BLKÖ:Pilat, Joseph Anton Edler von
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 22 (1870), ab Seite: 281. (Quelle) | |||
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Metternich trat, der damals k. k. Botschafter in Berlin war. Nach Metternich’s Ernennung zum Botschafter bei Napoleon I. folgte er dem Grafen nach Paris. Als Metternich nach dem Rücktritte Stadion’s Minister des Aeußern wurde, kam Pilat mit ihm nach Wien. 1813 begleitete er den Grafen Metternich zum folgenschweren Prager Congresse und 1814 nach Paris; nach Abschluß des ersten Pariser Friedens begleitete er den nunmehrigen Fürsten nach London und kehrte beim Beginne des Wiener Congresses nach Wien zurück. Im Jahre 1818 wurde er zum wirklichen k. k. Hofsecretär und später zum Regierungsrathe im außerordentlichen Dienste bei der Staatskanzlei ernannt. Pilat ist in den weitesten Kreisen als Redacteur des „Oesterreichischen Beobachters“ bekannt; er hatte die Redaction dieses seit 1810 bestehenden halb-, oder wenn man will, ganz officiellen Journals am 1. Jänner 1811 aus den Händen Friedrich’s von Schlegel übernommen und bis Ende März 1848 geführt. Bereits im Jahre 1831 war er von Kaiser Franz in den österreichischen Adelstand erhoben worden. Als Schriftsteller hat Pilat sich außer seiner journalistischen Thätigkeit in verschiedenen Literaturzweigen versucht. Er schrieb: „Ueber Arme und Armenpflege“ (Berlin 1804); dann: „Betrachtungen eines Deutschen über die durch des Senatusconsult vom 16. November 1813 in Frankreich ausgeschriebenen Conscription von 300.000 Mann“ (Frankfurt a. M., 1813), übersetzte de Pradt’s Geschichte der Botschaft im Herzogthume Warschau von 1812 (Wien 1814 bis 1815); ferner Karl Ludwig v. Haller’s Schreiben an seine Familie, um ihr seine Rückkehr zur römisch-katholischen Kirche zu eröffnen, beide Werke aus dem Französischen, wovon das zuletzt genannte drei Auflagen erlebte, und lieferte zahlreiche Aufsätze in Hartleben’s „Justiz- und Polizeifama“, in die Berliner „Haude- und Spener’sche Zeitung“, besonders über das Dr. Gall’sche System, endlich verschiedene Gedichte und Uebersetzungen von Gedichten aus dem Griechischen und Lateinischen in mehreren Taschenbüchern und Journalen. Pilat hinterläßt aus einer glücklichen Ehe mit seiner Frau, die vor ihm gestorben, eine zahlreiche Nachkommenschaft. Sein ältester Sohn, Clemens, mit einer Tochter des Hofraths Adam Müller [Bd. XIX, S. 322] vermält, ist Sectionsrath im Ministerium des Aeußern, der zweite, Friedrich, Geschäftsträger am badischen Hofe, der jüngste, Alois, ist k. k. Notar in Grein in Oberösterreich. Von seinen Töchtern sind zwei, Louise Xavieria und Maria Françoise, Klosterfrauen bei den Salesianerinen, die dritte war mit dem Freiherrn Alexander von Hübner [Bd. IX, S. 391], ehemaligen Botschafter, in Paris vermält und ist bereits vor Jahren gestorben. Pilat erhielt zwei Tage vor seinem [282] Tode, dem ein mehrwöchentliches schweres Leiden vorangegangen war, von Sr. Heiligkeit dem Papste Pius IX. auf telegraphischem Wege den Segen und wurde dem eigenen Wunsche gemäß sein Leichnam auf dem Enzersdorfer Friedhofe bei Mödling zur Erde bestattet. Es ist dieß derselbe Friedhof, wo seine Freund Zacharias Werner und Clemens Maria Hoffbauer ruhen. Pilat war einer der letzten Besitzer des Civil-Ehrenkreuzes, welches Kaiser Franz für Auszeichnung in den Jahren 1813 und 1814 gestiftet hatte. Fürst Metternich erhielt das einzige Großkreuz; von den 24 Besitzern des goldenen Kreuzes ist keiner mehr am Leben (der letzte war der vor ein paar Jahren gestorbene Staatsminister Graf Kolowrat); von den 134 Besitzern des silbernen dürften nur mehr wenige am Leben sein, wie z. B. der regierende Fürst Pálffy, der ehemalige Botschafter in London, Fürst Paul Eßterházy[WS 1], u. A. Mit Recht bemerkt einer seiner Biographen, daß P. reichen Stoff zu einer ausführlichen Biographie bietet, die um so mehr zu wünschen, da eine unbefangene Beurtheilung dieses Mannes in den Tagen der Parteiungen und sich kreuzenden Ansichten in den Kreisen der Regierenden und Regierten kaum sich bilden konnte. Varnhagen von Ense (im zweiten Bande seiner „Denkwürdigkeiten des eigenen Lebens“) erzählt von seinem Verkehre