ADB:Stattler, Benedict
Karl Theodor vom 7. April 1779 (Acta hist.-eccl. n. temp. 7, 50, 269) in der von dem Bischof von Eichstädt dazu eingeräumten Kirche St. Sebastian den zu Ingolstadt „anderen Religionen zugethanen (protestantischen) Kriegsknechten zum christlichen Lebenswandel in guten Sitten gedeihliche Exhortationen zu halten“. 1775 ernannte ihn der Bischof von Eichstädt als Kanzler der Universität auch zum Prokanzler. Der Kurfürst [499] bestritt anfangs dem Bischof das Recht, einseitig den Prokanzler zu ernennen, erkannte aber schließlich die Ernennung an.
Stattler: Benedict St., katholischer Theologe, geboren am 30. Januar 1728 zu Kötzting im bairischen Walde, † am 21. August 1797 zu München. Nachdem er die Gymnasialstudien bei den Benedictinern zu Niederaltaich und bei den Jesuiten zu München absolvirt hatte, trat er am 17. September 1745 zu Landsberg am Lech in den Jesuitenorden, machte nach Beendigung des zweijährigen Noviziates 1747–54 seine philosophischen und theologischen Studien zu Innsbruck, wurde dann vier Jahre als Lehrer an den Gymnasien zu Straubing, Landshut und Neuburg an der Donau beschäftigt, 1759 zum Priester geweiht und legte am 2. Februar 1763 die feierlichen Ordensgelübde ab. Er docirte dann sechs Jahre Philosophie und Theologie zu Solothurn und Innsbruck, und wurde 1770 Doctor der Theologie und zweiter, nach dem Abgange G. Urban’s 1773 erster Professor der Dogmatik an der Universität zu Ingolstadt; er behielt diese Professur auch nach der Aufhebung des Jesuitenordens (1773) bis 1781. 1775 wurde er auch Pfarrer von St. Moriz und hatte als solcher nach einer Verordnung des KurfürstenSt. war ohne Zweifel einer der hervorragendsten Professoren, jedenfalls der bedeutendste unter den Theologen, die damals in Ingolstadt lehrten. Er war sich aber seiner Ueberlegenheit über die meisten seiner Collegen wohl bewußt, dabei rechthaberisch und herrisch und gerieth darum in viele Streitigkeiten auch mit anderen Mitgliedern der theologischen Facultät, in der er nach 1773 der einzige Exjesuit war, während die übrigen aus anderen Orden oder Weltgeistliche waren. Die Streitigkeiten wurden zum Theil durch persönliche Reibungen veranlaßt, namentlich aber durch die neuen Studienpläne für die theologische Facultät, die im Auftrage des Kurfürsten 1773 von J. A. v. Ickstatt (A. D. B. XIII, 741) und 1776 von Heinrich Braun (A. D. B. III, 266) ausgearbeitet wurden. Der Streit darüber kam durch Einsendungen in Schlözer’s Briefwechsel (Band 9 und 10) und durch Broschüren auch in die Oeffentlichkeit. (Ueber den Streit mit W. Frölich s. u.) –
Als der Kurfürst Karl Theodor 1781 beschloß, im Interesse des Adels und namentlich seiner unehelichen Söhne eine bairische Zunge des Malteserordens zu stiften und aus Kirchengütern zu dotiren (A. D. B. XV, 254), war anfangs im Plane, die 78 bairischen Stifter zur jährlichen Zahlung einer Summe von 150,000 Gulden zu verpflichten, und es wurde auch ein päpstliches Breve vom 15. Juni 1781 erwirkt, welches diese Besteuerung der Klöster gestattete. Die Prälaten schlugen aber vor, die früheren Jesuitengüter, deren Werth auf sechs Millionen geschätzt wurde, den Maltesern zu überweisen, und erboten sich, die Lehrstellen an der Universität Ingolstadt und an den Lyceen und Gymnasien, deren Inhaber ihre Besoldung aus dem Jesuitenfonds erhielten, durch Professoren aus ihren Klöstern versehen zu lassen. Dieser Plan, den Heinrich Braun zuerst angeregt haben soll, wurde in einer Denkschrift des Propstes Franz Töpsl von Polling entwickelt, von St. in einer längeren Eingabe an die Regierung vom 7. August 1781 bekämpft, die voll scharfer Bemerkungen über die Mönche ist (abgedruckt in Schlözer’s Staatsanz. II, 179). Er kam aber zur Ausführung und am 14. December 1781 wurden die Jesuitengüter den Maltesern überwiesen. Infolge davon wurden die Exjesuiten und Weltgeistlichen, die in Ingolstadt Professuren hatten, durch Ordensgeistliche ersetzt, St. durch seinen Gegner W. Frölich. St. wurde zum Stadtpfarter in Kemnath in der Diöcese Regensburg ernannt (er mußte vorher die Pfarrbefähigungsprüfung machen).
