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Teufelsbuhlschaft

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Textdaten
Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Teufelsbuhlschaft
Untertitel:
aus: Hexengeschichten, S. 2-40
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Pfeffer
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Erscheinungsort: Halle
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Russische Staatsbibliothek und Commons
Kurzbeschreibung: Erzählung über den Teufel von Schiltach
Siehe auch Hexenwesen
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[2]
Teufelsbuhlschaft.

Nach einer ausführlichen gleichzeitigen handschriftlichen Berichterstattung
im Hennebergischen Gesammt-Archiv zu Meiningen.)

[3] Es war am Vorabend des Festes Mariä Verkündigung im Jahre des Herrn 1533, als sich allgemach die Schänkstube des Rath- und Schlundhauses zu Schildach im Schwabenlande von Zechgästen leerte, und der wohlbeleibte Schänkwirth, zugleich Schultheiß des Städtleins, jedem scheidenden Gast eine ebenso geruhsame Nacht wünschte, als er für sich selbst eine hoffte.

Das Städtchen Schildach liegt im Großherzogthum Baden, aber der würtembergischen Grenze ganz nahe, im Landgericht Hornberg; ein gleichnamiges Bergwasser rollt munter hindurch und seine Wellen der Kinzig zu.

Ehrn Vollrad, der Rathswirth, war seit kurzem Wittwer und führte seine Wirthschaft mit Hülfe einer Dienstmagd, die hübsch, tüchtig und fleißig war; bei dieser schlief, drüben über der Flur, das einzige Kind, ein Töchterchen von vier Jahren, welches des Wirthes verstorbene Frau diesem hinterlassen; sein eigenes Schlafgemach stieß dicht an die Wohn- und Schänkstube.

[4] Das Kind schlief bereits; die junge Magd war noch auf, doch ziemlich schläfrig – draußen vor dem Rathhaus stieß der Nachtwächter mächtiglich in das Horn, tutete die eilfte Stunde an, und sang mit grölzender Stimme:

„Christ, der du bist das Licht und Tag,
Die Finsternuß der Nacht verjag!
Wir glauben dich des Lichtes Schein
Das du verkündet hast zu sein.

Wir bitten, Herr, dein heilig’ Güt’
Daß sie uns diese Nacht behüt.“
Sei uns Ruh in deiner Macht,
Verleih uns ein’ ruhige Nacht!
     ’S hat eilf geschlagen!
     Lobet Gott den Herrn! –“

Durch die Nacht brauste der Frühlingswind; es war um die Zeit des Aequinoctiums, ein Montagabend, der 24. März. Große Tropfen schlugen an die Fenster und durch rasch ziehende schwarze Wolken warf der Mond oft einen gespenstigen Schein auf Häuser und Straßen, bald hüllte sich alles wieder in tiefes Dunkel, schier unheimlich.

Vollrad nahm eine Ampel in die Hand, und trat aus dem Zimmer, in die geräumige Hausflur leuchtend, die voll Tonnen stand, in der die Rathswage hing, in der mehrere Säcke standen, eine Tracht Felle lag, darin sich auch einige Tische befanden nebst Bänken, an denen an Markttagen die Bauern zechten. Oben am dunkelbraun geräucherten, mit den zartesten Vorhängen, von Spinnen [5] gewebt, verzierten Deckengetäfel hingen die neu vom Stadtrath angeschafften Feuereimer, an jedem das Wappen des Städtleins, drei rothe Schildlein im silbernen Felde, sauber angemalt, eine wahre Pracht. Vollrad warf einen Blick hinauf zu diesen Eimern, und murmelte: „Gott behüte uns, daß wir euch nicht brauchen!“ – dann sprach er zu der Magd: „Schließe das Haus Kathrin, und lege dich schlafen!“

In diesem Augenblick erscholl eine Stimme: „Ja Maid! lege dich, ich komme auch gleich und lege mich!“

Das Mädchen kreischte erschrocken laut auf – den Schultheiß durchfuhr ein Schauer – doch dachte er, es möge sich etwa ein loser Gesell hinter ein Faß versteckt haben, und Possen treiben wollen, oder schlimmeres; er leuchtete daher sorglich umher im ganzen Flur und fand und erblickte nichts, worauf er zornig ausrief: „Lieg’ am Galgen, wer du auch bist!“ und der Köchin gebot: „Schließe deine Kammer wohl zu, und lege dich nieder!“

Die Dienerin gehorchte diesem Befehl ohne Säumen, aber in demselben Augenblick rief dieselbe Stimme, die vorhin sich hatte hören lassen: „Ich werde schon den Riegel halten!“

Vollrad hörte indeß, wie jene ihr Thürschloß zuschnappte und von innen die Thüre verriegelte. Er ging nun selbst zur Hausthüre und that an dieser das nämliche; er schnappte das mächtige mit vieler Kunst gearbeitete [6] Schloß ab, und warf die zwei großen Riegel vor, dann ging er mit raschem Schritt nach seiner Bettkammer, denn es kam ihn ein Grausen und ein Gruseln an. Mit ungewohnter Schnelle entledigte er sich der Kleider, warf sich in das Bett, zog die Decke über sich, nachdem er sich gekreuzigt und gesegnet, und betete sein Ave Maria und sein Vaterunser, in Hoffnung, durch diese geistlichen Waffen geschützt zu sein und unangefochten zu bleiben.

Der Rathsherr, Stadtschultheiß und Rathswirth zu Schildach, Ehrn Vollrad, sollte in dieser Nacht keine geruhsame Nacht haben. Zuerst konnte er nicht einschlafen, das war schon schlimm und ganz gegen seine Gewohnheit. Sodann ging die Thüre, welche von der Flur in die Wohnstube führte, und welche Vollrad seines Wissens verriegelt hatte, auf und wieder zu; hierauf ging auch die Kammerthüre, die ebenfalls in gleicher Weise verriegelt worden war, auf und wieder zu, und zwar nicht etwa nur einmal, sondern fortwährend, klipp – klapp – auf und zu – klipp – klapp – auf und zu, so daß es dem tapfern Schultheißen im Bette unerträglich, und zumal auch unerträglich heiß vor Angst wurde, und fuhr heraus, rasch in die Kleider, schlug Funken in den Zunderkasten und entzündete eilig die Lampe, riß den über dem Bette hängenden Stoßdegen von der Wand und eröffnete gegen den unsichtbaren Feind einen Feldzug, wie weiland seine Ahnen, die sieben Schwaben, [7] abenteuerlichen Andenkens, gegen den Seehasen, ungeheuerlichen Andenkens. Aber der Feind, gegen den der tapfere Stadtschultheiß seinen mitternächtlichen Feldzug begann, war leider ein viel schlimmerer, als der Seehas, es war der böse Feind in höchsteigener Person, oder mindestens ein Abgesandter desselben, der sein Creditiv bald genug abgab. Der Stadtschultheiß führte einige Lufthiebe die Kreuz und die Quere, erst in der Bettkammer, dann in der Wohnstube.

Da plötzlich – trommelte es und zum Trommelschlag scholl die Pickelpfeife, hell und deutlich, als nahe eine Söldnerschaar – aber nicht draußen, sondern auf dem Ofen, der einen nicht geringen Theil der Stube einnahm, und mit gar schönem Bildwerk auf den braun glasirten Kacheln verziert war. Kaiser Karl der Große mit dem Reichsapfel, König Saul mit dem Spieß, König David mit der Harfe, Frau Justitia mit Wage, Schwert und Binde waren an diesem Prachtexemplar eines Ofens zu erblicken. Ft! zischte ein Schwerthieb Vollrads hinauf nach dem Gesims des Ofens, das aus aneinandergereihten geflügelten, bausbäckigen Engelköpfen gebildet war, und schlug einen Engelkopf entzwei.

