BLKÖ:Mozart, Leopold
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 19 (1868), ab Seite: 287. (Quelle) | |||
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Wolfgang Amadeus M. Leopold’s Vater Franz Alois war Buchbinder in Augsburg, welches Handwerk ebenda auch schon der Großvater Johann Georg Mozart getrieben hatte. Uebrigens mochten die Mozart nicht immer solch untergeordnetes Handwerk ausgeübt haben, denn v. Stetten in seiner „Kunst-, Gewerbs- und Handwerksgeschichte der Reichsstadt Augsburg“, S. 283, berichtet von einem Anton Mozart, der gegen das Ende des 16. Jahrhunderts als Maler in Augsburg lebte und in seinen Arbeiten Beifall erntete. Er malte Landschaften mit Figuren in Breughel’s Manier. In den Gewändern nahm er sich Dürer zum Vorbilde. Die Färbung wird als stark und dauerhaft gerühmt. Allem Anschein dürfte dieser Anton Mozart ein Ahnherr der Mozart’s sein, die ja auch in Augsburg ansässig, und da die Kunst eben nicht immer einen goldenen Boden hat, arm geblieben und sonach genöthigt waren, in ihrer Beschäftigung tiefer zu greifen, weil das schlichte Handwerk oft leichter und besser nährt, als die Kunst. Leopold – dessen ganzer Name Johann Georg Leopold lautet – trachtete durch tüchtige geistige Bildung aus den beschränkten Verhältnissen seines väterlichen Hauses sich emporzuarbeiten, zu welchem Vorhaben ihm das musikalische Talent, mit dem er begabt war, nicht unwesentlich zu Statten kam. Die Nachrichten über seine Jugend sind im Ganzen spärlich, nur so viel ist bekannt, daß er sich viel und frühzeitig mit Musik beschäftigte, so sang er als Discantist in den Klöstern von St. Ulrich und zum heiligen Kreuz in seiner Vaterstadt und spielte die Orgel im Kloster Wessobrun. Im Uebrigen machte er die harte Schule der Entbehrungen durch, die eben seinen Charakter stählten und seinen Lebensansichten eine bestimmte Richtung gaben. Um die Jurisprudenz zu studiren, begab er sich nach Salzburg, wo es ihm aber nicht gelingen wollte, eine Anstellung zu erhalten. So sah er sich denn genöthigt, eine Stelle als Kammerdiener im Dienste des Grafen Thurn, Domherrn in Salzburg, anzunehmen, welche er jedoch nur kurze Zeit versah, da ihn schon im Jahre 1743 Erzbischof Sigismund, aus dem Hause der Grafen Schrattenbach, als Hofmusicus in seine Dienste nahm, ihn später zum Hofcomponisten und Anführer des Orchesters, und im Jahre 1763 zum Vice-Capellmeister ernannte. Mit diesem letzten Posten schließt Mozart’s amtliche Laufbahn in den erzbischöflichen Diensten ab. Von dem Jahre 1761 bis 1781 ist sein Leben mit jenem seine Sohnes Wolfgang Amadeus und seiner Tochter Maria Anna, die beide ein ungewöhnliches musikalisches Talent besaßen, dessen Ausbildung nun die Aufgabe des Vaters war, ziemlich enge verschlungen. Leopold Mozart hatte sich am 21. November 1747 mit Anna Maria Pertlin (Bertlin), einer Pflegetochter des Stiftes von St. Gilgen, vermält, die ihm sieben Kinder gebar, von denen drei Töchter und zwei Söhne in der Kindheit starben, und nur eine Tochter Maria Anna, die viertgeborne, und Wolfgang Amadeus, der jüngst- und letztgeborne, am Leben blieben. Diese beiden Kinder zeigten frühzeitig ein ungewöhnliches, besonders aber Wolfgang ein an’s Wunderbare grenzendes Musiktalent. Die Ausbildung und Leitung desselben bestimmten den Vater, jede weitere Nebenbeschäftigung mit Componiren und [288] Unterrichtertheilen in Musik aufzugeben, um sich somit ausschließlich dem Unterrichte seiner Kinder widmen zu können. Es war dieß kein kleines Opfer, da bei dem knapp bemessenen Gehalte die Familie dadurch, wenn eben nicht Entbehrungen ausgesetzt, so doch auf einen höchst sparsamen Haushalt, und bei den späteren Reisen auf die Dienste der Freundschaft angewiesen war. Aber der Vater unterzog sich nur um so williger denselben, als die ungewöhnliche Begabung des Sohnes für die Zukunft eine reiche Ernte in Aussicht stellte. So unternahm denn Leopold, nachdem er vorher im Jahre 1762 einen kleinen Ausflug über München nach Wien mit seinen beiden Kindern gemacht, und sie dort bei Hof hatte auftreten lassen, im Sommer 1763 mit ihnen die erste größere Kunstreise. Diese dauerte drei Jahre, und dehnte sich von den kleineren Residenzen des westlichen Deutschland nach Paris und London aus, worauf er über Holland, Frankreich, die Schweiz nach Salzburg zurückkehrte. