Volkssagen in der Lausitz (Gräve)

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Textdaten
Autor: Heinrich Gottlob Gräve
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Titel: Volkssagen in der Lausitz
Untertitel: Fortsetzung
aus: Neues Lausitzisches Magazin, Sechszehnter, Neuer Folge dritter Band, S. 127–138
Herausgeber: Joachim Leopold Haupt
Auflage: 1. Auflage
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Erscheinungsdatum: 1838
Verlag: Heyn’sche Buch- und Kunsthandlung
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Erscheinungsort: Görlitz
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[127]
II.
Volkssagen in der Lausitz.
(Fortsetzung.)

5. Der schwarze Hund.

In Budissin, vor dem auswendigen Lauenthore, unfern des Gasthauses der drei Linden, nicht weit von der Stelle, wo sich ehemals linker Hand der Rabenstein befand, entsteigt in der zwölften Nachtstunde einer daselbst befindlichen Vertiefung ein grosser, schwarzer, zottiger Hund, welcher durch’s Thor hinein, bis in die Gegend des Waisenhauses – manchmal noch weiter – seine Runde macht, dann zurückkehrt und am besagten Flecke wiederum verschwindet. Seine Erscheinung deutet allemal ein Feuerunglück der Stadt an, indem man vor allen bedeutenden Bränden dieses Ungethüm bemerkt haben will.

Sein Ursprung wird folgendermaaßen angegeben:

Im eilften Jahrhunderte, als die Lausitz noch Polen gehörte, lebte in dieser Provinz Hauptstadt ein polnischer Graf, von wüster, bestialischer Natur, mehr dem Heiden- als Christenthume ergeben, welcher nach damaliger edelmännischer Sitte und Brauch Bürger und Bauern baß quälte, indem er sie für Vieh, bestimmt zur Frohn, hielt, sie nur Hunde nannte und nicht selten ihnen einen rothen Hahn auf’s Gehöfte zu setzen drohte.

Als er nun eines Tages die Sache, nach seiner Art, wieder recht toll betrieben hatte, schwang er sich, nach genossener Abendmahlzeit vom Meth berauscht, auf sein Roß und sprengte in toller Wuth zum Lauenthore hinaus.

Da fiel plötzlich aus dem winterlich umflorten Wolkenhimmel eine Feuerkugel herab, wovor sich der Gaul scheute, der Reiter aber ergrimmte und trotzend, mit [128] scharfer Hilfe ihn zur Ordnung zu bringen bemüht war. Allein wild schnob und bäumte sich der Rappe und entledigte sich seines despotischen Gebieters auf so eine heftige Art, daß derselbe herabstürzte und am folgenden Morgen mit schwarzem Gesichte und auf den Rücken gedrehten Kopfe auf dem nämlichen Platze, wo gegenwärtig der Hund der Erde entsteigen soll, entseelt gefunden wurde.

Der Gaul aber wurde von Niemandem mehr gesehen und man sagt es sey ein böser Höllengeist gewesen, der in dieser Gestalt den Grafen geholt habe, welcher nun verbannt sey, bisweilen als Hund den Menschen zu erscheinen. Ein vor einigen fünfzig Jahren bekanntes Bänkelsängerlied, gedenkt seiner in Folgendem:

Der schwarze Hund, den man hier schaut,
war böhm’scher Graf mit Haar und Haut,
des Schicksals List macht ihn zum Hund,
wau, wau! bellt er bis diese Stund’.

Wie dergleichen Sagen immer mehrere und veränderte Auflagen erleben; so ist es auch der Fall mit dieser. Denn auch zu Kamenz soll sich ein verwünschter Bürgermeister zeigen, welcher gespenstisch bald als schwarzer zottiger Hund auf dem Klosterhofe, bald als Ziegenbock auf dem Huthberge sein Wesen treibt. Selbst am Tage soll er in letztgedachter Gestalt badenden Knaben erschienen sein und selbige verjagt haben. Es ist dieses Andreas Günther, der letzte katholische Bürgermeister daselbst, gest. 1570, welcher einen Schatz von 24,000, nach Andern 80,000 Dublonen in der St. Annenkirche daselbst vergraben haben soll. Die Stelle des Schatzes deutet der Finger eines an einem Pfeiler befindlichen Standbildes an, welches jedoch den Arm verloren hat, daher man den Schatz bis jetzt noch nicht gefunden.