Da rasselt es wie von zehn Trommelfellen unter dem Tisch: bidi bum, bidi bum, bidi bumbumbum. Ft! ein Hieb unter den Tisch, daß sich die Klinge um das Bein bog, welches sie hart und tief getroffen. Rrrrrr! Tumderumdumdum, tumderumdumdum – rasaunte [8] es zu hellem Querpfeifenklang mit dem alten Fünfschlag der Trommler draußen in der Küche.

Zornvoll rannte der Stadtschultheiß hinaus, stellte die Lampe auf ein Faß in der Flur, und wüthete in die Küche hinein, wo er Krügen, Tellern, Kannen und Töpfen eine schreckliche Niederlage beibrachte. Das krachte und prasselte wie ein Platzregen von Scherben, aber zu gleicher Zeit erhob sich ein noch ärgeres rasseln und prasseln, mit dem lärmendsten trommeln und pfeifen gemischt, in der Oesse; es war gerade als wenn das wüthige Heer hindurchziehe, und dann war es draußen auf dem Dache, das Kriegsgetümmel, und schreckte die Nachbarschaft aus dem Schlafe, und das währte so lange, bis die zwölfte Stunde sich schloß und der heilige Jungfrauentag anfing, da verstummte plötzlich der Lärm, und der Nachtwächter trat wiederum auf den Markt und stieß ins Horn und sang, daß alle Hunde in der Nachbarschaft dazu laut aufheulten:

Daß nit ein schwerer Traum zufall’
Noch uns begreif’ des Feindes Schall!
Daß nit das Fleisch verwillig ihm
Und uns Schuldigen schaff dein’n Grimm!

Unser Augen der Schlaf begreif’,
Das Herz wach’ zu dir allzeit steif,
Dein recht’ Hand wöll beschirmen Herr,
Dein’ Diener, die Dich lieben sehr!
     ’S hat zwölfe geschlagen!
     Lobet Gott den Herrn!“ –

[9] Mit zittern und zagen kroch der Stadtschultheiß wieder in seine Kissen, nachdem er nochmals die Thüren zu Stube und Schlafkammer sorglich verriegelt, und blieb in dieser Nacht ferner unangefochten. –

Spät und in Schweiß gebadet erwachte Ehrn Vollrad; er hielt das gestern zu Nacht erlebte für einen bösen Traum, dieweil er vielleicht ein Trünklein übern Durst gethan von dem vorjährigen nachbarlichen Seewein, der noch halb Most war, und der sich sehr schön zu bauen verhieß; der Kopf war ihm wüst und es lag ihm bleischwer in den Gliedern. Er enthob sich ächzend der Lagerstatt, stieß den Fensterladen auf, das Glöcklein, das zur Frühmette des Marientages rief, bimmelte schon und als er die Stube geöffnet, erblickte er die junge, Magd bereits im schmucken Anzug, und nur auf das Oeffnen seiner Thüre harrend, ihm das Morgensüpplein zu bringen, doch sah auch Kathrin etwas verstört aus und sprach gleich nach dem Morgengruß: „Schaut Herr, in der Küchen, da hat einer schöne Arbeit gemacht. Vier Apostelkrüge, auch der mit dem heiligen Gotteslamm – sind zerschlagen; zwei Schüsseln und fünf Teller, und noch dazu die schönsten, mit den bunten Bildern aus Wälschland, die Ihr erst vor kurzen gekauft - dort liegen sie in Scherben. In meiner kupfernen Wasserbutte ist mitten durch das Bild der Verkündigung Mariä eine Scharte gehauen – was soll das sein und bedeuten? Herr?“

[10] „Maid! Der böse Feind, Dein Buhle – mag das wissen, ich nicht!“ – entgegnete im Unmuth der Rathswirth. „Hast Du nichts gehört gestern Nacht?“

„Ich hab’ meinen Psalm gesprochen und meinen Segen, und hab’ nichts gehört – und Ihr dürft mich kein Teufelsbuhle schelten, Herr, daß Ihr es wißt!“

Ein leises Klopfen an der Rathhausthüre unterbrach dieses Gespräch, zugleich rief aus der Schlafstube Kathrine’s drüben über der Flur das erwachte Töchterlein des Wirthes nach der Pflegerin, und Kathrine eilte hinüber zum Kinde, während Ehrn Vollrad die Hausthüre öffnete. Der Einlaß begehrende war der Rathsdiener Ulrich, eine alte Spießbürgergestalt, kurz, stämmig, ausgedient, bewehrt mit rostiger Wehr, welcher kam, nach Befehlen zum Wohle des Städtleins zu fragen.

„Ulrich, gehe doch sogleich zu den sämmtlichen Beisitzern eines hochedlen Magistrates allhier zu Schildach. Ich lasse die hochweisen Herren bitten nach der Frühmette sich zu einer Sitzung bei mir einzufinden, es ist eine Sach’ von Wichtigkeit, es darf keiner fehlen.“

Der Bote humpelte schlurfenden Ganges von dannen. „Ulrich!“ rief ihn die Stimme des Stadtschuldheißen zurück. „Sobald du die Herren entboten hast, und sobald die Morgenkirch’ aus ist, gangest du hin zum Pfarrherrn Decius, ich laß’ ihn auch entbieten. Die Sach’ ist gar zu wichtig.“

[11] Wieder wandte der Stadtbote den Schritt so eilend, als ihm sein Alter und seine Säbelbeine erlaubten.

„Ulrich!“ scholl es abermals hinter ihm drein. Etwas mürrisch kehrte der gerufene sich um, und blieb stehen.

„Hierher!“ gebot Ehrn Vollrad: „Soll ich etwa, was ich zu befehlen habe, über den ganzen Markt schreien?“ Ulrich kam. „Wenn du den Pfarrherrn entboten, so gehst du hinaus nach Schenkenzell, zum Pfarrherrn, Pater Ericus, meinem Gevattersmann, und richtest meinen schönsten Gruß aus, und er möcht’ seine Predigt heint kurz fassen, und gleich nach der Kirch’ herunter zu mir ins Rathhaus kommen, ich hätt’ ihm gar was wichtiges mitzutheilen – bei einem Schöpplein vom besten, das vergiß nicht Ulrich, sag’ ihm ja: bei einem Schöpplein vom besten, sonst kommt er nit, denn selbiger Pfaff ist ein Schlemmer.“

Ulrich enthumpelte abermals und murmelte etwas unwirsches durch den Ueberrest seiner Zähne, worauf er sich in die Gassen des Städtleins verlor, die Siebener zu bescheiden, welche als Stadtälteste den Gemeinderath zu Schildach bildeten.

Indessen waltete Ehrn Vollrad in seinem Hause mehr als Wirth, denn als Oberhaupt, und doch auch wieder als solches vorsorgend und vorbereitend; er schnitt in der Speisekammer einen Schinken und eine große Wurst ab, nahm gleich einen großen Laib Brot mit, [12] trug alles in die Wohnstube, legte Messer und Gabeln auf den blankgescheuerten Eichentisch, stellte Salz und Pfeffer auf, und rief der Maid, sie möge zehn Becher bringen, worauf er sich mit einem Licht versah, und aus der Tiefe des Rathskellers einen großen Steinkrug duftigen Weines an das Tageslicht beförderte.

