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ADB:Stackelberg, Otto Magnus Freiherr von

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Artikel „Stackelberg, Otto Magnus Freiherr von“ von Joseph Girgensohn in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 340–353, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stackelberg,_Otto_Magnus_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 15:37 Uhr UTC)
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Stackelberg: Otto Magnus Freiherr v. St., Kunstforscher und Maler, gehörte einer alten deutschen Adelsfamilie des Herzogthums Estland an. Sein Vater, Otto Christian v. St., lebte nach seiner Vermählung mit Anna Catharine v. Dücker auf seinem Landgute Faehna bei Reval. Er hatte als Officier der sogenannten „holsteinischen Garde“ sich ausgezeichnet, zugleich aber auch künstlerischen Bestrebungen sein Interesse zugewandt. Da seine Gemahlin, Erbin einer werthvollen Bibliothek und zahlreicher Kunstwerke, unter denen ein Selbstporträt Holbein des Jüngeren, es verstand, die Neigung für Kunst und Litteratur mit liebenswürdigem gastfreien Wesen zu vereinigen, so bildete das Gut Faehna sowohl, als auch im Winter das stattliche Stackelberg’sche Haus in Reval einen Vereinigungspunkt für Gelehrte, Künstler und Kunstfreunde. In Reval wurde am 25. Juli (6. August) 1787 dem glücklichen Paar Otto Magnus v. St. als 16. Kind geboren. Die älteren Brüder zogen nach beendigtem Gymnasium auf die Universität Göttingen. Während der Universitätsferien lebten sie in einem Häuschen im Park von Faehna, das mit Horazischen Sprüchen geschmückt war, und verbrachten halbe Tage lang im Studium der alten Classiker.

Unter solchen Verhältnissen wuchs Otto Magnus heran. Er war bald der Liebling des Hauses. An der Mutter (der Vater war schon 1792 gestorben) hing er mit schwärmerischer Verehrung. Sie war ihm „gleichsam überall gegenwärtig“ und dieses heilige Gefühl hat er bis an sein Lebensende treu bewahrt. Während seine Brüder im Reiten, Fechten und Jagen ihre Kräfte übten, saß St. musicirend am Flügel oder durchblätterte mit seinen Schwestern die reiche Sammlung der Kupferstiche, durchmusterte die Gemäldegallerie und erfüllte seine jugendliche Seele mit Begeisterung für die Kunst. Seine ersten Zeichnungen erwiesen ein so bedeutendes Talent, daß die Mutter den Maler Neus aus Deutschland zum Unterricht ihres Sohnes nach Faehna kommen ließ. Sein eigentlicher Lebensberuf sollte aber der des Diplomaten sein. 1801 geleitete ihn ein älterer Bruder auf das Pädagogium zu Halle, und 1803 wurde er Student der Universität Göttingen.

Dem wilden Treiben seiner jugendlichen Studiengenossen abgewandt, schweifte er, Heimweh im Herzen, einsam umher in Göttingens Umgebung. Die Zeit, die ihm das Studium der Alten übrig ließ, widmete er der Musik, der Dichtung oder der Malerei.

[341] Entscheidend für sein ganzes Leben wurde eine Reise, die er von Göttingen aus in Begleitung zweier Brüder in den Süden unternahm. Zündend wirkten in Cassel die Gemälde und Kunstwerke auf seine Phantasie, und als er vom Hohentwiel aus zum ersten Mal die Alpen sah, schrieb er in sein Tagebuch die Worte nieder: „O hätte ich Flügel des Ikarus! Käme ich auch der Sonne zu nah, – denn Jünglingsgeist strebt hoch, in die unabsehbarsten Räume, – so hätte ich doch die höchste Wonne genossen und stürbe im Himmel.“ In Zürich bewunderten die Reisenden die Zeichnungen Geßner’s und die Sammlungen Lavater’s. Nach einem Besuche bei Pestalozzi in Burgdorf wandten sie sich Genf zu und blieben den Winter über dort. 1804 wanderte St. mit seinem Bruder Karl über den St. Gotthard in das Land seiner Sehnsucht, nach Italien. Als er in der neugeborenen Republik von Cisalpinien am Ufer des Lago maggiore ruhte, brach er in die Worte aus: „Köstlich ist’s zu wandern durch das gesegnete Land und im Schatten der Maulbeerbäume zu gehen, die von wilden Reben umschlungen durch Traubengewinde an einander gekettet sind! Köstlich zu stehen auf classischem Boden – und im Dichterlande zu denken!“ Noch bis Mailand gelangte er, dann kehrte er nach Deutschland zurück, fest entschlossen, von nun an sein Leben dem Dienst der Kunst zu widmen. Bis zum Frühjahr 1805 studirte und malte er in dem alten Stallhofgebäude der Gallerie in Dresden, dann aber folgte er, wiewol schweren Herzens, den Bitten der Mutter und bezog die Moskauer Universität, um seine Vorbereitungen zum diplomatischen Beruf fortzusetzen. Allein die Moskauer enge Welt war ihm unerträglich, die Mutter fügte sich endlich im Sommer 1806 seinem Wunsch, und er durfte von Moskau nach Göttingen übersiedeln.

Auch jetzt hielt sich St. dem studentischen Treiben fern. Seiner weichen Natur blieb „das Wüthen und Brausen“ … „wo das alte Faustrecht zeitweilig hergestellt schien“, stets unverständlich. In schöner Gemeinschaft mit gleichgesinnten Jünglingen, meist Landsleuten, ging er künstlerischen und wissenschaftlichen Studien nach. Er hörte bei Fiorillo Archäologie und Kunstgeschichte, bei Heeren Geschichte, bei Dissen philologische Fächer. In so manchem Professorenhause, so bei Schlözer, Heeren, Dissen, Sartorius verkehrte er als gern gesehener Gast. Je mehr und mehr erkannte er aber, daß er nur in der Kunst die volle Befriedigung finden würde, nach der ein thatkräftiger Mensch in seinem Berufe strebt. Wol wurde es der Mutter schwer, den geliebten Sohn, den sie sich als zukünftigen glänzenden Diplomaten gedacht hatte, der bescheidenen bürgerlichen Neigung zur Malerei folgen zu sehen. Allein sie konnte den dringenden Bitten ihres Lieblings nicht länger widerstehen und gab ihre Einwilligung, daß Otto Magnus 1808 in Dresden seine künstlerischen Gaben weiter ausbilden durfte. Ein halbes Jahr malte er hier in der Gallerie, zeichnete nach der Antike. Dann ergriff er den Wanderstab, um mit seinem Freunde, dem später viel genannten Heinrich Tölken, seine Schritte Rom zuzuwenden. In Baireuth besuchten die Jünglinge den von ihnen schwärmerisch verehrten Jean Paul. Von da ging es über Regensburg und München, von wo aus ein Ausflug in die Schleißheimer Gallerie gemacht wurde, über den Brenner nach Italien hinein. In Mantua gab es allerlei Belästigungen durch die französischen Polizeibeamten. Florenz und seine Kunstschätze, die die Reisenden in Entzücken versetzten, vermochte sie doch nicht lange zurückzuhalten. Sechs Wochen nach ihrer Abreise aus Dresden lag die ewige Stadt vor ihnen.