6. Die freigebigen Juden.

Auf dem Protschenberge bei Budissin befindet sich an [129] der gegen das Schloß Ortenburg gelegenen Seite, eine Art, anfänglich schmaler, nachher aber sich erweiternder, etwa acht Schritte in den Berg hinein gehender Höhle, – gegenwärtig der Fledermäuse Residenz – die Judenschule genannt, von welcher man sich Folgendes erzählt.

Zur Zeit der Judenverfolgungen sollen, um sich zu sichern und ihre Religionsübungen ungestört forttreiben zu können, sich mehrere Juden daselbst versammelt und feierlich angelobt haben, daß, wenn sie unentdeckt blieben und ungestört mit ihrem Vermögen nach Polen gelangten, sie dieses nie vergessen, vielmehr jährlich an einem bestimmten Tage an diesem Orte eine reichliche Spende vertheilen würden.

Ihr Abgang muß ungehindert geschehen sein; denn als einst im sechszehenten Jahrhundert eines Sonntages (soll der Erlösungstag aus der babylonischen Gefangenschaft gewesen sein) nach der Frühkirche, ein ehrsamer Bürger Budissins, Namens Gotthelf Arnst in dieser Gegend lustwandelte, trieb ihn die Neugierde diese Höhle zu besuchen. Er trat hinein und – wahrscheinlich war sie zu jener Zeit geräumiger, als gegenwärtig – erblickte sieben Männer in polnischer Judentracht, mit ehrwürdigen weißen Bärten, sitzend um eine runde Tafel und in Goldstücken wühlend. Bestürzt über diese ungewöhnliche Erscheinung wollte er zurückgehen; allein Einer derselben redete ihn freundlich an und sprach: „Fürchte Dich nicht! Denn wir sind nicht da, um Böses, sondern um Gutes zu thun!“ worauf er ihm denn erzählte, was der geneigte Leser bereits weiß, nämlich ihre ungestörte Reise nach Polen vor mehreren hundert Jahren, und daß ihre abgeschiedenen Geister jährlich an diesem Tage hier zusammenkämen und ihrer Rettung wegen, den, der sie hier träfe, mit Golde beschenkten. „Nimm daher – fuhr er fort – so viel Du kannst und willst; denn nur einmal [130] ist es Jedem zu kommen erlaubt; jedoch beeile Dich, denn bald ist sie verronnen die Zeit, während welcher es uns vergönnt ist, hier auf Erden zu weilen!“

Arnst nahm sein Taschentuch, packte des Geldes ein so viel er vermochte und begab sich dankend aus der Höhle.

Als er mit seiner Geldlast den Berg erklommen hatte, vernahm er einen dumpfen Knall, welches – wie er später erfuhr – das Verschwinden der freigebigen Juden bedeutete. Von dem Gelde soll er sich Häuser und Feld und darunter auch den unfern Budissin gelegenen sogenannten Weinberg, welchen späterhin ein gewisser Steinberger ausbaute, erkauft haben und als ein wohlhabender Mann gestorben seyn. Ob irgend ein Anderer nach ihm wiederum diese Höhle besucht habe und ebenfalls so glücklich gewesen sei, davon schweigt die Sage.