Nach dieser Arbeit putzte sich der wackere Stadtschuldheiß feiertäglich, und empfing die Aufwartung seines lieblichen Töchterleins, das schon zum Kirchgange bereit und von Katharine geschmückt war.

Jetzt kamen nach einander die Geladenen, wurden begrüßt, und jeder wollte ernsthaft die breite Treppe hinan zur Sitzungsstube des hochedlen Rathes schreiten, allein jedem ward in die Wohnstube gewinkt, und jeder gewahrte nicht ohne einige Freude, daß es auf eine Frühstückssitzung, nicht auf eine trockene Stadtrathsitzung für heute gemünzt war.

Da saßen sie nun die edlen Herren im Festtagstaat, stattlich reichsbürgerlich angethan, jeder mit Barett und Pelzschaube, gepufftem Wamms, gesticktem Koller, mancher um den Hals eine schwere goldene Kette oder doch ein Goldstück an schlichter Schnur, jeder die stattliche Wehr an der Seite, und jeder mit so wichtiger Amtsmiene, als gälte es, des heiligen römischen Reichs Wohlfahrt zu entscheiden, oder mindestens einen Kaiser zu küren. Zumal ihrer sieben waren, die beliebte Schwabenzahl, kamen sie sich vor wie Kurfürsten.

[13] Der stattlichste, auch klügste, war Klas Mollner, Besitzer der Mühle an der Schildach, ein Mann, nicht minder klug wie der Allgäuer mannlichen Andenkens und absonderlich herzhaft. Er war der reichste, und galt daher als Vorsitzender des Siebenerrathes. Nach ihm folgte Märten Bäck, der erste Bäcker des Städtleins, berühmt durch die Güte seiner Waare und seines Weines, denn er hielt eine Schänkstube, durch die er dem Rathswirth manchen Abbruch that. Es folgte Ehrn Asmann, Kauf- und Handelsherr, welcher in langen und kurzen Waaren machte, was irgend einer brauchte, vom Lebkuchen bis zur Zwiebel, vom Rechen bis zum Quirl, von der Citrone bis zum Senfkorn, vom Hampelmann bis zum Stehaufchen aus Hollundermark, vom Stockfisch bis zur Sardelle, vom Schleier bis zum Facinettlein, von der Sense bis zum Federmesser, von der Ofengabel bis zur Stecknadel. War gar ein gewichtiger Mann, dabei fein und schlau. Groß und breit erschien der dritte, Johann Rink, ein Brauherr und Schänkwirth, Ehrn Vollrads, des Rathsbrauers und Raths-Schänkwirths ärgster Rival im Geschäft, ernsthaft und gravitätisch. Ihm auf dem Fuße folgte Meister Cyrillus Birkhahn, des Städtleins wohlhabendster und kunstreicher Huf- und Waffenschmidt. Nach diesem stolzirte Ehrn Hippenpfeifer, Obermeister der ehrsamen Metzgerzunft des Städtleins, in das Rathhaus, ein Mann von stolzer und vornehmer Haltung, [14] der sich in der Welt umgesehen, und als Wandergesell bis nach München und Innsbruck gekommen war.

Den Beschluß machte ein Studirter, Doctor Praxedes Apollinaris Staubwedel, die größte Geistessonne von Schildach, erster Arzt und zugleich Apotheker, Rathsherr und zugleich Stadtschreiber, Chirurg und zugleich Bader, ein kundiges Allesinallem, Besitzer einer Badstube und Zwaganstalt, eines stattlichen Hauses und vieler Ländereien.

Als diese würdigen Männer nach gegenseitigen Begrüßungen und nach Rang und Stande Platz genommen hatten, und dem Morgenimbiß auf die Nöthigungen des Stadtschultheißen tapfer zusprachen, theilte ihnen dieser das seltsame Abenteuer der vergangenen Nacht mit. Diese Mittheilung wurde mit großem Erstaunen vernommen, und schier unglaublich befunden.

„Möget Euch schön gefürchtet haben, Herr Stadtschultheiß! Mir wäre sothanes nicht begegnet!“ höhnte Mollner. Märten Bäck sprach gar nichts zu dem bedenklichen Fall, er kaute. Asmann schüttelte den Kopf zu wiederholtenmalen, und murmelte: „Ich meinestheils kann mir aus selbigem Casus nichts zusammen addiren, es geht über die vier Species hinaus.“ Johann Rink lächelte skoptisch vor sich hin, und stichelte: „Wieviel Maaß habt Ihr denn gestern Abend zu Euch genommen, Herr Stadtschultheiß?“

[15] Cyrillus Birkhahn schnitt ein Faunengesicht, und witzelte: „Die Maid ist nicht übel, das giebt eine Eifersucht; habt Acht, es ist ein Spuk, der Fleisch und Beine hat!“

„Fleisch und Knochen“, das sage ich auch, sprach der Metzgermeister Hippenpfeifer, „ganz gewiß, ein paar Pfund junges Kalbfleisch mit Zulage.“

„Stimme nicht bei, stimme nicht bei“ näselte mit einer fistulirenden Stimme Doctor Staubwedel, der in der heiligen Taufe eigentlich die Namen Johann Adam erhalten, aber sich selbst Praxedes benamset hatte, um dadurch auf seine Praxis hinzudeuten, und Apollinaris, weil der heidnische Apollo der Gott der Aerzte und der edlen Heilkunst gewesen. Als einen Sohn und Jünger sothanen Gottes wollte Staubwedel sich betrachtet wissen, hatte auch seinen nicht eben vom Sonnen- und Poetengott abstammenden deutschen Namen Staubwedel in das Griechische verkehrt, und nannte sich Doktor Konirhipis.

„Stimme nicht bei!“ wiederholte der Doctor mit wichtiger Miene: „Glaube vielmehr, daß hier ein Casus magicus, wo nicht diabolicus vorliegt. Möchte wohl ein Geplärr des leidigen Satans sein, dürfte etwann ein Hausteufel, Kobold oder sonstiges Teufelsspectrum seinen Sitz im hiesigen Rathhaus suchen, und Aergerniß zu geben, sich gemüßiget finden.“

[16] Dieser Rede des Doctors folgte von Seiten seiner Zuhörer manches „hm, hm“ – von dem nicht abzunehmen war, ob es Zustimmung oder Verneinung ausdrücken sollte.

Jetzt erschien auch Magister Decius, des Städtleins wohlbestallter Pfarrherr; ehrfurchtsvoll öffnete ihm Ulrich, der sich in der Hausflur von Kathrine mit einem Morgenimbiß vergnügen ließ, nachdem er seine sämmtlichen Sendungen vollzogen. Decius trat schmunzelnd in die Gesellschaft ein, worauf ihm sogleich alles nöthige zur Erquickung dargeboten und der absonderliche Fall vorgetragen wurde. Der Pfarrer erschrak fast sehr, und ließ Messer und Gabel fallen; er sprach nur das eine Wort: „Exorcismus!“ Dann setzte er sein unterbrochenes Geschäft fort, und als er sich gehörig gestärkt und erquickt hatte, entsandte er Ulrich zum Meßner, daß dieser mit Weihwasserkessel, Aspergillum und dem Meßbuch, darin die Formeln des Exorcismus enthalten, sich ohne Säumen ebenfalls zur Stelle verfüge.

