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ADB:Ebbo

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Artikel „Ebo, Erzbischof von Reims, Bischof von Hildesheim“ von Albert Werminghoff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 242–248, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ebbo&oldid=- (Version vom 21. Dezember 2024, 15:07 Uhr UTC)
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Ebo, Erzbischof von Reims 816–835, 840–841; Bischof von Hildesheim 844 oder 845–851. – Ebo’s Heimath ist das rechtsrheinische Deutschland. Von niederer Herkunft – er war der einzige Sohn von Unfreien eines königlichen Kronguts, sodaß ihn später der Biograph Ludwig’s des Frommen, Chorbischof Thegan von Trier, verächtlich zu machen suchte als den niederen Bauern und Sklaven, dessen Vorfahren Ziegenhirten, nicht Räthe der Fürsten gewesen seien – wird er von Karl dem Großen mit der Freiheit beschenkt und in der Hofschule für den geistlichen Stand vorbereitet. Rasch durchläuft der begabte und ehrgeizige Jüngling die Stufenfolge der kirchlichen Würden, unter denen er die eines Abtes im J. 814 bekleidet zu haben scheint. Er wird nach Aquitanien entsandt, um in den Dienst Ludwig’s als dessen Verweser zu treten; Anstelligkeit und Tüchtigkeit machen ihn zum Freunde des Königs, der ihn zu seinem Bibliothekar ernannte. Bald darauf, im Herbst 816, erhob ihn, der nach einer späteren Erzählung Milchbruder und Mitschüler Ludwig’s des Frommen (geb. 778) gewesen sein soll, der Vorschlag des Kaisers zum Erzbischof von Reims, nachdem die Wahl von Clerus und Volk zunächst einem unfähigen Manne, Gislemar, die Nachfolgerschaft Wulfar’s zugedacht hatte.

Eine Reihe von Zeugnissen gewährt Einblick in Ebo’s Sorge für seinen Metropolitansprengel. Thatkräftig weiß er die Besitzungen und Gerechtsame seiner Kirche, vor allem die werthvolle Immunität, zu schirmen und zu erweitern. Der Gunst seines Herrschers sicher baut er die verfallene Kathedrale von Reims wieder auf, in der einst Chlodwig getauft und Ludwig im October 816 von Papst Stephan V. gekrönt worden war; zur Herstellung der nöthigen Baulichkeiten wurden ihm die Stadtmauern und die Thore seines Sitzes überlassen, überdies die üblichen Arbeitsleistungen seiner Kirche für die Pfalz zu Aachen aufgehoben. Eine andere kaiserliche Urkunde erneuert das Recht der Metropole an mehreren ihr entfremdeten Kirchen und Gütern in der Nähe von Reims. Im Sinne der von Benedict von Aniane ins Werk gesetzten Reform gestaltete E. 827 die Abtei Montiérender aus einem Stift von Kanonikern wieder zu einem Benedictinerkloster um. Berichtet wird von der Uebertragung von Heiligenleibern nach Braux bei Mezières, während die Uebersendung von Reliquien an den Grafen von Flandern nichts weniger als beglaubigt ist durch ein spätes, auf den Namen Ebo’s gefälschtes Schreiben (Miraeus, Opera diplomatica I [1723], S. 22 f.). Eine kurze Zusammenstellung über die Amtspflichten eines Propstes, Archidiakons, Chorbischofs und Bischofs aus Ebo’s Feder war bestimmt, die Stellung eines jeden scharf zu umgrenzen und dadurch etwaigen Mißbräuchen zu steuern. Deutlich tritt das Bestreben hervor, namentlich die Wirksamkeit des Chorbischofs in gesetzlichen Schranken zu halten, ohne daß deshalb das der Aufzeichnung vielfach gespendete Lob durchaus wohlverdient genannt werden dürfte (Sirmond, Opera varia IV [1728], 349 f.). Die Theilnahme schließlich an der Pariser Synode vom Jahre 829, die sich so bestimmt gegen den Gebrauch unzureichender Bußbücher ausgesprochen hatte, erklärt vielleicht Ebo’s Anregung an seinen Suffraganbischof Halitgar von Cambrai, aus älteren Satzungen ein neues Bußbuch zusammenzustellen, um der herrschenden Verwirrung ein Ende zu bereiten; er selbst sei außer Stande es in Angriff zu nehmen, da ihn die Sorge für die kirchliche Disciplin seiner Untergebenen und weltliche Abhaltungen daran hinderten (Mon. Germ. Epistolae V [1899], 617).