7. Der Mönch.

An mehrern Orten Sachsens z. B. auf dem Schlosse zu Pirna, in den Ruinen der Mönchskirche, wie auf dem Schlosse zu Budissin, in dem Schulgebäude zu Löbau, auf dem weissenfelser Schlosse, in der St. Johanniskirche zu Zittau u. s. w. zeigt sich dann und wann ein Mönch, nach dessen Erscheinung sich stets etwas Merkwürdiges ereignet. Auch Kamenz kann so einen Mönch aufweisen, welcher sich dann und wann in der Ordens-Kleidung der patrum ord. St. Francisci de obseruantia, sehen läßt, auch sogar einmal die Buchstaben C. M. P.[1] an das Klosterthor geschrieben haben soll, die man durch Camitia Misere Peribit gedollmetscht hat und worauf 1680 die Pest erfolgt.

[131] Seine frühere Existenz, da er noch im Fleisch und Bein auf Erden wallte, wird mannigfaltig angegeben.

Viele halten ihn für den teutschen Erfinder des Schießpulvers: Barthold Schwarz, welcher in der St. Annenkirche zu Kamenz begraben liegen soll, wo dessen daselbst befindlichen Grabstein eine Kanone ziert und sein Standbild an der Hausecke der budissiner Gasse prangt[2]. Dieses nun soll in der Geister-Stunde herabsteigen, sich befleischen und als Geist umherwandeln.

Andere erblicken in ihm den unruhigen Geist Peter Rudolphs, eines der letzten Mönche des aufgehobenen Franziskanerklosters zu Kamenz, welcher um Lätare des 1564sten Jahres in einem Donnerwetter, zwar [132] nicht wie Elias zum Himmel aber doch zur Hölle gefahren sein soll[3].


8. Das kleine, graue Männchen bei Kamenz.

Auf dem, eine romantische Aussicht darbietenden, südöstlich gelegenen, sogenannten Reinhardtsberge bei Kamenz soll eine mit Gold, Silber und andern Kostbarkeiten gefüllte, große Braupfanne vergraben sein, welche ein kleiner, graugekleideter Kobold, der zu gewissen Zeiten erscheint, und die Leute auf mancherlei Art und Weise höhnt und neckt, bewacht. Mehrere arbeitsscheue, goldgierige Spekulanten haben schon oft mit und ohne Herpentils, Kornreuters und Fausts Höllenzwangs Hilfe, – aber leider vergebens, – nachgegraben. Wahrscheinlich haben sie nur nicht die rechte Zeit zur Hebung dieses Schatzes getroffen. Da ich nun dieselbe weiß, und nicht so hart, wie der selige Asmus bin, welcher das Beste für sich behaltend, sagt:

Der Mann mit Mondstral im Gesicht
wird’s suchen und auch finden;
denn jedem Narren muß man’s nicht
gleich auf die Nase binden.

will ich sie gutmüthig, ohne Eigennutz, verrathen.

In der Johannisnacht nämlich, wenn die Kirchthurmsglocke den letzten Schlag der eilften Nachtstunde verkündet hat, ist der einzige Zeitpunkt, wo der tückische Gnome gütig und freundlich ist. Da finde man sich nun an dem angegebenen Platze ein. Man wird ein kleines blauliches Flämmchen der Erde entsteigen sehen, das sich [133] nach und nach zu einer menschenähnlichen Gestalt bildet, welche einen großen Schlüssel in der rechten Hand trägt. Still und stumm nähere man sich ihr, verlange pantomimisch den Schlüssel, welcher beim Verschwinden des Männleins überreicht wird. Auf des Berges östlicher Seite wird sodann die Erde herabfallen, und sich alte Trümmer mit einer Thüre, in welche der Schlüssel paßt, zeigen. Man entschließe zutrauungsvoll die Thüre, die Braupfanne wird man im Gewölbe erblicken, doch berühre man ja nichts von den Kostbarkeiten, sondern werfe eine Kleinigkeit darauf, verwahre den Schlüssel wohl – denn das Schloß spottet jedes Schlossers Kunst – und eile rückwärts den Berg herab, ohne sich von den vorkommenden Spukgestalten zu scheuen. Die Erde wird sodann wiederum den Berg bekleiden, nur merke man sich genau den Platz, grabe bei hellem Tageslichte nach und man wird einen Schatz finden, wofür das schönste Königreich der Welt zu erkaufen ist.