Unterdeß wurde der bedenkliche Fall noch reiflichst durchsprochen und erwogen, und nebenbei wurde auch die große Kanne, die voll Wein gewesen war, leer, so daß Ehrn Vollrad sich gemüßiget fand, nochmals hinab in den Kellerraum zu steigen, und selbige frisch zu füllen.

[17] Mit dem Meßner von Schildach traf an der Thüre der Pfarrer Ericus von Schenkenzell zusammen, und beide traten gleichzeitig in das Rathhaus.

„Nun nun nun, was soll es denn geben am lieben Feiertag?“ fragte Ericus, in der Flur den so eben die Treppe heraufsteigenden und keuchenden Rathswirth der Stadt. „Was habt Ihr denn so wichtiges, Ehrn Vollrad?“

„Ach, Herr Pfarrer!“ ächzte Vollrad: „der Belzebub, Gott sei bei uns, ist los! Kommt nur herein, Ihr werdet sogleich mehr davon hören!“

Pater Ericus trat ein, grüßte, ward begrüßt, und nahm seinen Sitz ein, und vernahm den Handel, oder vielmehr die Sache, um die es sich handelte. Er legte weniger Schreck an den Tag als der Pfarrer Decius, vielmehr ungemein viel Zuversicht, es mit allen Kobolden und Teufelsgespenstern aufzunehmen.

Der Meßner an der Pfarrkirche zu Schildach erschien jetzt mit allem, was ihm herbeizubringen anbefohlen war, und brachte auch das priesterliche Gewand mit, ohne welches der Pfarrer nicht wohl eine öffentliche Amtsverrichtung vornehmen konnte. Statt der Sakristei diente jetzt des Rathswirths Bettkammer, dar in der Meßner seinen Pfarrer mit der Alba, mit Stole, Cingulum und Humerale bekleidete, die Planeta ihm über- und den Manipulus ihm über den linken Vorderarm hing.

[18] Nach diesen Vorbereitungen erhob sich die ganze Gesellschaft und trat, an der Spitze der Pfarrer Decius gefolgt von seinem Amtsbruder und dem Meßner, dann die Herren des Rathes in das Vorhaus, wo sie sich aufstellten.

Der Pfarrer schlug im Meßbuch das Gebet gegen Anfechtungen auf, las Collecta, Secreta und Complenda; dann begann er: Exorcisco te, creatura diabolica per deum † vivum, per deum † verum, per deum † sanctum – u. s. w., schlug die Kreuze, tauchte den Wedel in das geweihte Naß, sprengte hierhin, sprengte dorthin – da ging es „wiswiswiswiswiswissumsumsumsumsumsumsumsum, ihm wispernd und sumsummend immer um den Kopf herum, bald an einem Ohr, bald am anderen, das war dem Pfarrer sehr störend und er merkte wohl, mit wem er es zu thun habe. Er nahm daher zu einer stärkeren Bannformel seine Zuflucht und beschwur den Teufel bei der Kraft und dem Wort des allmächtigen Gottes, daß er sich laut redend solle vernehmen lassen: „Und sage mir, wer Du bist, und welches Dein begehren ist, armer unseliger Geist, und womit Dir kann geholfen werden durch Eli Sabaoth Kyrie Tetragrammaton.“

Dem Teufel mochte bei dem Worte Tetragrammaton sein, als werde er zermörselt, denn mit einemmale brüllte eine Stimme überlaut: „Mordjo! Mordjo! Du Schandlästerpfaff“ – daß alle Hörer sich entsetzten. [19] Der Pfarrer erzürnte sich über diesen unhöflichen Gruß äußerst, und fragte mit aller Strenge: „Wer bist Du, unsauberer Geist?“

„Der Teufel bin ich, und nicht um ein Härlein unsaubrer wie Du, Pfaff!“ scholl die schreckliche Antwort.

„Was thust Du hier? Was suchst und was begehrest Du?“ fragte im Amtseifer Magister Decius.

„Nichts thue ich hier! Es gefällt mir hier, darum bin ich da! Dem Schultheißen will ich das Haus überm Kopf anbrennen, das ist mein Begehr!“

Dem Schultheißen schlotterten die Kniee; mit Entsetzen hörten alle diese Rede.

„Warum willt Du solches thun?“ fragte standhaft der Pfarrer weiter.

„Weil der Schultheiß mir mein Maidlein vorenthält, meine liebste Buhle!“ scholl die Antwort.

„Wer ist diese Deine liebste Buhle?“

„Die Maid im Haus, du Schandpfaff!“

Jedermänniglich entsetzte sich, denn die Köchin galt für eine unbescholtene und sittsamliche Jungfer, und nur diese konnte gemeint sein, denn des Wirthes Töchterlein war ja noch ein Kind.

Der Pfarrer gab jetzt seinem Teufelsexamen eine andere Wendung, er dachte: Wer weiß, wenn dir wieder einmal ein Teufel Rede steht, zumal dir noch nie einer Rede gestanden, und begann den Teufel mit seltsamen Gewissensfragen zu behelligen.

[20] „Kannst Du auch beten, Teufel?“

„Wenn Du mirs vorplapperst, Plapperpfaff! so kann ich’s wohl nachplappern, kann Dir auch was pfeifen!“ Jetzt begann der Pfarrer das heilige Vaterunser zu beten – und der Teufel sprach es tapfer nach, bis zu der Bitte: Vergieb uns, wie wir vergeben – da pfiff der Teufel.

Dann muthete Magister Decius, einmal im Zuge, dem Teufel zu, auch ein Ave Maria und das Credo nachzusprechen; der Teufel sprach auch in der That nach, aber wo es ihm nicht gefiel, nachzusprechen, da pfiff er, und verhöhnte damit den Pfarrer, das Gebet und den Glauben zu gleicher Zeit.

Während dieß im Rathhausflur vorging, war durch des Stadtdieners Ulrich Zunge ruchtbar geworden im Städtlein Schildach, daß etwas ganz außerordentliches sich im Rathhaus begeben müsse, dieweil alle Siebener und zwei Pfarrer dorthin entboten seien, und sei doch niemand krank, müsse was absonderliches auf sich haben; es drängten sich Leute herein, die Thüre blieb geöffnet, und bald stand es draußen Kopf an Kopf, dicht gedrängt, allerlei gaffendes Volk, ehrsame Spießbürger, alte und junge Weiber und die liebe Jugend in hellen Haufen.

Der Stadtschultheiß winkte Ulrich, die Thüre zu schließen, allein dieß ging schon nicht, die Leute wichen nicht und wankten nicht, sie hörten zu und standen [21] mauerfest, Keil an Keil. Sie standen mit offenen Mäulern und hörten dem Teufel aufmerksamer zu als den Sermonen des Pfarrers in der Kirche. Endlich fragte der Pfarrer Decius: „Sage Teufel, wie lange ist das Maidlein Deine Buhle – und wer erlaubt Dir das?“

Gleich kam die Antwort mit gellender und schmetternder Stimme: „Sage Du Schandlästerpfaff, wie lange ist Deine Köchin Deine Buhle, und wer erlaubt Dir das?“ – Rings erscholl Gelächter, und der Pfarrer Decius rannte zornroth in die Stube zurück, wollte nicht weiter dem losen, argen, tückischen Teufel fragen, nichts weiter mit ihm zu schaffen haben.