Die Zeit schien für ein ruhiges Studium der Kunst nicht günstig. Rom war eben von französischen Truppen besetzt worden, während der Papst sich im Quirinal verschanzt hielt. Massenhaft waren Bilder und andere Kunstwerke nach Paris verschleppt worden. Trotz alledem herrschte noch in der classisch gewordenen [342] Kneipe des Café greco echtes Künstlerleben. Hier lernte St. Oehlenschläger, Zacharias Werner, die Brüder Riepenhausen, Koch, August Kestner, vor allem aber Thorwaldsen kennen, der eben seinen Adonis vollendet hatte, ein Werk, das einstimmig als das schönste Erzeugniß der bildenden Kunst in der Neuzeit erklärt wurde. Wahrscheinlich hier im Café greco hatte St. wohl auch die erste Begegnung mit dem Nürnberger Patriciersohn Haller v. Hallerstein, der ihm bald in treuester Freundschaft nahe trat. Den Winter über copirte St. eifrig alte und neuere Gemälde, brachte auch eigene nicht unbedeutende Kunstwerke hervor, so eine Madonna, welcher zwei Engel das Christuskind entgegenbringen, einen Endymion, den er sich nicht als Schäfer, sondern als Jäger dachte, nicht mit einem Schäferstabe, sondern einen Speer in der Hand. „In des Jägers Abendlied von Goethe liegt etwas von dem, was ich mir dachte und ausdrücken wollte“ notirte er in seinem Tagebuche. Es ist besonders Raphael, dem er in dieser Zeit sein Studium widmet. Aber es sind nicht nur die Leistungen der vergangenen Zeit, die zur Bewunderung auffordern, St. genießt auch aufgeschlossenen Sinnes in der Gegenwart Volk und Natur des Südens. Die kirchlichen Feste mit ihrer malerischen Pracht und ehrwürdigen Feierlichkeit üben unwiderstehlichen Zauber auf ihn aus. Er schildert sie in seinem Tagebuch und fährt dann fort: „Malerischer, als alle Blumenbilder, ordneten sich in der kleidsamen Tracht des Landes die verschiedenen Gruppen der tragenden, gebückt streuenden, knieend arbeitenden Männer und Frauen. Wie viel angeborenen Geschmack, Bildungsgeist und poetischen Sinn muß ein Volk besitzen, um ohne besonderen Unterricht, nur nach hergebrachtem, jährlich wiederkehrenden Brauch der Väter solche künstlerische Leistungen hervorzubringen!“

Bedeutungsvoll wurde das Eintreffen des dänischen Gelehrten Dr. Bröndsted für St. Mit seinem Landsmann Dr. Koës hatte Bröndsted schon längere Zeit hindurch den Plan ins Auge gefaßt, Griechenland zu bereisen. Beide beredeten St., sich ihm anzuschließen, was denn auch nach längerem Zögern geschah. Für St., als russischen Staatsangehörigen, war es ein nicht geringes Wagniß, da seit 1807 die Türkei mit Rußland im Kriege war, er beschloß daher, sich in dem gemeinschaftlichen Passe als „Mecklenburgischer Historienmaler Schultz“ anzugeben. Nach Hause meldete er zunächst nichts von dem gefahrvollen Unternehmen. Er hoffte in 6 Monaten wieder zurück zu sein. Das Ergebniß der Reise sollte in einem gemeinsamen archäologischen Prachtwerke niedergelegt werden. St. hatte es übernommen, die landschaftlichen Zeichnungen zu liefern.

