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ADB:Kurz, Hermann

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Artikel „Kurz, Hermann“ von Hermann Fischer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 425–426, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kurz,_Hermann&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 15:38 Uhr UTC)
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Kurz: Hermann K. (oder, wie sich seine Familie schrieb, Kurtz), Dichter und Novellist, wurde am 30. Nov. 1813 zu Reutlingen aus bürgerlicher Familie geboren. Zum Studium der protestantischen Theologie bestimmt, trat er 1827 in das niedere theologische Seminar Maulbronn ein, wo u. a. Eduard Zeller sein Mitschüler, D. Fr. Strauß kurze Zeit sein Lehrer war. 1831 ins Tübinger Stift übergetreten, widmete sich K. vorzüglich philosophischen und litterarischen Studien unter der Leitung von Strauß, Uhland, Gustav Pfizer, Moritz Rapp. Er verließ 1835 die Universität und schon 1836 die theologische Laufbahn und lebte als Schriftsteller in Stuttgart. Im Herbst 1843 ging er nach Karlsruhe als Mitarbeiter an dem „Deutschen Familienbuch zur Belehrung und Unterhaltung“; dort nahm er an den vormärzlichen liberalen Bewegungen Antheil. Nach der Februarrevolution 1848 kehrte K. nach Stuttgart zurück und führte daselbst, zuerst mit Adolf (nicht Ludwig) Weisser, dann allein, die Redaction des Oppositionsblattes „Der Beobachter“, die er 1854 niederlegte. Von da an lebte er, vielfach durch häusliche Sorgen und Nervenleiden gedrückt, theils in Stuttgart, theils in ländlichem Aufenthalte zu Obereßlingen, Kirchheim und Weilheim u. T. 1863 erhielt K. die Stelle eines zweiten Bibliothekars an der Universitätsbibliothek Tübingen, die er bis zu seinem Tode am 10. Oct. 1873 inne hatte. An äußeren Ehrenbezeigungen ist ihm nur die philosophische Doctorwürde honoris causa 1866 von Rostock her zu Theil geworden. – Als Dichter, zumal als Novellist, gehört K. zu den besten seiner Zeit und seines Stammes. Besonders sind seine kleineren Erzählungen öfters vollendet in der prägnanten Zeichnung von Charakteren und Ereignissen. Er bewegt sich mit Vorliebe auf dem Boden seiner Heimath, namentlich seiner Vaterstadt Reutlingen. Hier ist ihm jeder Weg, jeder Stein bekannt. Dazu kommt noch ein eindringliches Studium und eine umfassende Kenntniß der vaterländischen Geschichte, so daß seine vaterländischen Erzählungen in sicherem Treffen des Localtons und mannigfaltiger Belebung durch charakteristische locale Typen ganz vorzüglich zu nennen sind. Ein feiner Humor, dem wir bei K. überhaupt zu begegnen gewohnt sind, kommt zu der Gabe scharfer Beobachtung hinzu, und so verdanken wir dem Erzähler einige wahre Cabinetsstücke treffender humoristischer, fast satirischer Darstellung, unter denen die kleine Erzählung „Die beiden Tubus“ wol unbedingt in erste Linie zu stellen ist. K. selbst hat diese kleineren Erzählungen gesammelt; sie sind von 1858–61 in drei Bänden erschienen, nachdem schon 1837 eine kleinere Sammlung unter dem Titel „Genzianen“ erschienen war. Auch an größeren Romanstoffen aus der württembergischen Geschichte hat sich K. zwei Mal versucht. Zuerst in dem Roman „Schiller’s Heimathjahre“, der 1843 erstmals erschien; eine sehr lebendige Schilderung der späteren Regierungszeit des Herzogs Karl, welche von sicherer Stoffbeherrschung und genauester Sachkenntniß zeugt. Psychologisch weitaus tiefer und an manchen Stellen geradezu dämonisch groß ist „Der Sonnenwirth“, 1854 zum ersten Mal erschienen. In diesem Roman, der die Geschichte des durch häusliche Mißhandlungen und Kränkungen schließlich zum Verbrechen gereizten Johann Friedrich Schwan, eines der berüchtigtsten Räuber Süddeutschlands