Nach einigen Jahren verzichtete St. auf die Pfarrei und zog nach München. Hier wurde er 1790 zum frequentirenden (wirklichen) Geistlichen und Censurrathe ernannt, also zum Collegen seines früheren Gegners H. Braun, der jedoch schon 1792 starb. Er war nun einige Jahre eine einflußreiche Persönlichkeit. Er soll als Censurrath eine Weisung an die Münchener Buchhändler, Kantische Schriften nicht zu verkaufen, erlassen, Schriften von Kantianern, wie Seb. Mutschelle, die Druckerlaubniß verweigert (s. u.), sogar seinem Schüler Sailer für die „Vernunftlehre“ die Approbation erst nach längerem Zögern ertheilt, auch das Verbot der Oberdeutschen Litteraturzeitung betrieben haben. Er verfaßte auch „auf allerhöchsten kurfürstlichen Befehl“ Religionshandbücher für Schulen (s. u.) und zwei Katechismen. Infolge seines Conflictes mit der römischen Curie wurde er im December 1794 genöthigt, abzudanken (s. u.). Er lebte nun noch einige Jahre ohne Anstellung. Er starb an einem Schlagflusse. In seinem Testamente hatte er bestimmt, man solle keinen feierlichen Leichengottesdienst halten, sondern nur vier Messen für ihn lesen; sein nicht unbedeutendes Vermögen vermachte er, einige Legate für Dienstboten abgerechnet, zu Schul- und Armenzwecken.
[500] Unmittelbar nach der Aufhebung des Jesuitenordens, im Herbst 1773 veröffentlichte St. anonym und mit dem falschen Druckort „Berlin und Breslau“ eine merkwürdige Schrift von 30 Quartseiten unter dem Titel „Amica Defensio Societatis Jesu“ (auch deutsch „Freundschaftliche Vertheidigung der Gesellschaft Jesu“; sie steht nicht in den Verzeichnissen seiner Schriften bei Baader, de Backer u. a., wird aber von Sailer erwähnt). Er entwickelt darin die Gedanken: dem Papste sei durch das Lateranconcil von 1215 das ausschließliche Recht übertragen worden, religiöse Orden zu approbiren, aber nicht auch, approbirte Orden aufzuheben; bei der Approbation eines Ordens sei er unfehlbar, nicht auch bei der Aufhebung eines Ordens; der Papst hätte den Jesuitenorden nicht aufheben können ohne Zustimmung der Bischöfe und der katholischen Fürsten; Clemens XIV. habe aber nicht einmal das Cardinalscollegium befragt, sondern nur fünf den Jesuiten übelwollende Cardinäle, von denen er vier erst kurz zuvor, wohl eigens zu diesem Zwecke, ernannt habe; die in dem Breve den Jesuiten gemachten Vorwürfe seien größtentheils unbegründet, und so weit sie begründet seien, träfen sie nicht den ganzen Orden, namentlich nicht die Jesuiten in Deutschland, Polen und dem größten Theile von Italien; die Bischöfe, die den Orden für nützlich hielten, hätten die amtliche Pflicht, mit dem h. Paulus den irrenden Kephas auf das gegebene Aergerniß hinzuweisen, und seien durch die Pflicht des Gehorsams gegen den Papst nicht zur Ausführung des ungerechten Urtheils verpflichtet. (Aehnliche Deductionen erschienen damals von anderen Exjesuiten; es erfolgten mehrere Entgegnungen gegen St., u. a. eine von H. Braun, „Von der Macht des Römischen Stuhles in Ansehung der Reguler-Orden“, 1774.) Da die Bischöfe nicht für den Orden eintraten, sah St. seine Aufhebung als eine vollendete Thatsache an. Zu den Exjesuiten in Weißrußland und in Augsburg, die ein thatsächliches Fortbestehen des Ordens anstrebten, stand er in keinen Beziehungen, wenn H. Braun (in Schlözer’s Briefw. IX, 21) noch 1779 St. zu den Exjesuiten zählt, die das Project, die erloschene Societät so viel als möglich wieder aufleben zu machen, noch nicht aufgegeben hätten, so beruht das auf der Mißdeutung einer Stelle, an der St. nur sagt, er halte es für rathsam, daß die Candidaten des geistlichen Standes in Seminarien in ähnlicher Weise, wie das bei den Jesuiten Sitte gewesen, erzogen und erst mit dreißig Jahren geweiht würden, daß alle Weltgeistlichen einer Stadt oder einer Kirche unter einem Obern eine Art Ordensleben führten u. s. w. Er entwickelte 1791 diesen Gedanken ausführlich in einer besonderen anonymen Schrift: „Wahre und allein hinreichende Reformationsart des kath. Priesterstandes“, und es waren gerade die Augsburger Exjesuiten, welche diese Schrift heftig angriffen. Auch in seiner schriftstellerischen Thätigkeit schlug St. Wege ein, die sich sehr weit von den von den echten Jesuiten vertretenen Anschauungen entfernten.
