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ADB:Steno, Nicolaus

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Artikel „Steno, Nicolaus“ von Franz Heinrich Reusch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 51–53, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Steno,_Nicolaus&oldid=- (Version vom 8. November 2024, 09:39 Uhr UTC)
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Steno: Nicolaus St. (oder wie er selbst unterschreibt Stenonis, dänisch Niels Stensen), Mediciner, Convertit und katholischer Bischof, geboren am 10. (n. St. 20.) Januar 1638 zu Kopenhagen, † am 26. November (n. St. 6. December) 1686 zu Schwerin, verdient, obschon ein Däne von Geburt, hier einen Platz, weil er die letzten neun Jahre seines Lebens in Deutschland thätig war. Er studirte 1656–59 zu Kopenhagen, namentlich unter Thomas Bartholin, Anatomie, – nebenbei auch Hebräisch, – und setzte diese Studien in Holland fort, zuerst zu Amsterdam, wo er über die Priorität der Entdeckung des nach ihm benannten Ductus Stenonianus mit Gerhard Blasius in Streit gerieth, dann zu Leiden. 1664 war er wieder in Kopenhagen. Da er aber dort nicht, wie er erwartet hatte, eine Professur erhielt, reiste er nach Paris, wo er durch seine anatomischen Kenntnisse Aufsehen erregte und auch mit Bossuet bekannt wurde, und im Herbst 1665 nach Rom und Florenz. Hier ernannte ihn der Großherzog Ferdinand II. zu seinem Leibarzt und gab ihm eine Anstellung an einem Spitale. Am 9. December 1667 legte er vor dem Nuntius das katholische Glaubensbekenntniß ab; über die Motive zu diesem Schritte handelt eine an den Amsterdamer reformirten Geistlichen Joh. Sylvius gerichtete Epistola de propria conversione (geschrieben 1671, gedruckt Florenz 1677, übersetzt bei Räß VII, 293) und die Defensio et plenior elucidatio epistolae de propria conversione (Hannover 1680). 1669 veröffentlichte er zu Florenz „De solido intra solidum naturaliter contento dissertationis prodromus“, eine der ersten Schriften, worin die richtige Ansicht über die Versteinerungen entwickelt wird. In demselben Jahre verließ er Florenz, hielt sich einige Zeit in Holland auf und wurde am 12. Februar 1672, obschon seine Conversion bekannt geworden war, zum Professor am Theatrum anatomicum zu Kopenhagen ernannt. Er legte aber schon im Mai 1674 diese Stelle wieder nieder und kehrte nach Florenz zurück, wo ihn der Großherzog beauftragte, den Erbprinzen in der christlichen Philosophie zu unterrichten. Bald darauf entschloß er sich, seine bisherigen Studien ganz aufzugeben und Geistlicher zu werden, allem Anscheine nach unter dem Einflusse seines Beichtvaters, des Jesuiten E. Savignani. Im J. 1675 empfing er die Priesterweihe, nachdem er, da er „wegen des Ortes und der Weise, wie man in Dänemark taufe“, an der Gültigkeit seiner Taufe zweifelte, in der Stille bedingungsweise noch einmal getauft worden war. In demselben Jahre veröffentlichte [52] er zwei lateinische, polemisch-theologische Sendschreiben an Joh. Sylvius und eine „Epistola ad novae philosophiae reformatorem de vera philosophia“ an B. Spinoza, mit dem er in Amsterdam bekannt geworden war.

Der 1651 zur katholischen Kirche übergetretene Herzog Johann Friedrich von Braunschweig-Lüneburg (s. A. D. B. XIV, 177) erbat sich nach dem Tode seines Hofcaplans und apostolischen Vicars Valerio Machioni auf den Vorschlag von Gerhard Molanus (s. A. D. B. XXII, 86) von Innocenz XI. St. als dessen Nachfolger. Am 14. September 1677 wurde er zu Rom, wohin er von Florenz über Loreto zu Fuße pilgerte, von dem Cardinal Barbarigo zum Titularbischof von Titiopolis geweiht und vom Papste zum apostolischen Vicar für Hannover und die nordischen Missionen (die Hansestädte, Schleswig-Holstein, Dänemark, Schweden und Norwegen) ernannt, und reiste dann zu Fuße über Venedig, Innsbruck, Augsburg und Köln nach Hannover, wo er Ende 1677 ankam. 1678 veröffentlichte er dort ein 1677 zu Florenz lateinisch herausgegebenes Schriftchen in deutscher Uebersetzung: „Scrutinium reformatorum, d. i. kurtzer Beweis, daß diejenigen Lehrer, so die Sitten der Menschen zu verbessern getrachtet, von Gott gewesen, mit nichten aber die andern, so die Glaubenslehre zu verbessern gesuchet“, – gegen die Erwiderung des Kopenhagener Theologen Christian Noldius 1679 „Defensio et plenior elucidatio Scrutinii Reformatorum“, – zwei lateinische Streitschriften gegen Joh. Sylvius und „Katholische Glaubens-Lehr vom Fegfeur … aufgesetzet bey Gelegenheit, da ein vornehmer Lutherischer Theologus [J. W. Baier in Jena] aus dem Dorschäus behaupten wollte, daß der H. Augustinus kein Fegfeur geglaubt, sondern nur zweiffelhaft davon geschrieben habe“. An den 1679 von Leibniz und dem Bischof Spinola (siehe A. D. B. XXXV, 202) eingeleiteten Reunionsverhandlungen betheiligte sich St. allem Anscheine nach nur ungern, jedenfalls nicht in hervorragender Weise.

