Zum Inhalt springen

ADB:Schiebeler, Daniel

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Schiebeler, Daniel“ von Erich Schmidt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 176–178, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schiebeler,_Daniel&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 07:17 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Schickfuß, Jakob
Band 31 (1890), S. 176–178 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Daniel Schiebeler in der Wikipedia
Daniel Schiebeler in Wikidata
GND-Nummer 117227714
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|31|176|178|Schiebeler, Daniel|Erich Schmidt|ADB:Schiebeler, Daniel}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117227714}}    

Schiebeler: Daniel S., Dichter, geboren zu Hamburg am 25. März 1741 als Sohn eines Kaufmanns, besuchte das Johanneum, nachdem ein Hauslehrer ihn zu massenhafter Romanlectüre und früher Zersplitterung seiner Geisteskräfte verführt hatte, ward als Jüngling des Französischen, Englischen, Italienischen, Spanischen mächtig und versuchte sich bald in poetischer Handhabung dieser Sprachen neben seinen deutschen, besonders oder im Hamburgischen Correspondenten gedruckten Erstlingen zum Preise C. A. Schmid’s, Richey’s u. s. w., studirte seit 1763 in Göttingen, seit 1765 in Leipzig, wo er am 3. März 1768 auf Grund einer Dissertation „De modo poenarum“ den Doctorgrad erwarb, ohne Neigung die Rechte, wurde 1768 als juristischer Kanonikus in seiner Vaterstadt angestellt, starb aber, schon lange hypochondrisch kränkelnd, schon am 19. August 1771 an der Schwindsucht. Freund Eschenburg lieferte 1773 eine Vita, die auch dem Abriß im „Lexikon der Hamburgischen Schriftsteller“ 6, 159 ff. (mit genauem Schriftenverzeichniß) zu Grunde liegt. Briefe an Eschenburg sind abgedruckt in der „Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte“ 2, 260 ff. Neuere und ältere Werkchen, z. Th. aus Eschenburg’s „Unterhaltungen“, erschienen im Herbst 1769 als „Musikalische Gedichte von S***, Hamburg, verlegts Michael Christian Bock. 1770“, 216 S.; hinzukommen, kritisch eingeleitet, „Daniel Schiebelers Doktors der Rechte, und E. Hochehrw. Hamb. Domkapitels Kanonici, Auserlesene Gedichte. Herausgegeben von Johann Joachim Eschenburg … Hamburg. 1773. Bey J. J. C. Bode“, XLVI und 302 S. Schiebeler’s leichte und seichte Production wurzelt in der dichterischen Ueberlieferung Hamburgs, der Hagedorn’schen und der geistlichen, in der musikalischen Poesie, zu der sich die eigene Sammlung gleich im Titel bekennt. Die vermischten Lieder haben durchweg etwas Anempfundenes, und Daphne scheint ein Luftgebild. S. pflanzt erst im Jugendgedicht das Ideal auf, gleich Cronegk ein [177] Tugendprediger auf der Bühne zu werden, verkündet 1766 in der Uzisch-Hagedorn’schen „Poetik des Herzens“ den Bund von Tugend und Lust, übt sich dann im „Petrarchischen Lied“, stellt in einem Sonett die Entstehung dieser Form dar, tändelt wie Gleim dem Zappi nach, pflückt hier und dort ein ausländisches Blümchen, überträgt gelegentlich selbst sein Deutsch ins Italienische, zeigt sich formgewandt und witzig in Epigrammen (darin ein verspäteter Hieb gegen Duns-Gottsched als Nachdichter der Iphigenie, eine Parodie des Lessing’schen Liedes „Die Türken“), weist auf Swift in seiner öden Alexandrinerepistel der Glumdalklitsch, während der Brief des Clemens an Theodor (1765 von Eschenburg beantwortet) eine Schülerarbeit erneuert, und erhebt sich zu einfachen geistlichen Liedern. Sehr musikalisch, ein trefflicher Geiger, dichtete er „Kirchenstücke“ für seinen greisen Freund Telemann, dem er aber auch, auf Grund des Cervantes, ein Libretto „Basilio und Quiteria“ lieferte, mit Arien nach französischer, die Versart wechselnder Manier, Tänzen, allegorischem Aufzug, Don Quixote und Sancho gewandt contrastirend. Zur Einweihung der Lazarethkirche im November 1769 schrieb er ein kleines schwulstloses Oratorium („geistliches Singgedicht“) „Die Israeliten in der Wüste“, das Ph. E. Bach componirte. Früh verliebte er sich in Metastasio, weihte ihm eine kleine Sammlung von Canzonetten, Pastoralen u. s. w. und betheuerte: se qualche cosa sono tutto lo son per te. Ganze Scenen des Meisters wußte er auswendig. 