[243] So vielseitige Pflichten aber die Leitung des bedeutendsten Erzbisthums im fränkischen Reiche auferlegte, nicht allein Glaubenseifer, sondern vor allem Ehrgeiz und das volle Einverständniß mit der äußeren Politik Ludwig’s bestimmten E. zur Uebernahme der Mission bei den Dänen. Die fromme Phrase, E. habe häufig am kaiserlichen Hofe Dänen gesehen und deren in teuflischem Irrwahn befangene Seelen beklagt, gibt nur einseitige Anschauung: die Bekehrung der Dänen zum Christenthum hatte nicht zuletzt aus dem Grunde ein Interesse für das Frankenreich, als ihr Gelingen hoffen ließ, den König Harald selbst zur Annahme der Taufe zu bewegen und ihm die Herrschaft im Lande zu sichern, die sein Vasallenverhältniß zu Ludwig nur noch stärken mußte. Die vorbereitenden Schritte zur Ausreise Ebo’s fallen bereits in das Jahr 822: mit Genehmigung des Kaisers und des Reichstags zu Attigny erwirkte er in Rom vom Papst Paschalis I. (817–824) die Vollmacht zur Predigt des Evangeliums im Norden, zugleich die Ernennung zum Legaten des apostolischen Stuhls in jenen Gegenden. Im Sommer 823 begab sich E. mit einem römischen Geistlichen Halitgar, der die Verbindung mit Paschalis I. aufrecht erhalten sollte, und mit Bischof Willerich von Bremen zum ersten Male nach Dänemark. Ueber drei Jahre, freilich nicht ohne Unterbrechung – bezeugt ist seine Anwesenheit auf dem Reichstage zu Compiègne im November 823, während er 825 als Königsbote für den Reimser Sprengel in Aussicht genommen wird – hat sich E. dem Missionswerke gewidmet. Papst Eugen II. (824–827) erneuerte seine Bestellung zum Legaten; vom Kaiser wurde ihm als Stützpunkt seiner Thätigkeit das heutige Münsterdorf an der Stör in Holstein überwiesen, wo ein von E. errichtetes Kloster, geschirmt durch die nahe Veste Itzehoe, bei seinen häufigen Reisen als Aufenthaltsort diente. Entsprachen die Ergebnisse den Erwartungen? Berichtet wird allerdings von vielen Taufen, die E. an Dänen vollzog, allein es gelang nicht, die dänischen Fürsten selbst zu bekehren. König Harald blieb zunächst Heide, bis die – freilich trügerische – Hoffnung thatkräftigerer Unterstützung durch den Kaiser im Kampf wider seine Vettern ihn zum Uebertritt bestimmte. Die prunkvolle Feier in der Albanskirche bei Mainz (826) verhüllte nur einen Scheinerfolg Ludwig’s und seines Abgesandten. Harald mußte 827 aus Dänemark weichen; seine Taufe hatte weder den Einfluß des Christenthums sichern noch der Mission selbst nützen können. Als diese dann durch Anskar wieder aufgenommen wurde, hat ihn E. mit Rath und That unterstützt. Vermuthlich im November 831 war er bei der Weihe Anskar’s zum Erzbischof von Hamburg zugegen; mit ihm, dem neuen Legaten Roms, verständigte er sich dahin, daß die Missionsthätigkeit in Schweden unter seiner Aufsicht bleiben und von seinem Neffen Gauzbert geleitet werden sollte.

Im Leben des Reimser Erzbischofs brachte das Jahr 833 die entscheidende Wendung: aus dem Freunde und Anhänger des Kaisers wurde er dessen erbitterter Feind, ein Gesinnungswechsel, dessen Folgen die Reimser Historiographie des zehnten Jahrhunderts durch eine Vision vorherverkündet sein läßt, geleitet von dem Bestreben, ein unbegreiflich erscheinendes Ereigniß wenn nicht zu begründen, so doch als nicht gänzlich unerwartet zu bezeichnen.