9. Die verbannten Bauerburschen.

Auf den von Kamenz nach Gersdorf über das Dorf Gölenau hinführenden Weg geht man ungefähr eine Viertelstunde vom letzten Orte, durch ein mit mancherlei Gesträuch bewachsenes Büschchen, nach welchem man zu einem kleinen Teich gelangt. Die Gegend nennt man im Allgemeinen das gölenauer Weidig. Das ist ein unheimlicher Ort. Aechzen und Seufzen, Zischen, Schnarren und Pfeiffen, manchmal mit Weheklagestimmen vermischt, ertönt, wunderbare Gestalten in der Luft, im Wasser und auf der Erde zeigen sich, in des einsamen Wanderers Blicken, ihn auf mancherlei Art und Weise zu necken, irre zu führen und sodann mit schadenfrohem Hohngelächter zu verlassen. Oft hucken die hämischen Geister dem Waller auf, beschweren ihn mit bedeutender [134] Last, ihn nicht eher verlassend, als bis er durchschwitzt und ermüdet niedersinkt und einen barmherzigen Samariter, der ihn aufhebt, erwarten, oder sich unter Aengsten und Mühen mit zermalmten und zerstoßenen Gliedmaßen ins nächste Dörfchen schleppen muß. Nicht selten erscheint sogar ein scheußliches Ungeheuer, welches, wie Kaliban in Shakespears Sturm, weder Mensch noch Fisch ist, und verfolgt in großer Eidechsengestalt den Reisenden, tritt ihm, schreitet er vorwärts, in den Weg, versperrt selbigen, wenn er rückwärts will und schießt, gleich einem Stachelschweine seine Pfeile auf ihn ab, welche, obgleich unempfindbar, doch Beulen Blutstriemen und Wunden auf dem Leichname zurücklassen. Die Ursache dieses Spuks ist diese.

1537 am Vorabende des Christtages zog eine Gesellschaft junger, wüster Burschen, wie man sie auf unsern Jahrmärkten noch jetzt überall sehen und hören kann, in das freundliche Landstädtchen Pulßnitz und kehrten in der vierten Nachmittagsstunde wiederum in ihre Heimath, das Dorf Neukirch zurück. Wegen des zu viel genossenen Weines aber und da noch überdieß ein heftiges Schneegestöber eingetreten war, kamen sie im Taumel von der rechten Straße ab. Unwirrsch darob machte sich ihr Grimm durch Schimpfen und Fluchen Luft, wovon sie ein des Weges mit seinem Sakristan kommender Mönch, welcher in Gersdorf Amtsverrichtungen hatte, auf eine freundliche Art und Weise abmahnen wollte. Allein, Hohn und Spott wurde ihm von der wilden Rotte zu Theil, welche ihre Worte reichlich mit Schneeballen besiegelte.

Da ergrimmte der Heilige in Zorn, wie ehemals der Prophet Elisa, und verbannte sie in jenen Teich, wo sie bis heut noch ihr loses Spiel treiben, wogegen weder Beten noch Fluchen des Reisenden hilft.

[135]
10. Die beiden Zauberer.

Geht man auf dem geraden Wege von Budissin nach Neschwitz, so gelangt man, nachdem das Gasthaus der schwarze Adler und das zum Posthorne passirt ist, in ein kleines Birkenwäldchen, wo man rechter Hand eine grosse Steinwacke gewahrt. Als dies Wäldchen noch ein großer Wald war, voll von Bären und Wölfen, wohnte dort ein alter, heidnischer Zauberer, welchem die Erd- und Feuergeister dienstbar waren. Seine Macht benutzte er dazu, Schätze über Schätze aufzuhäufen, an deren Anblick er sich, wie jener phädrische Drache, weidete. Zu gleicher Zeit lebte nicht weit davon ein anderer jüngerer Schwarzkünstler, dessen Befehlen nur die Wassergeister gehorchten, und der dem Meister der Gnomen und Salamander grollte, daher, wo er wußte und konnte, ihm zu schaden bemüht war und endlich im bösen Herzen gar seinen Untergang beschloß.

