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ADB:Kreß von Kressenstein, Christoph

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Artikel „Kreß von Kressenstein, Christoph“ von Ernst Mummenhoff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 51 (1906), S. 376–388, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kre%C3%9F_von_Kressenstein,_Christoph&oldid=- (Version vom 7. Dezember 2024, 00:28 Uhr UTC)
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Band 51 (1906), S. 376–388 (Quelle).
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Kreß: Christoph K. von Kressenstein, geboren am 3. Mai 1484 zu Nürnberg als der Sohn des Anton K. und der Katharina, einer geborenen Löffelholz. Im J. 1497 wurde der erst Dreizehnjährige nach Mailand geschickt, um bei Johann Anthoni de Lytta, des Herzogs von Mailand Zöllner, die Landessprache zu erlernen. Er war Augenzeuge der Wirren, die sich in Mailand vollzogen, als König Ludwig XII. von Frankreich den Herzog Ludwig Moro vertrieb und das Herzogtum an sich riß. 1500 verließ er Italien und wandte sich nach Antwerpen, das, wie überhaupt die niederländischen Städte, ein lebhafter Handel mit Nürnberg verband. Hier blieb er 1½ Jahre und ging dann zu einem gleich langen Aufenthalt – ein wol seltener Fall in der damaligen Zeit – nach London, um seine Sprachkenntnisse und seine sonstige Bildung zu erweitern. Etwa 20 Jahre alt, kehrte er in die Heimath zurück, reich an Kenntnissen, Erfahrungen und Weltgewandtheit. Schon bald nach seiner Rückkunft trat er 1504, als der sog. bairische Erbfolgekrieg zwischen Pfalzgraf Ruprecht und Herzog Albrecht von Baiern begann, auf dessen Seite auch die Reichsstadt Nürnberg an dem Kampfe theilnahm, mit zwei Pferden auf neun Monate in Herzog Albrecht’s Dienst. Nach Beendigung des Krieges [377] sehen wir ihn in Nürnberg, wo er nach der Sitte der Zeit auch ritterlichen Uebungen oblag. So turnirte er 1506 bei einem Gesellenstechen – Turnier der jungen Patricier – mit Christoph Fürer in einem Scharfrennen. Als 1507 der Landhofmeister von Württemberg, Graf Wolf von Fürstenberg, für den von König Maximilian in Aussicht genommenen Römerzug ein Heer warb, verpflichtete sich ihm Christoph K. mit zwei Pferden auf elf Monate.

Bei einem jungen Patricier von seiner Stellung und seinen Anlagen verstand es sich von selbst, daß er seine Kräfte dem Dienste der Vaterstadt widmen würde. Zunächst hielt er am 16. Januar 1513 Hochzeit mit der 19jährigen Helene Tucher, der hinterlassenen Tochter des Waldamtmanns Stephan Tucher und der Ursula Muffel. Es wird berichtet, daß der Hochzeit durch die Theilnahme des damals in Nürnberg weilenden Cardinals von St. Lucia, Hypolitus v. Este, ein feierliches Gepräge verliehen worden sei. Bei der nächsten Rathswahl, Ostern 1513, kam er in den Rath, wo man seine hervorragenden staatsmännischen Fähigkeiten bald schätzen lernte. Seine eigentliche Bedeutung liegt nicht so sehr in seiner Wirksamkeit als Rathsherr, obgleich er auch hier, wenn er seine Kräfte zu bethätigen Gelegenheit fand, dem Tüchtigsten und Erfahrensten in nichts nachstand, als in seiner diplomatischen Thätigkeit, für die er einen ausgesprochenen Beruf gezeigt haben muß, und wofür er durch den langjährigen Aufenthalt in drei fremden Ländern wol vorbereitet worden war.