mit Pilat in Paris des Anmuthigen zur Genüge; er war, wie Varnhagen erzählt, die Seele der dortigen deutschen Colonie. Varnhagen, der ängstliche oder vorsichtige Diplomat, betont namentlich den Freimuth des jungen Deutschen im Gespräche über politische Dinge, welcher ihm (Varnhagen) oft die Haare zu Berge stehen machte, wenn er in witzigster Weise sich über den Bonapartismus erging. Destoweniger wollte es der großen Menge eingehen, daß Pilat in reiferen Jahren einem namenlosen Vereine von gelehrten und welterfahrenen Männern angehörte, welche dem freigeistigen Zuge des Jahrhunderts einen dämmenden Gegenzug entgegensetzten. Im freundschaftlichsten Verkehre mit ihm standen Männer, wie sein Schwager Klinkowström (der Vater des Missionspredigers Max Klinkowström), der Dichter und nachmalige Priester Zacharias Werner, Friedrich von Schlegel, Clemens Maria Hoffbauer, Hofrath Adam Müller von Nittersdorf, Baron Penkler, Graf Szechényi u. m. A., eine Gesellschaft, deren größere Hälfte aus Protestanten bestand, die zum Katholicismus übergetreten, aber durchaus bevorzugte Geister waren, welche in jenen Tagen die Aufmerksamkeit des gelehrten und gebildeten Europa auf Wien lenkten. Daß ein solcher Verein von katholischen Männern der innersten Ueberzeugung Pilat’s entsprach, darüber kann bei Allen, die Pilat näher kannten, kein Zweifel aufkommen, ebensowenig über den Umstand, daß es keine duldsamere und jede andere wirkliche Ueberzeugung mehr achtende Persönlichkeit geben konnte, als eben Pilat, der eine seltene Belesenheit, ja Gelehrsamkeit in gefälligster Form besaß. Man machte ihm nun zum Vorwurfe, daß er ein sehr entschiedener Katholik, ja sogar ein offener Vertreter und Anhänger der Jesuiten und Redemptoristen war, vergißt aber dabei das Axiom des freisinnigsten, ja des Philosophen unter den Monarchen: jeden nach seiner Façon selig werden zu lassen, und daß der wirklich Aufgeklärte Andern die Freiheit gönnt, die er selber mit Recht in Anspruch nimmt. [283] Pilat, eine vom Herzen wohlwollende Natur, hatte es längst, ehe die Leidenschaften zu Tage traten, erkannt, daß die inneren Fehden für die Kirche äußerst bedenklich seien und suchte deßhalb durch freundschaftlichen Contact der Betreffenden in seinem Hause die Divergenzen zum Ausgleiche zu bringen. Was ihm aber nicht immer gelang, darf doch ihm nicht zur Last gelegt werden. Im Uebrigen, wer ihn persönlich kannte, nahm den angenehmsten Eindruck seiner gutmüthigen Freundlichkeit, seines feinen Witzes und stets heiteren Sinnes als wahren Gewinn mit. Was seine Stellung zu Metternich anbelangt, so ging man so weit, ihm seine Treue für den Staatsmann, dem er diente, zum Vorwurfe zu machen! Und wahrhaftig, P. war einer der treuesten Diener seines Herrn, und daß er sich stets und immer dem Willen und der Meinung Metternich’s unterordnete, war wohl jene Eigenschaft, die ihm eben dem Staatskanzler am meisten werth machte. Was seine Stellung als Redacteur des einst in politischen Kreisen als maßgebend angesehenen „Beobachters“ betrifft, so wird von einer Seite bemerkt, daß sein Redacteursantheil bei dem Blatte lange nicht so groß gewesen, als man überhaupt anzunehmen beliebt, denn er mußte dem Fürsten Metternich jedes Blatt, bevor es erschien, vorlegen und der Fürst strich weg, setzte hinzu und änderte nach Belieben, schrieb auch wohl sein Urtheil über das gelieferte Manuscript an den Rand des Bürstenabzuges, wie denn Marginal-Bemerkungen zu machen, eine Lieblingsneigung Metternich’s war, daher denn auch sämmtliche publicistische Werke seiner reichen Bibliothek zur Stunde noch auf das Verschwenderischste damit versehen sind. [Wenigstens las dieser Staatsmann doch noch Bücher, aber die Staatsmänner – Einige ausgenommen – von heute, was lesen denn die?] Schließlich sei noch bemerkt, daß der im Jahre 1857 bei Cotta in Stuttgart erschienene „Briefwechsel zwischen Fr. Gentz und Adam Heinrich Müller“, der gewiß eine Bereicherung der historischen Literatur ist, von Pilat herausgegeben worden ist. In Friedrich Raßmann’s „Pantheon deutscher jetzt lebender Dichter u. s. w.“ (Helmstädt 1823, Fleckeisen, 8°.) erscheint P. mit den Taufnamen Rudolph Joseph, während Joseph Anton die richtigen sind.