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Lebensskizze seines Sohnes Amadeus Wolfgang gewiesen [S. 174–180]. Nach zweijährigem Aufenthalte in Salzburg reiste Leopold im Herbste 1768 wieder mit seiner ganzen Familie nach Wien, wo er die Freude erlebte, daß sein damals zwölfjähriger Sohn im Auftrage des Kaisers eine Messe componirte, welche er dann auch bei der ersten Aufführung persönlich dirigirte. Das Jahr 1769 blieb Mozart mit seiner Familie in Salzburg, die musikalische Ausbildung seiner Kinder fleißig fortsetzend, nun aber begannen gegen Ende 1769 die Reisen nach Italien, deren erste sich über ein Jahr ausdehnte, woraus die zweite noch im Sommer 1771 erfolgte. Bisher waren seine dienstlichen Verhältnisse ungetrübt geblieben. Erzbischof Sigismund war ihm ein wohlgewogener billigdenkender Fürst und Vorgesetzter gewesen, aber Alles wurde anders, als der am 14. März 1772 gewählte neue Erzbischof Hieronymus Graf Colloredo am 29. April 1772 seinen feierlichen Einzug hielt, worauf nun eine schwere Prüfungszeit über Vater und Sohn hereinbrach. Der neue Fürst, wenngleich einem altadeligen berühmten Geschlechte, das bis auf die Gegenwart Helden und Staatsmänner von seltener Begabung und Größe aufweist, entsprossen, war bei äußeren glatten Formen ein Mensch ohne Herz und Gemüth; nur sklavische Unterwürfigkeit und knechtischen Sinn heischend, haßte und neidete er jedes höhere Streben eines ihm Untergeordneten und Dienenden, war dabei roh in Worten und Manieren, und ließ seiner herrschenden üblen Laune jeden Augenblick die Zügel schießen. So verbitterte er das Dasein eines Mannes, der aus innerster Ueberzeugung religiös, an Unterwürfigkeit gewöhnt, mit Freuden den ihm zugewiesenen Dienst erfüllte, welcher ihm aber jetzt durch die Laune maßloser Willkür und Gemeinheit schwer verleidet wurde; ihn jedoch aufzugeben, war er leider außer Stande, weil er, wie spärlich auch, doch immerhin den Mann und seine Familie nährte. Vater Mozart trug dieses Loos mit Ergebung und tiefer innerer Verbitterung, die noch mehr zunahm, als sich wenig Aussichten für die glänzende Laufbahn seines genialen Sohnes zeigten, auf die er mit Zuversicht gehofft und deren Vereitelung er zumeist der Herzensneigung seines Sohnes, die mit seinen Plänen nun ganz und gar nicht übereinstimmte, zur Last legte. Nachdem sein Sohn sich von [289] der unwürdigen Tyrannei seines Gebieters, der ihn in schmählichster, des Menschen, Cavaliers und Kirchenfürsten un würdiger Weise beschimpft hatte, frei gemacht, wurde begreiflicherweise des an seinen Dienst gefesselten Vaters Lage nur noch mißlicher, was den alternden Mann sehr verbitterte, sich aber bei den gegebenen Verhältnissen nun einmal nicht ändern ließ. Wohl hatte er den sich täglich steigernden Ruhm seines Sohnes noch erlebt und Gelegenheit gehabt, bei einem im Jahre 1785 unternommenen Besuche Wiens sich persönlich in maßgebenden Kreisen, wie z. B. bei Haydn, zu überzeugen, wie sein Sohn hoch gestellt ward, aber eine seit Jahren gehoffte Verbesserung seiner und seines Sohnes Lage war doch nicht erfolgt, und so starb er denn, in seiner wahren Frömmigkeit den letzten Halt findend gegen fehlgeschlagene Hoffnungen, die letzten Jahre ganz zurückgezogen von der Welt in Salzburg, im Alter von 68 Jahren. Ein Bild seine Charakters in scharfen und meisterhaften Zügen entwirft der Biograph seines Sohnes, Otto Jahn, auf den in den Quellen hingewiesen wird, und eine nähere Erörterung des Verhältnisses zwischen Vater und Sohn hat sich ein anderer Schriftsteller in der „Neuen Münchener Zeitung“ zur Aufgabe gestellt, welche Darstellung