Zum ersten Mal bediente sich der Rath seiner als Vertreter im J. 1513, als er ihn, zugleich mit Lienhard Groland, an das Landgericht zu Ansbach abordnete, wo er auch 1514 und 1516 den Rath wiederholt zu vertreten hatte. Im selben Jahre verhandelte er mit den markgräflichen Räthen zu Ansbach wegen Waldstreitigkeiten. Als Nürnberger Gesandter trat er ebenso wie Lienhard Groland bald an die Stelle des bewährten Kaspar Nützel, als dieser 1514 in das Collegium der älteren Herren berufen worden war. 1515 sehen wir ihn auf dem Städtetage zu Ulm, dann in Bamberg, wo er mit Lienhard Groland und Dr. Marsilius wegen der hohen Gerichtsbarkeit zu Trubach und Betzenstein, wegen des Waldes und der Wiesenthauischen Lehen zu verhandeln hatte, ferner mit Martin Tucher in Veldenstein, wo er eine Irrung mit dem Ritter Ludwig von Eib zum Hartenstein wegen des Wildbanns beizulegen beauftragt war. Seine ersten wichtigeren diplomatischen Sendungen fallen in die Jahre 1515, 1516 und 1517. Der Rath hatte 1514 den vordersten Losunger, den ersten Beamten der Stadt, Anton Tetzel, wegen Bruchs des Amtsgeheimnisses und anderer Vergehen gefangen gesetzt und ihn auch nicht frei gelassen, als Markgraf Friedrich von Brandenburg mit einigen Rittern persönlich beim Rath intervenirte und unter der Drohung, er werde sich an den Kaiser wenden, seine Enthaftung verlangt hatte. Der Rath hatte dann selbst den Kaiser von dem Sachverhalt unterrichtet und den Probst von St. Sebald, Melchior Pfinzing, an den kaiserlichen Hof gesandt. Er trug nicht geringe Sorge, daß der Kaiser in die Sache zu Ungunsten der Stadt eingreifen würde. Die Freundschaft des Gefangenen setzte am kaiserlichen Hof alle Hebel in Bewegung, und die Gemahlin Tetzel’s und seine mit Jobst Haller vermählte Tochter Barbara waren selbst dahin gereist, um seine Freilassung zu erwirken. Mit der Thätigkeit Melchior Pfinzing’s war der Rath wenig zufrieden. Er nahm sich der Sache nach der Ansicht des Rathes nur lau an, erstattete kaum Bericht und kam in den Verdacht, daß er auf der Seite der Gegenpartei stehe. Hatte er sich doch in beschwerlichen Worten vernehmen lassen, daß er hinfür nichts mehr für sie (den Rath) handeln und mit keinem von ihnen zu schaffen haben wolle. Zur energischen Führung der Tetzel’schen [378] Angelegenheit weilte K. 1515–1517 mit Unterbrechungen am kaiserlichen Hof und entledigte sich seiner Aufgabe zu des Raths höchster Zufriedenheit, die er ihm des öfteren kundgibt. Die Herren des Raths zweifeln nicht, Melchior Pfinzing wäre, wenn sie ihm nicht durch Kressens Zuziehung begegnet, auf seinem alten Wesen beharrt. Ihr Gemüth sei nicht dahin gestellt, daß er – K. – ihn in ihren Handlungen neben sich alle Zeit gebrauche, sondern sie befehlen ihm, sich in solche Sachen nach Gelegenheit der Zeit und des Hofes Gewohnheit selbst zum besten zu richten, er sei dabei oder nicht. „Mag bisweilen nutzer davon dann dabei sein“, setzt der Rath lakonisch hinzu. Der Kaiser begehrte damals vom Rath ein Anlehen in der Höhe von 6000 fl., obgleich er seine alten beträchtlichen Schulden noch nicht abgezahlt hatte. Diese Anlehenssache verquickte nun der Rath mit der Tetzel’schen Angelegenheit, um in dieser endlich zum Ziele zu kommen. K. soll beim Hofe dahin arbeiten, daß sich kaiserliche Majestät der Tetzel’schen Sache endlich entschlage und des Tetzel’s Freundschaft, wofern sie des Rechtens für sich selbst oder ihres Freundes, des Tetzel’s, halben begehren würden, gen Nürnberg weise, das Recht daselbst, wie es Recht sei und nach hergebrachter, der Stadt, Gewohnheit, Statuten und Privilegien zu suchen. Er soll in Anbetracht des wankelmüthigen, ungewissen Wesens am Hof mit dem höchsten Fleiß darauf dringen, daß ihm der Abschied in der Tetzel’schen Sache versiegelt oder unversiegelt, durch kaiserliche Majestät oder den Kanzler unterschrieben, zugestellt werde, damit sich der Rath im gegebenen Falle darauf berufen könne. Kann er einen schriftlichen Abschied nicht erreichen, so soll er einen mündlichen vom Kaiser, aber nicht bloß in Gegenwart des Kanzlers, sondern auch anderer Zeugen, die er für gut dazu ansieht, annehmen. Dem Rath lag an der glücklichen Erledigung dieser Angelegenheit sehr viel. Auf der einen Seite wäre es für ihn in den Augen der Nürnberger Bevölkerung sehr mißlich und verkleinerlich gewesen, wenn Tetzel’s Freundschaft obgesiegt hätte, und dann wollte er sich auch in seine Gerichtsbarkeit durch den Kaiser nicht eingreifen lassen. Verehrungen an den Kanzler und andere Personen des kaiserlichen Hofes werden nicht gespart. Die Herren Aeltern des Raths meinen einmal, sie hofften, die Verehrung an den Kanzler „sollte schleuniger Endschaft dieser Handlung nicht undienstlich sein“. Als K. im Juli 1516 dem Kanzler wieder einmal im Namen des Raths 100 fl. verehrt hat, schreibt ihm der Rath, daß er recht und wohl daran gethan hat. Wenn er seine bisherige Zehrung am kaiserlichen Hofe für beschwerlich ansehe, so hätten sie doch dessen, und wenn es mehr wäre, kein Entsetzen, sie wüßten nach Gelegenheit dieses Hofes und der Läufte wohl zu ermessen, daß es in seiner und eines jeden von den Ihrigen, ob er auch der Aeltesten und Vordersten einer wäre, Macht und Willkür nicht stehe, seinen Willen über allen seinen Fleiß, und wie getreulich er das auch meine, zu erheben, da auch viel größere und mehrere von den Reichsständen ihr Vorhaben des Orts nicht allweg erlangen könnten. Deshalb stehen sie ihm in dem, was er in Tetzel’s und allen andern Sachen am kaiserlichen Hof bis dahin gearbeitet, zu gutem Fried und der Neigung, das gegen ihn in unvergeßner Gedächtniß zu behalten.

K. drängte damals heim. Die Aelternherren bitten ihn indeß, noch eine kleine Zeit und etliche Tage Geduld zu haben. Sie ersehen aus seinem Schreiben, daß ihm der Abschied in einigen Tagen gedeihen werde. Er ist dann auch allem Anschein nach schon sehr bald heimgekehrt, und zwar mit einem Abschied, wie er dem Rath genehm war. Denn von der Tetzel’schen Angelegenheit verlautet in der Rathscorrespondenz nichts mehr, und Anton Tetzel blieb in der Thurmhaft bis zu seinem im J. 1518 erfolgten Tode. K. hatte im übrigen am kaiserlichen Hofe noch verschiedene andere Angelegenheiten, [379] wie sie die Läufte mit sich brachten, erledigt; insbesondere hatte er auch eine Anklage gegen Hans Balthasar von Endingen, gen. zum Bundstein, im Elsaß am kaiserlichen Hof zu erheben, der unter dem Vorgeben, er sei dazu vom Kaiser ermächtigt, gegen die Kaufleute, welche nach Frankreich handelten, mit Pfändung vorzugehen, dem Nürnberger Bürger Hans Kretzenhauser Kaufmannswaaren im Werthe von 700 fl. genommen und gedroht hatte, er werde gegen die von Augsburg, Ulm und anderer Herrschaften Unterthanen in der gleichen Weise verfahren. Er hatte sich auch dahin vernehmen lassen, es wäre ihm der Nürnberger Bürger Niklas Sil zu zwei Malen verkundschaftet worden, aber ihm jedes Mal entgangen. Zur Erledigung dieser Angelegenheit ließ dann der schwäbische Bund einen Tag ausschreiben. Auch als Götz von Berlichingen 1515 Augsburger, Nürnberger, Ulmer und Salzburgische Kaufleute im Mainzischen Geleit abgefangen und geschatzt hatte, erhielt K. den Auftrag, sich zu erkundigen, was bei Hof davon geredet werde und ob man des Gefallen oder Ungefallen trage, „sich desto stattlicher darnach zu richten“.

