Zum Inhalt springen

BLKÖ:Rößler, Karl Hugo

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Nächster>>>
Rößler, Franz
Band: 26 (1874), ab Seite: 259. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
in der Wikipedia
Karl Hugo Rößler in Wikidata
GND-Eintrag: 1050021576, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Rößler, Karl Hugo|26|259|}}

Rößler, Karl Hugo (Poet, geb. zu Postupitz in Böhmen 1. Juni 1801, gest. zu Urfahr nächst Linz 14. März 1866). In der Taufe erhielt er den Namen Karl; den Namen Karl Hugo, wie später einen anderen, weiter unten erwähnten, legte er sich als Pseudonym selbst bei und ist er deßhalb von dem Pesther Juden Karl Hugo [Bd. IX, S. 413], dem berüchtigten Herausgeber der „Fuchtel“, dann von dem „Düsseldorfer Poeten“ und Verfasser des Drama’s „Ludwig der Bayer“, gleichfalls Karl Hugo und von dem Redacteur der „Jagd-Zeitung“. Albert Hugo [Bd. IX, S. 412], wohl zu unterscheiden. Rößler stammt aus einer deutschen, in Böhmen ansässigen Familie und sein Vater war Director der gräflich Bucquoy’schen Kattunfabrik. In der Folge übersiedelte Rößler’s Vater nach dem im südlichen deutschen Böhmen gelegenen Silberberg, wo er die Leitung der dortigen gräfl. Glasfabrik übernahm und dieselbe in großen Flor brachte. Der junge R. beendete in den Jahren 1818–1820 zu Prag die philosophischen Studien und in den Jahren 1821–1824 die Rechte. Mit besonderer Vorliebe betrieb er das Studium der Classiker, welche er, sowohl die Griechen wie die Römer, im Originale las und in denselben trefflich Bescheid wußte. Kränklichkeit hinderte ihn, die juristische Laufbahn, für die er sich eigentlich vorbereitet hatte, zu ergreifen, und so kehrte er zu seinen Eltern nach Silberberg zurück und war seinem Vater in der Leitung der Glasfabrik behilflich. Als in der Folge der Vater starb, trat der Sohn an seine Stelle und stand bis in die Fünfziger-Jahre als Glasfabriks-Director von Silberberg in gräflich Bucquoy’schen Diensten. In dieser Stellung fand namentlich sein ausgebildeter ästhetischer Sinn vielfach Gelegenheit, in der Formenwahl sich berathend geltend zu machen. So hatte er sich denn als Industrieller bald einen geachteten Namen erworben. Die bisherigen freundlichen Beziehungen zu seinem Dienstherrn, der seinen beliebten „Geschmacksrath“ – denn das war Rößler – in seine engsten Zirkel gezogen hatte, erlitten aber durch Intriguen und heimliche Nichtswürdigkeiten mit einem Male eine solche Trübung, daß sich R. in seiner Stellung nicht mehr behaglich fühlte, dieselbe aufgab und seinen jahrelangen Heimatsitz im Jahre 1862 für immer verließ. R. übersiedelte nun zu seinen Verwandten nach Linz, pachtete daselbst eine Wirthschaft in dem nächstgelegenen Urfahr, wo ihn schon nach wenigen Jahren im Alter von 65 Jahren der Tod ereilte. Für dieses Lexikon hat der vorangeschilderte Lebenslauf nur insofern Interesse, als der schlichte Glasfabriks-Director und gräflich Bucquoy’sche Geschmacksrath auch als Dichter aufgetreten und als solcher eine naturwüchsige, poetische Kraft entfaltet hat. Es kann hier nicht auf seine dichterische Entwicklung und seinen selbstständigen, durchaus eigenartigen Charakter, auf seinen Hang zu philosophischer [260] Vertiefung und später gar zur Mystik des Näheren eingegangen – sein Biograph Hansgirg gibt eine anziehende Charakteristik, ein recht frisches Lebensbild seines dahingeschiedenen Freundes – sondern nur seiner Leistungen im Allgemeinen gedacht werden. Frühzeitig fühlte sich R., was bei seiner großen