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RE:Frumentarii

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Verwalter der annona militaris und Boten
Band VII,1 (1910) S. 122125
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Frumentarii. Wie der Name – von Naudet (Comptes-rendus de l’acad. des inscr. et belles-lettres sér. IV 3, 1875, 144–151) treffend durch commissaires de vivres erklärt – besagt, lag den F. zunächst wohl die Versorgung des Heeres mit Getreide ob (Madvig D. Verf. u. Verw. d. röm. Staates II 744), eine Annahme, die bisher freilich nur eine einzige, noch dazu verstümmelte Inschrift – CIL VI 3340[1] (nach Henzen Bull. d. Inst. 1884, 21 aus der zweiten Hälfte des 2. Jhdts. n. Chr.) – bestätigt. In diesem Falle gehörten die F. mit zu den für die Verwaltung der annona militaris (s. Bd. I S. 2320f.) bestellten Militärpersonen. Eine umfassendere Tätigkeit der F. auf dem Gebiete des Verpflegungswesens, namentlich im Dienst der kaiserlichen Hofhaltung, sucht Paribeni (Röm. Mitt. XX 1905, 310–320) zu erweisen. Seine Ausführungen stützen sich jedoch, von Vermutungen abgesehen, im wesentlichen nur auf das Zeugnis des Lydus (de mag. III 7): σιτῶναι οὃς Βίκτωρ ὁ ἱστορικὸς ... φρουμενταρίους οἶδε τὸ πρὶν ὀνομασθῆναι ὅτι τῆς τοῦ παλατίου εὐθηνίας ἐφρόντιζον. Jedenfalls standen die sonstigen, aus zahlreichen Inschriften und Schriftstellerzeugnissen bekannten, überaus mannigfaltigen dienstlichen Verrichtungen der F. zu ihrem Namen in keinerlei Beziehung. Erstlich nämlich versahen sie den militärischen Nachrichtendienst (Henzen a. a. O. 21f.). Nach Aur. Vict. Caes. 13, 5. 6 – von Naudet Mém. de l'acad. des sciences mor. et polit. VI 782f. und Hirschfeld S.-Ber. Akad. Berl. 1891, 866, 108 auf die F. bezogen – geht diese Einrichtung auf Traian zurück. CIL III 2063[2] heißt es von einem F.: cucurrit [123] annos quadraginta. Hist. aug. Maxim. et Balbin. 10, 3 sind die F. Überbringer wichtiger Briefe und Befehle. CIL III 14191[3] erfolgt die Zustellung eines kaiserlichen Reskriptes durch einen frumentarius. F. waren wohl auch die von Cass. Dio bald als γραμματοφόροι (LXXIX 14, 1), bald als ἀγγελιαφόροι (ebd. 15, 1. 39, 3) bezeichneten Kuriere. Wahrscheinlich erstatteten die F. ihre Meldungen häufig zu Pferde. Darauf deutet die Erwähnung eines exercitator militum frumentariorum (CIL VIII 1322),[4] die Beförderung eines centurio frumentarius zum exercitator singularium imperatoris (CIL VIII 2825),[5] vor allem aber die aus Hieron. in Abdiam 1 sich ergebende Analogie mit den veredarii. Den Botendienst hatten die F. übrigens mit den speculatores (s. d.) gemein. Das erklärt die Beziehungen zwischen beiden Truppengattungen. CIL VI 3358[6] errichtet ein frumentarius einem speculator exercitus Britannici einen Grabstein. CIL III 3524[7] besorgt ein frumentarius den Wiederaufbau der schola speculatorum von Aquincum. Eine bemerkenswerte