Da jedoch die Sache trotz all ihrer Grauslichkeit und Unheimlichkeit jetzt begonnen hatte, einen heitern Charakter anzunehmen, so drängte es den herzhaften Müller, den Spaß fortzusetzen, und er warf die kecke Frage auf: „He Teufel, kannst Du auch singen gleich einer Nachtigall?“ Gleich hob die unsichtbare Stimme an sich singend und plärrend vernehmen zu lassen, daß sich schier jedermann verwunderte. Der Teufel sang damals im Volke lebende Schlumperliedlein, wie:

„Daß der Winter nit stät will sein,
Das klagen die Maidlein sehre u. s. w.“
und: „Es ist das allerbösest Weib u. s. w.“
und: „Ich weiß mir ein’ Frau Fischerin, Fischerin –
Wann sie fuhr über Meer;
Mit ihrem kleinen Schiffelein, Schiffelein,
Nach Fischen stand ihr Begehr. u. s. w.“

[22]

und singend: „Die Brünnlein die da fließen
Die soll man trinken.
Und der eine stäte Buhle hat –“
sprechend: (vierzehn Jahre: wie der Pfarrer zu Schildach.)
singend: Der soll ihr winken,
Ja winken mit den Augen,
Und treten auf den Fuß.
Es ist ein harter Orden –
sprechend: (Die Pfarrer von Schildach und Schenkenzell sind nit in selbigem!)
singend: Harter Orden,
Der seinen Buhlen meiden muß.“

So etwas war noch nicht erhört worden weder zu Schildach, noch sonst wo – der Pfarrer von Schenkenzell lief seinem Confrater nach in die Stube – und es währte gar nicht lange, so hatte jeder der Rathsherren seinen Theil an Schimpf und Spott empfangen, und wollte nichts mehr hören, und endlich schwieg auch der Poltergeist und das Volk verlief sich, und trug die Wundermär in alle Häuser des Städtleins.

Der Rathswirth und Stadtschultheiß war durch alle diese Vorgänge also sehr in Furcht und Schrecken gesetzt, daß er die Männer allzumal bat, theils über Mittag bei ihm zu speisen, theils wieder zu kommen und die Nacht über bei ihm zu bleiben, denn allein wollte er um keinen Preis schlafen, gab auch sogleich Befehl in seiner Schlafkammer für mehr Betten und frische Bettgewande zu sorgen. Es brachte jedoch die [23] Mehrzahl der Rathsverwandten Entschuldigungen vor, diesen Wunsch Ehrn Vollrads nicht erfüllen zu können, und auch der Pfarrer des Städtleins gab vor, Abhaltung zu haben.

Der Köchin wurde bei ihrem ab- und zugehen von den Gästen manche anzügliche Frage zu Theil, die ihr das Blut in die Wangen trieb, sie roth, aber auch ärgerlich machte, und sie gab den Fragern manche schnippische aber auch manche kecke und trotzige Antwort zurück.

Beim Stadtschultheiß blieben zur Nacht blos der Pfarrer Ericus von Schenkenzell, der tapfere Müller und Meister Cyrillus der Waffenschmied. Ulrich, der Stadtknecht mußte mit dem Spieß auf der Stufe der kurzen Steintreppe sitzen, die aus der Rathhausflur zur Stube Ehrn Vollrads herauf führte.

Als zehn Uhr vorüber war, tutete wieder der Nachtwächter und sang gar schrecklich schön:

„O Sünder, tracht’ mit Fleiß, wie dein Erlösung sei,
Ang’fangen nach der Speis’ und Hymnus Melodei.
     Do Christus wollt den Preis selb b’halten, machen frei
     Den Menschen von Sathanas Gewalt.
 ’S hat zehn geschlagen!
 Lobet Gott den Herrn.“ –

„Rücke zu, Mollner, ich will bei Dir liegen!“ – sprach plötzlich eine Stimme zu Clas, dem Müller.

[24] „Lieg’ am Galgen!“ fuhr der herzhafte Müller grob heraus!

„Nein, bei Dir will ich liegen!“ war die Antwort. „Will Dich drücken, zwicken, ersticken!“ –

„Hoho! Wenn es Gottes Wille ist!“ rief der Müller muthig. „Komm her Du Schalk, Du Erzschalk, im Namen Gottes und der heiligen Jungfrau! Liege zu mir!“

„Ich thue Dir was aufs Maul, Mollner!“ rief die Teufelsstimme zornig aus, und es fuhr ein Stecken über die Köpfe der in ihren Betten ruhenden, der die Glatze des Schenkenzeller Pfarrherrn streifte, daß dieser Zetermordjo schrie.

„Teufel, von wannen kommt Dir die Macht, zu sprechen, zu singen und zu tückebolden? Und hast doch weder Fleisch noch Blut!“ – fragte der Müller.

Da ging es „wiswiswiswiswiswis“ vor dem Ohr des Müllers, und der Teufel wisperte ihm etwas zu, und mit so eiskaltem Odem in das Ohr hinein, daß dem Müller ein Schauer, wie der Schauer des Todes vom Wirbel bis zur Zehe drang und er gänzlich verstummte, ein Kreuz schlug und alle Stoßseufzer betete, die er konnte und wußte und keine Frage wieder that.

Und darauf blieb es stille.

Nach einer Zeit sang wieder draußen der Nachtwächter:

[25]

„Christ sprach: mein’ Seel’ betrübt das bittre Sterben mein
Das dann von eurer Lieb nahet und kommt herein,
     Sitzt hie bei diesem Ort Gethsemane gemein,
     Ich gang zu beten also bald. –
 ’S hat eilf geschlagen!
 Lobet Gott den Herrn! –“

Kaum daß dieser Vers eines alten Passionsliedes verklungen war, und des Nachtwächters schlurfender Schritt sich in eine Straße verloren hatte, so vernahm man vom Hochhaus des Rathhauses, das ist der Söller oder Balkon, daraus die Stadtpfeifer bei festlichen Tagen ihr Spiel erschallen ließen, ein lustiges pfeifen und trommeln, Soldatenmärsche und allerlei Weisen fort und fort, daß keiner im Rathhaus ein Auge zuthun konnte, und das währte so lange, bis der Wächter wieder auf den Markt kam und vor das Rathhaus trat, und zu singen anhob – da verstummte plötzlich die Musik des Nachtvirtuosen. Der Wächter sang:

„Mit ihm nahm er drei, Petrum, Jacob, Joan,
Drum er auch war erschien’n am Berg Tabor mit wan.
Stieg an Oelberg mit ihn’n, sprach: sitzt, wacht, bet’t voran,
Daß euch der Feind nit ganz verführ! –
     ’S hat zwölf geschlagen!
     Lobet Gott den Herrn!“

Und von da an blieb es stille.

Am andern Tage aber war der Teufel wiederum los im Rathhause zu Schildach. Vom Hochhaus aus erneute sich das Geplärr, Getön und Gelärm, es war [26] schier ein Spukwesen, wie Anno 1848, da das Volk zu Versammlungen zusammenrannte, um manchen Teufel schwatzen zu hören, und hinterdrein zu sehen, daß nichts dahinter. Immerfort Getümmel und Getrümmel und Pfeifen und Katzenmusik, ein Gratisconzert zum Besten der Armen mit Reveille und Zapfenstreich, alles wie nach Noten und doch ohne Noten.