gleichfalls in den Quellen angeführt wird. Hier bleibt nun noch Einiges über Leopold Mozart als Compositeur zu sagen übrig. Von Leopold ist eine nicht geringe Anzahl Compositionen bekannt, im Stiche aber ist nur Einiges erschienen. Sechs Sonaten hat er selbst in Kupfer radirt, aber hauptsächlich um Uebung in der Radirkunst zu erlangen; von seinen Kirchensachen sind im Dome zu Salzburg ein „Offertorium de Sacramento“ (A-dur), eine „Missa brevis“ (A-dur) und drei „Litaniae breves“ (G-, B-, Es-dur) vorhanden; sie sind für 4 Singstimmen mit Begleitung von 2 Violinen, Baß, 2 Hörner und Orgel, die letzte Litanei auch mit obligaten Posaunen, gesetzt, und werden noch von Zeit zu Zeit aufgeführt. Von seinen zahlreichen Symphonien sind deren achtzehn thematisch verzeichnet im Catalogo delle Sinfonie che si trovano in manuscritto nell’officina musica di G. G. J. Breitkopf in Lipsia P. I (1762), pag. 22; Suppl. l (1766), pag. 44; Suppl. X (1775), pag. 3. Die dort zuletzt angeführte Symphonie in G-dur ist in Partitur gestochen, und durch ein Versehen als die zwölfte der bei Breitkopf und Härtl herausgegebenen Symphonien W. A. Mozart’s (des Sohnes) angeführt; ferner ebenda im Suppl. II (1767), pag. 11, ein Divertimento a 4 instr. conc. a Viol., Violonc., 2 Co., B., in D-dur; außerdem hat er componirt viele Concerte für die Flöttraverse, Oboe, das Fagott, Waldhorn und die Trompete, zahlreiche Trios und Divertissements, dann zwölf Oratorien, eine Menge theatralischer Sachen, unter denen Gerber anführt: eine „Semiramis“, „die verstellte Gärtnerin“, „Bastien und Bastienne“, welche aber sämmtlich Compositionen seines Sohnes Wolfgang Amadeus sind, ferner „La Cantatrice ed il Poeta, intermezzo a due persone“, dann noch Pantomimen und mehrere Gelegenheitsmusiken, als eine Soldatenmusik mit Trompeten, Pauken, Trommeln, Pfeifen nebst den gewöhnlichen Instrumenten, eine türkische Musik; eine Musik mit einem stählernen Clavier, eine Schlittenfahrtmusik mit 12 Nummern, die noch im Jahre 1811 in Berlin im Reimer’schen Garten zu [290] wiederholten Malen aufgeführt wurde, Märsche, sogenannte Notturni (Nachtmusiken, Serenaden), viele hundert Menuetten, Operntänze u. dgl. m. Auch ist von Leopold eine Folge von Stücken bekannt, die von einem Orgelwerke auf der Feste Hohensalzburg Früh und Abends nach dem Aveläuten abgespielt wurden. Von den zwölf Stücken, die dasselbe spielte, waren 7 von Mozart, 8 von Eberlin componirt, und sind diese Compositionen im Jahre 1759 in Augsburg für’s Clavier herausgegeben worden. Das Mozarteum in Salzburg bewahrt auch noch das Originalmanuscript einer großen „Litania de venerabili“ aus dem Jahre 1762. Sein verdienstlichstes Werk aber ist der im Jahre 1756 erschienene „Versuch einer gründlichen Violinschule“, welcher später in vielen Auflagen (Fétis zählt dieselben auf) und Uebersetzungen verbreitet ward. In späteren Jahren, u. z. zumeist von der Zeit an, als er sich mit der künstlerischen Ausbildung seiner Kinder beschäftigte, und auch dann, nachdem sein Sohn sich bereits eine selbstständige Stellung begründet, hat er nicht mehr componirt. Was den musikalischen Charakter und Werth seiner Arbeiten betrifft, so sind sie im Style seiner Zeit gehalten, gründlich, streng contrapunctisch, aber altväterisch; immerhin tragen sie ein Gepräge an sich, das die vollkommene Eignung zu einem gründlichen Unterrichte, den seine Kinder zu so großem Nutzen genossen haben, erkennen läßt. Seine Frau schickte er, als ihn seine dienstliche Stellung hinderte, den Sohn auf seiner zweiten Reise nach Paris persönlich zu begleiten, mit ihm, da ihm sein damals zwanzigjähriger Sohn noch der mütterlichen Aufsicht – wenn die väterliche nicht möglich war – zu bedürfen schien. Die Mutter unterzog sich auch der etwas schwierigen Aufgabe; mochte sich aber auf der Reise schon verdorben haben, denn in Paris, immer nicht ganz wohl sich fühlend, erlag sie nach wenigen Monaten (3. Juli 1778) einem plötzlichen Anfalle.