Im J. 1517 sandte ihn der Rath an den kaiserlichen Hof in die Niederlande. Ein heruntergekommener Kaufmann und Nürnberger Bürger, Stephan Vischer mit Namen, hatte sich von Nürnberg nach Augsburg begeben, von wo er Schmähschriften an seine Freunde gesandt und sich auch in den Herbergen hatte vernehmen lassen, er kenne alle der Nürnberger Kaufleute Ballenzeichen und sei entschlossen, gegen sie mit der Zeit seines Gefallens zu handeln. Das veranlaßte Nürnberg, ihn in Augsburg gefänglich einziehen zu lassen, aber die von Augsburg lehnten es ab, ihn peinlich zu fragen und weiter gegen ihn vorzugehen. Auf die Fürbitte der Stände des schwäbischen Bundes wurde er vielmehr gegen Schwörung der Urfehde freigelassen. Er ließ sich nun in betrügerische Händel ein, kaufte von den Welsern und andern Augsburgischen und Nürnbergischen Kaufleuten große Mengen Silbers ein, die mit baarem Gelde zu bezahlen einem Fürsten genug gewesen. Und wenn der Betrug nicht durch Zufall und Warnung wäre entdeckt worden, wären die Kaufleute zu übergroßem Schaden gekommen. Als er dann zehn Wagen mit Kaufmannschaft, die Augsburger und Nürnberger Kaufleute nach Bergen gefertigt hatten, die auch den Welsern gehöriges Silber enthielten, im Gebiete des Bischofs von Lüttich anfiel, wurde er niedergeworfen und auf Befehl der Kaisers in Wilfurt (Vilvorde) gefangen gesetzt. Seit dem Jahre 1511, da der Ueberfall geschehen, ließen ihn hier die beiden Städte auf ihre Kosten in Haft halten und waren auch jetzt, als man Versuche zur Erwirkung seiner Freilassung beim Kaiser machte, nicht bereit, ihn zu entledigen. K. soll nun bei kaiserlicher Majestät antragen, daß dieser leichtfertige, verdorbene Mann so lange auf beider Städte Kosten in Haft bleibe, bis sie durch genugsame Bürgschaft gesichert sind. Diese Angelegenheit ordnete er in Kürze zu des Raths voller Zufriedenheit, der ihm schreibt, er sei erfreut, daß der Kaiser seiner Handlung halben in Sachen des gefangenen Vischer so gnädige Antwort entboten. Noch andere Aufträge hatte er am kaiserlichen Hofe zu erledigen, wie die Uebertragung von 200 fl. aus der Nürnberger Stadtsteuer von Sixt Oelhafen auf den kaiserlichen Historiographen Johann Stabius, die Verhandlung wegen des Ueberfalls im pfalzgräflichen Gebiet bei Mainz durch Franz von Sickingen, wofür der Pfalzgraf verantwortlich gemacht wird. Der schwäbische Bund hat von letzterem unter Androhung der Aufbringung der Bundeshülfe gegen ihn Abtrag begehrt.

Dieser und anderer Aufträge unterzog sich K. mit der ihm eigenen Gewissenhaftigkeit, obschon er damals erkrankt war. Der Rath schreibt ihm am 4. Mai 1517, seine Krankheit beschwere ihn nicht wenig, und er trage mit [380] ihm ein sonder getreulich Mitleiden. „Ist auch unser Befehl und Meinung, daß du an aller Wart, Hilf, Arznei und Handreich und was zu Aendrung solcher Schwachheit und Wiederholung deins Gesunds mag dienlich sein, unerspart alles Kostens nichzit wollest vermeiden (fehlen) lassen.“ Denn hierin sollen ihnen ihm zu gut keinerlei Ausgaben (einech Darlegen) gereuen. Sie sind der unzweifeligen Hoffnung, Gott der Allmächtige, der getreue Dienstbarkeit und Arbeit für den gemeinen Nutzen nicht unbelohnt lasse, werde ihm zu Wiedervergeltung dessen in dieser seiner Krankheit so tröstlich erscheinen, daß er daraus nicht eine kleine Ergötzung erfinden werde. Auch in seinen folgenden Briefen zeigt sich der Rath für K. auf das äußerste besorgt. Und da sie bedenken, die Krankheit werde sich durch Luftveränderung zur Besserung richten, so ist ihnen nicht zuwider, ihn nach Köln oder an andere Orte zu lassen, indem sie hoffen, daß er desto eher seine Gesundheit wieder erlange. Sein Zustand besserte sich übrigens bald von Tag zu Tag, sodaß ihn der Rath am 12. Juni 1517 bitten konnte, zum Reichstag nach Mainz zu reisen, den die Städte des schwäbischen Bundes neben der Gesandtschaft des Bundes selbst durch die Gesandten von Augsburg, Ulm und Nürnberg zu beschicken beschlossen hatten. K. sollte auch die Städte Rothenburg, Dinkelsbühl, Windsheim und Weißenburg wegen ihres Außenbleibens verantworten und vertreten, sofern es zu weiteren Anschlägen und Auflagen kommen sollte. „Und wollest dich“, schließt der Rath sein Schreiben, „unsers Ansuchens nit beschweren, uns auch hierin willfahren, wie wir ganzer Zuversicht sein. Das wollen wir in andern gegen dich bedenken und unvergessen halten“. K. wohnte übrigens nur kurze Zeit dem Reichstag bei, seine Schwäche und andere Umstände, wol auch die Sehnsucht nach den Seinen, veranlaßten ihn, um seine Abberufung einzukommen, die ihm der Rath sofort gewährte. Er solle, schreibt er ihm, seinen Weg anheim nehmen und in Anbetracht der sorglichen Läufte seine Sachen, es sei zu Wasser oder zu Land, also richten, daß ihm nichts Beschwerliches, das ihnen mit Treuen leid und zuwider wäre, begegne.

