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ADB:Weber, Gottfried

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Artikel „Weber, Gottfried“ von Johann August Ritter von Eisenhart in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 303–305, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Weber,_Gottfried&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 11:58 Uhr UTC)
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Band 41 (1896), S. 303–305 (Quelle).
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Weber: Franz Gottfried W., großherzoglich hessischer Generalstaatssprocurator und Musikschriftsteller, geboren am 1. März 1779 im Städtchen Freinsheim, wo sein Vater damals kurpfälzischer Justizamtmann war; † am 21. September 1839 im Bade Kreuznach.

Franz Gottfried war der einzige Sohn des späteren Hofgerichtsrathes Friedrich Ludwig W., und kam als 12jähriger Knabe nach Mannheim zu seinem Großvater, dem kurpfälzischen Geheimrath und Kammerdirector v. Weber, vollendete daselbst seine wissenschaftliche Vorbildung und bezog 1796 die Universität Heidelberg. Im folgenden Jahre unternahm er eine Reise nach München, Regensburg und Wien mit längerem Aufenthalte an letzterem Orte. Anfangs 1799 setzte er seine Studien in Heidelberg fort, ging zu dem gleichen Zwecke nach Göttingen, wo er drei Semester verweilte, und beschloß seine Vorbereitungspraxis als Praktikant am Reichskammergerichte zu Wetzlar. Nach erlangtem Doctorgrade wurde er in Mannheim Oberhofgerichtsadvocat und wegen seiner hervorragenden Begabung bereits 1804 Fiskalprocurator, im Frühjahre 1814 Richter am Tribunal in Mainz. Im September 1818 erfolgte seine Beförderung zum Hofgerichtsrath in Darmstadt, bald darauf jene zum Generaladvocaten am Cassationshofe daselbst. … Im Juni 1823 trat er in die mit dem Entwurfe einer Civil- und Strafgesetzgebung für das Großherzogthum eingesetzte Commission, und im Juli 1832 wurde er mit dem wichtigen Amte eines Generalstaatsprocurators am Oberappellations- und Cassationsgerichte in Darmstadt betraut, welche Stelle er bis zu seinem Tode bekleidete. W. hat sich in seinem Berufe auch als Schriftsteller bekannt gemacht; er verfaßte außer mehreren juristischen und publicistischen Arbeiten in Fachzeitschriften drei größere Werke, welche sich durch klare und scharfsinnige Darstellung auszeichnen. „Ueber das öffentliche und mündliche Rechtsverfahren; für und wider dasselbe“ (1818); „Pragmatische Geschichte der Verhandlungen der Landstände Hessens im J. 1827“ (1828); ferner: „Betrachtungen über das System, die Natur und die Behandlungsart der Disciplinarsachen, discipline judiciaire, nach französischen Gesetzen“ (1830). … Weber’s wissenschaftliche Bestrebungen fanden nützliche Unterstützung im Verkehre mit bedeutenden Persönlichkeiten; so zählten Freiherr v. Zyllnhardt, Hofrichter in Mannheim, später Justizpräsident, und Freiherr v. Weiler, Oberhofgerichtsrath, später Staatsrath zu seinen innigsten Jugendfreunden; in musikalischen Dingen pflog er Umgang mit Vogler, Meyerbeer und Karl Maria v. Weber; namentlich mit letzterem eng befreundet, bezeichnet er dessen am 5. Juni 1826 erfolgten Tod als eines der wichtigsten aber zugleich traurigsten Ereignisse seines Lebens; „was er mir gewesen“, bemerkt er in seiner Autobiographie, „ist beiläufig aus dem 25. Hefte der „Cäcilia“ (Jahrg. 1827) zu entnehmen.“

W. befaßte sich neben seiner amtlichen Wirksamkeit eingehend und vielseitig auch mit Musik; er war in derselben (theoretisch und praktisch) und zwar in einer Weise thätig, daß er auf diesem Gebiete einen gefeierten Namen errang. Solch glänzende Erfolge konnte W. nur vermöge seiner hohen Begabung, seines eisernen Fleißes und seiner raschen Auffassung verbunden mit einer nie ermüdenden Arbeitskraft erreichen.

