.); E. ist vielleicht der spezielle Gott der Parisii. Vielleicht ist der letzte Satz zu Gunsten der Esuvii (s. d.) abzuändern.