Bröndsted und Koës verließen Rom im April 1810, Mitte Juni stießen St., Haller und Linkh in Neapel zu ihnen. Nur 14 Tage durfte ihr Aufenthalt daselbst dauern. St. schreibt darüber: „Soviel ist mir auch aus dem kurzen Aufenthalt klar geworden, daß, wer in Rom war, diese Stadt verstehen lernte und sich dort zum Künstler bildete, in Neapel die Befriedigung nicht finden kann, welche so viele Reisende rühmen und ich erwartete. Man sehnt sich von hier nur noch heißer nach Rom zurück und ist nur glücklich in Neapel, so lange der Rausch der Neuheit dauert. Rom ist die Stadt, die vor allen anderen aus der traurigen Jetztzeit herausrückt und ein edleres Bewußtsein anregt; Neapel aber ist ein zweites Paris, und Paris und Rom stehen in directem Gegensatze“. Am 4. Juli brachen die vereinigten Kunstfreunde auf und fuhren mit einem Vetturin quer über den Apennin. Ueberall am Wege standen Pfähle, von denen die Köpfe hingerichteter Räuber sammt abgehauenen Armen und Beinen herabgrinsten, In Otranto, von wo die Ueberfahrt nach Griechenland unternommen werden sollte, mußten sie aus Furcht vor den Engländern, die an der Küste kreuzten, 10 Tage liegen bleiben, um das Vorübergehen der mondhellen Nächte abzuwarten. Als sie sich endlich auf einer Barke einschifften, zwang sie ein Sturm, wieder [343] nach Otranto zurückzukehren. Zwei Tage darauf stachen sie zum zweiten Male in See, jetzt auf einem besseren Schiffe, auf dem sie, freilich unter Verfolgung der Engländer und anderen gefährlichen Abenteuern Corfu erreichten. Nach einigen Plackereien mit den griechischen Quarantänebeamten, wurde ihnen zwar die Weiterreise gestattet, aber die hierzu nothwendigen Fermans und Empfehlungen an die griechischen Paschas, die ihnen von Constantinopel aus versprochen waren, blieben aus, so daß sie an abermalige Rückkehr dachten. Die Sehnsucht, wenigstens Athen zu besuchen, überwog jedoch schließlich die Furcht vor den Gefahren so sehr, daß sie sich daran machten, ein Schiff für die Fortsetzung der Reise zu suchen. Am 25. August – St. hatte 14 Tage am Fieber krank gelegen – steuerten sie dem Festlande zu. „Alle unsere Schutzmittel, schreibt St., für die Reise durch Griechenland, bestanden in Pässen von dem dänischen Consul in Korfu, in einem Paar Pistolen, einem Säbel und Hirschfänger, und einigen Empfehlungsbriefen von Franzosen aus Korfu. Wir waren aber überzeugt, daß wir auch ohne diese Sicherheitsmittel reisen könnten. Nach Pässen wird man in Griechenland nicht gefragt, die Empfehlungen führen nur, wie wir schon erfahren haben, in die Hände von Leuten, die einen desto ärger betrügen und ausziehen, und jene Waffen sind wohl auch nicht geschmiedet, um ein Echo in den Felsen von Griechenland zu erwecken. So traten wir unsere gefährliche Reise mit einer Freudigkeit und Zuversicht an, die nichts Anderes sein konnte, als die magische Wirkung der schönen Umgebungen und des classischen Bodens. Von Prevesa aus ging die Reise zu Lande bis Patras. Hier nahm St. seinen griechischen Diener Dmitri an, der ihn seitdem auf seiner griechischen Reise und auch hernach noch in die Heimath begleitete und ihm sein ganzes Leben lang treu ergeben blieb. Erst im Angesicht der malerischen Bucht von Korinth verließ St. das Fieber, und er konnte sich ungestört dem Eindruck hingeben, den die Schönheit der Landschaft auf ihn machte. Nach zehntägigem Aufenthalt zu Korinth, während dessen die ganze Gegend nicht ohne Angriffe und Verspottung von Seiten der einheimischen Bevölkerung genügend erforscht und gezeichnet war, gingen die Reisenden quer über den Isthmus nach dem alten Hafen von Kenchreae, um sich nach Athen einzuschiffen. Am 28. Septbr. landeten sie im Piraeus. Noch am Abende desselben Tages, ohne ihre ermüdeten Glieder zu schonen, bestiegen sie den hohen Anchosmas, die Fortsetzung des Lykabettos, der sich gegenüber der Akropolis erhebt. Aber kaum hatten sie den Gipfel erreicht, als St. von einem fieberhaften Zittern des ganzen Körpers überfallen wurde, der Anfang des typhösen Fiebers, das ihn zwei Monate lang an das Bett fesselte. Nach seiner Genesung konnte er sich wieder seinen Gefährten und einigen neugewonnenen englischen und französischen Freunden anschließen. Es wurde eifrig gezeichnet, u. a. vollendete St. vom Pnyxhügel aus ein Panorama von Athen. Die griechische Bevölkerung machte im allgemeinen den übelsten Eindruck, sie zeigte sich betrügerisch, diebisch, dabei kriechend und unterwürfig, wenn man ihnen mit dem Stocke oder einer Anzeige bei der Obrigkeit drohte. In Livadia erst, das die Freunde auf ihrer Weiterreise von Athen nach Constantinopel berührten, lernten sie die ersten Griechen kennen, die ihrer großen Vorfahren einigermaßen würdig erschienen. Diese Leute hatten hellenisch und lateinisch gelernt, zeigten nationales Selbstbewußtsein und Empfindung für den Druck und die Schmach des türkischen Joches. Von Delphi bemerkt St.: „Die Sonne steigt in glänzender Pracht empor und beleuchtet das Thal des Parnassos; es wird warm trotz der Winterzeit; immergrüne Bäume bedecken das aufblühende Thal; Adler schweben langsam um die mächtigen Felshörner; ein friedliches Leben regt sich auf den Bergen und im Thal; die castalische Quelle sprudelt in klaren Wellen aus dem Felsen; amphitheatralisch erheben [344] sich die Fundamente der Stadt über die Tiefe. Delphi ist zerstört, aber die Götter haben Delphi nicht verlassen.“ Am 27. Februar 1811 konnten die Reisenden im englischen Gasthause in Pera absteigen. Auch in Constantinopel wurde St. wieder gleich nach seiner Ankunft von einem Fieberanfall, der indeß besser vorüberging, heimgesucht. Er beeilte sich sodann, die Eindrücke der mächtigen, dabei reizend gelegenen Stadt, zugleich des glänzendsten Mittelpunktes orientalischen Lebens, in sich aufzunehmen. Besuche über Besuche bei allen Gesandten der Reihe nach mußten dabei abgestattet werden; Einladungen folgten auf Einladungen und leere Unterredungen raubten viele kostbare Stunden. Bald wurde der Gesellschaftston in Pera St. unerträglich und er suchte demselben oft durch Ausflüge in die reizenden Umgebungen der Stadt, zumal auf der asiatischen Seite zu entfliehen. Eine interessante Ausnahme unter der peranischen Bevölkerung machte der schwedische Gesandte, Chevalier de Palin, ein leidenschaftlicher Antiquar und gelehrter Hieroglyphenerklärer, der mit den fremden Gesandten garnicht verkehrte, weil er behauptete, daß man mit diesen Leuten nicht eine Stunde leben könnte. Um so lebhafter war der Verkehr mit St., der für seine Münzen und Alterthümer volles Verständniß hatte. St. musicirte in Constantinopel oft mit dem Componisten Belloli, einem Verehrer der deutschen Musik. Die meiste Zeit aber widmete er natürlich den zahllosen Sehenswürdigkeiten der Weltstadt, wobei er nur zu beklagen hatte, daß er nicht frei und öffentlich zeichnen, ja nicht einmal gründlichere Kunde über das Geschehene sich verschaffen durfte, da jedes genauere Forschen und Fragen eines Fremden sogleich Mißtrauen bei den argwöhnischen Türken erregte und ihn selbst in Gefahr brachte. Dennoch gelang es ihm, aus Palin’s Wohnung eine panoramische Zeichnung von Constantinopel zu Stande zu bringen.

Nach dreimonatlichem Aufenthalt am goldenen Horn fuhren die Reisenden nach Kleinasien hinüber. Bis in die Ebenen von Troas begleitete sie der schwedische Gesandte Palin. In Smyrna wie auf der ganzen Reise dahin wurden viele Untersuchungen und Zeichnungen der alten Ruinen und Tumuli gemacht, auch hier nicht ohne Belästigung und Verfolgung, da die Fremden nicht nur in Verdacht geriethen, Schätze an Edelmetallen aufzustöbern, sondern auch allerlei Zauberei zu treiben. Bis Ephesus drangen St. und Bröndsted vor, doch mit verhältnißmäßig geringer Ausbeute an Genuß und Belehrung. In Smyrna hatten soeben Brand und Pest gewüthet. Von Ephesus waren nur noch einige Trümmer zu erkennen. Auf der Rückreise von Ephesus nach Smyrna wurde St. zum ersten Mal von jenem gefährlichen Asthma befallen, das ihn hernach noch mehrmals an den Rand des Grabes brachte. Im August landeten St. und Bröndsted wieder in Griechenland, im Hafen von Trikieri, wo sie von der kostbaren Entdeckung der aeginetischen Statuen erfuhren, die die zurückgebliebenen Freunde Haller, Linckh, Cockerell und Foster gemacht hatten. Durch Thessalien, wo das Thal Tempe und Larissa besucht wurden, kehrten die Reisenden Mitte October über Euböa nach Athen zurück. Von einem Ausfluge nach Marathon brachte Bröndsted den schönen Torso einer jugendlichen Statue in sogenanntem aegyptischen Stil, aber von schönen Verhältnissen und überaus sorgfältiger Arbeit, und St. die Zeichnung des Schlachtfeldes heim.

Mit einigen englischen Gelehrten stifteten damals St. und seine Freunde eine Verbrüderung, die über die Zeit des zufälligen Zusammenseins hinausreichen sollte. Man bestimmte ein Symbolum im antiken Sinne als Wiedererkennungszeichen, das neben der Idee eines Gastgeschenkes die Liebe zur Kunst und die Verehrung des Alterthums bezeichnen sollte. Die Statuten wurden entworfen, zum Symbolum ein Ring von antiker Bronze mit der Eule der Minerva und der Inschrift ξεινήϊον gewählt und die Diplome von 7 Primitivmitgliedern [345] unterschrieben. Man beschloß endlich eine Reise über ganz Griechenland nach gemeinschaftlichem Plane, obwohl in Gruppen getrennt, auszuführen.

