Topographia Sueviae: Vberlingen

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Topographia Germaniae
Vberlingen (heute: Überlingen)
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aus: Matthäus Merian (Herausgeber und Illustrator) und Martin Zeiller (Textautor):
Merian, Frankfurt am Main 1643, S. 190–193.
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Vberlingen.

Dieser ReichsStatt (so der Römisch Catholischen Religion zugethan / vnnd ein MeilWegs / oder zwo Stund / von dem ansehenlich / vnnd berühmbten Kloster Salmonsweyl gelegen / ) Beschreibung / ist von dem Wol-Edlen / Gestrengen / vnnd Hochgelehrten Herrn Johann Heinrichen von Pflaumern / beyder Rechten Doctore, Römischer Käyserlichen Mayestät Rath / etc. wie auch hochgedachtes Königlichen eximirten / vnnd befreyten Stiffts Salmonsweyl / Rath / vnd Advocaten / etc. vns mit folgenden Worten / den 3. Aprilis / im Jar 1642. großgünstig mitgetheilet worden. Die ReichsStatt Vberlingen ligt zwo Stundt vnter Merspurg / an dem tieffen BodenSee / mit fruchtbaren Bäumen / vnd Weinbergen vmbfangen / vnnd ist von der Natur sonderbar begnadet / in dem sie auff einem hohen Steinfelsen situirt, welcher sich zu allerhand Gebäwen gar ring brechen / vnd gebrauchen läßt: Welcher Steinbruch zumaln der Statt zu jhrer Bevestigung dienet / dann / je mehr Stein an den Mawren hinweg gebrochen werden / je tieffer werden die Gräben / so gantz verwunderlich / vnnd etlicher Orthen an der Höhe einen Kirchenthurn vbertreffen. Mit dergleichen Gräben ist die gantze Statt von aussen beschlossen / vnd wird innwendig voneinander in drey Theil abgeschnitten, als die vntere Statt / die Obere / vnnd den Galler-Berg / so mit Reben vberzogen / vnd den Namen hat von dem FrawenKlösterlein zu S. Gallen / welches zur Gedächtnuß desselbigen Abbts von nachbenanten Hertzog Cuntzen Tochter Friedburga erbawet / hernach verändert / vnnd vnterhalb deß Bergs gesetzt worden. Die treffentliche Gelegenheit dieses Orts / hat den alten Hertzogen in Schwaben so wol beliebet / daß sie gewöhnlich allda Hoff gehalten / wie von Hertzog Cuntzen / oder Conrad / Jacobus Manlius, in seiner Beschreibung [191] deß Bischthumbs Costantz bezeuget / daß er vmbs Jahr Christi 600. zu Vberlingen residirt: dessen Müntzen / die Cuntzen Pfenning genant / vber etlich hundert Jahr hernach den Nahmen behalten / darauff ein Löw gepräget / wie solchen die Statt Vberlingen noch in jhrem Wappen führet / vnd nach deme sie den Römischen Käysern / vnd Heil. Reich jhre Trewe / vnd Dienst / bey jeden Occasionen / sonderlich aber An. 1525. in dem Bawrenkrieg ansehenlich bewiesen / als hat sie zur offenen / vnd ewigen Gezeugnuß erlanget / daß sie auch ob dem Helm einen Löwen mit blossem Schwerdt führen thut. Ist nach Abgang der Hertzogen in Schwaben / zu dem Reich kommen vmbs Jahr 1267. Besitzt auff dem Land die Schlösser Hohen Bodmann / Ramsperg / vnd Ittendorff / so jhren besondern Adel gehabt. Der Hospital in dieser Statt / wird vnter die Reichiste in Schwaben gezehlet / dessen / wie auch gemeiner Statt / Einkommen / durch kluge verständige Haußhaltung / sich so weit gebessert / daß bey der Reichs-Matricul diser Statt ein fast Fürstmässiger Anschlag / benantlich 6. zu Roß / vnd sechszig zu Fuß / einfachen Römerzug geschöpfft worden.