Im J. 1518 sehen wir K. wiederholt am bischöflichen Hofe zu Würzburg und am markgräflichen zu Ansbach. Dann vertrat er im selben Jahre noch mit Lienhard Groland den Rath auf dem Städtetage zu Ulm und dem Bundestage zu Augsburg, um dann mit ihm im J. 1519 an den kaiserlichen Hof nach Linz und nach Kaiser Maximilian’s Tode an den Bundestag zu Augsburg abgefertigt zu werden. Er vertrat von nun an den Rat auf allen Versammlungen des schwäbischen Bundes. Schon am 29. April 1519 hatte ihn der Rath an Lienhard Groland’s Statt zu seinem Bundesrath ernannt und dadurch bekundet, wie hoch er seine Fähigkeiten und Dienste zu schätzen wußte. Die Vertretung der städtischen Interessen mußte sich um so schwieriger gestalten, als auch der mächtigste Gegner der Stadt, Markgraf Friedrich von Brandenburg, mit dem sie wegen der Einführung des markgräflichen Weinzolls und wegen der Ausübung der hohen Gerichtsbarkeit im Nürnberger Gebiete in erbittertem Streite lag, dem schwäbischen Bunde angehörte. Die Aufgaben, an deren Durchführung er mit zu arbeiten hatte, waren für Nürnberg als Handelsstadt von der höchsten Bedeutung. Handelte es sich doch an erster Stelle um die Sicherung des Landfriedens in Schwaben und Franken, den damals Herzog Ulrich von Württemberg auf das schwerste gebrochen und den ein ganzes Heer der schlimmsten Placker, voran der berüchtigte Hans Thomas von Absberg mit seinen Helfern und Helfershelfern, unaufhörlich in der gewaltthätigsten und grausamsten Weise störten. K. war von nun an einen großen Theil des Jahres durch die Geschäfte des Bundes in Anspruch genommen, nahm theil an allen seinen Verhandlungen, Feldzügen und [381] Missionen und entwickelte so zum Wohle der Vaterstadt und des Vaterlandes eine überaus reiche und fruchtbare Thätigkeit. Für den Rath, dessen Vertreter er beim Bunde war, hatte er fortwährend nebenbei noch mit den Bundesgesandten und sonst in politischen Angelegenheiten zu verhandeln, dem Rathe über alles zu berichten, wie ihn dieser über alle Vorkommnisse auf dem Laufenden erhielt, und seinen ganzen Fleiß und Scharfsinn aufzubieten, um die mancherlei politischen Geschäfte zu einem guten Ende zu führen, die ihm der Rath auftrug. Als er 1521 vom Bundestag nach Nürnberg zurückgekehrt war, verließ er schon bald wieder mit seinem Weibe die Stadt und wandte sich nach Weißenburg, um der Pest zu entgehen, die damals in Nürnberg wüthete. Auf den Bundestagen drängte außer Augsburg und den Grafen von Oettingen besonders der Nürnberger Vertreter zu einem entscheidenden Schlag gegen das Raubrittertum. Graf Joachim von Oettingen war 1520 von Thomas von Absberg bei Donauwörth aus einem Hinterhalt überfallen und auf den Tod verwundet worden und nach einigen Tagen in Donauwörth seinen Wunden erlegen. Daraus erklärte sich das Vorgehen der Oettinger zugleich mit den beiden Reichsstädten. Aber es dauerte zunächst noch eine geraume Zeit, bis der Bund sich zu einer entschiedenen That aufraffte. Erst auf dem Bundestage zu Nördlingen im J. 1522 beschloß man, die Hälfte der Bundeshülfe gegen Thomas von Absberg und seine Helfer aufzubieten. Dem obersten Feldhauptmann Jörg Truchseß von Waldburg wurde mit Anderen auch K. als Kriegsrath beigegeben. Aber erst ein volles Jahr später begann der Feldzug, zu dem die Stadt Nürnberg ihren ganzen Belagerungspark unter ihrem Zeugmeister Martin Harder stellte. Eine ganze Anzahl von Burgen gingen in Flammen auf und wurden in die Luft gesprengt, an erster Stelle das überaus feste Bocksberg, das den Rosenberg gehörte, Walbach, Aschhausen, das Thüngen’sche Reußenberg, Au bei Kitzingen, Waldmannshofen bei Au, das gleichfalls ein Raubnest des Rosenberg war, weiter Sparneck, Truppach, Krügelstein, eine Burg des berüchtigten Georg Wolf von Giech, Absberg, Streitberg u. a. Der Feldzug dauerte 60 Tage. Für ihre Theilnahme am Feldzug erhielten die Führer vom schwäbischen Bund Verehrungen aus der Kriegsbeute, Ch. K. eine Bockbüchse, über einen Centner schwer, mit dem Wappen der von Rosenberg und vier gute, neue Hakenbüchsen. Er ließ sie alle neu zurichten und beschlagen, auf neue Böcke setzen und mit aller Zugehörung auf seinen Sitz zu Kraftshof schaffen. Der Nürnberger Rath aber schenkte ihm in Anerkennung der vielen Mühen, die ihm der Feldzug verursacht, und zur Vergütung der Unkosten, die ihm aus den Gastereien für die Bundesvertreter während ihrer Anwesenheit zu Nürnberg erwachsen waren, einen goldenen Becher, auf dessen Deckel ein Fräulein den Kressischen Wappenschild hielt, während auf dessen Innenseite der Kressische und Tucher’sche Schild und auf dem Boden das Nürnberger Wappen eingegraben waren. Mit einem Deckelbecher beschenkte ihn auch noch im selben Jahre Erzherzog Ferdinand von Oesterreich, als er gleich nach Beendigung des Feldzuges im Auftrag des Bundes, zugleich mit dem bairischen Kanzler Dr. Eck, eine Kriegskostenentschädigung für den Bund zu erwirken suchte. Den beiden Gesandten gelang es, einen günstigen Vergleich zu Stande zu bringen. Als dann zu Weihnachten 1523 die erste Abschlagszahlung an den Bund abgeführt worden war, zeigten sich die Bundesstände dadurch erkenntlich, daß sie ihm durch Ulrich Fugger eine Verehrung von 150 fl. auszahlen ließen.

Auch als Vertreter der Stadt in den schwierigen religiösen Angelegenheiten sehen wir damals vorzugsweise Ch. K. mit Erfolg thätig. Mit Kaspar Nützel, Lienhard Groland, Dr. Marsilius und Lazarus Spengler ordnete ihn [382] der Rath im Frühjahr 1521 auf den Reichstag zu Worms ab, und hier war er am 17. April 1521 Zeuge jenes historischen Actes der unerschrockenen Verantwortung Luther’s vor Kaiser und Reichstag. Auch an dem Reichstag, der 1522 unter Erzherzog Ferdinand in Nürnberg zusammentrat, nahm K. als Stellvertreter des Raths theil, beigegeben war ihm noch Christoph Tetzel. Von den schwäbischen Städten wurde er damals in den Reichsausschuß gewählt. Er hatte übrigens auch für den Rath den Wirth zu machen. Zweimal lud er die Städtebotschaften und fürstlichen Städte zu einem Mahle in sein Haus, einmal bewirthete er sie in der Herrentrinkstube, dann am Schießgraben und auf dem Rathhaus. Auch auf dem Reichstag, der im Januar 1524 in Nürnberg eröffnet wurde, hatte er mit Christoph Tetzel, Klemens Volckamer und Bernhard Paumgartner den Rath zu vertreten. Den mit Arbeit Ueberhäuften suchte man dadurch zu entlasten, daß man ihn von der Pflicht des Rathsbesuches entband.

Im Rath war er inzwischen zu höheren Aemtern und Würden emporgestiegen: 1519 war er zum älteren Bürgermeister und Kriegsherrn ernannt worden. Als ihn der Rath an Ostern 1524 zum Söldnermeister und Hauptmann der Kriegsstube ernannte, erhob er dagegen Einspruch, nahm aber auf die eindringlichen Bitten des Raths nach dreitägiger Bedenkzeit auch diese Bürden auf sich. In diesem Jahre ehrte ihn der Rath noch durch die Uebertragung des Siegelamts, womit übrigens eine nicht unbedeutende Einnahme verbunden war.