Zu Ende des Jahres 1811 gingen Bröndsted und Linckh nach Zea ab, um dort Grabungen anzustellen, während St. durch eine Erkältung in Athen zurückgehalten wurde. Haller leitete die Arbeiten an athenischen Gräbern, die er für den bairischen Kronprinzen vor dem thebanischen Thore begonnen hatte. Da er aber bald nach Zante reisen mußte, um die Verpackung der aeginetischen Statuen zum Transport nach Malta zu besorgen, überließ er St. die Sorge für seine Unternehmung, die auch günstigen Erfolg hatte, indem eine Menge Vasen und bemalte Terracotten zu Tage gefördert wurden. Im Februar 1812 erwarb St. auf einem Ausflug nach Salamis eine kleine Statue einer Amazone, die er stets als das werthvollste Stück seines Privatmuseums betrachtete. Am Jahrestage des Fundes der Aegineten, am 23. April, trafen die Freunde in Aegina zusammen und beschlossen, ihre nächsten Arbeiten dem Apollotempel zu Phigalia zuzuwenden, unter dessen Trümmern Haller, Linckh, Cockerell und Foster im Jahre vorher eine viel verheißende Marmorplatte mit dem Relief eines Centaurenkampfes gefunden hatten. Am 8. Juli begannen die Grabungen. Ueber diese selbst und über die durch dieselben gewonnenen Kunstschätze, über das Leben und Treiben der dabei Betheiligten, sowie über die anmuthige Umgebung des Ortes ist umständlich und in höchst anziehender Weise in Stackelberg’s 1826 erschienenem Hauptwerk „Der Apollotempel zu Bassae in Arkadien“ gehandelt worden. Es hatte sich um den Tempel eine ganze Colonie der gedungenen griechischen Arbeiter und der das Werk beaufsichtigenden und leitenden Gelehrten und Künstler unter luftigen, malerischen Zelten und Hütten angesiedelt, wo die anstrengende Arbeit des Tages mit heiteren Mahlen, mit Musik und Tanz an den Abenden oft bis tief in die Nacht hinein abwechselte. Es gelang allmählich während der zwei Monate der dortigen Thätigkeit, den wahrscheinlich schon früh durch ein Erdbeben erschütterten Tempel von dem 16 Fuß hohen Trümmerschutt gänzlich zu reinigen und den Tempelfries fast vollständig, obwohl hin und wieder beschädigt zu Tage zu fördern. Die Marmorblöcke wurden zunächst nach Zante geschafft, wo sie verkauft werden sollten.

Gegen Ende des Jahres 1812 zerstreute sich die Gesellschaft von neuem. St. hielt sich, nachdem er die übrigen ionischen Inseln antiquarisch untersucht und gezeichnet hatte, längere Zeit in Ithaka auf und kehrte Anfang Februar 1813 über Messenien und Lakonien nach Athen zurück.

Jetzt rüstete sich St. ernstlich zur Reise in die Heimath. Einige Zeit hielt ihn noch die Pflege des erkrankten Cockerell zurück, aber als dieser wieder der Genesung entgegen ging, verließ St., wie er glaubte, für immer Athen. Doch sollte er diese Stadt noch einmal wiedersehen nach unsäglichen Gefahren und Widerwärtigkeiten. Als er von Trikieri nach Salonich fuhr, wurde er, wahrscheinlich im Einverständniß des Führers seiner Barke, von Piraten gefangen und nicht eher frei gelassen, als bis seine Freunde in Athen 11 000 Piaster aufgebracht hatten und der getreue Haller persönlich diese Summe den Räubern überbrachte. St. hat die Qualen seiner Gefangenschaft lebhaft geschildert. Am meisten schmerzte ihn, daß seine Münzsammlung zerstreut und mehrere von seinen Zeichnungen zerrissen wurden. Glücklicherweise konnte er den größten Theil seiner Mappen dem verrätherischen Bootsführer anvertrauen, der sie ihm nach der Befreiung, wenn auch gegen hohen Lohn, wieder herausgab. Er war dann durch Krankheit noch einige Zeit in Athen zurückgehalten worden. Endlich konnte er mit seinem Diener Dmitri die Heimreise von neuem antreten; über Triest ging es nach Wien, wo er am 18. Juni 1814 anlangte. Im Herbst desselben Jahres kehrte er in den Kreis seiner Familie zurück; theils in Estland, theils [346] bei Verwandten in St. Petersburg, wo er übrigens auch bei Hof ehrenvolle Aufnahme fand, brachte St. zwei Jahre zu, ohne die Sehnsucht nach den herrlichen Landschaften, wie nach den künstlerischen Beschäftigungen des Südens aufgeben zu können. Besonders wünschte er, an einem dazu geeigneten Orte seine Sammlungen bearbeiten und eine Veröffentlichung vorbereiten zu können. Im Sommer 1816 ging er nach Rom und machte sich hier sofort an die Herausgabe des phigalischen Frieses. Der ursprüngliche Plan wurde bald erweitert, indem nun alle bei der Ausgrabung in Bassä aufgefundenen, zu dem Apollotempel gehörigen Bildwerke aufs vollständigste und getreueste zu etwa ein Viertel der wirklichen Größe in der ursprünglichen Ordnung abgebildet und in einem beigefügten Texte beschrieben und erklärt werden sollten. Dieser Arbeit stellten sich aber große Schwierigkeiten hemmend in den Weg. Zu dem Mangel an Büchern, über die St. in seinen Briefen klagt, gesellten sich auch Sorgen um die Druckkosten, da ein Verleger für das Werk des bisher noch unbekannten Autors nicht zu gewinnen war. Die vielen gesellschaftlichen Beziehungen, auch Lücken in der eigenen gelehrten Bildung, später auch mit Eifer begonnene andere Arbeiten auf kunsthistorischem Gebiete, verzögerten die Vollendung des Hauptwerkes, sodaß unterdessen andere, raschere und gewandtere Gelehrte, auch auf Kosten der Redlichkeit theils durch vorläufige Ankündigung der Funde und Ideen Stackelberg’s, theils durch Veröffentlichung von mangelhaften Abbildungen der von ihm herauszugebenden Bildwerke das Interesse des Publicums vorwegnahmen.

Unter den Freunden, welche St. in Rom näher traten, ist vor allen anderen der Legationssecretär der hannoverschen Gesandtschaft, Kestner, der Sohn von Werther’s Lotte, zu nennen. Dieser, auch durch poetische Begabung ausgezeichnete Gelehrte hat St. manchen werthvollen Rath bei den künstlerischen Studien ertheilt. Durch Kestner wurde St. bei dem hannoverschen Gesandten v. Reden eingeführt. In der Redenschen und in der gräflich Baudissin’schen Familie brachte er in heiterer Geselligkeit die angenehmsten Stunden seines zweiten römischen Aufenthalts zu. Seine Freunde Linckh und Bröndsted weilten damals ebenfalls in Rom.