St. begann seine schriftstellerische Thätigkeit mit einigen naturwissenschaftlichen Schriften: „Tractatio cosmologica de viribus et natura corporum“ (1763); „Mineralogiae et metallurgicae principia physica“ (1765); „Mineralogia specialis“ (1766). Für das zweite Werk erhielt er 1768 von Wien aus einen Preis. 1771 wurde eine lateinische Abhandlung von ihm über Hydrostatik von der Münchener Akademie mit einem Preise von 25 Ducaten gekrönt (sie ist im 9. Bande der Abhandlungen abgedruckt). 1773 wurde er zum Mitgliede der Akademie erwählt. Als Professor in Ingolstadt veröffentlichte St. zunächst seine „Philosophia methodo scientiis propria explanata“, in 8 Theilen, 1770–1772; („Compendium philosophiae, vol. I. complectens quinque primas partes“, 1773), dann eine vollständige Darstellung der systematischen Theologie: „Demonstratio evangelica“ (1770); „Demonstratio catholica“ (1775, die dritte Section wurde erst 1781 beigefügt); „De locis theologicis“ (1775); „Theologia christiana [501] theoretica“ (6 Bde. 1776–80); „Ethica christiana universalis“ (1772 und 1793); „Ethica christiana communis“ (3 Theile, 1772–89 und 1791 bis 1802). Außerdem schrieb er in Ingolstadt einige theologische Dissertationen, ferner „Epistola paraenetica ad V. Cl. C. Fr. Bahrdt ex occasione professionis fidei ab ipso ad Caesarem missae“ (A. D. B. I. 772), 1780, und einige andere Streitschriften (s. u.).
St. legt selbst großen Werth auf seine Philosophie und seine philosophische Behandlung der Dogmatik im Gegensatze zu der hergebrachten Scholastik. Seine Philosophie ist aber im wesentlichen „ein eklektisch-empiristischer Dogmatismus, die Wolff’sche Vernunftwissenschaft, versetzt mit Elementen der Locke’schen Erkenntnißtheorie und einigen Elementen der traditionellen Doctrinen der älteren Schulen“ (Werner, Gesch. der kathol. Theologie S. 176).
In der positiven Dogmatik schließt sich St. im wesentlichen an die Scholastik der Jesuiten an. Aber „an die Stelle des alten Kampfes zwischen Katholicismus und Protestantismus tritt bei ihm der Kampf für den christlichen Glauben wider das Freidenkerthum und wider den offenbarungsfeindlichen Unglauben, und die Polemik gegen den Protestantismus wird nur nach jener Seite weiter geführt, nach welcher derselbe innerhalb des theologischen Gebietes den Tendenzen des Freidenkerthums entgegenzukommen schien“ (Werner S. 234). In dem, was er über den Papst vorträgt, schließt er sich in mehrfacher Beziehung an die gallicanische Lehre an. Die bei den Jesuiten geltende Lehre von der Unfehlbarkeit der Cathedralentscheidungen des Papstes modificirt er in sonderbarer Weise so, daß er sagt, sie seien unfehlbar, wenn sie wenigstens von einigen Bischöfen öffentlich als Glaubensregel angenommen würden. Die Superiorität des allgemeinen Concils über den Papst bestreitet er in der bei den Jesuiten hergebrachten Weise. Sehr entschieden lehrt er aber: die Bischöfe hätten ihre Jurisdiction unmittelbar von Gott, nicht vom Papste; dieser habe als Primas eine Jurisdiction über alle Bischöfe, darum auch eine mittelbare, aber keine unmittelbare und ordentliche Jurisdiction über die Gläubigen anderer Diöcesen als der seinigen (der Stadt Rom); er dürfe nur im Nothfalle in die Verwaltung anderer Diöcesen eingreifen. Daraus zog er die Consequenz, die Privilegien und Exemtionen der Orden, insbesondere die Ermächtigung der Ordensgeistlichen durch den Papst, auch ohne Ermächtigung der betreffenden Bischöfe überall Beichte zu hören, seien vom Uebel; und als man ihn darauf aufmerksam machte, daß die Jesuiten sich dieselben und noch weiter gehende Privilegien vom Papste erwirkt hätten, war er consequent genug, auch dieses zu tadeln. Auch in seinen Darlegungen über das Verhältniß von Kirche und Staat entfernte er sich sehr weit von den jesuitischen und curialistischen Ansichten: die Fürsten, lehrt er, seien bezüglich ihrer rein politischen Gewalt vom Papste nicht abhängig; die Immunität der Geistlichen beruhe nicht auf göttlichem Rechte, sondern auf einer Concession der Fürsten; dem katholischen Fürsten stehe das Placet zu; der Fürst könne Bedingungen für die Gültigkeit der Eheabschließung und trennende Ehehindernisse aufstellen, und die Kirche könne eine nach staatlichem Rechte ungültige Ehe nicht für gültig erklären.
