Euenor (Εὐήνωρ). 1) Sohn des Euepios aus Argos in Akarnanien, griechischer Arzt, lebte in
[973]Athen und erhielt daselbst Proxenie und unter dem Archon Philokies (322/1 v. Chr.) das Bürgerrecht (IG II 186. 187. Schoenemann De lex. ant. 95. v. WilamowitzHerm. XXII 240, 1. Wellmann Herm. XXIII 559, 6). Er scheint Anhänger der dogmatischen Schule (Praxagoras) gewesen zu sein; daneben stimmt er in seinen Lehren mehrfach mit Euryphon von Knidos überein. Wie Praxagoras und Euryphon hielt er bei der Pleuritis die Lunge für das leidende Organ (Cael. Aurel. a. m. II 16, 96); die operative Entfernung der Wasseransammlung bei der Wassersucht verwarf er (Cael. Aurel. m. chron. III 8, 122; Erasistratos war ihm darin gefolgt). Das Wesen des Fiebers sah er in einer abnormen Steigerung der eingepflanzten Wärme (V. Rose Anecd. gr. II 217. 226; ebenso Pleistonikos und die älteren Dogmatiker, vgl. Alex. v. Aphr. in Idelers Physici et medici gr. min. I 82) und verwandte Bocksurin wegen seiner brennenden Eigenschaft zur Erregung von Fieber (Orib. IV 85). Er verfaßte ein therapeutisches Werk (θεραπεῖαι, curationes) in mindestens fünf Büchern (Cael. Aurel m. chron. III 8, 122; von Herakleides von Tarent benützt, vgl. Gal. XVIII A 736), aus dem vermutlich die Zitate über Heilwirkungen des Anis und des Nachtschattens bei Plinius stammen (n. h. XX 187. 191. XXI 180). Über die Heilwirkung des Wassers hatte er gleichfalls gehandelt; er lobte das Zisternenwasser, noch mehr aber das Wasser der Heilquelle des Amphiaraosheiligtums (Athen. II 46 d; gegen seine Ansicht polemisiert die Quelle des Plin. n. h. XXXI 31 d. h. Varro-Poseidonios, vgl. M. Wellmann Herm. XXXV 356). Besonders verdient machte er sich auf gynäkologischem Gebiet; es ist möglich, daß er ein Werk γυναικεῖα geschrieben hat. Mit Euryphon teilte er die Ansicht, daß die Fruchtbarkeit der Frauen durch Räucherungen der Gebärmutter auf dem Gebärmutterstuhle festgestellt werden könne (Sor. gyn. I 9, 35 p. 200), beim Vorfall der Gebärmutter ließ er ein Stück Rindfleisch auflegen (Sor. gyn. II 31, 85 p. 373), die Nachgeburt empfahl er aus dem Uterus durch Anfassen des hervorragenden Endes und Herausziehen des Ganzen, zu entfernen (Sor. gyn. I 22, 71 p. 242); vgl. M. Wellmann bei Susemihl Lit. d. Alexandr. I 783.