Der Herzog Johann Friedrich starb am 28. December 1679. St. hielt am 3. Mai 1680 für ihn die feierlichen Exequien, mußte aber bald darauf Hannover verlassen. Er wurde nun Weihbischof des Fürstbischofs Ferdinand von Fürstenberg von Münster. Diesem wurde am 10. September 1680 von der Propaganda das apostolische Vicariat der nordischen Missionen übertragen; St. blieb nur apostolischer Vicar für Hannover und einige andere Bezirke in Norddeutschland. Er führte in Münster wie in Hannover ein frommes und übertrieben asketisches Leben, erfüllte seine Obliegenheiten mit großer Gewissenhaftigkeit, zeigte sich aber nicht sehr geeignet für die kirchliche Verwaltung. Nach dem Tode des Fürstbischofs Ferdinand (26. Juni 1683) wurde ihm das apostolische Vicariat wieder in seinem früheren Umfange übertragen. Er mußte aber Münster verlassen, da er sich mit dem neuen Fürstbischof Maximilian Heinrich, Herzog von Baiern, nicht verständigen konnte. Er nahm seinen Wohnsitz in Hamburg, wo er mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, unter anderen auch bei zwei dort wirkenden Jesuiten auf Opposition stieß. Er bat den Papst um die Erlaubniß, nach Toscana zurückzukehren, entschloß sich aber Ende 1685, im Einverständniß mit dem 1663 katholisch gewordenen Herzog Christian Ludwig von Mecklenburg (s. A. D. B. IV, 170) nach Schwerin überzusiedeln. Auch hier gestaltete sich seine Lage sehr ungünstig. Im Sommer 1686 beantragte der Kurfürst von Trier, ihn dorthin als Weihbischof zu versetzen. Er starb aber, ehe die Verhandlungen darüber zu Ende geführt waren. Seine Leiche ließ der Großherzog von Toscana nach Florenz bringen und in San Lorenzo beisetzen.

Als im Herbst 1881 die Theilnehmer an dem zu Bologna tagenden internationalen Geologen-Congresse nach Florenz kamen, legte der Präsident einen Lorbeerkranz auf dem Grabe Steno’s nieder und veranstaltete eine Sammlung, um ihm ein Denkmal zu setzen. Im August 1883 wurde dann eine Marmorbüste [53] über seinem Grabe aufgestellt mit einer Inschrift, in der er als vir inter geologos et anatomicos praestantissimus bezeichnet wird. Gegen die Bedeutung, die St. in der Geschichte der Anatomie und Geologie zukommt, fällt seine Thätigkeit in den Jahren nach seinem Eintritt in den geistlichen Stand sehr stark ab. Seine theologischen Schriften sind nicht bedeutend und seine Wirksamkeit als katholischer Bischof war nicht erfolgreich. Eine übermäßig strenge asketische Richtung ließ das Interesse für die Theologie als Wissenschaft bei ihm bald erlöschen und hinderte auch seine Thätigkeit in der Seelsorge und Kirchenverwaltung unter den schwierigen Verhältnissen, in die er gestellt war, ist auch wohl, namentlich sein unglaublich strenges Fasten, Schuld daran, daß er nicht ein höheres Lebensalter erreichte.

W. Plenkers, S. J., Der Däne Niels Stensen, 1884 (Ergänzungshefte zu den Stimmen aus Maria-Laach, VII. Bd., H. 25 u. 26). Ueber seine anatomischen Arbeiten s. S. 12, 89; vgl. Häser, Lehrb. der Gesch. der Medicin II, 51 – über die geologische Schrift s. S. 57; vgl. Fr. v. Kobell, Gesch. der Mineralogie S. 16, 69. – Räß, Die Convertiten VII, 290; XII, 155. – Moller, Cimbria literata II, 867. – Biographie universelle.