Vorliebe für die Classiker und ihr Studium leicht erklärlich, zur Literatur und Poesie hingezogen, und in dem kleinen, aus Rudolph Glaser, Dr. Robert Zimmermann und einem, ihm gar nicht verwandten Namensvetter Ignaz Rößler, der auch für Poesie schwärmte, bestehenden Kreise wurde früh Poesie und Literatur mit Liebe gepflegt, sogar eine geschriebene Zeitung, die, da jeder Mitarbeiter den Namen eines Vogels führte, „die Vogelzeitung“ hieß, redigirt. Aus diesem Privatissimum trat R. im Jahre 1824 zum ersten Male in die Oeffentlichkeit. Damals gab Karoline von Woltmann die Zeitschrift „Der Kranz“ heraus, ein mit Umsicht redigirtes, gut belletristisches Blatt, an welchem sich tüchtige Kräfte, so z. B. Karl Egon Ebert [Bd. III, S. 414], Dräxler-Manfred [Bd. III, S. 374], Rudolph Glaser [Bd. V, S. 207], Griesel [Bd. V, S. 334], Hanslick sen. [Bd. VII, S. 3353], Herloßsohn [Bd. VIII, S. 370], Marsano [Bd. XVII, S. 10], Ritter von Rittersberg [S. 187 dies. Bds.], Zauper, der treffliche Homer-Uebersetzer, u. A. betheiligten. Im „Kranz“ trat R. unter dem Pseudonym Karl Hugo im Jahre 1824 mit mehreren Poesien zum ersten Male öffentlich auf. Diesen Arbeiten folgte im Jahre 1827 im Aprilhefte der Monatschrift des böhmischen Museums ein größeres episches Gedicht: „Holger, der Reiche“, worin R. eine nordische Sage behandelt. Bei seiner eigenthümlichen Scheu vor aller Oeffentlichkeit behielt nun R. alle seine Arbeiten im Pulte und trat aus derselben erst nach vieljähriger Pause über Zureden seines Freundes Alois Klar [Bd. XII, S. 14], des Herausgebers der „Libussa“, und selbst da erst unter einer neuen Mystification. Im Jahrgange 1844 der Libussa erschien nämlich ein größerer poetischer Beitrag, betitelt: „Wratislaw“, aus dem Altböhmischen von Karl Rain. Unter dem Namen Karl Rain verbarg sich Rößler und das Gedicht selbst war auch eine Mystification, denn es war durchaus nicht aus dem Altböhmischen, sondern original-deutsch, aber mit großem Geschicke im Geiste der Gesänge der Königinhofer Handschrift[WS 1] in reimlosen, fünffüßigen Trochäen geschrieben. Noch sind in den Jahrgängen 1845, 1847, 1854 und 1855 poetische und prosaische Arbeiten von Rößler enthalten, u. z. darunter im Jahre 1847: „Die Kinder der Räuber“, wieder unter dem Pseudonym Karl Rain, im Jahre 1854 die „Lieder der neuen Tafelrunde“, und im Jahre 1855: „Der erlöste Protokollist“, ein harmloser, doch wirksamer Schwank. Die Lieder von der Tafelrunde erschienen mit Rößler’s vollem Namen, sie feiern die Helden der Jahre 1848 und 1849: den Kaiser Franz Joseph, Erzherzog Albrecht, Radetzky, Jellačić, Haynau, Heß und Schönhals, Schwarzenberg, Windischgrätz, Schlik, Clam-Gallas, Latour und Lamberg, Hentzi und Alnoch, Kopal und die Seinen, O’Donnell, worauf noch einige Gedichte patriotischen Inhalts den Cyklus schließen. Die Lieder machten zur Zeit ihres Erscheinens um so größeres Aufsehen, als auf denselben der Name des Glasfabriks-Directors, [261] dessen literarische und poetische Beschäftigung bisher nur in befreundeten und Literaturkreisen bekannt war, ausdrücklich genannt erschien. R. hatte sich lange geweigert, aus seinem Incognito herauszutreten, und sich auch dazu nur durch seinen Freund Klar überreden lassen. Da ferner Klar den Cyklus auch besonders, u. z. zum Besten seiner Blinden herausgab, so wurden, da die Poesien als Zeitproduct reißend abgingen, auch für den humanen Zweck mehrere Tausend Gulden erzielt. Eine poetisch bei weitem gehaltvollere Arbeit brachte noch der Jahrgang 1856 