Tätigkeit entfalteten die F. sodann als kaiserliche Geheimpolizisten (Mommsen Röm. Strafrecht 319). Als solche ersetzten sie vermutlich die speculatores Augusti oder Caesaris, deren persönlicher Dienst beim Kaiser mit dem 2. Jhdt. n. Chr. aufhörte, vgl. Hirschfeld a. a. O. 855f. Hadrian insbesondere ließ sich über alle Vorgänge im eigenen Hause wie über das Tun und Treiben seiner Freunde von den F. eingehend unterrichten (Hist. aug. Hadr. 11, 4. 6). Ähnliches wird von Caracalla (Cass. Dio LXXIX 15, 1. 17, 1), Macrinus (Hist. aug. Macr. 12, 4), Alexander Severus (Hist. aug. Alex. Sev. 23, 2) und Gallienus (Hist. aug. Claud. 17, 1) berichtet. Der auf einer paphlagonischen Inschrift (Bull. hell. XIII 1889, 317) genannte φρουμεντάρι[ο]ς Αὐγούστοy χώρας Λουγδούνου dürfte ein vom Kaiser für die Provincia Lugdunensis bestellter Geheimagent gewesen sein. Vgl. damit CIL VI 3365:[8] frumentarius stip. XVII ... imp(eratoris) n(ostri) – die Lücke vor imp. mit Cauer (Ephem. epigr. IV p. 457) durch eq(ues) sing(ularis) oder mit Paribeni (a. a. O. 316, 2) durch equit(um) sing(ularium) auszufüllen, erscheint mir nicht angezeigt. Da die F. der späteren Kaiserzeit ihre verantwortungsreiche Stellung als Späher und Horcher arg mißbrauchten, verfügte Diocletian ihre Aufhebung (Aur. Vict. Caes. 39, 4. 5. Hirschfeld a. a. O. 866) und ersetzte sie durch die agentes in rebus (s. Bd. I S. 776). Auch sonst waren die F. in den verschiedensten Stellungen des Polizei- und Wachdienstes tätig. Vor allem überführten und bewachten sie nach Mommsen (vgl. die Ausführungen zu Apostelgesch. 28, 16 recensio B in S.-Ber. Akad. Berl. 1895, 491–503 und Röm. Strafrecht 316) alle die, welche sich in Rom vor dem Kaisergericht zu verantworten hatten. F. töteten auf Geheiß der Praefecti praetorio, denen sie auch sonst zur Seite standen (Lyd. de mag. II 10), unter Commodus den Hochverräter Saoter (Hist. aug. Commod. 4, 5). Ein frumentarius war Kerkermeister, vgl. CIL III 433.[9] In den Marmorbrüchen von Carrara beaufsichtigten 200 n. Chr. F., von einem centurio frumentarius befehligt, die dort arbeitenden Verbrecher, vgl. CIL XI 1322[10] und dazu Hirschfeld a. a. O. 860. Zum Dienst der [124] vigiles scheinen die F. ebenfalls herangezogen worden zu sein (Henzen a. a. O. 26. Hirschfeld a. a. O. 857, 50). Wenigstens fand sich im Wachlokal der VII. Cohorte der Vigiles der Name eines frumentarius (vgl. CIL VI 3052[11] aus dem 3. Jhdt.), und auf einer 212 n. Chr. von einer Vexillation der Vigiles errichteten Inschrift – CIL VI 1063[12] – stehen auch die Namen zweier centuriones f. Schließlich spielten die F. bei den Christenverfolgungen als Häscher, die die Verhaftungen vornahmen (Mommsen Röm. Strafrecht 316, 4), eine Rolle, vgl. Euseb. hist. eccl. VI 40, 2 = Acta martyr. ed. Ruinart 52 und Cyprian epist. 81, wo für commentarios frumentarios zu lesen ist (Hirschfeld a. a. O. 866, 109).