St. war naiv genug, zu glauben, seine Darstellung der Autorität der Kirche und des Papstes in Verbindung mit seinen, wie er meinte, mit unwiderleglicher Logik geführten Beweisen für die Richtigkeit des Princips des Katholicismus sei geeignet, die Wiedervereinigung der Protestanten mit der katholischen Kirche zu erleichtern. Diese lag ihm sehr am Herzen. Er veröffentlichte darüber später zwei deutsche Schriften: „Wahres Jerusalem oder über religiöse Macht und Toleranz in jedem und besonders im katholischen Christenthum, aus Anlaß des Mendelssohn’schen Jerusalem (A. D. B. XXI, 322) und einiger Gegenschriften. [502] Nebst einem Nachtrag an Hrn. Nicolai in Berlin“, 1787, und „Plan zu der allein möglichen Vereinigung im Glauben der Protestanten mit der katholischen Kirche und von den Grenzen dieser Möglichkeit“, 1791 (Werner S. 228). Wenn St. mit seinen Wiedervereinigungsprojecten bei den Protestanten keine günstige Aufnahme finden konnte, so erregte er auf der anderen Seite mit manchen darin vorgetragenen Sätzen bei seinen katholischen Gegnern Anstoß. Es sei möglich, sagte er u. a., daß auch gelehrte Akatholiken bezüglich des Dogmas von der der Kirche und ihren Vorstehern von Christus übertragenen Gewalt, mit Unfehlbarkeit Glaubenssätze zu entscheiden, ohne Schuld irrten; darum könne kein gelehrter Katholik mit gutem Grunde Akatholiken bloß darum die Hoffnung der Seligkeit absprechen, weil sie die Unfehlbarkeit der Kirche in Glaubenssätzen nicht anerkännten. Unter den jetzt lebenden gebildeten Katholiken würden nur wenige die Praxis, das Predigen irriger Lehren mit Eisen und Feuer zu bestrafen, billigen. Es sei ganz in der Ordnung, daß durch deutsche Reichsgesetze verboten sei, die Protestanten Ketzer zu nennen u. s. w.