Am Bauernkrieg nahm er als bündischer Kriegsrath theil. 21 Wochen lag er im Felde, war bei der Schlacht bei Böblingen und bei dem siegreichen Zuge der Bündischen gegen die Württemberger Bauern. Nach deren Niederwerfung richtete sich der Feldzug gegen die aufrührerischen Bauern im Hochstift Bamberg. Er berichtet darüber, daß sie – die Bündischen – das Stift zu Bamberg den Bauern wiederum abgenommen und erobert und die Stadt Bamberg um 120 000 fl. gebrandschatzt hätten. Auch den Zug gegen die Allgäuer Bauern machte er mit und ritt im bündischen Heer mit den übrigen Kriegsräthen nach Kempten, wo dem von seinen Unterthanen bedrängten Erzbischof von Salzburg eine Bundeshülfe bewilligt wurde. An Ehrungen und Anerkennungen während dieser Kriegszeit fehlte es ihm nicht. So schenkten ihm die Regenten des Fürstenthums Württemberg einen Wagen mit Wein und die übrigen Kriegsräthe ein Faß Wein; von der der württembergischen Landschaft zur Strafe auferlegten Steuer erhielten die Bundesräthe im Ganzen 1000 fl. geschenkt, wovon er seinen Antheil mit 180 fl. erhielt, aus der Bamberger Brandschatzung wurden ihm, wie jedem seiner Genossen, 180 fl. zugewiesen, und der Bischof von Salzburg verehrte jedem Bundesrath 200 fl. Die Bundesräthe erkannten auf dem Bundestag zu Nördlingen, den er im November und December mit Klemens Volckamer besuchte, seine Verdienste noch dadurch ganz besonders an, daß sie ihm, weil er diesen vergangenen Krieg ihr verordneter „Kriegsrath gewesen und sich zu Feld und allem habe brauchen lassen“, noch 100 fl. verehrten. Der Abt von Weingarten aber schenkte ihm ein Faß mit neuem Seewein, den er ihm nach Nördlingen schaffen ließ. Obschon K. im J. 1526, als er auf dem Bundestag zu Augsburg weilte, zu der Würde eines älteren Herrn im Rath ernannt worden war, trat doch in seiner diplomatischen Verwendung auch nicht die geringste Aenderung ein. Eine Mission löste die andere ab. Den weitaus größten Theil seiner Zeit beanspruchten die Versammlungen des schwäbischen Bundes, 1526 der Bundestag zu Augsburg und 1527 jene zu Ulm und Donauwörth. Zusammen mit Bernhard Paumgartner nahm er im J. 1526 auch die Interessen des Raths [383] auf dem Reichstag zu Speier wahr. Bei dem Zwiespalt der religiösen Meinungen, der Schroffheit, womit sich die Parteien gegenüberstanden, und der außerordentlichen Gefahr, die der reinen Lehre von ihren Widersachern drohte, war die Aufgabe der Gesandten der Stadt Nürnberg, die unter den Städten die Führerrolle übernommen hatte, äußerst schwierig und verantwortungsvoll. Die Städte, Nürnberg voran, verlangten Freiheit in den Fragen der kirchlichen Ceremonien, der Mißbräuche und des Kirchenregiments bis zum nächsten Concil. Nürnberg wollte sogar den Protest für den Fall der Unnachgiebigkeit der Neichstagsmehrheit. Von den Ständen wurde die Abfertigung einer Gesandtschaft, die die Einberufung eines „General- und Nationalconciliums“ betreiben sollte, beschlossen. Nürnberg hat kein rechtes Vertrauen auf das baldige Zusammentreten desselben oder auch nur auf eine baldige Antwort des Kaisers und hält dafür, daß es für die Städte die höchste Nothdurft sei, ein Aufsehen auf die Practica bei kaiserlicher Majestät zu haben und insgeheim oder öffentlich dahin zu wirken, daß kaiserliche Majestät nicht zu etwas durch irgend welche Anreizung bewegt werde, das zu viel, ja noch gefährlicher sein würde als die jetzigen Beschwerden. Mit den evangelischen Fürsten von Sachsen und Hessen, mit denen Ch. K. verhandelte, soll er sich übrigens noch nicht in eine Verständigung einlassen, da sich Sachen und Läufte ungeschickt zutragen könnten, sondern ihnen einen „Leiner“ (Ablehnung) geben und erst den Schluß des Reichstags abwarten. Dann aber ist dem Rath ein Tag mit den Städten und den beiden Fürsten an einer gelegenen Malstatt nicht zuwider. Außer den religiösen Angelegenheiten gab es übrigens noch eine Reihe anderer Gegenstände, über die zu verhandeln den Nürnberger Gesandten, und insbesondere Ch. K. Auftrag ertheilt worden war, wie Zoll und Münzwesen, Türkenhülfe, Plackerei, Irrungen mit Würzburg und Brandenburg u. a.

Es scheint fast, daß Ch. K. die schwierige, verantwortungsvolle und aufreibende Thätigkeit eines Gesandten, die ihn den größten Theil des Jahres der Familie entzog, lästig wurde, und zuweilen kommt er mit dringenden Gesuchen um Entlassung in die Heimath an den Rath, der dann auch seinen Wünschen nachkommt oder ihn doch mit beschwichtigenden Worten veranlaßt, noch kurze Zeit bis zum Schluß zu bleiben, da er unentbehrlich sei. Im Mai 1527, als die Bunderäthe gewählt wurden, willfahrte der Rath seiner Bitte, ihn in Anbetracht seiner Stellung als älterer Herr der Bürde eines Raths beim schwäbischen Bunde zu entheben. Noch bis Mitte Juni nahm er an den Verhandlungen des Bundes in Donauwörth, zusammen mit Klemens Volckamer, theil, der nun an seine Stelle trat. Die Bündischen aber ließen ihn nur ungern ziehen. Hatten sie ihn doch im Rath und beim Zug gegen die Placker, im Bauernkrieg und bei so vielen andern Gelegenheiten „in viel Sachen und andern Wegen“ als erprobt erfunden.

Aber zur Ruhe sollte er trotz der gewährten Entlastung nicht kommen. Gleich im folgenden Jahre wird er wieder mit einer Reihe von Aufträgen betraut. Mit Sebald Pfinzing und Dr. Epstein begibt er sich an den Hof Kurfürst Ludwig’s von der Pfalz in Sachen Pfalzgraf Friedrich’s, besucht die Tage zu Schwabach, Ansbach, Heilsbronn und Schönberg wegen Abschließung des Vertrags in den markgräflichen Streitigkeiten und reist auch einmal nach Kadolzburg, um den Markgrafen Georg nach Nürnberg einzuladen. 1528 und 1529 sehen wir ihn wieder als Vertreter des Raths auf den Bundestagen zu Augsburg und Ulm.