Bis zum Jahre 1820 waren die Zeichnungen und der Stich der phigalischen Bildwerke, bis 1823 der Text im Manuscript vollendet. Inzwischen war in England eine recht mangelhafte Edition des phigalischen Frieses erfolgt. Charakteristisch für diese Verhältnisse ist ein vom September 1825 datirter Brief Stackelberg’s: „Mir ist von dem bekannten Alterthumsforscher Hofrath Böttiger ein Brief und eine Empfehlung durch den jungen Kügelgen zugekommen, in welchem er mir unter Anderem anzeigt, daß er im 3. Bande seiner Amalthea einen meiner Briefe abdrucken ließ. So hat man sich mit den schreibseligen deutschen Gelehrten vorzusehen. Bald darauf erhielt ich die Amalthea selbst als Geschenk von ihm und las den Quark. Wenn doch die Welt einmal etwas Ordentliches von mir zu lesen bekäme; aber nun wird schon seit zwei Jahren wieder in Deutschland mit dem Druck meines Werkes gezögert, daß ich befürchten muß, mein Werk über die Alterthümer wird selbst zu einem Alterthum und ich komme am Ende meines Lebens nicht einmal dazu, die Frucht meiner Arbeiten zu ernten, oder die Frucht wird früher von Anderen abgelesen, als ich zu ihrem Genuß gelange. So manches wurde schon von Anderen ausgebeutet, was ich zuerst in diesem Werke berührte. Gut ist’s, daß ich so viel hineinlegte, so daß ich eine völlige Erschöpfung der behandelten Stoffe nicht zu befürchten habe.“ – Daneben wurden nun aber im Jahre 1823 zwei neue Werke begonnen, „Die Gräber der Hellenen“ und „Trachten und Sitten der Griechen“. Von letzterem [347] Werke erschien das erste Heft (5 Blätter) 1825 und wurde mit großem Beifall aufgenommen.

Unter diesen litterarischen Arbeiten kam St. wenig dazu, sich der Malerei zu widmen. Dagegen nahm er, angeregt durch die Anwesenheit von Paganini, Rossini, Meyerbeer und anderen Künstlern in Rom, die Musik wieder mit Eifer auf, nachdem er sie lange Zeit vernachlässigt hatte.

Im Jahre 1820 traf St. vielleicht der schwerste Schlag seines Lebens. Seine zärtlich geliebte Mutter, die geradezu den Mittelpunkt seines ganzen Denkens und Schaffens gebildet hatte, wurde ihm durch den Tod entrissen. Die Erinnerung an diesen Verlust begleitete ihn durch sein ganzes ferneres Leben. Ihren Geburtstag pflegte er stets, so lange er in Rom weilte, allein oder allenfalls in Gemeinschaft mit einem vertrauten Freunde, gewöhnlich an einem schönen Punkt in der Umgegend der Stadt, zu begehen, in trübe Gedanken versenkt und ausschließlich mit der Erinnerung an sie beschäftigt. Wohl hat er daran gedacht, ihr Grab zu besuchen und wenigstens einen kurzen Aufenthalt bei den Seinigen in Estland zu nehmen. Aber die litterarischen Arbeiten, wie auch seine wachsende Eingewöhnung in die Lebensverhältnisse des Südens hielten ihn von der Ausführung dieses Planes noch Jahre lang zurück.

Unter den vielen ausgezeichneten und liebenswürdigen Menschen, mit denen St. in Rom verkehrte, wirkten die beiden deutschen Gelehrten Gerhard und Panofka am bedeutendsten auf seine antiquarischen Studien ein. Mit diesen und mit Kestner verband er sich 1824 zu einem antiquarischen Verein. Wöchentlich hielt man eine Zusammenkunft, wo der Pausanias und Hygin gelesen, Vorträge über Alterthümer gehalten, besonders auch viel über die phigalischen Bildwerke verhandelt wurde. Anfangs führte die Gesellschaft von dem Orte ihrer Zusammenkünfte den pompösen Namen der capitolinischen, hernach nahmen die Mitglieder wegen des häufigen Verkehrs mit apollinischen Heiligthümern, Kunstwerken und Sagen den Namen „Römische Hyperboraeer“ an. Als Devise zeichnete Stackelberg’s kunstverständige Hand eine Vereinigung des hyperboraeischen Greifes mit der römischen Wölfin. Gerhard hat späterhin die Resultate der dort vorgenommenen Arbeiten unter dem Titel: „Hyperboraeisch-römische Studien für Archäologie“ in 2 Bänden veröffentlicht. In dem zweiten, fast 20 Jahre nach dem ersten erschienenen Bande findet sich ein werthvoller biographischer Abriß über St. Diesem Kreise der Freunde wurde späterhin durch den Zutritt des Herzogs von Luynes neue Anregung und erweiterter Gesichtskreis gegeben, und es schloß sich dann hauptsächlich durch des Letzteren Bestrebungen an die hyperboraeische Genossenschaft die für die Entwickelung der Alterthumswissenschaft in neuerer Zeit Epoche machende Gründung des archäologischen Instituts in Rom und die Herausgabe der Monumenti dell’ Instituto archeologico an.

Im J. 1824 unternahm St. mit Panofka eine Reise nach Sicilien, die besonders seinem Werke über die Gräber der Hellenen sehr förderlich war. Allein die Strapazen auf den Streifereien durch das noch sehr uncultivirte Land und eine Besteigung des Aetna hatten seine Kräfte so mitgenommen, daß er auf der Rückreise in Neapel tödtlich erkrankte. Jenes Asthma, das ihn 8 Jahre vorher in Smyrna überfallen hatte, brachte ihn auch dieses Mal an den Rand des Grabes. Erst nach sechswöchentlicher Pflege seines getreuen Freundes Kestner konnte er wieder nach Rom aufbrechen. Aber völlig erlangte er seine Frische und Gesundheit nie wieder.

Von besonderem Interesse für St. war die Anwesenheit des berühmten Hieroglyphenforschers Champollion in Rom, 1825. Er ließ sich von ihm in die Geheimnisse der Zeichenschrift der alten Aegypter einführen und erweiterte so [348] seine Kenntniß vom Nillande, das ihn durch Kunst und Sitten von jeher angezogen hatte.

In einem Briefe desselben Jahres an die Schwester Charlotte heißt es: „Neuerdings habe ich mich wieder mit großem Eifer der Musikübung hingegeben. Es ist hier nämlich ein trefflicher junger Componist und Pianist ersten Ranges, Reissiger, mit dem ich bekannt geworden bin und schon ein paar Mal musicirt habe. Er hat mir vor Kurzem ein paar Rondeaux von seiner Erfindung gebracht, die köstlich sind … Es ist doch nichts angenehmer, als was soeben erfunden wird und noch von keinem Preßbengel besudelt ist, sogleich zu genießen.“ Ebenso anregend wirkte auf seine Kunstliebe der Gesang der Catalani. Im Juni des Jahres 1826 erhielt St. endlich das erste Exemplar seines großen Werkes „Der Apollotempel zu Bassae in Arkadien“ (Rom 1826. Royal-Folio. 31 Kupfertafeln und 147 Seiten Text) zugeschickt. Außer einigen leider stark entstellenden Druckfehlern war die Ausstattung der Bedeutung des Inhalts angemessen. Viele Plackereien erwuchsen ihm in der Folge aus den Verhandlungen über eine beabsichtigte französische Uebersetzung des Werkes, die indessen niemals zu Stande kommen sollte. Doch erschien in Paris sogleich nach Veröffentlichung der deutschen Ausgabe die Ankündigung einer französischen in Octav, die zwar der Verbreitung von Stackelberg’s Ideen förderlich, aber dem Ertrage des Unternehmens höchst nachtheilig sein mußte. Bei der Breslauer Universität wurde gleich im folgenden Jahre eine eigene Vorlesung über dies Werk gehalten, wie es denn in der ganzen europäischen Gelehrtenwelt die größte Anerkennung einerntete, wenn auch hie und da sich Widerspruch gegen Einzelnheiten, namentlich gegen die symbolische Deutung gewisser Mythen erhob. Aber der klingende Lohn blieb aus. Obgleich St. sich entschloß, seine Arbeit dem Kaiser Nicolaus zu widmen, wurde sie nicht einmal in den gelehrten russischen Anstalten angekauft. Dagegen ernannte ihn die Berliner Akademie zu ihrem ordentlichen Mitgliede.