Nach seiner Entlassung von Ingolstadt schrieb St. – abgesehen von einem Erbauungsbuche „Liber psalmorum christianus“ (1789) – nur noch deutsche Bücher. Aber wenn er ein leidlich gutes Latein schrieb, so sind seine deutschen Bücher nicht nur unerträglich breit, sondern auch in einem entsetzlich holperigen Stile geschrieben. An seine lateinischen Schriften schließen sich an „Vollständige christliche Sittenlehre für den gesammten christlichen Haus- oder Familienstand“, 2 Bände, (1789, 91); „Allgemeine katholisch-christliche Sittenlehre oder wahre Glückseligkeitslehre“, 2 Bände, 1791; „Allgemeine katholisch-christliche theoretische Religionslehre“, (2 Bände, 1793. Die beiden letzten Bücher sind im Auftrage der Regierung „für die obersten Classen der Lyceen“ geschrieben (von der Sittenlehre erschienen 1791 auch ein erster Auszug für die oberen und ein zweiter Auszug für die unteren Classen der Gymnasien). Sie sind, nicht bloß ihres Umfanges wegen, für ihren Zweck so ungeeignet wie möglich und beweisen, daß St. für eine populäre Darstellung der katholischen Glaubens- und Sittenlehre gar keinen Beruf hatte. Die „Sittenlehre“ verwickelte St. in eine litterarische Fehde, die nicht rühmlich für ihn ausging. Er hatte darin, wie früher in der Ethica communis nach dem Vorgange älterer Casuisten aus dem Jesuitenorden gelehrt, daß man einer schweren Realinjurie, z. B. einem Stockstreiche oder einer Ohrfeige, wenn es nicht anders möglich sei, durch Tödtung des Beleidigers zuvorkommen dürfe, wiewohl die christliche Liebe rathe, sich dieser Nothwehr zu entschlagen; schweren Verleumdungen dürfe man zwar nicht insgemein, aber doch in gewissen Fällen durch Tödtung des Verleumders zuvorkommen. Diese Stelle wurde mit Recht in der Oberdeutschen Litteraturzeitung gerügt. St. veröffentlichte darauf 1791 eine „Abgedrungene Nothwere für meine Lehre von der Notwehre … gegen den Angriff des hinter der Wand verborgenen Recensenten der Salzburger Litteraturzeitung“, die zwar in sehr scharfem Tone geschrieben ist, ihn aber in keiner Weise rechtfertigt, auch nicht durch die Hervorhebung der Thatsache, daß der Theatiner Diana, ein Casuist des 17. Jahrhunderts, vierzig Theologen für die angefochtene Lehre citire.
1788 erschien von St. ein zweibändiges Werk gegen die Kantische Philosophie unter dem Titel „Anti-Kant“, dazu noch in demselben Jahre ein Anhang, eine „Widerlegung der Kantischen Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“, 1789 zwei Streitschriften gegen Recensenten des Werkes und 1791 ein Auszug daraus: „Der Anti-Kant im Kurzen“ (Widerlegung von Joh. Schulz) und „Kurzer Entwurf der unausstehlichen Ungereimtheiten der Kantischen Philosophie sammt dem Seichtdenken so mancher gutmüthiger Hochschätzer derselben, hell aufgedeckt für jeden gesunden Menschenverstand und noch mehr für jeden, auch [503] nur ersten Anfänger im ordentlichen Selbstdenken.“ Als Joseph Weber, Sailer’s Freund und College in Dillingen, 1793 seinen „Versuch, die harten Urtheile über die Kantische Philosophie zu mildern,“ veröffentlichte und Maternus Reuß zu Würzburg seiner 1789 erschienenen Schrift „Soll man auf katholischen Universitäten Kant’s Philosophie erklären?“ einige lateinische philosophische Compendien im Kant’schen Sinne folgen ließ (A. D. B. XXVIII, 313), schrieb St. „Meine noch immer feste Ueberzeugung von dem vollen Ungrunde der Kantischen Philosophie und von dem aus ihrer Aufnahme in die christlichen Schulen unfehlbar entstehenden äußersten Schaden für Moral und Religion; gegen zween neue Vertheidiger ihrer Gründlichkeit und Unschuld“, und „Wahres Verhältniß der Kantischen Philosophie zur christlichen Religion und Moral“, beide 1794. Im Jahre 1795 veröffentlichte Seb. Mutschelle zu Freising, gleich St. ein Exjesuit (A. D. B. XXIII, 115), anonym „Kritische Beiträge zur Metaphysik in einer Prüfung der Stattlerischen antikantischen“. St. antwortete sofort in der „Kritik der kritischen Beiträge … Vom Anti-Kant“, 1795, und ließ 1796 noch folgen „Fernere Behauptung der Kritik … gegen den einseitigen Recensenten in der Oberd. Allg. Litt.-Ztg.“ (Ueber Stattler’s Kritik der Kantischen Philosophie s. Werner S. 282.)