Mit Christoph Tetzel und Bernhard Paumgartner ward er 1529 als Nürnberger Gesandter auf den Reichstag zu Speier abgeordnet. Der Kaiser, siegreich aus dem Kampfe mit Frankreich hervorgegangen und mit dem Papste [384] ausgesöhnt, stand auf der Höhe seiner Macht und war willens, die neue Lehre um jeden Preis zu unterdrücken. Es ist bekannt, wie die evangelischen Stände schließlich gegen jede Vergewaltigung protestirten. Unter den evangelischen Städten stand Nürnberg in erster Linie, und seine Gesandten hatten keine leichte Aufgabe zu erfüllen. Durch die Briefe des Raths geht als Leitmotiv der Gedanke der Appellation an den Kaiser und ein künftiges Concil. Die Gesandten sollen mit anderen Ständen, die dem Evangelium anhangen, soviel sie ihrer auf ihre Seite zu bringen vermögen, protestiren und appelliren, ja an ein Ausschreiben ins Reich und an andere christliche Nationen, worin man sich zu einem freien christlichen Concil erbietet, denkt der Rath. Immer und immer wieder spricht er es aus, daß es ihm weder gelegen noch möglich sei, vom Wort Gottes zu weichen und die alten gottlosen Mißbräuche wieder aufzurichten, bevor ein Concil gehalten und vermittelst göttlichen Worts davon christlich tractirt worden. Die Nürnberger Gesandten aber kamen den Anweisungen des Raths zu dessen höchster Zufriedenheit nach. Am 29. April schreibt er ihnen, er habe befunden, daß sie gewißlich wenig Kurzweil oder Feierns zu Speier hätten, weshalb er ihrer fleißigen, treuen Handlung nicht allein ein sonderes dankbares Gefallen, sondern auch mit ihren Personen ein herzliches Mitleiden trage, des Versehens, die Tapferkeit der Sachen, darin sie ihre Arbeit thun, auch das Obliegen des gemeinen Vaterlands und das nun zu erhoffende Ende dieses Reichstags solle ihnen die obliegenden Bürden desto mehr verringern, süßen und leichter machen. Ch. K., der vorderste der Nürnberger Gesandten, spricht sich dahin aus, auf diesem Tage hätten die Nürnberger Gesandten viel Mühe und Arbeit und beschwerlich große Händel gehabt, wie man wohl wisse.

Nachdem ihm der Rath im Mai 1529 das einträgliche Amt eines Wagherrn aufgetragen hatte, sandte er ihn mit Christoph Tetzel nach Rodach bei Coburg, wo sie mit den Vertretern der Städte Straßburg und Ulm und den Abgesandten von Sachsen, Hessen und Brandenburg zu einer Beratung in den religiös-politischen Angelegenheiten zusammentraten. Das gleiche Ziel – eine Einung der protestantischen Stände – verfolgte dann der Tag zu Schwabach, wo die Abgesandten derselben Fürsten und Städte erschienen und Nürnberg durch K., Tetzel und den Rathschreiber Georg Hopf vertreten war. In demselben Jahre nahm er endlich noch mit Kl. Volckamer und Georg Hopf an dem Tage zu Schmalkalden Theil, wo die Gesandten evangelischer Städte und die von Hessen und Sachsen zusammen berieten.

Von entscheidender Bedeutung sollte der Augsburger Reichstag v. J. 1530 werden, auf dem Karl V. in eigener Person erschien, um mit der neuen Lehre und ihren Anhängern endlich abzurechnen. Nürnberg sandte als Vertreter Ch. K., Christoph Koler und Bernhard Paumgartner, jenen wieder als seinen „vordersten Gesandten“. In einen intimeren Verkehr trat K. mit dem Kurfürsten von Sachsen und dessen Kanzler. Von diesem erhielt er den Rathschlag in Glaubenssachen, den Entwurf zu der nachmaligen Confessio Augustana in lateinischer Sprache, den er am 8. Juni an den Rath abfertigte und dem er am 15. Juni die deutsche Uebersetzung folgen ließ. So konnte der Rath auf die endgültige Fassung dieses wichtigen Schriftstücks, das mit der größten Sorgsamkeit geheim gehalten wurde, noch einwirken. Noch am 23. Juni schreibt der Rath an seine Gesandten bezüglich „des sächsischen Begriffs oder der überschickten Apologie,“ daß er des Gefallen trage, und dem „neben dem Kurfürsten und Fürsten, dem Evangelio verwandt, in all Wege anhangen“ wolle, nur hätte er das schließliche Erbieten und Bitten der christlichen Stände, woran seines Erachtens sehr viel gelegen, vor Ueberantwortung der Schrift gern gesehen. [385] Aber die Entscheidung war schon gefallen, bevor das Schreiben des Raths die Gesandten erreichte; Am 25. Juni war in einem Gemach der bischöflichen Pfalz dem Kaiser die Confessio Augustana übergeben worden, die von den Städten nur Nürnberg und Reutlingen – und zwar für Nürnberg Ch. K. – unterschrieben hatten.

Der für die protestirenden Reichsstände so ungünstige Augsburger Reichstagsabschied hatte zur Folge, daß sich jene nur um so fester an einander schlossen. Auf dem Ende 1530 zu Schmalkalden angesetzten Tage erschienen als Nürnberger Vertreter Ch. K. und Leo Schürstab. Sie warteten indeß das Ende der Verhandlungen, die in der Gründung des Schmalkaldischen Bundes ihren Abschluß fanden, nicht ab, da Nürnberg sich nicht entschließen konnte, die extremen Wege der Bundesfürsten zu wandeln. Schon im Januar 1531 weilte er mit Hans Ebner und Leo Schürstab in Schwabach, um in den markgräflichen Streitigkeiten zu verhandeln. Als dann Kaiser Karl auf seiner Reise von den Niederlanden her sich Nürnberg näherte, wurde ihm Ch. K. mit Hans Ebner und Klemens Volckamer nach Dinkelsbühl entgegengesandt, um ihn nach Nürnberg einzuladen. An dem Regensburger Reichstag vom J. 1532 nahm er mit Klemens Volckamer und Hieronymus Paumgartner theil. Im Rath stieg er damals nach dem Tode des 1. Losungers Hieronymus Ebner zu der Würde des dritten obersten Hauptmanns, der dritten höchsten Stelle der reichsstädtischen Regierung, empor, und er wäre sicher jetzt wie wenige Monate später als Losunger an die zweithöchste Stelle berufen worden, wenn er nicht auf das Entschiedenste abgelehnt hätte.

Seine diplomatische Thätigkeit nahm ihn bis an sein Lebensende in Anspruch.