Gleich nach der Geburt Karl’s des Kahlen (13. Juni 823) hatte die Kaiserin Judith an E., der damals in Dänemark weilte, einen Ring übersandt, der seinen Träger mahnen sollte, des jüngsten Prinzen niemals im Gebet zu vergessen: sie suchte die Hülfe eines Mannes, dessen kirchliche Stellung befürchten ließ, er werde ihren Plänen einer territorialen Abfindung Karl’s und folgeweise Aenderung des Thronfolgegesetzes von 817 widerstreben. Wohl hatte E. auf der Pariser Synode (829) gleichzeitig mit anderen [244] Vertretern der Hierarchie Verwahrung eingelegt wider die innere Politik des unfähigen Herrschers, aber die erste Empörung der älteren Söhne Ludwig’s (830) zählte ihn noch nicht zu ihren Theilnehmern. Vielleicht aus Treue, gewiß in behutsamer Vorsicht hielt er zum Kaiser, dessen einzigen geistlichen Widersacher, Bischof Jesse von Orléans, sein und seiner Amtsgenossen Urtheil mit Absetzung bestrafte. Noch 832 war er im Auftrage Ludwig’s bei der Wiederherstellung der Ordnung im Kloster St. Denis thätig. Erst im folgenden Jahre trat er als der erklärte Parteigänger Lothar’s und seiner Brüder in deren Kampf wider ihren Vater ein. Ausschlaggebend war für E. wie für die übrigen Geistlichen jedenfalls die Verbindung des Papstes Gregor IV. (827–844) mit Lothar, nicht minder das Verlangen, mit der gefährdeten Reichseinheit, die ja der Ordinatio imperii von 817 zu Grunde lag und deren Aufrechterhaltung von den Empörern gefordert wurde, zugleich die eigenen Bestrebungen nach gesteigertem Einfluß auf die Reichsgewalt selbst zu verwirklichen. Als Vertreter der kirchlichen Herrschaftsansprüche, die gerade dank den Regierungsmaximen Ludwig’s sich entfaltet hatten, ging E. in das Lager seiner Widersacher über. Vielleicht, daß zu diesen allgemeinen Gründen sich auch solche rein persönlicher Art gesellten, vor allem seine Verdrängung aus dem kaiserlichen Rath, die späterhin auf schwere Verbrechen zurückgeführt wurde; die Aussicht auf den Besitz der Abtei von St. Vaast in Arras, die ihm Lothar überwiesen haben soll, mochte allein ihn kaum von der Sache Ludwig’s abspenstig machen. Als Abgesandte der Versammlung von Compiègne hielt E. mit Erzbischof Agobard von Lyon dem Kaiser seine Vergehungen vor; bedrängt, gepeinigt von seinem grausamen Ankläger mußte der jeglichen Haltes Beraubte vor allem Volk ein vorher aufgesetztes Schuldbekenntniß verlesen und der Waffen sich entledigen: er sollte nicht mehr in die Welt zurückkehren, fortan des Thrones unwürdig sein (October 833). Die Härte, mit der E. die Abdankung seines früheren Wohlthäters herbeizuführen verstand, wird nicht durch die Angabe entschuldigt, er habe die Kirchenbuße Ludwig’s im Medarduskloster zu Soissons leiten müssen, weil andere Große ihn drängten und Soissons zum Sprengel von Reims gehörte: auf Ebo’s Andenken ruht die Schmach jener unwürdigen Veranstaltung; er war ihr Urheber.