Glücklicher und rascher als mit diesem Hauptwerk ging es mit der Herausgabe von Stackelberg’s „Costumes et usages des peuples de la Grèce moderne, gravés d’après les dessins, executés en 1814 par Mr. le Baron de St. et publiés à Rome 1826“, wovon 1825 schon das erste Heft erschienen war und das 1831 in Berlin in deutscher Sprache herausgegeben wurde. Das Werk erschien in einem ungemein günstigen Zeitpunkt, da alle Welt sich für den eben ausgebrochenen griechischen Befreiungskampf interessirte. Auch war es wohl das einzige, welches dem Autor einigermaßen die auf die Herstellung verwandten Unkosten wieder einbrachte, obwol es trotz eines besonderen päpstlichen Privilegs bis zum Jahre 1828 fünf mal nachgedruckt wurde. Die „Trachten“ wurden ein so populäres Werk, daß St. später in einem Briefe halb ironisch schreiben konnte: „Ich habe hier (in Deutschland) bei fremden, aus Rom kommenden Damen meine neugriechischen Trachten in feinem Mosaikschmuck ausgeführt gesehen. Die höchste und letzte Huldigung empfängt in unserer Zeit die Kunst doch von der Mode. Schöneres als diesen sterblichen Lohn kann sie nicht erreichen, und selbst die komische Auszeichnung, welche ich im Museum von Karlsruhe meinen Trachten erwiesen sah, nämlich zwischen den Oelgemälden alter berühmter Meister in einer langen Reihe mit aufgehängt und aufbewahrt zu werden, gilt nicht so viel. Den schönen Arm oder Hals einer Dame zu zieren, ist schon ein herrliches Loos; was soll man aber sagen, wenn der Director einer berühmten Seifenfabrik in Dresden diese Trachten auf seine feinste, weiße Handseife abdruckt, um diese zu empfehlen. Ist das nicht eine ähnliche Ehre, als sie Goethen zu Theil ward, der Werther und Lotte auf Glas gemalt fand? Wie Glas der zerbrechlichste Stoff, so ist Seife der vergänglichste.“ Auch auf der Bühne, selbst [349] auf Maskenbällen wurden Stackelberg’s Costumes mit großer Sorgfalt nachgeahmt.

Die dritte große Publication Stackelberg’s, die „Gräber der Hellenen“, wollte dagegen lange nicht vorrücken. Obgleich die Zeichnungen schon in Rom vollendet waren, zögerte St. so lange mit Fertigstellung des Textes, daß das Buch erst 1837, in seinem Todesjahr, in Berlin erscheinen konnte. Noch im J. 1826 begann St. in Rom ein neues Werk, das eine künstliche Wiederherstellung der Throne des Amykläischen Apoll und des Olympischen Jupiter nach Pausanias Beschreibung zum Gegenstand hatte. Auch hier waren die Zeichnungen längst fertig, während die Abhandlung dazu niemals zu Stande kam und so die ganze Arbeit nicht zur Veröffentlichung gelangte. Aehnlich ging es mit der Zeichnung und Erklärung der später von Rochette publicirten bronzenen Cista, auf der das blutige Todtenopfer des Achilles dargestellt war.

Zu anderen bedeutenden archäologischen Arbeiten veranlaßten St. die im J. 1827 gefundenen etrurischen Grabkammern, die sogenannten Hypogäen von Tarquinii. In Begleitung von Kestner und einem römischen Architekten reiste er sogleich nach dem ersten Bekanntwerden der Entdeckung nach Corneto, in dessen Nähe der Fund geschehen. Vier Grabkammern, die noch völlig farbenfrische Malereien zierten, waren bereits aufgedeckt, selbst gruben St. und seine Gefährten eine fünfte auf, die an Erhaltung der Farben alle anderen übertraf. In 17 Tagen brachte St. in den feuchten Gräbern bei Kerzenlicht in unbequemster Stellung den ganzen Tag verharrend 225 menschliche Figuren zu Papier, außerdem eine Menge Thiere, Ornamente und Reliefs, auch nahm er eine genaue Ausmessung aller Theile vor. Nachdem die Arbeit an Ort und Stelle beendet war, machte sich St. in Rom daran, die Zeichnungen ins Reine zu bringen und zu coloriren, die darauf sogleich zum Stich auf 35 Kupferplatten nach München gesandt wurden, als artistischer Theil eines neu herauszugebenden Werkes „Wandgemälde aus den Hypogäen von Tarquinii“. Die Cornetonischen Entdeckungen erregten in Deutschland das größte Aufsehen. Mit Ungeduld erwartete man das verheißene Werk. Zunächst aber sahen sich St. und Kestner infolge des Gräberfundes in allerlei Intriguen verwickelt. Der französische Archäologe Raoul Rochette wollte dem von St. begonnenen Werk den Vorrang abgewinnen und eilte nach Corneto. Da die römische Regierung ihm das Zeichnen in den Grabkammern nicht erlaubte, suchte Rochette sich auf litterarischem Wege durch Verläumdungen aller Art an St. zu rächen. Dieser vertheidigte sich durch eine launige Broschüre, die er „quelques mots sur une diatribe anonyme“ nannte, und in der er die Anmaßung des französischen Gelehrten mit ebenso viel feinem Witz wie fachlicher Gelehrsamkeit geißelte. Goethe, der in diesem Federkriege ganz orientirt war, nannte Stackelberg’s Broschüre „ein wahres Meisterstück“ und die vorstehende parodische Vignette (Eos-Pheme und Kephalos-Rochette) „ein täuschend im Stil antiker Vasengemälde erfundenes Motiv“. Leider scheiterte die Druckausgabe der Tafeln theils an einer allzugroßen Verzögerung des Textes, theils daran, daß eine Einigung mit den Verlegern (zuerst Cotta, dann Reimer) wegen der Kosten nicht erzielt werden konnte. Leider sind die Zeichnungen verloren gegangen. In dem Andenken der begeisterten Cornetaner leben die Namen der beiden Kunstfreunde noch fort. Zwei Gräber werden noch heute als Grotta del Barone Stackelberg und Grotta del Barone e Ministro di Kestner bezeichnet.