Während des Aufenthaltes in Mannheim (1802–1814) – der Blüthezeit seines Wirkens – gründete er dort das musikalische Conservatorium, später Harmonie [304] genannt, leitete einen Musikverein und nahm um diese Zeit Unterricht bei dem berühmten Flötisten Appold; nachträglich erlernte er noch andere Instrumente, namentlich Cello und Orgel, und brachte es auf den genannten zur Meisterschaft. In diese Zeit fällt auch der größte Theil seiner namhaften Musikcompositionen, darunter drei Messen, welche er zur Aufführung brachte. Allein trotz der ihm gewordenen Anerkennung fühlte er, daß seinen Arbeiten die gründliche Durchbildung fehlte. … Er trachtete nun, sich mit der Theorie der Tonsetzkunst genau vertraut zu machen, und unterzog die Werke von Kirnberger, Marpurg, Vogler, Knecht einem eingehenden Studium. „Mit Heißhunger“, – erzählt er in seiner Selbstbiographie, – „verschlang ich jedes theoretische Werk, dessen ich nur habhaft werden konnte, fand aber darin statt Belehrung nur Widerspruch Aller gegen Alle und sogar jedes Einzelnen mit sich selbst. Dies alles drängte mich zum Selbstforschen, nach einer mehr befriedigenden Theorie, und ich fing an, meine Forschungsergebnisse aufzuzeichnen.“ Er benützte die Ferien, welche er auf dem Stifte Neuburg nächst Heidelberg bei seiner gleichgesinnten Schwester zuzubringen pflegte, um das gewonnene Material zu ordnen und zu verarbeiten, und so entstand allmählich während der Mainzer Periode der „Versuch einer geordneten Theorie der Tonsetzkunst“, deren erster Band 1817 bei Schott’s Söhnen in Mainz verlegt wurde; der 2. Band erschien bereits im nächsten Jahre (1818), der 3. und letzte 1821. Weber’s System ist an sich nicht neu; neu ist jedoch manches an seiner Methode. So führte er zum ersten Male zur Accordbezeichnung (deutsche) Buchstaben ein, und zwar große für den Dur-, kleine für den Moll-Accord. Weber’s Werk fand in der musikalischen Welt mit vollem Rechte großen Beifall, und schon nach 3 Jahren war eine 2. Auflage nöthig, die im März 1824 in 4 Bänden ausgegeben wurde; die dritte Auflage ist vom Jahre 1832. Das Werk wurde 1837 ins Dänische, 1842 von Warner in Boston und 1851 von Bishop in London ins Englische übersetzt. Gleichzeitig mit dem ersten Bande des eben besprochenen Werkes veröffentlichte W.: „Beschreibung und Tonleiter der G. Weber’schen Doppelposaune“ (1817) sowie „Versuch einer praktischen Akustik der Blasinstrumente“ in Ersch und Gruber’s Encyklopädie, auch in der Allgem. musik. Zeitung 1816/17. – 1824 gründete er die „Cäcilia“, eine der gediegensten und gelesensten Musikzeitschriften, und übernahm deren Oberleitung; achtzig Hefte sind unter seiner Redaction erschienen, und enthalten zahlreiche Abhandlungen aus seiner Feder. Die übrigen Musikschriften dieses rastlos thätigen Mannes sind in Riemann’s Musiklexikon (4. Aufl., S. 1165) aufgezählt. Um diese Zeit und schon früher war hauptsächlich durch K. M. v. Weber und Fr. G. W. für die Liedercomposition im höheren Sinne eine neue Epoche angebrochen. Sie erkannten gerade beim Liede, bei der Romanze und der Ballade eine vollständige Durchdringung von Text und Musik als ganz unerläßlich, und daß die schwere Aufgabe nur durch eine Durchcomponirung der Strophe, oft durch eine Verbindung der declamatorischen Behandlung mit der melodiösen zu erreichen sei. So entstanden in regem Wetteifer unzählige Lieder, von denen wir als besonders wirkungsvoll nachstehende Schöpfungen unseres Meisters hervorheben möchten: „Des Knaben Tod“ von Uhland; „Der Spielmann am Thore“; „Was hab’ ich armes Kind gethan?