Der vielseitigen Tätigkeit der F., die im 2. Jhdt. n. Chr. einsetzt (früheste inschriftliche Erwähnung CIL III 1980[13] aus dem J. 170 n. Chr.; auch nennen die Inschriften der F. keine Legion, die vor oder unter Hadrian aufgelöst wurde, vgl. Marquardt St.-V II2 493, 4; ebenso überwiegen bei den F. die auf das 2. und 3. Jhdt. hindeutenden Geschlechtsnamen, vgl. Vaglieri bei Ruggiero Dizion, epigr. III 222), entsprach ihre Organisation. Zunächst verfügte jede Legion über eine Anzahl milites f. Dieser Bestand scheint jedoch häufig gewechselt zu haben. Im Bedarfsfalle nämlich gaben die Legionen von ihren F. zeitweise an andere Legionen ab oder aber entließen sie zur Dienstleistung nach Rom und überall dahin, wo ihre Anwesenheit sich nötig machte. Aus der Inschrift eines vet(eranus) ex num(ero) frum(entariorum) leg(ionis) IIII Fl(aviae) – CIL VI 3341[14] – folgerten Henzen (a. a. O. 22) wie Mommsen (Herm. XIX 222), die F. der einzelnen Legionen hätten je einen numerus gebildet. Dieselbe bezieht sich jedoch, wie Marquardt (a. a. O. 491, 9) treffend ausführt, gar nicht auf einen frumentarius legionis, sondern auf einen nach Rom abkommandierten frumentarius der vierten Legion. Befehligt wurden die F. der einzelnen Legionen von centuriones f. (vgl. z. B. CIG 2802. CIL II 4150.[15] III 7041.[16] 7420. 12371); diese rückten bei einer Beförderung zu primipili auf, vgl. CIL VI 1636.[17] X 6657.[18] Die F. selbst gehörten dem Range nach zu den principales (Marquardt a. a. O. 491). Das beweist ihre Beförderung zu beneficiarii consulares, vgl. CIL II 4154.[19] III 3020.[20] VIII 17627[21]. Ein frumentarius wurde beneficiarius tribuni, Korr.-Bl. d. Westd. Ztschr. II 63, ein anderer optio, CIL XI 1322,[10] einer war gleichzeitig commentariensis, CIL XIII 1771,[22] und einer brachte es nach vierzigjähriger Tätigkeit ausnahmsweise sogar zum centurio frumentarius, CIL III 2663.[23] Verabschiedete F. nannten sich veterani, CIL VI 8341,[24] oder ex frumentario, Le Bas III 1978. Für den Dienst in der Hauptstadt wurden, den Inschriften nach zu urteilen, fast ausschließlich F. der britannischen, spanischen, germanischen, norischen, pannonischen, moesischen und dacischen, nicht aber der syrischen, ägyptischen und africanischen Legionen (ein frumentarius leg(ionis) III Aug(ustae), CIL VI 232[25] macht die einzige Ausnahme), verwendet vgl. Marquardt a. a. O. 492, 4. Vaglieri a. a. O. 222. Die in Rom zusammengezogenen F. waren somit Angehörige der verschiedensten Legionen, [125] vgl. z. B. CIL VI 3334.[26] 32873. IG XIV 958. Im übrigen blieben sie Soldaten ihres alten Truppenteils, den sie darum auch fast immer auf den Inschriften angeben, vgl. Cauer a. a. O. 458. Zufolge CIL VI 3341[14] und XIV 125 bildeten sie einen von mehreren centuriones f. (vgl. CIL VI 1110.[27] 30947. 31036. Cauer a. a. O. 459) befehligten numerus (Mommsen Herm. XIX 220). Als Glieder dieses neuen Verbandes nannten sie einander collegae, vgl. CIL VI 230.[28] 3332. Henzen a. a. O. 22. In Rom galten die F. als aus den Provinzen nach der Hauptstadt versetzte Mannschaften für Fremde, obwohl sie als Legionäre sämtlich römische Bürger gewesen sein dürften, vgl. Henzen a. a. O. 24 und dazu Bull. hell. XIII 317. Unter Septimius Severus bezogen sie die auf dem Caelius gelegenen castra peregrina. Dem Genius dieses Lagers bezeugten die F. seitdem wiederholt ihre Verehrung, vgl. CIL VI 230.[28] XIV 7.[29] Auch ergaben sich bald nahe Beziehungen zwischen den F. und ihrem nunmehrigen Oberbefehlshaber, dem princeps castrorum peregrinorum, beziehentlich dessen Stellvertreter, dem subprinceps. So hatten die F. dem subprinceps peregrinorum Victor CIL VI 3329[30] zufolge den Wiederaufbau einer Station an der Appischen Straße zu danken. Vor allem aber wurden ihre Centurionen nicht nur öfters mit der Stellvertretung des princeps peregrinorum betraut (CIL VI 428[31] aus dem J. 235 n. Chr. und 3326), sondern übernahmen bisweilen sogar selbst seine Stellung (CIL II 484)[32] oder wenigstens die seines Stellvertreters (CIL III 7795.[33] XI 5215).