In Ingolstadt war Adam Weishaupt Stattler’s Gegner gewesen. Es ist darum erklärlich, daß sich St. auch an der Polemik gegen die Illuminaten betheiligte. Er schrieb 1787 anonym „Das Geheimniß der Bosheit des Stifters des Illuminatismus, zur Warnung der Unvorsichtigen hell aufgedeckt von einem seiner alten Kenner und Freunde.“ – Nach dem Ausbruch der französischen Revolution veröffentlichte St. „Unsinn der französischen Freiheitsphilosophie im Entwurfe ihrer neuen Constitutionen, zur Warnung und Belehrung deutscher französelnder Philosophen in das helle Licht gestellt“, 1791, und anonym „Unverschämte Heuchelei der Revolutionsbischöfe in Frankreich in der von ihnen verfaßten, von einem deutschen Uebersetzer B. S. hoch empfohlenen und zu Salzburg 1792 verlegten Harmonie der wahren Grundsätze der Kirche, der Moral und der Vernunft mit der bürgerlichen Verfassung des Clerus von Frankreich, enthüllt von einem redlichen Verehrer der Kirche und des Staates“, Straßburg und Basel (München) 1792. (In Schlichtegroll’s Nekrolog 1797 wird St. das von ihm bekämpfte Buch „Harmonie u. s. w. (eine Uebersetzung des von den achtzehn französischen Bischöfen, die Mitglieder der Constituante waren, herausgegebenen „Accord des vrais principes etc.“ etc.; Reusch, Index II, 1110) zugeschrieben. B. S. ist nicht Benedict Stattler, sondern ein Salzburger Benedictiner Bernhard Stöger. – Das von Meusel u. a. St. zugeschriebene Buch „Ueber die Gefahr, die den Thronen, den Staaten und dem Christenthum den gänzlichen Verfall droht“, 1791, ist nach Baader von Karl v. Eckhartshausen (A. D. B. V, 608).
Ein besonders interessanter Punkt in der Geschichte der schriftstellerischen Thätigkeit Stattler’s ist sein Conflict mit der Römischen Curie. Die Entstehung desselben hängt zusammen mit dem feindseligen Verhältnisse, in welches St. während seiner Wirksamkeit in Ingolstadt zu den Ordensgeistlichen gerieth. Im J. 1779 erschien „von einem Mönche der baierischen Congregation“, - es war der Regensburger Benedictiner Wolfgang Frölich, – Reflexio in sic dictam Demonstrationem catholicam Locosque theologicos Magnifici Dom. B. St., in demselben Jahre von einem Mainzer Baccalaureus W. J. Herzog eine Dissertatio polemico-methodica de activae infallibilitatis subjecto, gegen Stattler’s Lehre von der Unfehlbarkeit des Papstes, und anonym (von dem späteren Landshuter Professor Anton Michl, A. D. B. XXI, 698[WS 1]) Reflexiones in litteras retractatorias Justini Febronii 1. Novemb. 1778 Romam missas, worin St. [504] nicht mit Unrecht als ein halber Febronianer dargestellt wird durch die Bemerkung: die Unterscheidung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Gewalt des Papstes hätten außer Febronius viele andere gemacht, am gründlichsten St. in der Demonstr. cath. Von einem andern Regensburger Benedictiner, Erhard Buz, wurde 1780 Stattler’s Ansicht von der Möglichkeit einer Wiedervereinigung der Protestanten mit der katholischen Kirche kritisirt in dem anonymen Schriftchen Duo verba contra conditiones Stattlerianas, sub quibus solis religionis unionem fieri posse putat. St. blieb natürlich die Antwort nicht schuldig: von ihm selbst erschienen in kurzer Zeit mehrere Streitschriften, andere von seinen Schülern J. Neuhauser und J. M. Sailer (A. D. B. XXX, 179). Frölich replicirte jetzt mit Nennung seines Namens und auch zu seinen Gunsten erschienen Schriften von anderen. In einer 1780 erschienenen Schrift stellte Frölich am Schlusse 54 Sätze aus mehreren Schriften von St. zusammen, die er dem Papste förmlich denuncirte. Allem Anscheine nach hatte er aber schon früher persönlich St. bei der Indexcongregation denuncirt. Von den Augsburger Exjesuiten J. A. Zallinger und L. Veith wurde St. wegen seiner Lehre von den Sacramenten in dem 1777 erschienenen 6. Bande der Dogmatik denuncirt; diese Denunciation scheint aber keine Folgen gehabt zu haben.
