Zum Inhalt springen

RE:Iulius 596

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
korrigiert  
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Iulia Soaemias Cousine Caracallas, Gattin des Sex. Varius Marcellus
Band X,1 (1918) S. 948951
Julia Soaemias in der Wikipedia
GND: 1093852887
Julia Soaemias in Wikidata
Bildergalerie im Original
Register X,1 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|X,1|948|951|Iulius 596|[[REAutor]]|RE:Iulius 596}}        

596) Iulia Soaemias.

I. Quellen. a) Inschriften: Vgl. die Indices des CIL; sonstige Inschriften, die unten zitiert werden.

b) Münzen: Cohen² IV 387ff., vgl. v. Sallet Die Daten d. alexandr. Kaisermünzen 54. Sonstiges Münzmaterial s. Prosop. imp. Rom. II 231.

c) Antike Literatur: Vgl. die Indices zu Cassius Dio (ed. Dindorf), Herodian (ed. Mendelssohn), Hist. aug. Heliogab. (ed. Peter). Aur. Vict. Epit. 23. Eutrop. VIII 22. Zonar. XII 14.

d) Neuere Literatur: L. de Tillemont Histoire des empereurs III 144ff. 150. 155. v. Ranke Weltgesch. III 384. Schiller Gesch. d. röm. Kaiserzeit I 2, 760. Bernoulli Röm. Ikonogr. II 3, 93ff. v. Domaszewski Gesch. d. röm. Kaiser II 264. 272f. 278. O. Fitch Butler Stud. in the life of Heliog. Univ. Michig. Stud. IV (s. Index). Hönn Quellenunters. zu den Viten d. Heliog. und des Sever. Alex. (s. Register!).

II. Name.

Der Name lautet: Iulia Soaemias Bassiana, Ἰουλία Σοαιμιὰς Βασσιανή (CIL X 6569. VIII 2564). Auf den Münzen ist die Namenform Soaemias, (die römischen Münzen [vgl. Cohen² IV 387ff.] haben durchwegs Iulia Soaemias Augusta, ebenso Alexandrien und mehrere kleinasiatische Städte Ἰουλία Σοαιμιάς), daneben Soemias (Troas, Cohen 390), Σοιμιάς (Mionnet Suppl. III p. 399 nr. 289 Epirus), Συαιμιάς, Σεμιάς, Suaemias (Stellennachweise s. Prosop. imp. Rom. II p. 231 nr. 457). Bei Dio und Herodian heißt sie Σοαιμίς, ebenso auf einer Münze aus Kibyra, daneben Σουαιμίς, Συαιμίς, Suemis. Ferner finden sich die Varianten Σοαιμία, Συαιμία (Münzen) und Soemea (bei Victor. Epit. 23).

In der Vita des Elagabal (2, 1. 4, 4. 14, 4. 18, 2) erscheint die merkwürdige Namenform [949] Symiamyra, in der Vita des Macrinus (9, 2) Symiamira, bei Eutrop. VIII 22 Symia Sera (F, suria sera P; Ausg. von W. Hartel Berlin Weidmann 1872. Schonhov verbesserte Soaemia Syra). Doch Simiamyra ist ,tout simplement la transcription plus ou moins fidèle d’un complexe arabe signifiant Sohémie princesse ou imperatrice‘ (Rοnzevalle Rev. arch. II 1903, 48; vgl. Life of Heliog. 120). Derselbe Gelehrte liest in einer bilinguen Inschrift von Deir el Qala'a (bei Berytos) neben anderen Gottheiten (a. a. O. 30): C(aelesti) S(ohemiae) Q. A(ncharenos) E(utyches) v. l. a. s., griechisch: Θεῷ ἁγίῳ Βάλ καὶ θεᾷ Ἥρᾳ καὶ θε[ᾷ] Σίμᾳ καὶ νεωτέρᾳ Ἥρᾳ Κ(όϊντος) Ἀγχαρηνός usw. Vgl. ebd. 44 und Clermont-Ganneau 225ff., ferner Hönn Quellenunters. zu den Viten des Heliogab. und des Sever. Alex. 40, 101.

III. Titulatur.

Auf der bereits zitierten bilinguen Inschrift aus Velitrae (CIL X 6569[1] = CIG 6627) erscheint Soaemias noch als Private (clarissima femina); seit ihr Sohn zum Kaiser ausgerufen ist (16. Mai 218) führt sie den Titel Augusta (Σεβαστή) gleich ihrer Mutter Maesa (Herodian. V 8, 9), vgl. die Münzen Cohen² IV 387ff. Mionnet Suppl. VIII p. 358 nr. 113. III p. 289 nr. 206. 207. V p. 407 nr. 464–467. Suppl. VIII p. 295 nr. 272. Brit. Mus. Cat. Mysia p. 68 nr. 33 und CIL VIII 2564,[2] wo sie auch den Ehrentitel Mater Augusti führt. Auch Mater castrorum ist sie gewesen (Herodian. V 8, 8). Auf Münzen erscheint sie als Venus Caelestis und Vesta (Cohen² IV 388ff.). Ihr Name ist auf den Inschriften getilgt, da nach ihrem Tode über sie, ebenso wie über ihren Sohn die Damnatio memoriae verhängt wurde.