Ein vollständiger Umschwung der Volksstimmung, die Abkehr Pippin’s von Aquitanien und Ludwig’s des Deutschen von Lothar erhob Ludwig aufs neue zum Kaiser; am 1. März 834 erfolgte zu St. Denis seine Wiedereinsetzung. Unter den Geistlichen, die hier Verzeihung für ihren Abfall erwirkten, fehlte E. Auf die Kunde von der Restauration Ludwig’s hatte er sich, schwer erkrankt und an beiden Füßen gelähmt, in das Kloster St. Bâle im Sprengel von Reims, dann in die Zelle eines Klausners bei Paris geflüchtet; die spätere Erzählung, er habe, versehen mit den Reimser Kirchenschätzen, sich zu den Dänen begeben wollen, verdient keinen Glauben. Um den vielleicht beabsichtigten Anschluß an die Gegenpartei zu vereiteln, ließ ihn Ludwig durch die Bischöfe Rothad von Soissons und Erchanrad von Paris gefangen nehmen und nach Fulda in Gewahrsam bringen. E. mochte gleich – denn noch war er im Besitz seiner kirchlichen Würde – auf dem Reichstag zu Diedenhofen (2. Februar 835) die Ungesetzlichkeit der Geschehnisse von 833 in feierlicher Form verbriefen, sich an Ludwig’s Krönung zu Metz (28. Februar 835) betheiligen und öffentlich sich des Irrthums bezichtigen, persönlich trat nun der Kaiser vor der Synode zu Diedenhofen (4. März 835) als Ankläger des Erzbischofs auf: er habe ihm Verbrechen zugeschrieben, die er niemals zugestanden, geschweige denn begangen, er habe ihn um ihretwillen vom Thron und der kirchlichen Gemeinschaft ausgeschlossen, [245] in Metz selbst eingeräumt, daß seine Handlungsweise in Soissons den Satzungen des kirchlichen Rechts widerspräche. Ebo’s Selbstvertheidigung – sie verwies auf die übrigen Bischöfe, die nicht minder schuldig seien als er – wie die von ihm erwirkte Verwendung der Kaiserin Judith blieben erfolglos. Immerhin beschloß auf seine Bitten hin die Versammlung, daß nur Geistliche, also auch nicht der Kaiser, über ihn urtheilen sollten. Auf Grund der Entscheidung dreier von ihm zu Beichtigern erwählter Richter, des Erzbischofs Aiulf von Bourges und der Bischöfe Modoin von Autun und Badarad von Paderborn, bekannte sich E. in einem von ihm unterzeichneten Schriftstück (Mon. Germ. Capitularia II [1897], 57 f.) seines Amtes für unwürdig und einverstanden mit der Wahl seines Nachfolgers. Nach mündlicher Wiederholung dieser Erklärung vor Erzbischof Notho von Arles und den Bischöfen Theoderich von Cambrai wie Achard von Noyon verkündeten alle Synodalmitglieder einstimmig die Absetzung. Es war das bezeichnende Seitenstück zu dem Tage im Kloster von Soissons; Ludwig hatte sich gerächt. E. wurde dem Kloster Fulda, dann dem Bischof Frechulf von Lisieux und endlich dem Abte Boso von Fleury zu strenger Haft übergeben. Ungewiß bleibt, ob Papst Gregor IV. sich für ihn ins Mittel legte; jedenfalls wurde die Ueberwachung noch verschärft, als sich das Gerücht verbreitete, E. wolle mit Lothar’s Hülfe nach Italien flüchten sowie durch Sendschreiben neue Wirrungen in Kirche und Staat anzetteln. Umsonst wandte sich Hraban von Fulda durch Vermittlung des Abtes Markward von Prüm an Karl den Kahlen, an die Kaiserin Judith und an den Bruder Ludwig’s, Erzbischof Drogo von Metz. Erst Ludwig’s des Frommen Tod (20. Juni 840) schenkte E. die Freiheit wieder.

