Kolluthos, nach Suidas epischer Dichter aus Lykopolis in Ägypten, Zeitgenosse des Kaisers Anastasius (der von 491–518 herrschte) und Verfasser von Καλυδωνιακὰ ἐν βιβλίοις ς’, Ἐγκώμια δι’ ἐπῶν und Περσικά, nach der hsl. Überlieferung auch der 394 Verse umfassenden Ἁρπαγὴ Ἑλένης, die Sprache und Versbau (vgl. Weinberger Wien. Stud. XVIII 116. 161) der nonnischen Schule zuweisen (da Suidas diese nicht erwähnt, dachte Lennep in seiner Ausgabe [Leeuwarden 1747 XVIII] an zwei verschiedene K.; über anderweitiges Vorkommen des Namens vgl. Pap. Cair. 67 164 und Müllers Handb. VII 2⁵, 785, 4). Reiske Joechers zuverläss. Nachr. CXII 1749, 235 nennt die Ἁρπαγὴ Ἑλένης eine Frucht eines nichtigen, abgeschmackten, schalen Mannes, der weiter nichts konnte, als aus homerischen Flicklappen einen ungestalten Lumpen zusammenzuflicken; vgl. Weinberger 122f. 141f. 54. Häberlin Woch. kl. Phil. 1897, 682. Zöllner Anal. Ovid., Leipz. 1892, 60. 97, 1 und auch für Benützung des Kallimachos Zöllner (der Ovids 16. und 17. Heroide und Lukian dial. deor. 20 vergleicht) 56. 78. 101. Dittrich Jahrb. Suppl. XIII 188. 211, endlich Norden, der im Kommentar zu Verg. Aen. VI 14ff. 179ff. (²S. 121. 187) von dem Alexandriner spricht, dem K. sein Epyllion nachdichtete. Das Gedicht wurde wie die Posthomerica des Quintus von Bessarion in einem Hydruntinus, d. h. in einer Hs. des Nikolausklosters Casole bei Otranto (vgl. S.-Ber. Ak. Wien 161 IV 41, 2) gefunden. Die mit diesem Hydruntinus in Zusammenhang stehenden Hss. des 15. und 16. Jhdts. (vgl. O. Schneider Philol. XXIII 405) zerfallen in zwei Gruppen, von welchen diejenige, in der Tryphiodor nicht vorkommt, die schlechtere ist. Diese bietet die Form Κολούθου. Daß der auch als Theognishandschrift bekannte Parisinus suppl. gr. 388 des 10. oder 11. Jhdts., den Bekker zuerst im J. 1816 heranzog und irrig Mutinensis nannte (er kam aus der Kapitularbibliothek von Verona nach Paris; vgl. Studemund Winter-Programm Breslau 1889, 90. Zuretti Riv. filol. XIX 161) Κολόθου hat, kommt bei den zahlreichen Flüchtigkeitsfehlern dieser Hs. kaum in Betracht. Bewußte Änderung hat Ludwich, der die Einschätzung von Μ bei Bekker (Berl. 1816), Abel (Berl. 1880) und Weinberger (Leipz. 1896; vgl. auch Wien. Stud. XXIII 226) wiederholt bekämpfte (LZB 1881, 575. Jahrb. CXXIII 1881, 113. Berl. phil. Woch. XVII 1897, 420, Sommer-Programm Königsb. 1901), weder Μ noch seiner Vorlage nachweisen können. Trotz aller Schwierigkeiten und Zweifel darf man weder die Lesart
[1099] von Μ noch die Frage ihrer Entstehung unbeachtet lassen (vgl. auch Häberlin Woch. kl. Phil. XX 1903, 7); für die älteren Ausgaben s. Abels Einleitung.
Das Gedicht ist ein dürftiges Machwerk, das sich durch die Verwendung namentlich homerischer und nonnianischer Phrasen über Wasser hält und scheitert, sobald es sich von ihnen entfernt: da reicht schon die Sprachkenntnis des K. nicht mehr aus. Öfter als man wahr haben will, beruhen Anstöße auf sprachlicher und sachlicher Stümperei des Κ., z. B. die geographische Verwirrung v. 221ff. 138. Man ist von vornherein geneigt, alle gelungenen Motive auf die Vorlage zurückzuführen, die man mit Recht in einem Alexandriner gefunden hat; doch reichen Zöllners Beweise für Kallimachos nicht aus. Hellenistisch ist u. a. die bukolische Schilderung des Paris (v. 107ff.) und die idyllische Landschaft mit dem Echo v. 116, die von Eroten umflatterte Aphrodite v. 99. Ich verweise noch auf die Schilderung der Peleushochzeit als eines Volksfestes, die enge Verwandtschaft mit Catull. 64, 31ff. zeigt (Reitzenstein Herm. XXXV 83). Diese Vorlage hat K. teils verkürzt, teils erweitert, namentlich aber in den nonnianischen Stil umgesetzt; ein Zusatz aus Nonnos mögen die Verse über Hyakinthos (240–246) sein (Zöllner 81), eigene Zutat aus Homer die ganz unmotivierte Einführung der beiden Traumpforten (v. 318ff.), die wohl mit v. 369 zusammenhängen soll. Einen Ausfluß der Prüderie des K. sehe ich darin, daß Paris nur die Gesichter der Göttinnen begutachten soll (v. 74), während sie sich in der Vorlage nackt zeigten (doch s. v. 135. 154). Zimperlich klingt es auch, daß Paris auf dem Wege zu seiner Dulcinea seine Füße und seine Frisur schont (v. 231); was sich K. bei der κυνέη v. 233 gedacht hat, ist nicht zu sagen. Das in jeder Beziehung überlegene Gedicht des Musaios zeigt namentlich in der sprachlichen Unsicherheit manche Verwandtschaft.