Daher trat er einst, gleich einem Flußgotte in des Alten Wohnung, von dem er wider Erwarten freundlich aufgenommen wurde. Ein Mahl, welches Erd- und Feuergeister bereitet hatten wurde aufgetragen, wobei das weibliche Geschlecht derselben die Becher kredenzte. Während nun die Becher weidlich geleert wurden, entspann sich zwischen den beiden Magiern über ihre Wissenschaft ein Streit, bedeutender als zwischen den Allo- und Homöopathen[4]. Ungemüthlich wurde daher der Erd- und Feuergeister Gebieter und, vergessend alle Rechte der erwiesenen Gastfreundschaft, anzüglich gegen den Jüngern, welcher – kalt, wie sein Element – ihn vergebens zu beschwichtigen, sich bemühte. Getreu seinem Erd- und [136] Feuersystem benahm sich der Alte, gleich einem gemeinen, mit Spiritus befeuchteten Erdenkloß und ähnlich dem Riesen Antäus und dem feuerhauchenden Typhöus, trat er trotzig allen Anstand mit Füssen, warf seinen Gast zur Thüre hinaus, schleuderte ihm manch irdenes Gefäß nach und hetzte seine Feuergeister, gleich einer Kuppel Parforcehunde, ihm nach.

Daß darüber auch dem Jüngern die Galle überlief, wird wohl Niemanden, der nicht Fischblut besitzt, befremden. Er beschloß daher augenblicks Rache zu nehmen.

Die Fenster des Himmels öffneten und die Brunnen der Erde ergossen sich. Von oben und unten, wie von allen Seiten, strömten die Wasserwogen, Teiche und Seen durchbrachen ihre Dämme und unbezähmbar tosten die wilden Wogen. Da erbebt vielleicht das Erstemal in seinem Leben, der sonst furchtlose Alte, wohl – jedoch zu spät – einsehend, wie das Wasser das Furchtbarste aller Elemente sey. Donnernd herrschte er seine Geister an, welche ihr Möglichstes thaten. Allein eben so wenig, als der Korporalstock Muth und Patriotismus zu erzwingen vermag, vermochte sein drohender, beschwörender Ruf die heranfluthenden Wellen, welche Erdwällen und Feuerbränden spotteten, zu bändigen. Ertränkt wurde er, verschlämmt seine Schätze und da, wo sie sich befinden, bildete sich (die Neptunisten erhalten hier einen neuen haltbaren Grund für ihr System) jene Steinmasse, welche man noch jetzt sieht und die unermeßliche Schätze birgt.


11. Der Frosch.

Der vom Dorfe Milkwitz über Nebelschütz nach Kamenz Gehende wird ungefähr dreihundert Schritte vom erstgedachten Ort, in einer mit mancherlei Laubholzgattungen bewachsenen, etwas niedrig gelegenen Gegend, [137] linker Hand einen über acht Ellen hohen Granitsteinblock in Froschesform, – freilich nicht so richtig und ausführlich, wie ihn Rösel von Rosenhof in seinem klassischen Werke über Frosch und Kröte liefert, doch wenigstens so ähnlich wie die bekannte Königsnase und das sogenannte Lamm – erblicken. Von ihm meldet nun die Sage:

Kurz nach Einführung des Christenthums, hatte sich in dieser Gegend, wo wahrscheinlich noch der Auerochse und Bär haußte, ein blinder, verstockter Heide angesiedelt, welcher ausser dem, daß er lose und böse Künste trieb – wodurch er nicht in dem ungegründeten Verdacht der Zauberei gerieth – den Christen spinnfeind war, und sie ärger, als ehedem Saulus, verfolgte. Nicht wenig bildete er sich übrigens auf seine geheimen Wissenschaften ein, womit er Gott und Menschen trotzen zu können, wähnte, sich über alle andere seine Mitgeschöpfe erhaben glaubte und darinnen ganz dem aufgeblasenen Frosch im Aesop glich.

