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BLKÖ:Santini, Johann

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Band: 28 (1874), ab Seite: 202. (Quelle)
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Santini, Johann (Astronom, geb. zu Borgo S. Sepolcro in Toscana 30. Jänner 1786). Den ersten Unterricht erhielt er im Elternhause unter Anleitung seines väterlichen Oheims, des Abbé Joh. Bapt. Santini; im Jahre 1801 beendete er im Seminar zu Prato die philosophischen Studien, zu denen er schon von seinem Oheim vorbereitet worden war. Im Jahre 1802, damals erst 16 Jahre alt, bezog er die Universität Pisa, um sich an derselben dem Studium der Rechte zu widmen, welches ihm jedoch wenig zusagte, während ihn seine Neigung zu den mathematischen Wissenschaften und zur Naturlehre hinzog, welche ersteren er mit besonderem Eifer unter Professor Paoli betrieb, während in letzterer der Abbé Francesco Pacchiani sein Lehrer war, der sich in jener Zeit durch seine Untersuchungen über die Zersetzung des Wassers durch die Volta’sche Säule bekannt gemacht hatte. Der Fleiß, mit dem S. diesen Wissenschaften oblag, gewann ihm die volle Liebe und Theilnahme seiner Lehrer, des damaligen Rectors der Universität, Lorenzo Pignotti, der sich auch als Poet einen Namen gemacht, und des damals in Verwaltungskreisen einflußreichen Cav. Vittori Fossombroni. Durch Verwendung dieser seiner Gönner ward es ihm ermöglicht, sich dem Studium der Astronomie mit der Aussicht auf eine baldige Staatsanstellung zuzuwenden. Im September 1805 kam er bereits an die Sternwarte nach Mailand, wo er sich unter den beiden Astronomen Barnabas Oriani [Bd. XXI, S. 96] und Angelo Cesaris [Bd. II, S. 326] dem Studium der theoretischen und praktischen Astronomie widmete, die hauptsächlichste Unterweisung in derselben aber dem Director der dortigen Sternwarte. Franz Carlini [Bd. II, S. 284] verdankte. Die politischen Veränderungen in seinem Vaterlande hatten indessen Santini’s Aussichten auf eine Anstellung in seinem Vaterlande Toscana, die ihm zugedacht war, vereitelt, sich ihm hingegen neue im damaligen Königreiche Italien eröffnet, da er von Mailand aus zur Stelle eines Adjuncten bei Abbate Vincenzo Chiminello [Bd. II, S. 343] am Observatorium in Padua in Antrag gebracht und im September 1806 auch von der italienischen Regierung, deren Unterrichtsangelegenheiten damals der berühmte Arzt Peter conti Moscati [Bd. XIX, S. 113] leitete, dazu ernannt wurde. Santini hatte während seines Aufenthaltes in Mailand vielseitige Aufmunterung erhalten, welche er in seinen für die kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Wien verfaßten eigenhändigen Aufzeichnungen auch dankbarst anerkennt, und außer den bereits genannten Männern bezeichnet er noch Vincenz Brunacci [Bd. II, S. 174], Luigi Lamberti [Bd. XIV, S. 48, Nr. 2], Morosi, Paradisi, Venturi, Volta als Diejenigen, die auf die Entwickelung seines geistigen Lebensganges und so denn auf seine ganze Zukunft wohlthätig eingewirkt hatten. Padua, obgleich Galilei daselbst seiner Zeit sein neues Weltsystem an der damals so berühmten Universität vorgetragen hatte, besaß erst seit 1769 ein Observatorium; es wurde nämlich ein alter Festungsthurm mit einem der an denselben angrenzenden Häuser für astronomische Beobachtungen und die [203] Unterbringung der mit dieser Aufgabe betrauten Personen noch von der