In Begleitung des Abtes Fleury stellte er sich dem aus Italien herbeigeeilten Lothar zur Verfügung; der Lohn war die Wiedereinsetzung in die erzbischöfliche Würde, die eine Synode zu Ingelheim „im ersten Jahre der Rückkehr Lothar’s, da er Nachfolger des Vaters im Frankenreich wurde“, feierlich verkündete (Aug. 840). E. konnte in der That am 6. Decbr. 840 seinen Einzug in der Metropole halten: durch die Weihe mehrerer Geistlicher seines Sprengels legte er Zeugniß dafür ab, daß er nur seine Restitution, nicht aber seine Deposition von 835 als einen nach kanonischem Recht gültigen Act betrachte; drei während seiner Abwesenheit geweihte Suffraganbischöfe suchten nachträglich bei ihm die Bestätigung nach. Kaum ein Jahr freilich konnte er sich halten. Bald nach Lothar’s Niederlage in der Schlacht bei Fontenoy (25. Juni 841) vertrieben ihn die Fortschritte Karl’s des Kahlen im Nordwesten des Reiches zum zweiten Male aus Reims. Während die Verwaltung des Erzstifts wie schon 835 an den Abt Fulko von St. Remi in Reims, dann an Notho übertragen wurde, mußte sich E. mit den Abteien Stawelot und Bobbio begnügen, mit denen ihn Lothar für kurze Zeit ausstattete. Sein Ehrgeiz war noch ungebrochen. Im Einverständniß mit dem Kaiser, der seine Dienste zu mancherlei Gesandtschaften verwandte, dem die erneute Ueberweisung des Reimser Erzbisthums an einen Anhänger wie E. nicht geringen Vortheil versprechen mußte, forderte er (Juni 844) in Rom mit drängendem Ungestüm die Reconciliation und als ihr äußeres Zeichen das Pallium. Nur das Zugeständniß der Laiencommunion gelang es beim Papste durchzusetzen; Sergius II. (844–847) betrachtete die Wiedereinsetzung als zu Unrecht erfolgt, mochte sie auch von Geistlichen ausgesprochen sein, die durch sie ihr eigenes Werk, das Urteil von Diedenhofen, umstießen. Kurz darauf lösten sich auch die Beziehungen zu Lothar: E. fiel in Ungnade, da er sich mit Rücksicht auf sein Alter weigerte, als kaiserlicher Bote nach Constantinopel zu gehen; er wurde jener beiden Abteien und einer von ihm gekauften Besitzung in Italien beraubt. In der deutschen Heimath, bei König [246] Ludwig, fand der viel Umhergetriebene die letzte Zufluchtsstätte. Wider den Wortlaut kirchlicher Regeln, der den Bischöfen einen Wechsel ihres Sitzes allein auf Grund eines Synodalbeschlusses gestattete, sobald es nur die Bedürfnisse der Kirche erforderten, wurde E. im J. 844 oder 845 zum Bischof von Hildesheim erhoben, vielleicht dank der Fürsprache Anskar’s und Hraban’s von Fulda und mit stillschweigender Genehmigung seitens des Papstes. Die Hoffnung freilich, noch einmal nach Reims zurückzukehren, hat E. zeitlebens nicht verlassen. Im Einverständniß mit Ludwig dem Deutschen nahm Lothar trotz der vorangehenden Trennung Ebo’s Ansprüche wieder auf, um Karl dem Kahlen neue Verlegenheiten zu schaffen. Sergius II. willigte in die Abhaltung einer Synode zu Trier (Sommer 846), die über die Rechtmäßigkeit der Wahl Hinkmar’s zum Erzbischof von Reims (18. April 845) eine Untersuchung anstellen sollte. Sie blieb ohne Ergebniß: E. wollte dem unter westfränkischem Einfluß stehenden Gericht und der Aufforderung, persönlich zu erscheinen oder bevollmächtigte Vertreter zu entsenden, sich nicht fügen, ebensowenig wie der nochmaligen Ladung durch eine Synode zu Paris (Ende 846), deren Spruch ihm für die Zukunft das Betreten des Reimser Sprengels und jegliche Verbindung mit dessen Angehörigen untersagte, bis er sich rechtsförmlich gestellt und sein endgültiges Urtheil empfangen habe. Spätere Gesuche an den Papst fanden kein Gehör mehr; eine Reise nach Westfranken war vergeblich. Als Untergebener Hraban’s von Mainz hat E. noch dem Mainzer Concil (October 847) beigewohnt. Der 20. März 851 ist sein Todestag. Während sein Nachfolger Altfried die von ihm ertheilten Weihen als ungültig aufhob, ließ in Reims der Verlauf des langwierigen Streites gerade über die Gesetzlichkeit der durch E. 840 und 841 vollzogenen Ordinationen seinen Feind Hinkmar sich siegreich wider alle Gegner behaupten. –