Da begab es sich einst in einer stürmischen Novembernacht, daß stark an seine Hütte geklopft ward, und nach erfolgter Erkundigung, ihm der sanfte Gruß: „Gelobt sei Jesus Christus!“ mit der Bitte um ein Nachtquartier, entgegentönte.

Darob entbrannte der Heide in seinem Zorn und trieb den Bittenden, so sehr er ihm auch vorstellte, wie er bei dem Unwetter unmöglich fortkommen könne, und entweder selbigem elendiglich unterliegen, oder ein Raub der reissenden Thiere werden müsse, fort, ergriff einen Stock und trieb ihn mit derben Schlägen in das Grauen der Nacht.

„Nun gut!“ rief dieser, „ich gehe mit Gott; allein Du sollst ein warnendes Zeichen der Unwirthlichkeit und Undienstfertigkeit fortwährend hier bleiben.“

Sagt’s und berührte ihn mit seinem Wanderstabe, [138] worauf denn der Ungläubige sofort in einen Frosch verwandelt wurde.


Die vorstehenden interessanten Volkssagen sind dem Herausgeber als Probe einer reichen Sammlung, von dem Herrn Senator Heinrich Gräve in Camenz mitgetheilt worden. Derselbe beabsichtigt einen Band dieser Sagen unter dem Titel: „Volkssagen in der Lausitz“ herauszugeben[WS 1], worauf wir hier vorläufig aufmerksam machen.


  1. Wohl möglich, daß jene Buchstaben von einem der Rechtschreibung unkundigen Mönche, welcher das B in ein P verwandelte, hingeschrieben worden sind, gewiß aber, daß sie blos die Anfangsbuchstaben der Namen der heiligen drei Könige Caspar, Melchior und Balthasar bedeuten und welche Abergläubige um gegen Geister und Kobolde geschützt zu sein, durch Mönche an Thüre und Viehställe anschreiben lassen.
  2. Barthold Schwarz (Konstantin Ancklitzen) ist von Freiburg im Breisgau wol nie nach Kamenz gekommen, vielweniger daselbst verstorben und jener in der Kirche mit einer Kanone befindliche Grabstein bezeichnet wahrscheinlich die Grabstätte eines Büchsenmachers, oder Konstablers. Der am gedachten Hause sogenannte Mönch ist keinesweges ein Ordensgeistlicher, indem seine ganze Kleidung und Haartracht nicht die entfernteste Aehnlichkeit mit der eines Klosterbruders hat. Die um den Stein laufende Schrift lautet:

    „Nach christi vnsers Herren geburt 15 vnd III. Jore ist gestorben Hans Wagner dem Gott genade.“

    und ist wahrscheinlich die Grabesdecke eines ehrsamen Bürgers, welche Einer seiner Anverwandten zur Erinnerung diesem Hause einverleibt hat. Das auf der Tasche, welche das Standbild in der rechten Hand trägt, befindliche Rad ist eine Anspielung auf seinen Namen, vielleicht auch der Siegelring jenes ehrlichen Bürgers.

  3. Ueber diesen, sogenannten klugen Mönch von Kamenz, – welcher zu seiner Zeit keine unbedeutende Rolle gespielt hat – findet man nähere Nachricht in einem von mir im Jahrg. 1832 des neuen laus. Magazins befindlichem Aufsatze No. III. S. 446.
  4. In Riode Janeiro duellirten sich wegen ihrer Kunst der Allopath D. Cambuci do Valle und der Homöopath T. G. dos Santos, von welchen Ersterer blieb.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: herausgegeben

Die Sagen finden sich aus als Einzeltexte unter folgendenen Titeln:

  1. Der schwarze Hund
  2. Die freigebigen Juden
  3. Der Mönch
  4. Das kleine, graue Männchen bei Kamenz
  5. Die verbannten Bauerburschen
  6. Die beiden Zauberer
  7. Der Frosch