Mozart, Leopold (Tonsetzer, geb. zu Augsburg 14. November 1719, gest. zu Salzburg 28. Mai 1787). Der Vater des berühmten- Jahn (Otto), W. A. Mozart (Leipzig 1856, Breitkopf u. Härtel, 8°.) I. Theil, S. 3–26 [vergleiche übrigens das raisonnirende Register im IV. Theile dieses Werkes, S. 805 u. 806). – Nohl (Ludwig), Mozart’s Briefe. Nach den Originalen herausgegeben (Salzburg 1865, Mayr’sche Buchhandlg., 8°.) S. 1 u. f., S. 29 u. f., 124, 132, 170 u. f., 260, 346 u. f., 368 u. f., 403, 404, 412, 428 u. f. – Pillwein (Benedict), Biographische Schilderungen oder Lexikon Salzburgischer, theils verstorbener, theils lebender Künstler u. s. w. (Salzburg 1821, Mayr, kl. 8°.). S. 150. – Gerber (Ernst Ludwig), Historisch-biographisches Lexikon der Tonkünstler (Leipzig 1790, J. G. J. Breitkopf. gr. 8°.) Bd. I, Sp. 976. – Derselbe, Neues historisch-biographisches Lexikon der Tonkünstler (Leipzig 1813, A. Kühnel, gr. 8°.) Bd. III, Sp. 474. – Abendblatt zur Neuen Münchener Zeitung 1857, Nr. 151, 152 u. 153: „Leopold und Wolfgang Mozart“. Von Dr. Julius Hamberger. – Hamburger Nachrichten (großes polit. Journal) 1856, Nr. 214. – Theater-Zeitung, herausg. von Adolph Bäuerle (Wien, 4°.) Jahrg. 1858, Nr. 169. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. III, S. 713. – Neues Universal-Lexikon der Tonkunst. Angefangen von Dr. Julius Schladebach, fortgesetzt von Eduard Bernsdorf (Dresden 1856, R. Schäfer gr. 8°.) Bd. II, S. 1037. – Gaßner (F. S. Dr.), Universal-Lexikon der Tonkunst. Neue Handausgabe in einem Bande (Stuttgart 1849, Franz Köhler, Lex. 8°.) S. 625. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliogr. Institut, gr. 8°.) Bd. XXII, S. 279, Nr. 4. – Slovník naučný. Redaktor Dr. Fr. Lad. Rieger, d. i. Conversations-Lexikon. Redigirt von Dr. Franz Lad. Rieger (Prag 1859, I. L. Kober, Lex. 8°.) Bd. V, S. 513. – Porträte. Leopold Mozart’s Bildniß befindet sich öfter auf den Gruppenbildern, die die ganze Familie darstellen. Derselben geschieht in der Biographie seines Sohnes [291] [S. 254, Nr. 8–16] Erwähnung. Von einzelnen Bildnissen Leopold Mozart’s sind nur die zwei folgenden bekannt: 1) G. Richter p., J. A. Fridrich sc., 1756, Hüftbild, 4°., 2) und das nach dem Familienbilde im Mozarteum in Salzburg gezeichnete, von M. Lämmel gestochene, das sich vor dem II. Theil der ersten Auflage von Otto Jahn’s „Mozart“ befindet.