Demnach sie auch ein bequeme sichere Schifflände hat / vnd allen Vmbsässen wolgelegen ist / wird dahin Wochentlich zu Friedenszeiten ein vberauß grosse Menge allerley Früchten / vnd von dannen vber See nach Costantz / Lindaw / Bregentz / in das Thurgöw / vnd Rheinthal / vnnd gar biß in Churwahlen verführet Darumb auch diser Fruchtmarckt mit besondern Käyserlichen Privilegiis befreyet / vnd bewahret worden. Darneben sie auch mit sonderbarem Appellations-Privilegio versehen / daß / nämlich / jhre Verburgerte / vnd Angehörige / von deß Raths Vrtheiln weiter nicht / als an eine dieser dreyen Stätten / Freyburg in Breißgöw / Rotweil / oder Ravenspurg zu appellieren Macht haben. Vmb die Weinberg ausserhalb der Statt entspringen aller Orten frische Brunnquellen / insonderheit aber innerhalb der Ringmawren vnter obgedachtem Gallerberg / ein gar heller / frisch / vnd gesunder Wasserfluß / welcher in wenig Teucheln zu einem hierin erbawten Badhauß verleytet / vnd zu Frühlings / vnnd Sommerszeit / von Innheimischen vnd Frembden gebraucht wird. Diß Wassers sonderbare mineralische Qualität läßt sich dahero erkennen / daß man es auch in dem Bad selbst / wann der Leib erhitziget / ohne Schaden trincken / vnnd sich damit abkühlen kan.

Von andern Würckung / vnd Effecten / schreibet Doctor Gall Eschenreutter / gewester Statt-Medicus zu Straßburg / in seinem daselbst Anno 1571. gedrucktem Tractat / von den allerheylsambsten Bädern / mit folgenden Worten: Zu Vberlingen / in dem Stattgraben / meines angebornen Vatterlands / entspringet auß einem Felsen / gegen Orient / etc. ab Bley / Kupffer / vnd Schweffel / ein kalt Wasser / herfliessend / welches in Teucheln in die Vorstatt Fischenhäuser genant / geleytet. Dasselb gewärmet / säubert die Nieren vnd Blasen von Grieß / vnd allem Vnrath / stärcket auch den bösen Magen. Ferner beschreibet vorgemeldter Doctor Eschenreutter / ein anders mineralisch Wasser / so vnterhalb der Weingarten / am Stollen genandt / (allda auß hitzigem sandigten Boden der beste Wein erwächst) herfür quellet / vngefähr auff zweyhundert Schritt vom nächst erzehlten Bad / in einem lustigen Ort / gegen Mittag / vnterhalb deß Felsen / dem BodenSee zu / mit keinem vnlieblichen Geschmack / auß Krafft deß Kupffers; mit welchem / so man Wartzen an den Händen einmal / zwey / oder drey wäschet / vnnd solches läßt für sich trucknen / so vergehen / vnd verschwinden sie ohn allen Schmertzen / vnd andere Artzney; wie hievon / er / Doctor Eschenreutter mit mehrerm zu lesen / welcher gern sagen wolte / es wäre diß Wasser von Art vnd Natur deß Saltzes / so man nennet Armoniacum, von seiner wunderbarlichen Würckung halben.

Im Jahr 1332. haben die Juden zu Vberlingen eines Ledergärbers Sohn / Frey genant / von deß Christl. Glaubens wegen / gemartert / vnd den todten Leichnam vor der Statt / in den Brunnen zu S. Vlrichen geworffen: Als aber diese Mordthat offenbar worden / hat man die Juden auß jhren Häusern alle zusammen in die Beckenzunfft getrieben / vnnd sampt dem Hauß an einem Hauffen verbrennet / deren bey dreyhundert gewesen. [192] Darauff auch vnter andern Statt-Satzungen versehen / vnnd alle Jahr offentlich verlesen wirdt / daß man zu ewiger Zeit keine Juden mehr eynlassen solle.

