Rosen-Monate heiliger Frauen/Mathildis

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XIV.
14. März.
Mathildis.


 Die Kaiserin Mathildis, die zweite Gemahlin Kaiser Heinrich des Finklers, die Stammmutter ebensowohl der Ottonen als des zweiten Heinrich, welche am 14. März des Jahres 968 zur ewigen Ruhe eingieng, gehört in eine Zeit, welche uns und unserer Zeit viel näher steht, als die jener ersten Märtyrinnen, an deren Gestalten unsere Augen mit so besonderer Liebe und Werthschätzung hangen. Da sie uns um so viel näher steht, und für die Aufzeichnung ihres Lebenlaufes so bald nach ihrem Ende Sorge getragen wurde; so sollte man denken, die Nachrichten über ihr Leben und Sterben müßten verläßig und übereinstimmend sein, und die Kritik der Gelehrten müßte wenig Anhaltspunkt finden, sich an dasjenige anzuhängen, was wir von ihr wißen. Allein dem ist nicht so, und wer die Idee ihres Lebens faßen möchte, der hat durch eine Menge| Widerspruch hindurch zu greifen und wird sich so wenig bei ihr als bei andern großen Namen jener Zeiten schnell und ohne Ueberwindung das Bild fixiren, welches die Kirche durch ihr treues und dankbares Gedächtnis der Nachwelt überliefern will.
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 Die Lebensstellung der heiligen Mathildis ist bereits charakterisiert; es war die höchste, die ein Weib in dieser Welt finden konnte. „Gemahlin eines Kaisers, der seine Zeit beherrschte und von manchen sogar über den großen Karl erhoben wird, Mutter von Kaisern, die ihrem Vater an Glanz des Namens kaum weichen:“ wer kann es leugnen, daß wir es diesmal mit dem Namen einer Hohen und Herrlichen dieser Erde zu thun haben, so wie er nur die so eben gesprochenen Worte erwägt? Mathildis scheint die hohe Stellung wohl begriffen zu haben, die ihr Gott gegeben hatte; ihr Lebenslauf berichtet von Zeiten und Ereignissen, die es außer Zweifel setzen, daß sie was ihr nach Gottes Willen geworden war, geltend zu machen und nach dem Maße ihrer Einsicht und Neigung zu benützen wußte. Hätte sie es immer auf die rechte Weise gethan, so läge darin im Allgemeinen gewis kein Tadel, sondern im Gegentheil, da ihr unverholen ihr ewiger Beruf über alle zeitliche| Stellung gieng, und sie allerdings nach dem Reiche Gottes am ersten trachtete; so würde unsere sehnsüchtige Begier nach dem Anschauen erfüllt sein, da wir in ihr ein Beispiel wahrer Heiligung des gesunden Lebens finden würden. Denn es wird wohl niemand in Abrede stellen, daß ein gesundes Leben bei denen ist, welche den zeitlichen und ewigen Beruf vereinen und jeden von beiden zum Vortheil des anderen benützen können.
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 Schon aus diesen Bemerkungen kann die Leserin entnehmen, daß am Leben der hohen Frau, deren wir jetzt gedenken, Mangel zu finden ist. Indes dürfen wir uns den Blick auf sie keineswegs verderben laßen; wir werden vielmehr ganz wohl thun, wenn wir das Herrliche und Schöne ihres Lebensgangs, so weit es uns zur Nachfolge dienen kann, mit Liebe ins Auge faßen. Mathilde war im Kloster erzogen und hatte von Jugend auf Liebe zu dieser stillen Lebensweise und Freude an der Religion des HErrn Jesus finden lernen. Das merkt man ihrem ganzen Leben an. Im Jahre 913 vermählte sie sich mit Heinrich von Sachsen, welcher 916 nach dem Tode seines Vaters Herzog, und nach dem Tode des Kaisers Konrad im Jahre 919 durch Wahl der Fürsten auch deßen Nachfolger wurde. Er war angethan| mit allen Eigenschaften und Tugenden eines großen Königs und Helden; das Volk hieng ihm an und folgte ihm gerne auf seinem Siegeslaufe; er hingegen wußte es dafür auch zu lohnen und zu heben. Das Reich der Deutschen wurde unter ihm der Größe und des Glanzes voll. An der Seite dieses Helden gieng Mathildis den Weg der Christin und gab sich allen Werken der Barmherzigkeit und der Liebe aufopfernd und mit Freuden hin; dabei ertödtete sie ihr Fleisch und führte ein Leben in Gebet und Andacht, und das nicht etwa dem Manne zuwider oder trotz seines Unwillens, sondern unter dem Sonnenschein seines offnen Wohlgefallens und seiner getreuen Vermahnung, nur immerzu dem dorngekrönten König der Barmherzigkeit nachzufolgen. So gewährt denn der Blick auf diese beiden dem Betrachter die seltene Freude, auf dem höchsten Throne der Welt ein Ehepaar zu sehen, welches je nach Verschiedenheit des männlichen und weiblichen Berufes einig im Herzen unverrückt Christo nachgeht.