Fast vollendet hat St. noch in Rom seine „Griechischen Ansichten“, die 1834 in Paris Unter dem Titel: „La Grèce. Vues pittoresques et topographiques“ erschienen. Sie bildeten die Ausbeute seiner im J. 1814 mit so vielen Mühen und Gefahren ausgeführten Reise. Und noch ein eigenthümliches Opus beschäftigte St. in den Tagen seines zweiten Aufenthalts in Rom. Es war dies [350] ein mythologisches Gedicht „Albunea“, von dem er selbst im J. 1818 äußerte: „Es ist hier noch etwas Neues aus meiner Feder entstanden, was den Gelehrten einen unerwarteten Aufschluß geben wird, die in dem Schatz des Schönen aus der vergangenen Welt herumsuchen und dabei oft den Wald vor Bäumen nicht sehen, besonders aber die lieblichsten Dichtungen verdorren lassen und aus den frischen Blumen der Mythologie ein Herbarium sammeln. Es ist dies ein Werk in gebundener Rede, ein episch-archäologisches Gedicht. Ganz geeignet zum Geheimniß, werde ich es wahrscheinlich zuerst anonym erscheinen lassen. Schon ist das Ganze beisammen und vollendet bis auf die Feile, die man nicht unterlassen darf, um sich selbst damit zu befriedigen.“ Leider ist die „Albunea“ trotz Jahre lang fortgesetzter Feile nie zur Veröffentlichung gelangt.

Wenn Zersplitterung der Kräfte und Scheu vor anhaltender geordneter Thätigkeit manches mit Eifer begonnene Unternehmen nicht reifen ließen, so war es doch besonders die wankende Gesundheit, die St. an der Ausführung vieler seiner Entwürfe hinderte. Nach seinem Asthma-Anfall in Neapel hätte St. sich mehr schonen müssen, als ihm erträglich war; die Arbeiten in Tarquinii waren vollends dazu geeignet, seine angegriffene Gesundheit zu erschüttern. Als er von ihnen nach Rom zurückkehrte, befiel ihn abermals das Asthma, das anfänglich rasch gehoben, wiederkehrte und lange Zeit seinen Plan, endlich in die nordische Heimath zu reisen, verhinderte. Zum Brustleiden, daß nach drei Monaten leidlich geheilt war, kam die Ruhr, die ihn derart mitnahm, daß er in lang andauernde nervöse Schwäche verfiel. Im April 1828 war er so weit hergestellt, daß er mit Kestner und dem eben in Rom wieder eingetroffenen Gerhard einen Ausflug durch Etrurien, Umbrien und das Sabinerland unternehmen konnte. Mit Verpackung seiner Kunstschätze vergingen noch ein paar Monate, wobei Thorwaldsen getreue Hülfe leistete. „Es ist nicht leicht“, schreibt er, „sich von einem Orte loszureißen, wo man seit zwölf Jahren mit allen seinen geistigen Interessen Wurzel gefaßt hat, wo selbst die Sprache des Landes mit ihren wohllautenden Klängen uns geläufiger geworden ist, als die früh erlernte der Kindheit … Wird der trübe Himmel des Nordens mir jemals erträglich werden? … Wer weiß, wie meine Kunstwerke noch in das Vaterland gelangen, und ob mir der Genuß wird, mein kleines Museum dort aufgestellt zu sehen. Und doch mag ich es nirgends anders wissen, als in der Nähe der Meinen, zu ihrer und meiner Landsleute Freude und Nutzen. Ein Andenken an mich, wenn dieses Daseins Ende erreicht ist. Soll denn aber mein Leben immer nur ein Reisen sein? Nirgend sich ein Hafen, ein ganz befriedigender Ruheort finden, bis zu jenem von mir oft im Sinn erwogenen, der keinem fehlen kann. Und selbst für jenen Ort ist es mir nicht gleichgültig, in welchem Lande er mir wird. Am liebsten dort, wo ich geboren bin!“

Im August 1828 verließ St. Rom und Italien auf immer. Zunächst wandte er sich nach Paris, wo die Ausgabe seiner Vues pittoresques, zu der der König 20 000 Francs beisteuerte, gefördert wurde. Von hier folgte er einer Einladung seines Freundes Cockerell nach London. In beiden Städten versuchte St., wiewohl vergeblich, Verleger für seine noch ungedruckten Arbeiten zu finden. Aus England, wo er wie in Paris viele berühmte Persönlichkeiten kennen lernte, ging er nach Frankfurt a. M. Hier hielt er sich drei Tage auf, mit der Herstellung seiner Karte von Griechenland beschäftigt. Darauf wandte er sich nach Göttingen, wo er viele von den Professoren, deren Vorlesungen er besucht hatte, noch vorfand. Den ehrenvollen Antrag, eine Professur an der Georgia Augusta zu übernehmen, schlug er aus, weil seine Künstlernatur davor zurückscheute, sich in akademische Fesseln schlagen zu lassen. Von hier eilte er nach Weimar, um Goethe kennen zu lernen, dessen Dichtungen ihn auf seinen Reisen begleitet hatten, [351] dessen Schriften von ihm und seinen Freunden sofort nach ihrem Erscheinen mit Begeisterung gelesen wurden. St. war auf das freudigste überrascht durch die Freundlichkeit, mit der Goethe ihm entgegenkam und ihn fünf Tage als täglichen Gast und Tischgenossen festhielt. Jeden Morgen trat er schon um 10 Uhr in Goethe’s Studirstube, blieb bei ihm zum Frühstück, Mittag- und Abendessen, und jeden Abend, wenn er Abschied nahm, hörte er das ermunternde Wort: „Nicht wahr, Sie bleiben noch?“ Zeichnungen, Kupferstiche und Antikensammlung wurden angeschaut, über den Phigalischen Fries und über Creuzer’s neueste Ansichten der Mythologie discutirt. Mit Goethe allein oder in Gesellschaft von dessen liebenswürdiger Schwiegertochter wurde nach Belvedere hinausgefahren, wurden Schlösser und Gärten besucht, belebte Stunden bei Hofe und im Gartenhause an der Ilm verbracht. In dieser Zeit hielt sich der Dichter am liebsten in dem kleinen Landhause am Parke auf, wo er selbst die Malven im Garten pflanzte. „So schlicht und einfach ist Goethe in seinen Reden“, schreibt St. an Kestner, „so ungekünstelt und ungewählt sind seine Worte, und immer treffend. Er hat die Natursprache in seinem Besitz. Es war eine Lust, ihn mit Kindern, die immer ab und zu bei ihm vorkamen, sprechen zu hören, denn er hat eine rührende Art, sich mit ihnen zu unterhalten, spricht dann in ihrem Sinne; darum sie auch an ihm hängen und ganz vertraut mit ihm sind. Ich möchte nicht aufhören, von ihm zu reden, so hat er mich bezaubert.“ Beim Abschiede wechselten sie Gastgeschenke. Goethe gab ihm vier Medaillen mit seinem Bildniß und die Zeichnung einiger antiken Fragmente. St. verehrte ihm seine schöne Zeichnung von Taormina und ein Blatt aus den „Trachten“. „Sie haben erreicht, wonach ich gestrebt,“ sagte Goethe bei ihrem Anblick. In einem Briefe an Professor Göttling vom 22. August 1829 bemerkte Goethe: „Ich habe Ihnen die Unterhaltung mit Herrn Baron von Stackelberg von Herzen gegönnt, da sie mir so viel Vergnügen und Belehrung gewährt.“

Unter dem Eindruck dieser unvergeßlichen Tage reiste St. nach Jena, um seine römischen Freunde Göttling und Huschke aufzusuchen, ward dann in Leipzig von einem großen Kreise von Gelehrten mit großer Auszeichnung empfangen und traf in Dresden die von Rom her befreundeten Familien des Gesandten v. Reden und des Grafen Baudissin.