1534 sehen wir ihn auf „der Städte Rechnungstag“ und dem schwäbischen Bundestag zu Augsburg, dann wieder in Verhandlungen wegen der markgräflichen Streitigkeiten in Heilsbronn und zur Beilegung nachbarlicher Irrungen am pfalzgräflischen Hofe zu Amberg und 1535 auf dem schwäbischen Bundestage zu Donauwörth. Im Juli dieses Jahres weilte er auf Einladung des Markgrafen Georg bei diesem zu Besuch in Heilsbronn. Am 15. December 1535 in der Nacht verschied er nach nur kurzer Krankheit.

Sein Leben war verhältnißmäßig nur kurz gewesen, aber reich an Arbeit und Erfolgen. Sein Rath war von allen Seiten gesucht worden, von Fürsten und ihren Räthen, von Städten und ihren Abgesandten, von Adligen und Bürgern. In der Correspondenz, die aus seiner letzten Lebenszeit erhalten ist, finden sich Briefe vom Landgrafen Philipp von Hessen und König Ferdinand. Ch. K. war die Gabe in hohem Maße zu eigen, sich auch bei seinen politischen Widersachern werth und angenehm zu machen. Von freundlicher wie von gegnerischer Seite flossen ihm reiche Geschenke zu. Auf dem Reichstag zu Augsburg ehrte ihn auf Bitten seines Bruders Ferdinand Kaiser Karl durch Bestätigung des Adelsbriefes, Verbesserung des Wappens, Verleihung des Beinamens von Kressenstein sowie des Rechtes mit rothem Wachs zu siegeln, König Ferdinand aber schenkte ihm ein werthvolles seidenes Kleid und wollte auch, daß ihn der Kaiser zum Ritter schlage, und was er sonst an Gnaden begehre, das solle ihm gewährt werden. Aber der bescheidene Mann schlug alles ab.

Bemerkt sei hier noch, daß ihm Herzog Wilhelm von Baiern, als K. 1520 als Nürnberger Gesandter bei ihm in Ingolstadt weilte, ein Pferd schenkte und Markgraf Georg von Brandenburg ihn 1535 zu einer Sauhatz einlud.

Aber am meisten wußte doch der Rath den Werth seiner Dienste zu [386] schätzen. Das ist überall zwischen den Zeilen der überaus zahlreichen Briefe zu lesen, die er im Laufe vieler Jahre an seinen Gesandten gerichtet hat. Einmal – 1533 – bittet ihn das Aelterncollegium in einer besonderen schriftlichen Einladung, er möge morgen zu früher Rathszeit im Rath erscheinen und nicht außen bleiben, „dieweil wir dich auch gern dabei haben wollten“. Ein andermal – 1534 – bekundet er ihm sein besonderes Vertrauen dadurch, daß er ihm eine wichtige Schrift zusendet, die er ohne sein Gutachten nicht gern ausgehen lassen will, und er mag den Begriff nach seinem Gutdünken ändern, mindern oder mehren.

Nie schleicht sich in den Briefen, die der Rath an ihn schreibt, auch nur der leiseste Mißton ein, wie etwa gegenüber dem Propste Melchior Pfinzing oder dem Consulenten Ch. Scheurl, mit dem der Rath nicht stets zufrieden war.

Daß Ch. K. sich auch der Interessen von Privaten annahm, wenn er darum angegangen wurde, zeigt sein Eintreten für Albrecht Dürer bei Kaiser Maximilian im J. 1515. Dürer hatte den Nürnberger Gesandten gebeten, er möge von Stabius, dem kaiserlichen Hofhistoriographen, in Erfahrung bringen, ob er in seiner Sache etwas gehandelt. Sei es nicht der Fall, so möge er es thun. Ch. K. trat dann auch für Dürer beim Kaiser ein und erwirkte von ihm die Ueberweisung eines Leibgedings von 100 fl. auf die Nürnberger Stadtsteuer für Dürer. Allem Anschein nach war auch Hans Sachs mit ihm näher bekannt und hatte von seinen Fähigkeiten und Verdiensten keine geringe Meinung. Noch im J. 1535 – wahrscheinlich gleich am Todestag – widmete der Dichter dem Verstorbenen „das Gesprech eines klagenden Fräuleins mit den Parcis, den dreien göttin des lebens“. Den im Wald verirrten und von der Nacht überraschten Poeten führt ein Zwerg in eine Höhle, wo in einem Saal eine zarte, wohlgeschmückte, aber trauernde Jungfrau – Nürnberg – sich bei den Parzen beklagt, daß sie ihr in der letzten Zeit die tapfersten und herrlichsten Männer genommen hätten und sie selbst dadurch schier zur Wittfrau geworden wäre. Die Parzen erwidern ihr unter anderem, alles müsse zu Asche werden und die größten Männer seien gestorben. Als die vier verschwunden, erklärt der Zwerg dem Dichter auf dessen Befragen:

 Es ist in Teutschland
Ein reichsstatt, dir ganz wol bekannt,
Wellicher ist in großer klag
Verschiden auf heutigen tag
Ein treuer mann, groß lobes wert,
Der fürt in rotem schild ein schwert,
Ein mann vernünftig, wolberedt,
Der kriegshandlung gut wissen hett,
Angnem bei fürsten und reichstägen,
Dem gemeinen mann auch wolgewegen.
Schau, diesen mann klagt das fräulein,
Ein weiser rat und die gemein.
Wol dem mann, der also regiert,
Daß er nachm tod beklaget wirdt …

Mit dieser Charakteristik gab Hans Sachs wol das allgemeine Urtheil der Nürnberger Bevölkerung wieder. Denn ohne Zweifel war Ch. K. auch beim Volke beliebt und erfreute sich einer allgemeinen Popularität, wie es die Worte: „dem gemeinen mann auch wolgewegen“ genugsam erkennen lassen.

Vervollständigt wird die Zeichnung des Dichters durch die Charakterschilderung, die Dr. Christoph Scheurl von ihm entwirft: … „gut österreichisch, gut kaiserisch, gut königisch, gut kirchisch, der zu fried und einigkeit riet und meinet, woll geben sein, was es kostet, ward in gemeiner statt treffenlichen sachen auf reichs- und pundstag zu kaisern, königen, fürsten geschickt und gepraucht, [387] bei denen er sowol als genachbarten fürsten sondere reputation, gnad, und gunst vor anderen überkam. Ein gerad, hager, fähig, geschickt, vernünftig, überaus wolbereit mann, kostfrei, ein guter hausvater, ein solcher regent, dem wenig bürger des reichs gleichen“.