Als St. von der Denunciation Frölich’s hörte, reiste er sofort nach Rom und blieb dort vom September bis Anfang November 1780. Er erfuhr aber nur privatim von dem Secretär der Indexcongregation, dem Dominicaner Mamachi, daß über die Anklage verhandelt werde und daß der Fürstbischof von Eichstädt davon in Kenntniß gesetzt worden sei. Vorgeladen und vernommen wurde er nicht. Mamachi hatte bereits am 9. September dem Fürstbischof Strasoldo amtlich mitgetheilt: die Congregation habe zunächst die Demonstratio catholica geprüft und beschlossen, das Buch wegen der groben darin enthaltenen Irrthümer in den Index zu setzen; der Papst habe diesen Beschluß bestätigt, es sei aber zugleich beschlossen worden, den Beschluß vor der Publication dem Fürstbischof, mit dessen Approbation das Buch erschienen sei, mitzutheilen, damit er seinerseits vor der Veröffentlichung des römischen Verbotes das Buch verbieten könne. Der Fürstbischof machte in einem Briefe an Pius VI. vom 9. October 1780 sehr energische Vorstellungen und richtete gleichzeitig an Mamachi, der in Rom sein Lehrer gewesen war, einen Privatbrief, worin er sagte: er habe bisher dem Dominicanerkloster in Eichstädt viele Wohlthaten erwiesen; sein ferneres Verhalten gegen dasselbe werde von dem Verhalten seines alten Freundes in der Stattler’schen Sache abhangen. Man wird annehmen dürfen, daß diese Drohung hauptsächlich es gewesen ist, die bewirkte, daß, so lange Strasoldo und Mamachi lebten (jener starb schon 1781, dieser wurde 1781 Magister Sacri Palatii und starb 1792), von der Veröffentlichung des Beschlusses der Index-Congregation nicht mehr die Rede war.
Nach der Entfernung Stattler’s von Ingolstadt im J. 1781 wurde Frölich sein Nachfolger. Er machte sich durch seine Unverträglichkeit und Denunciationssucht dort unmöglich; 1790 verließ er die Universität. 1791 reiste er nach Rom wo er sechs Jahre blieb. Er wird dort die Stattler’sche Angelegenheit wieder in Fluß gebracht haben. St. muß im August 1792, als er bereits in München angestellt war, davon gehört haben. Nur so ist es zu erklären, daß er damals den Münchener Nuntius bat, zwei seiner lateinischen Streitschriften aus dem J. 1780, in denen er einen besonders anstößigen Satz der „Demonstr. cath.“ gemildert hatte, nach Rom zu schicken. Auf den Rath des Nuntius legte er ein vollständiges Verzeichniß seiner Schriften (46 Bände bezw. Hefte) bei. Im Februar 1793 ließ ihm der Nuntius durch seinen Secretär sagen: nach einer Mittheilung des Cardinal-Staatssecretärs werde das Verdammungsurtheil gegen ihn veröffentlicht [505] werden, wenn er diesem nicht durch einen Widerruf zuvorkomme. Er schrieb darauf an den Papst und an die Index-Congregation: er werde sich sofort, auch mit vollkommener innerer Glaubenszustimmung, dem Papste unterwerfen, wenn dieser einen der Lehre seiner Demonstr. cath. widersprechenden Satz förmlich als Dogma definire; er sei von der Uebereinstimmung seiner Lehre mit dem Evangelium so fest überzeugt, daß er sie nur auf Grund einer solchen dogmatischen Definition als irrig würde anerkennen können, nicht aber auf Grund eines Decretes der Indexcongregation. – Es vergingen wieder fast zwei Jahre, ohne daß St. etwas hörte. Im December 1794 aber ließ ihm der erste Minister des Kurfürsten sagen: es sei die Nachricht eingetroffen, er sei zu Rom wegen vielfältiger Ketzereien so scharf verurtheilt worden, daß der Kurfürst, sobald die Verdammung amtlich bekannt gemacht worden, ihn mit Schimpf und Schande aus seinem geistlichen Rathe und dem Censurcollegium werde entlassen müssen; er möge darum freiwillig abdanken. St. that dieses, richtete aber nun ein vom 11. Januar 1795 datirtes ausführliches und freimüthiges Vertheidigungs- und Klageschreiben an den Papst. Nach der Absendung desselben erfuhr er, daß es sich in Rom gar nicht, wie der Minister aus den Mittheilungen des Nuntius entnehmen zu müssen geglaubt hatte, um eine neue Untersuchung wegen Ketzerei handle, sondern lediglich um die Veröffentlichung des Indexdecretes von 1780. Er schickte darum am 18. März 1795 an die