In Dresden verweilte St. in einem geistig bewegten Kreise, besonders gern im Hause L. Tieck’s, aber auch bei Hofe, wo er die Prinzen Friedrich August und Johann kennen lernte, die ihm den Ausruf entlockten: „In der Nähe so unterrichteter und liebenswürdiger Männer wünschte ich zu bleiben.“ Nach Vollendung der berühmten Dante-Uebersetzung übersandte ihm Prinz Johann ein Exemplar des Werkes. Am sächsischen Hofe wurde er auch dem Kronprinzen von Preußen vorgestellt, der ihn nach Berlin zu kommen aufforderte und ihm das neueröffnete Museum zeigen wollte. In Dresden bot sich St. die Gelegenheit dar, ein seinen Kenntnissen und Neigungen entsprechendes Amt anzutreten. Er wurde aufgefordert, die Oberverwaltung aller sächsischen Kunstschätze und insbesondere des Antikencabinets zu übernehmen. Dieses Anerbieten lehnte er aber ebenso entschlossen ab, wie früher die Göttinger Professur und später das Directorat am Berliner Museum.

Als St. im Juli 1830 nach Berlin kam, wurde er mit großer Zuvorkommenheit von Rauch aufgenommen, der ihm zu Ehren sämmtliche Berliner Künstler versammelte. Schinkel’s Architektur des neueröffneten Museums hatte Stackelberg’s Erwartungen nicht entsprochen und die Antikensammlung ihn kalt gelassen. Theils schien ihm das Alte überschabt und verfälscht, theils nicht bedeutend genug. Einige vorzügliche Bruchstücke fand er in Tegel bei Wilhelm [352] v. Humboldt, den betenden Knaben ausgenommen, überwogen sie seiner Ansicht nach Alles, was er in Berlin gesehen. So vergingen zwölf Tage.

Auf einer Reise nach Holstein zog sich St. eine Halsentzündung zu, die, als er nach Dresden zurückkehrte, sich steigerte. Es entstand eine langwierige Krankheit, die ihn Monate lang an das Zimmer bannte. Endlich war er so weit genesen, daß er im Sommer 1831 eine Kur in Teplitz mit Erfolg durchmachen und dann eine Reise nach Süddeutschland unternehmen konnte. In Heidelberg wurde er mit Enthusiasmus aufgenommen und ihm wiederum eine Professur angeboten. Den Winter brachte St. in Mannheim zu im Kreise geistreicher Männer und Frauen, die sich am Hofe der dort residirenden Großherzogin Stephanie von Baden versammelten. Um endlich ungestört an seinen Werken weiter arbeiten zu können, zog er sich im Sommer 1832 nach Heidelberg zurück. Damals wurde er von der königlich dänischen Gesellschaft für nordische Alterthumskunde zum ordentlichen Mitgliede ernannt, ebenso von der kurländischen Gesellschaft für Litteratur und Kunst in Mitau. Das ganze übrige russische Reich aber kümmerte sich um ihn so gut wie garnicht. Weder wurden seine Werke gekauft, noch ihm irgend welche Ehren bereitet.

Während eines zweiten Winteraufenthalts in Mannheim wurde St. von einem Nervenschlage getroffen, von dem er sich sehr langsam erholte. Kaum hatte er aber in Dresden seine Arbeiten wieder aufgenommen, wiederholten sich die Anwandlungen von Nervenlähmung. Am 18. April 1834 erfolgte ein zweiter Schlaganfall. Seit diesem Tage war seine geistige Kraft gebrochen, das Gedächtniß geschwächt, die Sprache eine Zeit lang schwer und unverständlich. Dennoch dachte er daran, seine Arbeiten zu vollenden. Als Kaiser Nicolaus 1835 allen seinen Unterthanen befahl, nach Rußland zurückzukehren, reiste auch St. in Begleitung eines zuverlässigen Dieners über Hamburg zunächst nach Riga, von dort nach Lilienbach bei Narva, wo sein Bruder Karl ein glückliches Familienleben führte. Theils hier, theils bei seinem Neffen, dem General v. Meyendorff in Petersburg, verbrachte er die letzten Tage seines Lebens. Auf seine geliebten Studien mußte er ganz verzichten. In Petersburg beschloß St. am 27. März 1837 sein vielbewegtes Leben. Seine Leiche wurde nach Estland gebracht und neben der heißgeliebten Mutter zur Ruhe bestattet. Von seinen Sammlungen, die größtentheils in Dresden zurückgeblieben waren, gingen werthvolle Stücke in den Besitz der sächsischen Regierung über, so die Amazone von Salamis, andere wurden an verschiedene Kunstfreunde verkauft, die meisten Handzeichnungen zu seinen Werken werden jetzt noch auf dem Stackelberg’schen Familiengute Faehna aufbewahrt.

St. war eine weiche, mehr aufnehmende, als schöpferische Natur. Die Vorurtheile seines Standes, die im damaligen Estland besonders kräftig wucherten, hatte er bis zu einem gewissen Grade überwunden. Allein seine Scheu vor regelmäßiger geordneter Thätigkeit als Beamter oder Professor läßt sich wohl auch aus seiner aristokratischen, vielfach in den Zerstreuungen der Gesellschaft aufgehenden Lebensweise erklären. Daß er nicht als Lehrer der akademischen Jugend wirken wollte, war um so mehr zu bedauern, als von seinen Zeitgenossen besonders seine Gabe, über Kunst und Künstler belehrend zu sprechen, oft seine Zuhörer geradezu hinzureißen, gerühmt wird. Die Reinheit seines griechischen Kunstgefühls war erstaunlich und übertraf bei weitem seine Gelehrsamkeit, die bei mangelhafter Grundlage nie zur für ihn selbst gewünschten Reife gedieh. Sein genialer Dilettantismus und seine künstlerischen Zeichnungen haben aber für die Welt der Alten in weiteren Kreisen gewirkt, als viele echt schulgemäße Abhandlungen. Seine gelehrten Freunde gedachten bei der Nachricht dankbar der vielseitigen Anregung, die er ihnen gegeben und setzten ihm als Grabschrift [353] die Worte: „Ein Kind des Nordens, durch mühvolle Wanderlust heimisch in Hellas und Rom, hat er in Werken, vom Genius Roms gepflegt, die Kunst der Griechen, jenen Glücklichen geistesverwandt, neu darzustellen und zu erklären vermocht. Früh erblüht, schön gereift, rasch gewelkt, der Seinigen Stolz, seinen Freunden unvergeßlich, liegt er bestattet in vaterländischer Erde. Gottes ewiges Licht, das er im Wahren und Schönen hienieden suchte, möge jenseits ihm leuchten!“

Vgl. Ed. Gerhard, Hyperboreisch-römische Studien für Archäologie. 2. Theil. Berlin 1852, S. 298 ff. – C. Hoheisel, Otto Magnus Freiherr v. Stackelberg als Mensch, Künstler und Gelehrter in der „Baltischen Monatsschrift“ VIII, 385–442, 475–535. – N. v. Stackelberg, Otto Magnus v. Stackelberg. Schilderung seines Lebens und seiner Reisen mit einer Vorrede von Kuno Fischer. Heidelberg 1882.