im 18. Jahrhundert, auf Grund amtlicher Quellen sehr eingehend wiedergibt (Schiller hat denselben Stoff im „Verbrecher aus verlorener Ehre“ freier und minder charakteristisch behandelt), zeigt K. tiefe Kenntniß des schwäbischen Volkscharakters; leider bricht die lebensvolle Erzählung in der Mitte ab, um einer zwar gründlichen und verständnißvollen Relation aus den Akten Platz zu machen. Auch die kürzere Erzählung „Der Weihnachtsfund“ (1855) zeugt von derselben Kenntniß der Volkspsychologie. Als lyrischer Dichter („Gedichte“ zuerst 1836) erinnert K. öfters an den von ihm hoch gefeierten Mörike; auch entstammt manches durch Silchers u. a. Composition bekannt gewordene Lied seiner Feder. – Zur vollständigen Kenntniß seiner Dichterthätigkeit [426] gehört aber auch die Betrachtung seiner Uebersetzungen, die er schon 1832 durch eine mit Freunden herausgegebene, gänzlich verschollene Sammlung von englischen Dichtungen eröffnet hat. 1840 erschien seine Nachdichtung von Ariost’s rasendem Roland; December 1843 „Thomas Moore’s Paradies und die Peri. Mit einem Anhang Byron’scher Lieder“; 1844 das Hauptwerk seiner Uebersetzerkunst, die Uebersetzung und Ergänzung von Gottfrieds von Straßburg Tristan und Isolde; ein geniales Werk, dem man einige Mängel philologischer Akribie gerne nachsieht. Das Werk rief eine bittere Kritik Oswald Marbach’s hervor, auf welche K. in dem Schriftchen „Der Kampf mit dem Drachen“ (1845) witzig antwortete. Für die Bodenstedtische Shakespeareausgabe übersetzte K. die Lustigen Weiber, für die Sammlung des Hildburghäuser Instituts (1868) die Zwischenspiele des Cervantes. Endlich hat er gemeinsam mit Paul Heyse den „Deutschen Novellenschatz“ (1871 ff.) und den „Novellenschatz des Auslands" (1872 ff.) herausgegeben. – Als Gelehrter hat K. keine gleich umfassende Thätigkeit entwickelt, wie als Dichter. Durch genaues, gewissenhaftes Eindringen in den Gegenstand, sowie durch geistreiche Combinationsgabe zeichnen sich seine wenigen gelehrten Arbeiten aus; daneben mag aber eine gewisse Breite und eine dem Erzähler ganz natürliche Neigung, die Abhandlung durch humoristische Behandlung zu beleben, etwas störend erscheinen. Ich zähle diesen Arbeiten die politischen und historischen Aufsätze bei. 1845 erschien das kleine Schriftchen „Die Fragen der Gegenwart und das freie Wort“; 1871 „Aus den Tagen der Schmach“, zuerst 1859 im Morgenblatt erschienen und die Geschichte Schwabens zur Zeit der französischen Einfälle unter Melac behandelnd; 1864 (in den deutschen Jahrbüchern) ein Aufsatz über den griechischen Bundestag. Wichtiger sind Kurz’ litterarhistorische Aufsätze. Mit Gottfried von Straßburg befaßt sich außer der Uebersetzung, der eine sagengeschichtliche Einleitung vorangeht, der Aufsatz über des Dichters Geschlecht und Leben in Bartsch’s Germania, 15, 207 ff. In einer Recension der Bülow’schen Bearbeitung des Simplicissimus (in der 1837 und 1838 bei Metzler in Stuttgart erschienenen kritischen Zeitschrift „Der Spiegel“, 1837, Nr. 5 und 6) entdeckte K. den eigentlichen Namen des Verfassers jenes Romans. Mit Shakespeare beschäftigen sich das Buch „Zu Shakespeare’s Leben und Schaffen“, München 1868, und mehrere Aufsätze im Shakespeare-Jahrbuch, Bd. IV–VI, auch hat K. den Text zu Konewka’s (s. den Art.) Silhouetten „Falstaff und seine Gesellen“ verfaßt.

Kurz’ poetische Werke sind von Paul Heyse in einer leider nicht vollständigen Sammlung (bei A. Kröner in Stuttgart) 1874 herausgegeben worden. Im ersten Band hat Heyse eine schöne Biographie des Dichters vorangeschickt, zum Theil auf A. v. Keller’s Nekrolog, Germania, 19, 124 bis 126, fußend. Das Bildniß vor Bd. I ist in den Lineamenten des Gesichts sehr gut, im Ausdruck fast etwas zu derb.