des von Bellmann[WS 2] herausgegebenen belletristischen Jahrbuchs „Album der Erinnerungen“ in dem lyrisch-epischen Gedichte: „Milada’s Lieder an Milorod“, in welchem R. die einfachen Ereignisse zweier Liebenden in ungemein sinniger Weise verherrlicht. Als Rößler im Jahre 1862 nach Linz übersiedelte, wurde er Publicist, und zwar Hauptmitarbeiter des Linzer Abendblattes. Ueber Rößler’s poetische Begabung schreibt sein bereits genannter Biograph: in Rößler überwiegt das epische und episch-lyrische Element vor dem rein lyrischen. Darum gelang ihm Ballade und Romanze besonders; für das komische Epos und den komischen Roman würde er das beste Zeug in sich gehabt haben, Epigramm und Satyre lagen ihm nahe, Beides pflegte er in den „Kanthariden“ [worüber die Biographie keine weiteren Aufschlüsse enthält, wahrscheinlich sind es beißende Epigramme] voll zeitgemäßer Anspielungen. Was R. den Menschen im Verkehre, im gesellschaftlichen Leben anbelangt, so waren es zwei Seiten, die ihn in guten Tagen äußerst gesellig machten; die eine: seine humoristische Ader, die andere: seine wie ein Kunstwerk abgerundete Gelehrsamkeit, die auch während des Gespräches rasch in Fluß kam und bald schlag- und citatfertig wurde. Sein Vortrag und seine Rednergabe waren fließend, und er hatte die Art und Weise eines nicht in einen bestimmten Typus von Menschenclassen einzureihenden Mannes. Man konnte nicht gleich beim ersten Anblicke sagen: „Er ist ein Industrieller!“ oder „Er ist ein Schriftsteller!“ Er gehörte in die Gilde der schwer einzureihenden Menschen, deren hohe, ausgeglichene, echt humane Bildung eine Art von „Rittern des Geistes“ schafft, und alles Zunftmäßige verbannt. Bei seiner industriellen – Stellung besuchte R. öfter Wien, wo er mit den Dichtern Castelli und Joh. Gabr. Seidl befreundet war. Als vortrefflicher Schachspieler war sein Name auch in den Schachkreisen des Auslandes bekannt und mit dem berühmten Berliner Schachspieler Hanstein, der überdieß auch als ausgezeichneter Uebersetzer englischer Dichtungen bekannt ist, stand R. in den freundschaftlichsten Beziehungen. Da R. als Industrieller durch Ausstellungen der unter seiner unmittelbaren Leitung stehenden Glasfabriken einen guten Namen besaß, überdieß für Kirche und Schule seiner Heimat als Humanist sehr thätig war, so wurde er, als seine „Lieder von der Tafelrunde“ erschienen, im Jahre 1854 mit dem goldenen Verdienstkreuze mit der Krone aufgezeichnet. Von dieser Zeit an aber fesselten sich Mißgunst und Neid an die Ferse des zu Ehren gelangten Mannes, und führten jenen Wechsel in seinen Verhältnissen herbei, dessen oben in der Lebensskizze gedacht worden, schließlich sei noch bemerkt, daß unter dem Karl Rößler, der im II. Bande, S. 321, des Werkes: „Oesterreich im Jahre 1840“ (Leipzig 1840, O. Wigand, gr. 8°.) mit mehreren Anderen als Novellist, [262] der allgemeine Anerkennung verdient, bezeichnet wird, wohl Niemand Anderer als unser Karl Hugo Rößler zu verstehen sein dürfte.

Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen, Redigirt von Jos. V. Grohmann (Prag, gr. 8°.) IV. Jahrg. (1866), Nr. 7, S 215: „Karl Hugo Rößler. Biographische Skizze von Karl Victor Hansgirg“. – Wiener Zeitung 1866, Nr. 64, S. 848. – Truska (Heliodor), Oesterreichisches Frühlings-Album (Wien 1854, 4°.) [aus einem der wenigen Exemplare, dem die biographische Notizen der Autoren beigegeben waren].

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Königinhofer Handschrift (Wikipedia).
  2. Vorlage: Kollmann.