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 Nun aber ward Heinrich im Jahr 936 vom Schlage getroffen und machte seinen gewaltigen Söhnen Platz. Der älteste, Otto, ergriff das Scepter des Reiches; der mittlere, Bruno, hochberühmten Namens, war| Erzbischof in Cöln; der jüngste, Heinrich, Herzog von Bayern, wollte, da die kaiserliche Würde nicht an den Erstgebornen vererbt werden konnte, sondern von einer Wahl abhieng, dem Bruder widerstreben, lehnte sich auch wirklich öffentlich gegen ihn auf, und die beiden bekriegten einander, bis sich Heinrich unterwarf und die Bruderherzen wieder zusammengiengen. Mathilde hatte Heinrich lieb und war auf seiner Seite, widerstrebte also ihrem Sohn und Kaiser Otto, was wohl eine Thorheit vor dem HErrn gewesen sein mag. Sie hatte es aber schwer zu büßen[.] Als die beiden Brüder wieder einig geworden waren, kehrten sie sich mit einander der Mutter entgegen, waren ihr hart und entzogen ihr sogar ihr Leibgeding. Es gab in der That für sie eine langwierige und grausame Verfolgung, bis die Söhne zu sich kamen und in sich giengen und sich mit der Mutter, die längst ihren Fehl bereut hatte, versöhnten und ihr alles erstatteten. Das war die schwere dunkle Zeit von Mathildens Leben, die ihr aber zu großer Demüthigung und zu großem Segen gereichte.
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 Obwohl Mathilden von ihren Söhnen während dieser Zeit gerade die Art und Weise ihres Almosengebens| zum Vorwurf gemacht worden war, und man sie der Verschwendung angeklagt hatte; so gieng sie doch aus der Versuchung freudiger zur Barmherzigkeit hervor, als sie zuvor gewesen, und so wie sie wieder im Genuße ihres Einkommens war, begann sie aufs neue die Kirche, ihre Armen und Elenden zu unterstützen und reichlich auszustreuen, um sich ihren Schatz im Himmel zu mehren. Dabei war sie wie früherhin voll Eifers, den Kranken, Leidenden und Unwißenden persönlich zu nahen und ihnen Trost und Belehrung zu bringen. Besonders aber lag sie dem Gebete und der Uebung der Andacht ob, und das Paradies der Gottseligkeit und ihrer Freuden war der Ort, in welchen sie sich am liebsten zurückzog. So lebte sie ihre Wittwenzeit dahin, bis ihre Stunde kam, und sie endlich in einem Kloster zu Quedlinburg von ihrer tödlichen Krankheit überfallen wurde. Der Erzbischof Wilhelm von Mainz, ihr Enkel, hörte ihre letzte Beichte, auf welche sie nach einigen Tagen ein öffentliches Sündenbekenntnis vor den Priestern und Schwestern des Klosters folgen ließ, darauf das Sakrament nahm und im Jahre 968 am 14. März entschlief. Sie wurde zu Quedlinburg begraben.
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|  Erquickt ihr Leben auf dem ersten Throne der Welt während ihres Ehestandes jedes christliche Herz durch die Vereinigung irdischer Größe und demüthiger Hingebung an den Gedanken der eigenen Vollendung und Bereitung für eine andere Welt; so ist ihr Wittwenstand nicht blos durch eine Sünde, sondern vielmehr durch ihre Buße und durch die entschloßene Ruhe ausgezeichnet, mit welcher sie den Weg der Entsagung und der Armuth betrat und wandelte, so wie durch die Treue gegen Gott und Christum bei allem Wechsel und Wandel ihrer Verhältnisse. Es ist kein Mensch, der nicht sündigte, es werde seine Sünde der Welt bekannt, oder nicht; daher gibt es auch keinen Heiligen, der sich durch Sündlosigkeit auszeichnete oder durch eine mackellose Beßerung. Es ist genug, wenn ein Mensch im Ganzen die Richtung und den Weg nach Zion einhält und gerade und einfach, ungeirrt durch alles andere, Gottes Wege geht. Solcher Beispiele sehen und lesen wir nie zu viel, und wenn sie wie bei Mathildis durch die hohe Stellung und den kaiserlichen Purpur augenfälliger werden; so können wir dem HErrn nur desto dankbarer sein, der seine Schafe in allen Schichten der menschlichen Gesellschaft sucht und findet,| und uns den Weg zum Leben durch allerlei Beispiel und Vorgang empfiehlt. Wir haben uns hiebei enthalten, von den besonderen Gaben zu reden, die an Mathildis gerühmt werden, von den Offenbarungen, mit welchen der HErr ihre Stunden der Andacht und der geistlichen Uebung gesegnet haben soll. Ohne daß es uns einkommt, irgend etwas der Art an dieser Stelle zu kritisieren, begnügen wir uns mit der Erwähnung derjenigen Dinge, welche hinreichen, uns die Person der edlen Kaiserin lieb und werth zu machen und ihr nicht blos den Platz in unserm Kalender, sondern auch eine Stelle im Erinnerungssaale unseres Herzens zu gönnen. Der HErr gedenke unser, wie er Mathildens gedacht hat.




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