Die Männer des Rathes standen jetzt auch außerhalb des Hauses, und blickten mit der übrigen Menge hinauf nach dem Söller, von wo die Teufelsmusik erscholl, und war doch droben keine Seele sichtbar. Da stieß Cyrillus den Müller an, und flüsterte: „Frag’ ihn doch, wie es beschaffen sei um die Lehre Lutheri?“

Diese Frage konnte im Jahr 1533, da Doctor Lutherus noch lebte und lehrte, in einem südländischen Schwarzwaldstädtlein, dahin Lutheri Lehre noch keineswegs gedrungen war, gar wohl aufgeworfen werden und von großer Wichtigkeit erscheinen; denn billigte sie der Teufel, so war sie vom Teufel, und verwarf sie der Teufel, so taugte sie erst recht, nach dem Sprüchwort, dem Teufel nichts.

Nun hatte der beherzte Müller, so sehr er in voriger Nacht sich gegrauelt, doch seinen Muth trotz dem Allgäuer, am hellen Tage wieder gefunden, fürchtete sich selbst vor dem Teufel nicht, und that die verfängliche Frage mit lauter Stimme.

[27] Alles wurde tief still und lauschte.

Plötzlich wetterte die Antwort vom Hochhaus herunter: „Ei pfui Dich an! Du lutherischer Schelm! Um diese Lehre ist es also beschaffen, daß Schelme wie Du einer bist, vermeinen, sie dürften in der Fasten Fleisch essen, wie Du in der ersten Fastenwoche am Cinertag (Aschermittwoch) zu Basel gethan!“ – Clas Mollner stand wie vom Donner gerührt. Aller Blicke richteten sich zornig und vorwurfsvoll auf ihn. „Ist’s wahr? Thatet Ihr das? Ei das ist ja fein und löblich!“ wurden Stimmen laut, und es hoben sich Fäuste in bedrohlicher Weise.

„Ja ich that’s!“ bekannte der Müller frei, und wandte sich zum heimgehen: „aber ich thu’s nimmer wieder. Und der Teufel mag den Teufel wieder fragen!“

Kaum war Clas Mollner durch das Volksgedränge entwichen, als es dem Pfarrer von Schenkenzell, der sich bisher ganz schweigsam verhalten hatte, doch auch drängte, mit dem Teufel anzubinden; gedachte an ihm sein Müthlein zu kühlen und ihn in die Enge zu treiben, hatte sich im Stillen schon mehrere verfängliche Fragen ausgesonnen, und rief zum Söller hinauf: „Teufel, was schenkst Du Deiner Buhlschaft?“

Plärrend scholl die Antwort herunter: „Schalksnarr, Schandpfaff, was fragst Du mich? Hast Du doch in Schenkenzell der Buhlschaften sieben um Dein Haus [28] herum; die Metzen Greth, die Kättners Lies’, die Trutschels Vronel, die Bäcken-Ev’, die Kärbles Kätter, die Trachtlers Annsibyll’, die Schulzen Mareibärbele! Was schenkst Du diesen, Lästerpfaff?“ –

Ein überlautes Halloh und Gelächter flog über den Markt, der Pfarrer Ericus aber war wie von Eiswasser übergossen, und ehe sich einer umsah, war er vom Markt hinweg und ward nicht mehr gesehen zu Schildach.

Darauf hat der Teufel noch eine lange Weile oben fort geplärrt und geplappert, allerlei tolles, wunderseltsames Zeug durch einander, daß den Zuhörern endlich die Haare zu Berge stiegen und die Haut schauderte, und sie mählich ein großes Grausen ankam, und auf alle eine Angst fiel und ein unerklärliches Bangen.

Der Stadtschultheiß aber eilte auch in das Rathhaus zurück und sprach zu seiner Köchin: „Jetzt trollst Du Dich also bald aus dem Hause, Du Teufelsbuhlschaft, die den ganzen schnöden Spuk uns zu Wege bringt, der die besten Männer schändet; hebe Dich alsobald von dannen, oder der Ulrich soll Dir die Wege weisen!“

Da hob die Dirne an, laut zu heulen und zu schreien, und schalt tapfer wieder, wo sie gescholten wurde, ganz dem Christenthum entgegen: „Daß Euch Gottes Marter schände, daß Euch Sankt Veits Tanz anstoße, darum, daß Ihr mich eine Teufelsbuhle scheltet! Froh sein will ich, aus Eurer Teufelswirthschaft [29] fortzukommen, und die Leute sollen von Euch erfahren, mehr als Euch lieb ist, darauf verlaßt Euch! Ich habe noch ein Heim, wer weiß wie lange Ihr noch ein Heim habt! Und wenn ich eine Teufelsbuhle sein soll, so soll’s Euch der Teufel gedenken, daß ich eine bin, und Ihr sollt an mich denken, Ihr schandbarer Mann!“

Unter diesen schier schrecklichen Reden, vor denen der Stadtschultheiß ganz erstarrte, und sprachlos stand, denn also hatte noch kein Mensch auf der Welt zu ihm zu sprechen gewagt, hatte die Magd drüben in ihrer Kammer in Hast und unter heulen das nöthigste ihrer Fahrniß in ein Tuch gebunden, trat damit wieder heraus, sprach zu Ulrich: „Leb’ wohl, alte Eule, alter Schubut, und laß nur meine Lade heint noch nachfahren gen Oberndorf, allwo ich daheim bin, und laß Dir von dem alten Schalk und Talk meinen Lohn zahlen, und schick’ ihn mir eben auch mit!“ –

Und damit ging die Maid festen und kecken Schrittes, das Gesicht roth und von Thränen überströmt, zum Rathhaus hinaus, durch die Menge.

Scheu wichen vor ihr die Leute alle zur Seite, gaben ihr willig Raum – fürchteten, von ihrem Rock berührt zu werden, schauten ihr befangen und mit Bangen nach.

Die Maid schritt zum Städtlein hinaus, und wandelte gleich einen Fußpfad hinan, der nach Hinter-Auhalden führt, und droben blieb sie stehen.

[30] Sie drehte sich, sie wandte sich, sie streckte den Arm aus gegen das Städtlein, sie schien jetzt ein riesengroßes Weib zu sein.

Und siehe neben ihr ward erblickt die Gestalt eines großen, langen, hagern Mannes, dunkelfarbig, so daß nichts von ihm erkennbar war, und dann verschwand dieser Mann mit ihr hinter der Höhe.

Der Köchin Weg führte von Auhalden über Waldnössingen nach dem schwäbischen Städtlein Oberndorf, am Neckar, im Schwarzwaldkreis gelegen, schier so groß wie Schildach, und etwa drei Stunden weit davon. Von dem Augenblick an, in welchem die Maid aus dem Rathhaus zu Schildach geschritten war, blieb es stille auf dem Rathhaus, erfolgte auf keine Frage mehr eine Antwort, der Teufel schien hinweggeschwunden, war zuletzt gar der lange dunkle Mann auf der Berghöh überm Städtlein gewesen, und hatte seiner liebsten Buhle das Geleit gegeben.