Ebo’s buntbewegtes Leben spiegelt den Charakter des merkwürdigen Mannes wieder; man könnte ihn typisch nennen für eine Generation, die nicht allein Zeugin war der inneren Zersetzung und Auflösung des karolingischen Reiches, sondern auch selbstthätig an ihr sich betheiligt hat. Den Emporkömmling beseelte ein ungezügelter Ehrgeiz, den geistlichen Würdenträger die ganze Starrheit und Einseitigkeit, um nicht zu sagen Folgerichtigkeit hierarchischer Weltanschauung. Ihm mußte es schmeicheln, das weltliche Staatshaupt vor sich knieen zu sehen; der Träger der irdischen Gewalt hatte sich dem Priester unterwerfen müssen, der sein Auftreten mit einer vom Himmel gewährten Vollmacht begründete. Sein Sinnen und Trachten war allein gerichtet auf den Besitz eben seines kirchlichen Amtes, das ihn über jede andere Autorität erhob. Zähe hielt er an seinen Ansprüchen fest; die Vorschriften des kanonischen Rechts erkennt er nur soweit an, als sie mit den eigenen Interessen übereinstimmen. Jede Lage weiß er für sich auszunutzen. Immer sucht er dort Anschluß, wo sich Aussicht bot auf persönlichen Vortheil. Vielgewandt vermag er in den Tagen der Bedrängniß Auswege zu ersinnen, die wenigstens die Möglichkeit einer Besserung zu versprechen scheinen. Stets treten zu gelegener Zeit Fürsprecher für ihn ein, – wahre Freunde hat er wohl wenige besessen. Voll Ueberhebung in den Tagen, da er voll leidenschaftlicher Gehässigkeit seinem Kaiser die reichen Wohlthaten mit schnödem Undank lohnte, versagte er in Zeiten des Unglücks. Unvorsichtig geht er, um die Rache Ludwig’s zu vermeiden, in der Selbstanklage zu weit; als er sieht, daß diese ihn nicht retten kann, soll die Strafe auch andere treffen. Man hat E. einen vielgeprüften Dulder genannt; zutreffend ist solche Bezeichnung allein für die letzten Lebensjahre, in denen er zur Schachfigur geworden war für die Pläne Lothar’s. Seinem Wesen und Schicksal fehlt jegliche Größe.

[247] In den ersten Jahren seines Archiepiscopats hatte E. den Eifer des Missionars bethätigt; er war nur eine Folie gewesen für die politischen Actionen Ludwig’s, zu dem er damals noch hielt. Die Huldigungen des Erzbischofs Agobard von Lyon, der ihm einen theologischen Tractat widmete, die Verse eines Walafried Strabo kamen seinem Selbstgefühl entgegen wie das lobpreisende Gedicht im Evangeliar aus dem Kloster Hautvillers im Sprengel von Reims. Der Selbstverherrlichung sollte auch Ebo’s eigene schriftstellerische Thätigkeit dienen.

In Betracht kommen für diese nicht so sehr die unbedeutenden Verse auf die Wiederherstellung der Reimser Kathedrale und den Tod seiner Mutter Himiltrudis, die ihre Tage in Reims beschloß (Mon. Germ. Poetae aevi Carolina II [1884], 93), als vielmehr die zwei Ausgaben seiner Vertheidigungsschrift, des sog. Apologeticum Ebonis. Das Ziel beider ist, die Absetzung Ebo’s im J. 835 als ungesetzlich, die Restitution von 840 dementsprechend als rechtmäßig hinzustellen. Auf der Synode zu Diedenhofen, so führt der Verfasser in der ersten Recension aus, sei die Erklärung seiner Schuld von ihm nur deshalb abgegeben worden, um dem äußeren Druck zu entgehen; sie habe seine Rettung erwirken sollen; kein Vergehen sei in ihr ausdrücklich genannt, um dessentwillen er hätte abgesetzt werden dürfen (L. d’Achery, Spicilegium VII [1666], 175 ff.). Aehnlich ist, trotz der Verschiedenheiten im Aufbau und Wortlaut, der Gedankengang der zweiten, wohl 842 oder 843 veröffentlichten Recension, die