Indexcongregation eine ausführliche Erklärung über die beiden Sätze der Demonstr. cath. von denen er glaubte, daß sie in Rom besonders Anstoß erregt hätten: daß der Papst nicht eine unmittelbare ordentliche Jurisdiction über alle Gläubigen habe und daß er neue Gesetze nicht ohne Zustimmung der Bischöfe erlassen sollte. Unter dem 8. Mai 1795 schrieb darauf Pius VI. an den Fürstbischof von Eichstädt, Graf Joseph v. Stubenberg, der sich, wie sein Vorgänger und Oheim Strasoldo, für St. verwendet hatte: auf seinen Wunsch sei die Veröffentlichung der Verdammung der Demonstr. cath. verschoben worden; er sende ihm ein Verzeichniß der (zwölf) Sätze, die hauptsächlich zu der Verdammung Anlaß gegeben hätten; wenn St. diese einfach widerrufe, könne von der Veröffentlichung Abstand genommen werden; die Prüfung anderer Schriften von St., Loci theologici, Theologia theoretica und Epistola ad Bahrdtium (sämmtlich vor 1780 erschienen), sei noch nicht beendigt; wenn man auch in diesen irrige Sätze finde, würden sie ihm gleichfalls übersandt werden. St. schrieb nun eine ausführliche Erwiderung, die der Bischof am 11. Juli 1795 nach Rom schickte: zu einigen der beanstandeten Sätze gibt er darin Erläuterungen, von anderen erkennt er an, daß sie unrichtige oder ungenaue Ausdrücke enthielten; zugleich erbietet er sich, eine dieser Erwiderung ähnliche Schrift oder eine verbesserte Ausgabe der Demonstr. cath. eventuell auch der anderen Schriften zu veröffentlichen. Darauf schrieb der Papst am 23. Januar 1796 an den Fürstbischof: die Erklärungen von St. seien durchaus nicht genügend, machten vielmehr die Sache nur schlimmer; das Indexdecret werde veröffentlicht werden, wenn nicht St. binnen drei Monaten sein Buch rückhaltlos widerrufe. St. schrieb nun am 25. März nochmals einen langen, respectvollen, aber sehr freimüthigen Brief an den Papst. Nun wurde ein am 29. April 1796 vom Papste bestätigtes Decret der Indexcongregation veröffentlicht, worin Stattler’s Demonstr. cath. unter Bezugnahme auf den am 11. Juli 1780 (also vor 16 Jahren) gefaßten Beschluß verboten wurde. St. veröffentlichte nun anonym „Authentische Actenstücke wegen dem zu Rom theils betriebenen, theils abzuwenden getrachteten Verdammungsurtheil über das Stattler’sche Buch Demonstratio catholica“, 1796. Diese Schrift wurde am 10. Juli 1797 in den Index gesetzt, gleichzeitig die drei oben erwähnten älteren Bücher. Daß sich St. dem Urtheile der Indexcongregation unterworfen habe oder auch [506] nur von dem Nuntius oder von seinem Bischof dazu aufgefordert worden sei, wird nicht berichtet. Sailer führt von ihm die Aeußerung an: Ich hoffe, ich werde meinen Proceß bei Gott besser ausfechten als auf Erden.
Sailer, der in Ingolstadt 1773–77 Stattler’s Schüler, 1780–81 sein College gewesen war, veröffentlichte gleich nach seinem Tode anonym eine „Kurzgefaßte Biographie“ (1798, abgedruckt in den Sämmtl. Werken XXXVIII, 115). Er erwähnt St. auch in seinen anderen Schriften oft in ehrenden Ausdrücken und sagt u. a. von ihm, er habe „das schlafende Nach- und Selbstdenken in Baiern und im ganzen katholischen Deutschland aufgeweckt und dem Studium einen neuen Schwung und eine neue Gestalt gegeben“ (Werke XXI, 195). Als er 1823 als Weihbischof auf einer Firmungsreise nach Kötzting, dem Geburtsorte Stattler’s, kam, sagte er in einer Anrede an das Volk: „St. ist mir als Lehrer unvergeßlich; er war mir als Mitbruder, Freund und Rathgeber alles; ihm bin ich nächst Gott am ersten alles schuldig, was ich bin und habe.“ – Jedenfalls ist St. eine der bedeutendsten und interessantesten Figuren in der Uebergangszeit, welche die katholische Theologie in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts durchmachte.
- (J. Salat in) Schlichtegroll’s Nekrolog auf das Jahr 1797, II, 145. – Baader, Lexikon II², 176. – de Backer. – Prantl, Gesch. der Ludwig-Maximilians-Univ. I, 624 u. f. – Werner, Gesch. der kath. Theologie a. a. O. – Henke, Archiv f. d. neueste Kirchengesch. VI, 1 (Römisches Verdammungsurtheil über eine Schrift des Exjesuiten B. St.). – Reusch, Index II, 1000.