Niemand war mehr froh als der Stadtschultheiß und Rathswirth zu Schildach, Ehrn Vollrad, als er den Teufel und letzterer nicht mehr bei ihm los war. Er feierte noch selben Abend den Abzug des höllischen Trommlers und Kilbepfeifers, nachdem er andere Bedienung angenommen, mit einem guten Essen nebst ditto Trinken, und es war in der That zu bedauern, daß weder der Pfarrer zu Schildach, noch jener von Schenkenzell, noch auch der beherzte Clas Mollner daran [31] Antheil nahmen. Es kamen ruhige Tage, alles ging seinen gewohnten Gang; die Teufelei, welche im ganzen Kinziger und Schwarzwaldkreis ungemein viel redens verursacht hatte, wurde allgemach weniger besprochen, und so waren vierzehn Tage vergangen, und der Gründonnerstag herbeigekommen, an welchem gewöhnlich viele Landleute aus den nachbarlichen Waldorten herab nach Schildach kamen, dort dem Gottesdienst beiwohnten, beichteten, und in Ehren nach der Kirche in öffentlichen Häusern sich auch mit Trank und Speise erquickten, absonderlich im Schlundhaus, allwo an solchen Tagen in der Flur eine Bäckerin mit frischen Wecken und Hörnlein feil hielt, auch mit Bretzeln und Mürbem, welches gut schmeckt zum Malvasier, ja selbst zum Seewein.

Es fiel dieser Gründonnerstag im Jahre 1533 auf den 10. April. Ehrn Vollrad war mit seinem Töchterlein auch in der Kirche gewesen, und geruhig heimgekehrt. Ihm auf dem Fuße folgten viele Gäste, und er versah sich nichts argem; da – wie er in den Flur trat, hörte er oben an der Decke ein klappendes Geräusch, und sahe, wie die neuen Feuereimer an einander anschlugen, als bewege sie ein Sturmwind, und hörte es droben fellrasseln: Rrrrrrr – dumderumdum dumdum! dumderumdum! –

Zum Tode erschrak Ehrn Vollrad. Da war er wieder, der höllische Regimentstambur und Queerpfeifer [32] in einer Person von seiner Majestät, Lucifers, Leibgarde – da war er, und wie es den Anschein hatte, weit minder bei Laune, wie vor vierzehn Tagen; vielmehr schien des Polterteufels zuvor wahrgenommener heiterer und schalkhafter Humor, obschon letzterer etwas stark mit Lauge und dem Schwefel der Unsauberkeit gewürzt gewesen, gänzlich von ihm gewichen, und zeigte heute eine Miene voll bösen Ernstes; denn er pfiff wie der Sturmwind und schlug Generalmarsch mit dem Geroll des Donners.

„Teufel, was willt Du wieder?“ rief mit zornerstickter Stimme der Stadtschultheiß zum Gebälk hinauf.

„Dich abbrennen will ich, sammt dem ganzen Nest!“ brüllte eine Donnerstimme: „dieweil Du meine liebste Buhle aus dem Hause getrieben! Packe ein, packe auch ein, und hebe Dich so eilend von dannen, wie mein Maidlein sich hat von dannen heben müssen!“

Und nach diesen Worten ging ein brausen und sausen los, wie ein Seesturm, daß alles zusammenlief, einige aus dem Hause, andre in das Haus, alles wollte den Spuk hören, die Bänke füllten sich mit Zechgästen, es war nach Wecken und Hörnlein, nach Mürbem, wie nach Malvasier und Seewein starke Nachfrage und viel Begehr.

Mit einmal erscholl eine schreckliche. Stimme: „He – Ihr Männer und Leute aus den Thälern von Kirnbach und Lauterbach, von Moswald und Mariazell und wo [33] ihr sonst her – seid verwarnt! Hebet euch auf und sputet euch, denn lange werdet ihr nicht mehr zechen! Ehe denn eine Stunde vergeht, wird hier nicht mehr sein weder Tisch, noch Bank, weder Schank noch Trank, weder Weck noch Wein, weder Wurst noch Durst! Danach achtet euch!“ –

Aber die Leute achteten nicht darauf, und fürchteten sich nicht; sie hatten gebeichtet, waren entsündigt, und hatten den heiligen Leib des Heilandes empfangen – was konnte ihnen der Teufel thun und anhaben? Nichts, und wenn er noch so sehr plärrte und noch so wild sich stellte.

Ebenso der Wirth; er half die Gäste bedienen, und nahm sich vor, sich den Teufel nichts um den Teufel zu bekümmern, denn sein Gewissen war rein, und auch ihn konnte jener so eigentlich nichts anhaben.

Da sahe er zufällig, und auch mehrere Zechgäste gewahrten es, und nach und nach alle, daß die Leute draußen auf dem Markte stehen blieben und zusammentraten, und hinauf zum Schloßberg deuteten, hinter dem eine seltsame, schwefelgelb gefärbte Wolke aufstieg. Und auf dieser hellen Wolke schnitten sich vier dunkle Gestalten ab, und zwar die eines langen hagern Mannes und dreier Weiber, und obschon die Entfernung vom Marktplatz zu Schildach bis hinauf zum Schloßberggipfel keine ganz geringe war, so glaubten einige doch, die Weibspersonen zu kennen, und es wurden Stimmen [34] laut, welche riefen: „Kathrin, die Rathswirthsköchin!“ „Marlies, die Pfarrköchin!“ – „Metzen-Greth, die Pfarrköchin von Schenkenzell!“ –

Jetzt gaben die vier droben sich einander die Hände, und begannen einen Ringelreigen zu drehen, und immer höher stieg die schwefelgelbe Wolke.

Und des Volkes, das zusammenlief und gaffte und einander zu schrie, die Gestalt des Teufels lasse sich sehen droben auf dem Schloßberge, ward mehr und mehr.

Und da zuckte es wie ein jäher Blitz in der Wolke, und die vier Tänzer waren hinweg.

Und jetzt wandte sich das Volk um, und schaute nach dem Rathhaus, und noch einmal zuckte es flammend über den Markt, aber gar nicht wie ein rechter Blitz, auch folgte kein Donner – aber eine Rauchwolke wälzte sich schwarz hinterm Rathhausdach empor, vom Hintergebäude, worauf des Stadtschultheißen Heuboden war, und es züngelten Flammen hinein, und der Ruf erscholl von hundert Stimmen: „Feuer! Feuer! Feuerjo!“ –

Und der Wächter stieß ins Lärmhorn und die Glocken läuteten Sturm, und die Männer drängten ins Rathhaus, und langten zum erstenmal die neuen Feuereimer herunter, andre liefen nach den Leitern, nach den Haken, aber schneller als alle lief das Feuer; das schlug lichterloh empor, und spottete des Wassers; in ganzen Ballen rollte es vom Rathhausdach auf die Nachbardächer, [35] bald erhob sich heulend der Sturm und fachte die Lohe, und gab ihr Flügel, und mit Windsbrautschnelle flog sie von Haus zu Haus rings um den Markt. Bald waren Feuereimer und Spritzen nicht mehr brauchbar, denn die Flamme zündete hier, zündete dort auf den Schindeldächern des Schwarzwaldstädtleins, und ließ sich nicht Einhalt thun, und ehe eine Stunde verging, waren das Rathhaus und sechs und zwanzig andre Häuser niedergebrannt bis fast zum Grunde, die schönsten des Ortes, rings um der ganze Markt, und die schwarzen Feuermauern starrten nur noch empor. Gar wenig hatte aus den brennenden Häusern gerettet werden können, denn allzuschnell war das Flugfeuer gewesen, und es war nun ein großer gewaltiger Jammer in dem ohnehin armen Städtlein, dessen Herz ausgebrannt war, und zu Staub und Asche verkohlt.