wie ihre Vorläuferin nicht ungeschickt den Ton gekränkter Unschuld mit dem der demüthigen Ergebung in ein angeblich unverdientes Schicksal verbindet (Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde XXV [1900], 364 ff.). Ihr Werth wird dadurch gemindert, daß E. sich nicht scheute, offensichtliche Fälschungen durch sie zu verbreiten. In Lothar’s Wiedereinsetzungsurkunde von 840 schaltete er eigene Zuthaten ein; das Document, das der Freude der Reimser Suffraganbischöfe über Ebo’s Rückkehr Ausdruck geben soll, war ebenfalls sein Machwerk. Dieselbe Bezeichnung verdient schließlich eine Urkunde Gregor’s IV.; sie erklärt einmal die Absetzung von 835 für unzulänglich und stellt Ebo’s erzbischöfliche Würde im vollen Umfang wieder her, andererseits will sie bezeugen, daß der Papst seine Zurückführung nach Reims wohl für wünschenswerth, vorderhand aber für gefahrvoll halte und deshalb die Wirksamkeit in einem anderen Sprengel gestatte (Mon. Germ. Epistolae V [1899], 82 ff.). Kein Zweifel, daß sie Ebo’s Versetzung nach Hildesheim nachträglich zu rechtfertigen bestimmt war. Sollte er nicht betheiligt gewesen sein an der bedeutsamsten aller Fälschungen, an den pseudoisidorischen Decretalen? Die vielerörterte Frage zu beantworten wird ein kurzer Lebensabriß sich nicht unterfangen. Während die sprachlichen Anklänge an die Vertheidigungsschrift allein nicht beweiskräftig sein können, sind die thatsächlichen Beziehungen der angeblich altehrwürdigen Papsterlasse zu Ebo’s Schicksal unbestreitbar. Der oft eingeschärfte Satz, die Anklage gegen einen Bischof sei nur dann zulässig, sobald der des Sitzes beraubte zuvor wieder in seine Habe und sein Amt eingesetzt wäre, – er trifft auf E. zu gleichwie das Verlangen, daß allein die kraft päpstlicher Autorität berufene Synode als kanonisch bezeichnet werden dürfe. Aber man fragt, warum das Ganze erst nach Ebo’s Tod bekannt wurde: hätte er sich nicht der Sammlung bedienen können, wenn sie sein Werk gewesen wäre? Ihre Heimath ist aller Wahrscheinlichkeit nach der Sprengel von Reims; ob E. sie angefertigt oder ihre Ausarbeitung nur angeregt hat oder endlich ob sie aus dem Kreise seiner Anhänger, der von ihm geweihten und von Hinkmar bekämpften Geistlichen, [248] hervorgegangen ist, wird wohl kaum mit einer jedwede andere Möglichkeit ausschließenden Sicherheit entschieden werden können. – –

Außer den Schriften Ebo’s (vgl. dazu E. Dümmler, Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde IV [1879], 369 f.; K. Hampe, a. a. O. XXIII [1898], 180 ff.; A. Werminghoff, a. a. O. [1900], 361 ff.) ist zu verweisen auf die sog. Narratio clericorum Remensium (A. Duchesne, Historiae Franciae Scriptores II [1636], 340 ff.) und die Acten der Synoden von Diedenhofen 835, Ingelheim 840. Soissons 853 und Troyes 867 (vgl. Neues Archiv u. s. w. XXIV [1899], 489, 491, XXVI [1901], 618, 638. – Histoire littéraire de France V (1740), 100 ff. – C. H. Rückert, De Ebonis archiepiscopi Remensis vita. Diss. Berolin. 1844. – A. Werner, Realencyclopädie für die protestantische Kirche V (3. Aufl. 1898), 129 f. – C. v. Noorden, Hinkmar, Erzbischof von Rheims (1863). – H. Schrörs, Hinkmar Erzbischof von Reims (1884). – G. Swarzenski, Jahrbuch der königl. preußischen Kunstsammlungen XXIII (1902), S. 81 ff. – P. Hinschius, Decretales Pseudoisidorianae (1863), S. CCXII f., CCXIX ff. – G. Lurz, Ueber die Heimath Pseudoisidors. Erlanger Diss. München 1898. – B. v. Simson, Jahrbücher des fränkischen Reiches unter Ludwig dem Frommen (1874, 1876). – E. Dümmler, Geschichte des ostfränkischen Reiches I (2. Aufl. 1887). – E. Mühlbacher, Deutsche Geschichte unter den Karolingern (1896). – A. Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands II (2. Aufl. 1900).