1767 in Dresden, wo er die Kurfürstin-Wittwe italienisch ansang, wuchs seine Begeisterung für die wälsche Oper noch. Metastasio inspirirte „Scipio. Ein dramatisches Singegedicht“, galant-heroische Oper in Versen. S., der gern den Herold einer Schmeling, einer Schulz machte, war in Leipzig, zu Goethe’s Zeit, Stammgast der Koch’schen Bühne: ihr widmete er die „Schule der Jünglinge“, den an Wieland und Jacobi erinnernden Einacter „Die Muse“, der, in Prosa mit sparsamen Gesängen und Vaudevilles, die Bekehrung eines misogynen Jünglings durch die als Muse verkleidete Liebhaberin behandelt. Sein bekanntestes Theaterstück, auch von Goethe gerühmt, ist „Lisuart und Dariolette. Ein Singestück in drey Acten“, ursprünglich als unmusikalisches Nachspiel verfaßt und so von Ackermann in Göttingen gespielt, dann für Meister Hiller in der Leipziger Operettenblüthe (vgl. Minor’s „Weiße“ 1880) erweitert und umgestaltet, wofür die dünne Handlung empfindlich zeugt. Der Stoff, reizvoller von Favart dramatisirt, stammt aus Chaucer’s Tale of the wife of Bath, und das wortreiche „Mährchen aus der Ritterzeit“, so wie es S. faßt, deutet auf die „Zauberflöte“ vor. Lisuart, ein edler Ritter der Tafelrunde, sucht mit seinem sanchomäßigen Knappen Derwin die Tochter der Ginevra, die ihm Dariolettens Bildniß gegeben, und entzaubert die in ein altes Weib verwandelte Prinzessin. Die Prosa wird reichlich von Gesängen unterbrochen, doch lauten diese Romanzen, Morgenlieder, Arien, Vaudevilles nicht romantisch, sondern schäferlich-anakreontisch oder burlesk. Das Werklein gab ihm Geltung neben Freund Chr. F. Weiße, dem S. auch Essays über die Laune, über spanische Poesie in die „Neue Bibliothek“ lieferte. Singspiel und Romanze sind verwandt. 1767 (1768 wiederholt) erschienen „Romanzen mit Melodien von Hiller“, 1771 „Neue Sammlung von Romanzen“; sie wurden weidlich geplündert für Geißler’s „Romanzen der Deutschen“. S. selbst sagt „mein Schicksal will es nun einmal so, daß mir die spaßhafte Muse günstiger sey als die erhabene“ und glaubt, daß zuvörderst seine Romanzen ihm den Anspruch auf eine „kleine Laube auf dem Parnaß“ geben; in der Romanze „Die Reise nach dem Parnassus“ weisen Melpomene und Thalia ihn ab … „Da nahte die Romanze Halb schleichend, halb im Tanze … Nie wag ich höhern Flug.“ Vereinzelt steht eine ernstere Erzählung „Ines von [178] Castro“ oder auch in leichten Versen, aber nicht parodistisch, „Leander und Hero“ (vgl. Gongora-Jacobi). Die Masse, im Grunde doch recht läppisch, behandelt in hergebrachten oder neuvariirten kurzzeiligen Strophen, gern mit einem Cano oder einem „Es war“ einsetzend, mit einer Mahnung abschließend, Modernes noch sparsam einmengend, lasciv selten, ironisirend oder travestirend zahlreiche Stoffe der ovidischen „Metamorphosen“ (Hedera, Pierus, Pygmalion, Syrinx, Phaeton, Midas, Proserpina, Narcissus, Tantalus, Ariadne u. s. w.), daneben „Eginhard und Emma“, „Roderich und Chimene“, „Rübenzahl“, oder modern „Alcindor“ und als züchtigere Vorläuferin Langbein’s „Bauermädchen und Edelmann“. S. parodirt „Hermin und Gunilde“ 1766 in einer bergamasker Schnurre und bestätigt durch zwei Strophen nach der Aeneis 2, 485 den unverkennbaren Zusammenhang dieser Romanze mit der epischen Parodie älterer und neuerer Zeit.