Anno 1493. war zu Vberlingen ein Burger / Peter Breymolber genandt / der hatte so viel gefrässige Würm in jhme / daß er in dritthalb Jahren hundert vnd dreyssig Malter Früchten gessen; gebrauchte darauff den Göppinger Sawerbrunnen / so die Würm vertrieben. Diese Statt hat auch vnter noch wärendem leydigen Teutschen Krieg zween starcke Anstöß erlitten / den ersten An. 1632. von Hertzog Bernhard zu Sachsen-Weinmar: Den andern An. 1634. von dem Schwedischen FeldMarschalck Gustav Horn / als er den 23. Aprilis / mit gantzer Kriegsmacht / darfür geruckt / das genandte Hellthor / mit sampt dem Thurn / zu Hauffen geschossen / darauff 3. Tag nacheinander mit grossem Ernst gestürmet / aber jedoch den 16. Mäy widerumb abgewichen. Den vmbständlichen Verlauff von Tag zu Tag gibt die zu Costantz gedruckte außführliche Beschreibung. Vnd obwoln dise Belägerung nit ohne schaden abgaagen / wirdt jedoch / daß hernach An. 1636. gefolgte / den Gebäw / vnd Gütern / sehr schädliche Gewässer / nicht weniger beklagt / welches den 31. Augusti Morgen vmb 3. Vhren / von einem vrplötzlichen Wolckenbruch / mit erschröcklichen Blitz / vnd Donnerkläpfen Anfang genommen / sich zwischen den Weinbergen / in den engen Thälern gesamblet / vnd mit solchem Gewalt der Statt zugelauffen / daß auch grosse Bäum / sampt den Wurtzeln / mitgeführet / vnd gar die steinin-Brücken zerrissen worden. Die zwar tieffe Stattgraben mochten das Wasser nicht fassen / vnnd war der Lauff von oben gegen der vntern Vorstatt so groß / vnd impetuos, daß ein Brustmäwrlein von dem Grund außgehoben / vnnd 3. Schritt weit getragen / zugleich auch das newgemachte starcke Stattthor / so man das Wißthor nennet / vom Gewalt der empor getragener Bäum / vnd Steinen auffgestossen worden. Die Vorstatt war gleich dem See vberschwämmet / die Keller alle mit Wasser vnnd Sand angefüllet / die Leuth begehrten sich auff die Tächer zu salviren / dann das Wasser die vntere Gemach bereyt vberstiegen / vnd wäre noch viel höher gewachsen / wann nicht die Stattmawer gegen dem See dem vngestümmen Gewalt Platz geben / sich / sampt dem Fundament nidergelegt / vnd das Wasser damit sich in den See außgegossen hätte. Es war wol verwunderlich zu sehen / daß ein so veste hohe Mawer auf sieben vnd viertzig Klaffter lang / vnnd allerdings gantz / von Grund auß vmbegstürtzt worden. Der lautere klare See entfärbte sich von dem Einfluß deß trüben laimigen Wassers / vnd wurden etlicher Orthen die Weingarten von dem mitgeführten Sand / vnd Steinen / dermassen bedeckt / vnnd versenckt / daß man weder Reben / noch Stecken / mehr sehen können. Jedoch ist bey so ungehewrer grosser Wassersnoth sich zuverwundern / vnd darumb Gott zu dancken / daß weder Vieh / noch Menschen inn- oder ausserhalb der Statt zu Grund gangen / wiewol die Gefahr ernstlich / vnd vielen das Wasser in das Maul gelauffen geweßt. Biß hieher oberwehnte Beschreibung / vnd Bericht. Darzu man thun kan / daß Theils schreiben / daß diese Statt vor Zeiten Iburingen geheissen / folgends aber von der vhralten Vberfahrt / vnd Schifflände / den Namen Vberlingen bekommen habe. Vnnd daß von dem obgedachten Bad / Doctor Joh. Göbel in seiner Schrifft von den Bädern / am 95. vnnd folgenden Blat / meldet / daß solches dem schwachen Magen diene / Lust zum Essen mache / zur Däwung helffe / wider die flüssige Zuständ gut sey / den Stein in den Nieren und Blasen vertreibe / das Harnschneiden stille / den Brand von Wasser / oder Fewer / wende / vnd die Krätze heyle.

Anno 1643. den 19. 29. Jan. hat der Commendant auff Hohendwiel / Herr Obrister Widerhold / auff empfangene gute Kundtschafft / wie es vmb diesen Orth beschaffen / denselben Morgens vmb 5. Vhren vberfallen / ein Thor petardiert / vnd einbekommen / vnd in der Statt 3. Stund lang geplündert / auch in solcher ein gute Anzahl Früchten gefunden; vnd sie mit 600. Mann besetzt. Anno 1646. den 1. 11. May eroberten die Chur-Bäyrischen die Statt / nach vier Monatlicher Belägerung / wider mit Accord; in welcher Zeit sich der Commendant Viconte de

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[193] Corval, tapffer gewehrt; dardurch dann die Statt sehr vbel verderbt worden ist. Nach dieser Vberlingischen Eroberung / seyn etliche der Bäyrischen auf Blumberg / (wie es die Zeitungen genandt / vnnd vielleicht das Blumberg / in der Gegend Fürstenberg / Bondorff / Stülingen / vnd Haingen / seyn wird / so man zur Landgrafschafft Barr rechnet / vnd dem Gräflichen Hauß Fürstenberg gibt) gangen / vnd solches Hauß / im besagten 44. Jahr / mit Accord auch einbekommen. Folgends Anno 47. ward / bey den Vlmischen Tractaten / wegen Anstand der Waffen / die Statt Vberlingen / der Cron Schweden / biß auff den General ReichsFrieden vberlassen; die auch dieselbe / bey dem zu Nürenberg angestellten Executions-Werck / Anno 1649. dem Reich restituirt / vnnd dero Besatzung darauß geführt hat. Diser Statt Monatlich: einfacher Reichs: vnd CraißAnschlag ist 312. Gulden. Vnd zum Cammergericht Jährlich 193. Gulden / oder / wie ich in einer geschribnen Verzeichnuß gelesen / 193. Gulden / 52. Kr. 5. Heller.