“; das liebliche Wiegenlied von Hiemer (bei seiner einfachen Innigkeit vielleicht selbst der berühmten Composition des nämlichen Textes von K. M. v. Weber vorzuziehen), sodann Phantasie von Pope und Körner’s Sonett „Abschied vom Leben“, ein Meisterwerk in begeisterter Auffassung und declamatorisch-melodischer Behandlung, u. And. m. Außerdem besitzen wir als Musikcompositionen: 3 Messen, ein Requiem, Chorlieder, eine Claviersonate, ein Trio und Variationen für Cello und Guitarre. Das großartige Tedeum zur [305] Siegesfeier der Alliirten (1814) bildete den Schluß von seinen Hauptwerken. Schlichte Geselligkeit war W. Bedürfniß; die mit einigen Freunden oder Verwandten regelmäßig im Familienkreise verlebten Abende boten ihm reichen Genuß. Hier war es, wo man den vielbegabten Mann in seiner ganzen Liebenswürdigkeit, in der rastlosen Energie seines Geistes zu beobachten Gelegenheit hatte. Ungestört von dem Lärme der ihn umdrängenden Kinder, ungestört vom Geplauder anwesender Gäste, durchlas er Acten, machte Entwürfe zu neuen Arbeiten oder durchging fremde Partituren; dabei hörte er der Aufführung neuer Musikwerke zu und nahm überhaupt an allem theil, was vorging. – W. stand mit Gelehrten und Künstlern der verschiedensten Nationen in Briefwechsel, und die Veröffentlichung seiner Correspondenz böte für die moderne Musikgeschichte sehr interessantes Material. Seine gediegenen Leistungen auf theoretischem wie praktischem Gebiete fanden vielseitige Anerkennung. Die Landesuniversität Gießen ehrte ihn 1823 durch Ernennung zum Doctor honoris causa; die Akademien zu Stockholm und Berlin überreichten ihm, erstere 1827, Ehrendiplome, und die größeren Musikanstalten und Vereine wetteiferten, den Hochverdienten in die Reihe ihrer Mitglieder aufzunehmen. W. starb unerwartet auf einer Besuchsreise im Bade Kreuznach am 21. September 1839. Er war eine liebenswürdige, gewinnende Persönlichkeit, feinfühlig und anregend, mild und unparteiisch in seinem Urtheile über Menschen und Dinge. … Seine Frau Auguste, eine geb. v. Dusch, war früher vermöge ihrer ausgezeichneten Stimme eine gefeierte Dilettantin, welche jedem musikalischen Vereine zur Zierde galt. W. schrieb auf Wunsch Scriba’s, des Herausgebers des biogr.-litterarischen Lexikons für Hessen seine Selbstbiographie, welche in Band 2, S. 416 und ff. abgedruckt ist. Ueber den durch seine in der Cäcilia ausgesprochenen Zweifel entstandenen vieljährigen Streit um die Echtheit des Mozartschen Requiems vgl. Jahn’s Mozart. Band 3, S. 693 und Köchel’s chronol. Verzeichniß der Werke Mozart’s, S. 491 f.

Großherz. Hess. Zeitung. Darmstadt, Jahrg. 1839, Nr. 358 u. 59. – (Schmidt) Neuer Nekrol. d. Deutschen. 17. Jahrg. (1839), 2. Thl., S. 823–30 (Nr. 276). – Gaßner, Universallexik. d. Tonkunst in einem Bande, S. 880–82. – Riemann, Musiklexicon, 4. Aufl. (1894), S. 1164, Nr. 4.