Pilat, Joseph Anton Edler von (Staatsbeamter und Publicist, geb. zu Augsburg 20. Februar 1782, gest. zu Wien 2. Mai 1865). Die Schulen besuchte P. am Collegium ad Sanctum Salvatorem in seiner Vaterstadt Augsburg, dann bezog er die Hochschule von Göttingen, wo er die Rechtsstudien beendete, worauf er 1801 als Privatsecretär in die Dienste des Grafen (nachmaligen Fürsten)- Adelstands-Diplom ddo. 20. Juli 1831. – Der Bazar (Münchener Witzblatt, 8°.) 1830, Nr. 131, S. 545: „Wie der „österreichische Beobachter“ den Redacteur des Bazars für einen Griechen hält“. – Bohemia (Prager polit. und belletr. Blatt, 4°.) 1865, Nr. 106 u. 107, in der Rubrik: „Mosaik“. – Fremden-Blatt. Herausg. von Gustav Heine (Wien, 4°.) 1865, Nr. 126: „Noch eine Anekdote vom Regierungsrathe Pilat“. – (Hoffinger, Joh. Ritter v.)[WS 2], Oesterreichische Ehrenhalle (Wien, Ant. Schweiger, gr. 8°.) III. Band (1865), S. 35. – Neue freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1865, Nr. 243: „Pilat“; Nr. 253.“ „Testament“; – dieselbe 1867, Nr. 979, im Feuilleton: „Gentz und Pilat“ [aus dem Nachlasse Friedrich’s von Gentz. Erster Band: Brief, kleinere Aufsätze, Aufzeichnungen (Wien 1867, Gerold’s Sohn)]. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. IV, S. 222. – Oesterreichischer[WS 3] Volks- und Wirthschafts-Kalender (Wien, Prandl, gr. 8°.) Jahrg. 1867, in der von J. Ritter v. Hoffinger bearbeiteten „Ehrenhalle“. – Pester Lloyd (polit. Blatt, gr. Fol.) 1865, Nr. 105, im Feuilleton. – Pietznigg, Mittheilungen aus Wien (8°.) Jahrg. 1833, II. Heft, S. 76: „Geschichte der Entstehung des „Beobachters“. – Presse (Wiener polit. Blatt, Fol.) 1865, Nr. 121 u. 122, in der „Kleinen Chronik“; Nr. 124: „Regierungsrath von Pilat und die Napoleoniden“. – Vehse (Eduard Dr.), Geschichte des österreichischen Hofs und Adels und der österreichischen Diplomatie (Hamburg, Hoffmann u. Campe, kl. 8°.) Bd. X, S. 58. [284] – Wiener Zeitung (amtl. Blatt, gr. 4°.) 1865, Nr. 105, S. 485: „J. A. v. Pilat“. – Porträt. Unterschrift: Joseph Anton Edler von Pilat, k. k. wirklicher Hof-Secretär im außerordentlichen Dienste bei der k. k. geheimen Haus-, Hof- und Staatskanzlei, silbernes Civil-Ehrenkreuz, Ritter des päpstlichen Christus-Ordens, des russisch-kais. St. Annen- und des königlich preußischen rothen Adler-Ordens dritter Classe. Kriehuber (lith.) 1834, gedr. bei Leykum u. Comp. (Wien, Halb-Fol.). – Diplom und Wappen. Im Diplom der Adelsverleihung heißt es wörtlich: „Während des französischen Feldzuges der J. 1813 und 1814 wurde P. von dem Fürsten Metternich an Unser Hoflager berufen und ihm die Direction der Felddruckerei, die Redaction der Armeeberichte und andere schriftstellerische Arbeiten zur Beförderung des erhabenen Zweckes des damaligen Befreiungskrieges übertragen; welchen ihm anvertrauten Geschäften er zu unserer vollen Zufriedenheit und in der Art entsprochen hat, daß wir ihn dafür im Jahre 1815 mit dem silbernen Civil-Ehrenkreuze zu betheilen uns veranlaßt gefunden haben.“ In Anerkennung seiner später erworbenen Verdienste wurde P. geadelt und erhielt das nachstehende Wappen: Im rothen Felde ein goldener, mit drei blauen Sternen belegter Sparren. Im rothen Felde sind drei goldene Aehrengarben, zwei ober dem Sparren, einer unter demselben angebracht. Auf dem Schilde ruht ein rechtsgekehrter goldgekrönter Turnierhelm, auf dessen Krone sich ein offener schwarzer Adlerflug erhebt, dem eine goldene Aehrengarbe eingestellt ist. Die Helmdecken sind beiderseits roth mit Gold belegt.