[34] Außer ihrem Hauptquartier in Rom hatten die F. auch noch anderwärts in Italien kleinere Standquartiere. Eine Station in Ostia ist für das J. 224 n. Chr. durch CIL XIV 125[35] sicher bezeugt, vgl. dazu CIL XIV 7.[29] 149, eine andere am dritten Meilensteine der Appischen Straße durch CIL VI 230.[28] 3329. Weitere Stationen an dieser Straße in Velitrae, Formiae und Puteoli lassen die Funde der Inschriften CIL X 6575.[36] 6095. 1771 vermuten, vgl. Marquardt a. a. O. 492. Nicht selten begegnen wir schließlich auf Inschriften abkommandierten F. in den sog. provinciae inermes z. B. in Lugdunum (CIL XIII 1771.[22] Bull. hell. XIII 317),[37] Salonae (CIL III 1980.[13] 2063), Ephesus (CIL III 433)[9] und Augustopolis (CIL III 7041).[16] Ebenso häufig treffen wir jedoch auch in Provinzen mit Legionsbesatzung F. fremder Legionen an, so in Kornberg in Noricum einen frumentarius der VII Gemina (CIL III 5579),[38] in Aquincum einen der IV Flavia (CIL III 3578),[39] in Sarmizegetusa einen der VI Victrix (CIL III 1474)[40] und in Lambaesis einen der V Macedonica (CIL VIII 2867),[41] vgl. dazu Marquardt a. a. O. 492f.

Literatur: Henzen Bull. d. Inst. 1851, 113–121. 1884, 21–29. Madvig D. Verf. u. Verw. d. röm. Staates I 592. II 714. Cauer Ephem. epigr. IV p. 455–459. Marquardt St.-V. II2 491–494. Hirschfeld S.-Ber. Akad. Berl. 1891, 856. 860. 866f. Cagnat bei Daremberg-Saglio Dict. II 1348 und L’armée d’Afrique 388f. Vaglieri bei Ruggiero Dizion. epigr. III 221–224. Mommsen Röm. Strafrecht 316. 318. 319. Paribeni Röm. Mitt. XX 1905, 310–320.

Anmerkungen (Wikisource)

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  1. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 3340.
  2. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 2063.
  3. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 14191.
  4. Corpus Inscriptionum Latinarum VIII, 1322.
  5. Corpus Inscriptionum Latinarum VIII, 2825.
  6. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 3358.
  7. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 3524.
  8. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 3365.
  9. a b Corpus Inscriptionum Latinarum III, 433.
  10. a b Corpus Inscriptionum Latinarum XI, 1322.
  11. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 3052.
  12. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 1063.
  13. a b Corpus Inscriptionum Latinarum III, 1980.
  14. a b Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 3341.
  15. Corpus Inscriptionum Latinarum II, 4150.
  16. a b Corpus Inscriptionum Latinarum III, 7041.
  17. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 1636.
  18. Corpus Inscriptionum Latinarum X, 6657.
  19. Corpus Inscriptionum Latinarum II, 4154.
  20. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 3020.
  21. Corpus Inscriptionum Latinarum VIII, 17627.
  22. a b Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 1771.
  23. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 2663.
  24. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 8341.
  25. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 232.
  26. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 3334.
  27. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 1110.
  28. a b c Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 230.
  29. a b Corpus Inscriptionum Latinarum XIV, 7.
  30. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 3329.
  31. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 428.
  32. Corpus Inscriptionum Latinarum II, 484.
  33. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 7795.
  34. Corpus Inscriptionum Latinarum XI, 5215.
  35. Corpus Inscriptionum Latinarum XIV, 125.
  36. Corpus Inscriptionum Latinarum X, 6575.
  37. Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 317.
  38. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 5579.
  39. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 3578.
  40. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 1474.
  41. Corpus Inscriptionum Latinarum VIII, 2867.