IV. Leben.

Iulia Soaemias ist die ältere Tochter des Iulius Avitus (vgl. Dessau Prosop. imp. Rom. II p. 169 nr. 122) und der Iulia Maesa (s. d.), der Schwester der Kaiserin Iulia Domna (Dio LXXVIII 30, 2 = Xiphilin. 344. Zonar. XII 13. Herodian. V 3, 3. Hist. aug. Macrin. 9, 2), daher die Base Caracallas (Aurel. Vict. Epit. 23). Vermählt ist sie mit Sex. Varius Marcellus aus Apamea in Syrien (Dio a. a. O.). Seine Ämterlaufbahn zeigt die bilingue Inschrift aus Velitrae CIL X 6569[1] = CIG 6627 = Dessau 478: Sex(to) Vario Marcello | proc(uratori) aquar(um) (centenario), proc(uratori) prov(inciae) Britanniae) (ducenario), proc(uratori) rationis | privat(ae) (trecenario), vice praef(ectorum) pr(aetorio) et urbi functo, | c(larissimo) v(iro), praef(ecto) aerari militaris, leg(ato) leg(ionis) III Aug(ustae), | praesidi provinc(iae) Numidiae | Iulia Soaemias Bassiana c(larissima) f(emina) cum filis | marito et patri amantissimo. Nachdem ihr Gemahl noch vor 218 gestorben war (Dio LXXVIII 30, 2), ließ sie ihn bei Velitrae, dem heutigen Veletri, bestatten; (vgl. zu dieser Inschrift v. Domaszewski Rh. Mus. LVIII 221f.). Die Inschrift lehrt uns auch, daß Soaemias mehrere Kinder hatte; darunter den Varius Avitus Bassianus (Dio, Herodian. a. O.), der später von Soaemias und Maesa als Caracallas natürlicher Sohn ausgegeben wurde, um ihm größeres Ansehen bei den Legionen zu sichern (Herodian. V 3, 10. 7, 3. Dio LXXVIII 31, 3 = Xiphilin. 344. Hist. aug. Hel. 2, 1. Eutrop. VIII 22. Aurel. Vict. Epit. 23). Während der Schlacht von Antiochia (8. Juni 218) verhalf sie ihrem Sohne [950] zum Sieg, indem sie zusammen mit Maesa die wankenden Reihen zurückhielt (Dio LXXVIII 38, 4). Sie genoß ebenso wie ihre Mutter bedeutendes Ansehen; auf ihren Sohn übte sie großen Einfluß (Hist. aug. Hel. 2), begleitete ihn in den Senat (Dio LXXIX 17, 2. Hist. aug. Hel. 18, 3) und als Mater Castrorum ins Prätorianerlager (Herodian. V 8, 8. Hist. aug. Hel. 14, 4). Der Kaiser unternahm nichts ohne ihre Zustimmung (Hist. aug. Hel. 2, 1). Sie ist (nach der Hist. aug. Hel.) die erste Frau, die sich auch aktiv an den Senatssitzungen beteiligte; Hist. aug. Hel. 4, 2; Deinde ubi primum diem senatus habuit, matrem suam in senatum rogari iussit. quae cum venisset, vocata ad consulum subsellia scribendo adfuit, id est senatus consulti conficiendi testis, solusque omnium imperatorum fuit, sub quo mulier quasi clarissima loco viri senatum ingressa est (vgl. Hist. aug. Hel. 12, 3). Nach der Hist. aug. a. O. gründete der Kaiser auf dem Quirinal einen Frauensenat (senaculum), der unter Aurelian nicht mehr bestand (Jordan-Hülsen Topogr. Roms I 3, 443); unter Soaemias’ Vorsitz wurden hier angeblich de legibus matronalibus die lächerlichsten Beschlüsse gefaßt (Hist. aug. Hel. 4, 4)): quae quo vestitu incederet, quae cui cederet, quae ad cuius osculum veniret, quae pilento, quae equo, quae sagmario, quae asino veheretur, quae carpento mulari, quae boum, quae sella veheretur et utrum pellicia an ossea an eborata an argentata, et quae aurum vel gemmas in calciamentis haberent (vgl. Life of Heliog. 125). Cohen² IV 386 vergleicht ,les lois qui, chez les peuples modernes, règlent l’étiquette de la cour‘.