Eins kann in Scheurl’s Charakteristik auffallen, daß er nämlich Ch. K. gut „kirchisch“ nennt. Wenn man weiß, daß Scheurl der Reformation, der er zunächst anhing, später den Rücken kehrte und den Reformatoren gegenüber eine ganz feindselige Stellung einnahm, wenn er sich im J. 1536 sogar dahin aussprechen konnte, er werde mit der Gnade Gottes bis zum letzten Lebenshauch in der Einheit der katholischen Kirche verharren, denn er sei dahin gelangt, daß er Gunst und Haß der Lutheraner wenig achte, es gehe, wie es wolle: so sieht man sich zu dem Schlusse gezwungen, Scheurl könne mit der Bezeichnung: „gut kirchisch“ nur gemeint haben, Ch. K. habe die Gemeinschaft mit der katholischen Kirche entweder gar nicht aufgegeben oder wenn es geschehen, sich nachher wieder, wie er selbst, als ihr zugehörig betrachtet. Auch soll Ch. K., wie der Kanzler Dr. Eck 1525 an Herzog Wilhelm von Baiern berichtete, damals, als in und außer dem Rath des schwäbischen Bundes über den Bauernaufstand disputirt und gesagt worden, die lutherischen Prediger seien daran schuldig, und niemand widersprochen hätte, ihm in viel Reden beigestimmt und daneben auch zu verstehen gegeben haben, daß es seinen Herrn nicht mehr möglich sei, Wendung zu thun. Und er verstehe wohl, daß es der neuen Lehre halb unter den Rathsherrn nicht gleich. Der Kanzler hätte auch gemerkt, daß K. und etliche andere dawider wären, und unter anderen Reden hätte er gesagt, als er jetzt von Nürnberg hätte verreisen wollen und ihrer etliche auf dem Platz (Markt) bei einander gestanden, hätte Christoph Fürer öffentlich angefangen und zu ihm – K. – gesagt: so er zu ihm – dem Kanzler – komme, solle er ihm sagen, daß er und alle fürstlichen Räthe dem Herzog rathen sollten, die Lutherischen nicht eindringen zu lassen, und daß die fürstliche Landschaft treulich davor gehütet werden möchte. Nun läßt sich allerdings nicht läugnen, daß die Greuel des Bauernkrieges und Gewaltsamkeiten, die die Reformation mit sich brachte, wie in Nürnberg das z. B. gewaltthätige Vorgehen gegen die Klosterfrauen, manche, die sich der neuen Lehre zugewendet hatten, stutzig machten, daß ein Willibald Pirckheimer sich immer weiter von ihr entfernte, ein Christoph Fürer ihr völlig abgeneigt wurde, wenn er auch ebensowenig wie Pirckheimer wieder in den Schoß der alten Kirche zurückkehrte, ein Christoph Scheurl ihr absagte und sich wieder zur katholischen Kirche hielt. Andererseits könnten aber die vorhin angeführten Momente einen begründeten Zweifel an der aufrichtigen Anhänglichkeit des Ch. K. an die protestantische Lehre keinsswegs rechtfertigen, viel weniger aber den Beweis erbringen, daß er in der That, wie Jörg annimmt, von ihr abgefallen sei. Denn einmal ist es doch sehr die Frage, ob sich auch alles so zugetragen hat, wie es Eck in seinem Brief an den bairischen Herzog schildert. Seine Neuigkeiten, die er mit den Worten einleitet: „Muß e. f. G. einen guten Schwank anzeigen“, nehmen sich aus wie schadenfroher, böswilliger Klatsch, der, wenn auch vielleicht ein Körnchen Wahrheit darin enthalten war, doch in der Hauptsache aus einer unvorsichtigen Aeußerung des Ch. K. hervorgegangen zu sein scheint. Denn wie leicht konnte es geschehen, daß angesichts der furchtbaren Greuel und Verwüstungen des Bauernkriegs einmal auch dem Munde des sonst so vorsichtigen Nürnberger Gesandten ein nicht genau genug abgewogenes Wort entschlüpfte, das dann von dem bairischen Kanzler, der seinem Herrn auch wol einmal etwas Besonderes und Pikantes berichten wollte, über alle Gebühr ausgebeutet wurde. Man darf wol sagen, daß in [388] dieser Unbedingtheit die Aeußerung nicht gefallen sein kann. Ihr, wie dem Urtheil, das aus Scheurl’s Charakteristik herauszulesen, ist entgegenzusetzen die langjährige Thätigkeit des Christoph K. auf Reichstagen, Bundesversammlungen und Städtetagen für die Sache der Reformation. Kann man denn glauben, er hätte unentwegt bis zu seinem Tode die Ansichten und Ueberzeugungen des entschieden auf dem Boden der Reformation stehenden Rathes vertreten, wenn er sich auf der altkirchlichen Seite befunden hätte? Freilich gehörte der Rath politisch nicht zu der extremsten Seite der evangelischen Stände und er war nicht zu bewegen, einem Bündnisse beizutreten, das, wie das schmalkaldische, seine Spitze gegen das Reichsoberhaupt richtete. Für den Rath war die Richtlinie genau durch die Stellung der Stadt als Reichsstadt gezogen, und ebenso dachte sein Vertreter, der vermöge seiner Eingeweihtheit in alle Verhältnisse des Reichs eher den Rath inspirirt hat als der Rath ihn. So war er denn auch, wie Scheurl berichtet, „gut österreichisch, gut kaiserisch, gut königisch“, aber andererseits war er auch gut evangelisch. Wie wäre es überhaupt denkbar, daß sich der Rath von ihm in den damals den Hauptinhalt der Politik bildenden Religionssachen jahraus, jahrein hätte vertreten lassen können, wenn auch nur der leiseste Anhalt zu der Vermuthung bestanden hätte, Ch. K. neige der alten Kirche zu!

Mittheilungen des Herrn Justizraths Freiherrn v. Kreß aus dem v. Kreß’schen Familienarchiv und insbesondere das Tagebuch des Christoph Kreß. – Briefbücher der Reichsstadt Nürnberg im kgl. Kreisarchiv Nürnberg. – Berichte der Gesandten auf dem Augsburger Reichstag an den Nürnberger Rath in der Stadtbibliothek Nürnberg. – Die Correspondenz des Nürnberger Raths mit seinen zum Augsburger Reichstag von 1530 abgeordneten Gesandten. Von Prof. Dr. W. Vogt. Mitth. des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg. Hft. 4, S. 1 ff. – Jos. Edm. Jörg, Deutschland in der Revolutionsperiode von 1522–26. 1851. – Aeltere Schriften: G. A. Will, Nürnbergisches Gelehrtenlexicon; – ders., Nürnb. Münzbelustigungen II, 156 ff. – Chr. Gottl. Schwarzii Programmata XXIV. Nr. 23.