Menschenleben war nicht dabei verloren gegangen, aber vieler Menschen Hab und Gut, die dadurch gänzlich verarmten, denn damals gab es noch keine Brandversicherungsanstalten, und es stand den Abgebrannten nur frei, nach der Zeitsitte unter dem Namen der „armen verbrannten Leute“ mit vom Magistrat ausgestellten und besiegelten Brand- und Bettelbriefen durchs Land zu fahren und von der Hand der Milde, wo diese sich aufthun mochte, Gaben zu heischen zum Wiederaufbau ihrer eingeäscherten Häuser.

[36] Schrecklich war das Unglück, und aller Zorn wandte sich gegen das Werkzeug des Teufels, seine liebste Buhle, denn daß diese und niemand anders, des Brandes Ursache, dieser Glaube stand baumfest.

Als daher nach Beseitigung des nothwendigsten und dringendsten zur Linderung des Elendes des gänzlich hülflos gewordenen Theiles der abgebrannten Einwohner Schildachs der Stadtrath in einem verschont gebliebenen Hause unter dem Vorsitz des tief bekümmerten und hart geschädigten Schultheißen seine erste Sitzung hielt, wurde ein Schreiben entworfen an den großgünstigen, wohlachtbaren, ehrsamen und fürsichtigen, freundnachbarlichen Rath des Städtleins Oberndorf, und demselben darin der ausführliche Bericht des erlittenen Unglücks mitgetheilt, sowie derselbe auch nach der Hand noch an andere Städte und Städtlein, nicht minder an die Grafen von Würtemberg und Baden und andere im deutschen Reiche mitgetheilt wurde. Absonderlich aber ward jene Oberndorfer Maid der Teufelsbuhlschaft im ersten Bericht ausdrücklich bezüchtigt. Da griff der Rath zu Oberndorf zu, und ließ die Maid gefangen nehmen. Natürlich läugnete sie rundweg jedes Einverständniß mit dem bösen Feind. Aber da schritt der Rath zur scharfen Frage. Sothane Frage pflegte stets dem Gedächtniß auf eine furchtbare Weise zu Hülfe zu kommen.

[37] Die arme Kathrine wurde viel, viel mehr gefragt als sie wußte, denn eigentlich wußte sie über das was sie gefragt wurde, gar nichts, aber was man haben wollte, das sie wissen sollte, das lehrte ihr die scharfe Frage, die legte ihr Antworten und Aussagen in den Mund zum Haarsträuben.

Als sie geschnürt worden war und die Haarseile ihr die Handgelenke wund gerieben hatten, und die Daumschrauben ihr das Blut unter den Fingernägeln hervorgepreßt hatten, und als sie auf die Leiter gespannt worden, und der gespickte Hase ihr nach dem Henkerrecht dreimal über den Rücken hinauf und hinabgelaufen war, und als die Züge sie so gedehnt und gereckt hatten, daß sie fast selbst in den letzten Zügen lag, da hatte man ein ganz vollständiges Bekenntniß von der vormaligen Rathswirthsköchin zu Schildach, das lautete in kurzer Aufeinanderfolge also. „Ja ich bin eine Teufelsbuhle, ja ich habe dem Herrn Christum verschworen, und mich dem Satan verlobt; ja ich habe zum öftern des Teufels Besuche angenommen, ich habe aber niemand was, zu Leide thun wollen, darum ist der böse Feind mir feind worden, und hat mir das Unglück angerichtet. Von Oberndorf war ich zu Rottweil auf Besuch bei einer Muhme, dort bin ich am Gründonnerstag früh in die Kirche gegangen, habe aber nicht gebeichtet, darauf nach der Kirche habe ich ein Morgensüpplein gegessen, darauf habe ich mich auf eine Ofengabel gesetzt, weil mein [38] Buhle mir das also befohlen, und bin unsichtbar durch die Lüfte gen Schildach gefahren, und zwar in meines vormaligen Herrn, des Schultheißen Haus, zu oberst auf den Heuboden. Dort habe ich mit meinem Buhlen und den zwei Pfarrköchinnen von Schildach und Schenkenzell, die auch des Teufels liebste Buhlen, gezecht, und haben als wohl oder bös denn die andern Gäste drunten im Haus gelebt, haben Malvasier getrunken und Wecken hineingebrockt. Da nun unsere Zeche zu Ende war, und die Kirche dann aus, so brachte der Teufel uns dreien einen Topf oder Hafen, stellte den vor uns hin und sprach: Wenn ich hinauf aufs Dach fahre, so stürzt den Hafen um, und hebt euch flugs von dannen, und wenn ihr droben am Schloß vorbei kommt, so thut euch nieder, da werdet ihr mich finden, und da schaut euch um, was alsdann geschehen wird.“

„Darauf fuhr der Teufel erst hinab in die Hausflur und schreckte den Wirth mit Gelärm und Gepolter, und warnte die Gäste, daß wir seine Stimme droben auf dem Boden hörten; und bald darauf fuhr er herauf gar schrecklich und hinaus aufs Dach, und stürzten wir drei den Hafen um und fuhren auf unsern Gabeln von dannen, und thaten uns nieder, wie uns von unserem Buhlen geboten war, und wurden sichtbar. Da winkte er, daß wir einander die Hände gaben, und gab auch uns die Hände und da tanzten wir, und wie wir uns im Tanze so wandten, daß wir herab nach Schildach sahen, [39] da gewahrten wir aus dem Dache des Heubodens Rauch und Flammen schlagen – da fuhren wir von dannen in eine gelbe Wolke hinein und verschwanden. Ich kam wieder nach Oberndorf und bin Abends wieder in die Vesper gegangen.“

Auf solches Bekenntniß wurden die beiden Pfarrköchinnen zu Schildach und Schenkenzell auch alsbald eingezogen, welches ihren Herren sehr störend war und wurden nun auch erst in der Güte, dann ebenfalls scharf befragt, und zwar so lange, bis ihre Aussagen mit denen jener Kathrine genau übereinstimmten, dann wurden sie auf ihre Bekenntnisse hin als Teufelsbuhlen alle drei zum Scheiterhaufen verurtheilt, und auf selbigem lebendig verbrannt. Von Rechtswegen. Schade, daß aus ihrer Asche die eingeäscherten Häuser von Schildach nicht wieder aufgebaut werden konnten.

Hernachmals ist der abgebrannte Theil von Schildach doch allmählich wieder aufgebaut worden, auch das Rathhaus schöner denn zuvor, und ist das Städtlein zu merklichen Flor gekommen. Die Geschichte aber kam weit und breit in der Welt herum, und hat sogar der hochgelahrte Erasmus Roterodamus ihrer gedacht, indem er in einem Briefe an Damian von Goes davon Meldung that, doch hat er es andern nachgeschrieben und ebenso dürftig wird auch in Remigii Dämonolatria (Hamburg 1693) S. 126 und 127 die Geschichte erzählt, daraus sie in die deutschen Sagen der Gebrüder Grimm 1. [40] S. 282 und 283 übergegangen, wo aber Schildach irrig ein Städtlein im Schweizerland genannt ist.

An das neue Rathhaus ließ der Stadtrath nach einem Beschluß ein Wahrzeichen als Gedenktafel mit einer kurzen kernigen Inschrift anbringen, welches zu deutsch lautete: Am zehnten April 1533 hat der Teufel dieses Städtlein abgebrannt, und also aussahe:

IV. IDVS APRILIS CONFLAGRAVIT

OPPIDVM DIABOLVS.

MDXXXIII.