Soaemias war durch ihr sittenloses Leben berüchtigt; Dio erzählt von Elagabals Erzieher Gannys, der dann bei Antiochia seine Truppen führte (LXXVIII 38): τά τῇ Μαίσῃ τῇ Σοαιμίδι σφόδρα ἤρεσκε, τῇ μὲν ὅτι ἐτέθραπτο ὑπ' αὐτῆς, τῇ δὲ ὅτὶ συνῴκει τρόπον τινὰ αὐτῇ (LXXIX 6, 2). Er war niedriger Herkunft (Dio LXXVIII 31, 2), trotzdem soll Elagabal eine Zeitlang daran gedacht haben, ihn zum Caesar zu machen und ihm die Ehe mit seiner Mutter zu ermöglichen (LXXIX 6, 2. 3). Späterhin erwies er sich jedoch undankbar gegen seinen Wohltäter und ließ ihn gleich zu Beginn seiner Regierung in Nikomedia hinrichten (Winter 218/9; Dio LXXIX 6, 3; vgl. Schiller Gesch. der römischen Kaiserzeit I 2, 762). Die Nachricht, daß Soaemias gleich ihrer Schwester Mamaea in ihrer Jugend Beziehungen zu Caracalla gepflogen habe, deren Frucht Elagabal sei, was Maesa εἴτε πλασαμένη εἴτε καὶ ἀληθεύουσα (Herodian. V 3, 10, vgl. 7, 3) den Soldaten erzählt, ist freilich kaum zu glauben, wenn auch der Hofklatsch die Sache als ganz sicher hinstellte (Hist. aug. Hel. 2, 1). Daß sie sich im übrigen bei Hofe skandalös benahm (Hist. aug. a. O. und 18, 2: probrosissima mulier et digna filio), haben wir keinen Grund zu bezweifeln.

Da Elagabal infolge seiner durchaus unwürdigen Lebensführung den Soldaten immer verhaßter wurde (Herodian. V 8, 1–3), benützten sie die erste beste Gelegenheit, ihn zu stürzen und unschädlich zu machen. Elagabal zog die Soldaten zur Verantwortung, die ihrer Sympathie für seinen Nebenbuhler Alexander Severus am lautesten Ausdruck gegeben hatten; da töteten die Soldaten καιρὸν [951] εὔκαιρον καὶ πρόφασιν δικαίαν νομίζοντες den Kaiser und seine Mutter, die sich als Augusta und Mater castrorum im Lager befand (Herodian. V 8, 8ff.) und ihren Sohn fest umschlungen hielt (Dio LXXIX 20). Die Köpfe wurden ihnen abgeschlagen, die Leichen durch die Stadt geschleift und in den Kanal geworfen (Dio a. O. Herodian. a. O. Aurel. Vict. Caes. 23, 2. Eutrop. VIII 22. Oros. VII 18, 5). Aelius Lampridius (Hist. aug. Hel. 17, 2) fügt hinzu: sed cum non cepisset cloaca fortuito, per pontem Aemilium adnexo pondere, ne fluitaret, in Tiberim abiectum est (sc. cadaver Heliogabali); dasselbe meint wohl Dio a. O., wenn er erzählt, der Leichnam des Weibes sei irgendwohin geschleudert worden, der Elagabals in den Fluß geworfen (vgl. Aurel. Vict. Epit. 23, 5. 6).

Der Tod Elagabals und der Soaemias erfolgte wahrscheinlich in der ersten Hälfte des März 222, vgl. Clinton Fast. Rom. I 234, 236. Thiele De Severo Alex. imp. 63. Wie alt sie damals war, läßt sich nur annähernd ermitteln; wenn man annimmt, daß sie, als sie Elagabal gebar (205), mindestens 14 Jahre alt war, so ergibt sich ein Minimalalter von ca. 30 Jahren. Doch werden wir mit Bernouilli (Röm. Ikonogr. II 3, 93) annehmen müssen, daß sie älter geworden ist; ,sonst hätte sie während der Regierung ihres Sohnes kaum die Rolle spielen können, die ihr von den Geschichtschreibern zugeteilt wird.‘

V. Äußeres.

Die Haartracht auf den Münzen wechselt sehr (vgl. Cohen² IV 387ff.). Wie Maesa und Iulia Domna hat auch Soaemias die für den syrischen Gesichtstypus charakteristische gebogene Nase, die Lippen sind gleichmäßig geschwungen; im ganzen ist das Gesicht keineswegs unschön. Ihr Bildnis aus den erhaltenen Büsten herauszusuchen erscheint bis jetzt unmöglich (Bernoulli 93); hauptsächlich werden auf sie bezogen: die Porträtvenus des Mus. Chiaramonti nr. 639 (= Bernoulli Taf. XXVII; vgl. H. Brising Antik Konst i Nationalmus. Taf. LVI) und eine Statue aus Baalbek (S. Reinach Rev. arch. I 1902, 19ff. Abb. Pl. II).

Anmerkungen (Wikisource)

[Bearbeiten]
  1. a b Corpus Inscriptionum Latinarum X, 6569.
  2. Corpus Inscriptionum Latinarum VIII, 2564.