damaligen Republik Venedig bestimmt und mit der Leitung dieser Anstalt der als Meteorolog berühmte Abbate Giuseppe Toaldo, nach dessen Tode aber der schon genannte Abbé Vinc. Chiminello betraut. So lange dieser lebte, arbeitete Santini an dessen Seite, als aber Chiminello schwer erkrankte und 1814 starb, leitete Santini selbstständig das Observatorium. Im Uebrigen war dieses Observatorium, dessen Hauptinstrument in einem von dem Engländer Ramsden in London ausgeführten Mauerquadranten von 8 engl., Fuß im Durchmesser bestand, im Ganzen noch ziemlich dürftig ausgestattet, auch hatten die politischen Wirren und Chiminello’s langwierige Krankheit die Arbeiten auf das geringste Maß herabgemindert und diese sich vornehmlich auf nicht mehr denn regelmäßige meteorologische Beobachtungen beschränkt. Mit Santini’s Anstellung begannen sich allmälig die Verhältnisse der Anstalt günstiger zu gestalten, den meteorologischen Beobachtungen gesellten sich sorgfältige, über die Kometen und die neuen, zu Anbeginn dieses Jahrhunderts entdeckten Planeten; auch war er auf eine den Ansprüchen der Wissenschaft entsprechende Einrichtung des Institutes bedacht, worin er, wie Santini in seinen Aufzeichnungen selbst erklärt, von der kaiserlich österreichischen Regierung immer auf das Bereitwilligste unterstützt und gefördert wurde. Nachdem S. von der italienischen Regierung im Jahre 1813 mit der Lehrkanzel der Astronomie betraut worden, erfolgte, als Venedig in Oesterreichs Besitz gelangte, im Jahre 1818 seine Bestätigung in diesem Amte durch Kaiser Franz I. Im Jahre 1825 bekleidete S. die Rectorswürde an der Paduaner Universität und supplirte zu verschiedenen Malen mehrere erledigte mathematische Lehrkanzeln, zuletzt erfolgte seine Ernennung zum Director der mathematischen Facultät, welches Amt er viele Jahre zugleich mit seiner Professur der Astronomie bekleidete. Im Jahre 1843 unternahm S. eine wissenschaftliche Reise durch Deutschland, auf welcher er vornehmlich die verschiedenen Institute seiner Wissenschaft im Hinblicke auf die in diesem Gebiete eingeführten Verbesserungen, neuen Einrichtungen und sonstigen Fortschritte besuchte, und in Wien, Prag, Dresden, Leipzig, Berlin, Hamburg, Altona und München trat er mit den ersten Gelehrten seines Faches und verwandter Wissenszweige, wie mit Encke, Ettingshausen, Lamont, Littrow, Moebius, Prechtl, Reichenbach, Schumacher, Seebeck, Steinheil u. A. in unmittelbare Verbindung und später in gelehrten brieflichen Verkehr. Seine Absicht, in gleicher Weise und zu gleichem Zwecke später England und Frankreich zu besuchen, wurde vornehmlich durch die veränderten politischen Verhältnisse zunächst seines eigenen Vaterlandes, dann aber auch jener Staaten, die er kennen lernen wollte, anfänglich nur in den Hintergrund gedrängt, zuletzt aber ganz vereitelt. In seiner Stellung als Gelehrter und Lehrer bot sich ihm reichliche Gelegenheit zu schriftstellerischer Thätigkeit auf dem Gebiete, das er sich zu seinem Berufe erwählt hatte. Außer mehreren, zunächst für den Unterricht seiner Schüler in den von ihm gepflegten Fächern bestimmten Fach- und Handbüchern schrieb er zahlreiche Abhandlungen für gelehrte Sammelwerke und akademische Zeitschriften. Die Titel der ersteren sind: „Tavole del nonagesimo per la latitudine di [204] Padova con appendice contenente le prime osservazioni del nuovo pianeta Vesta“ (Padova 1807); – „Aritmetica decimale“ (ibid. 1809 u. noch viermal aufgelegt, 8°.), ein im amtlichen Auftrage gearbeitetes Handbuch für die Elementarschulen; – „Elementi di Astronomia con applicazioni alla Geografia, Nautica, Gnomonica e Cronologia“, 2 vol. (ibid. 1820; neue verb. Aufl. 1830, 8°.), der zweiten Auflage ist ein interessanter Anhang über planetarische Störungen beigefügt, dieses Werk fand, sobald es erschien, in Fachkreisen eine ungemein günstige Aufnahme und veranlaßte zunächst einen gelehrten brieflichen Verkehr mit dem berühmten Joseph Johann Littrow [Bd. XV, S. 286], welcher sich nach dessen Tode mit seinem Sohne Karl Ludwig [Bd. XV, S. 293] fortsetzte; – „Teorica degli stromenti ottici destinati ad estendere i confini della visione naturale“, 2 vol. (Padova 1820, 8°.), darin behandelt S. mit Zugrundelegung der einfachsten Formeln und athematischen Gesetze die Construction der verschiedenen Arten Fernrohre, der Teleskope, Reflectoren, Mikroskope, auf welchen Gegenstand S. später noch oft in seinen in Sammelwerken veröffentlichten gelehrten Arbeiten zurückkommt; – „Tavole logaritmiche e trigonometriche precedute da un trattato di Trigonometria piana, e sferica“ (2da ediz. 1843, 8°.). In Sammelwerken und periodischen akademischen Schriften standen gedruckt, und zwar in den Atti della Società italiana: „Osservazioni e calcoli di alcune opposizioni dei pianetti superiori“ (vol. XV); – „Ricerche sulla latitudine dell’ osservatorio di Padova“ (vol. XV, P. 2); – „Teoria del nuovo pianeta Vesta“ (vol. XVII); – „Osservazioni intorno all’ ecclisse solare del 7 Settembre 1820“ (XIX, per matem.); – „Teorica degli obiettivi acromatici proposti dal Sre Rogers“ (vol. XX, per matem.); – „Ricerche intorno alia massa di Giove“ (vol. XXI); – „Osservazioni e calcoli sulle Comete dell’ anno 1843“ (vol. XXIII); – in den Nuovi atti dell’ accademia di Padova: „Osservazioni intorno alla Cometa del 1815“ (I, 1817); – „Sopra la latitudine dell’ osservatorio di Padova“ (ibid.); – „Osservazioni intorno alla Cometa apparsa agli ultimi di Dicembre 1823 con appendice“ (II, 1825); – „Intorno al calcolo degli ecclissi solari ed in particolare dell’ ecclisse solare osservato ai 29 Novembre 1826“ (III, 1831); – „Osservazioni delle Comete fatte negli anni 1825, 1826, 1827, 1828 nell’ I. R. Specola di Padova preceduta da brevi cenni storici sulla loro scoperta ed orbita“ (ibid.); – „Considerazioni intorno ai calcolo dell’ orbita ellittica di una Cometa“ (ibid.); – „Formule e precetti per la costruzione degli oculari terrestri a quattro lenti pei cannochiali terrestri tanto per ingrandimenti determinati, come per ingrandimenti variabili“ (ibid.); – „Osservazioni delle Comete apparse negli anni 1830–1832 fatte nella I. R. Specola di Padova“ (IV, 1838); – „Ricerche intorno alle perturbazioni prodotte dall’ azione dei pianetti nella Cometa periodica detta il Biela dai 1826 al 1832 e che si produrranno sino al suo ritorno nel 1839 seguito da un effemeride pel 1839“ (ibid.); – „Osservazioni intorno alla Cometa periodica di Halley fatte nell’ I. R. Osserv. di Padova nel 1835“ (ibid.); – „Relazione intorno alla costruzione [205] ed uso del circolo meridiano dell’ Osservatorio di Padova“ (V, 1840); – „Posizioni medie delle stelle fisse ridotte al principio del 1840 ecc. ecc.“ (VI, 1849); – „Osservazioni astronomiclie intorno al Cometa periodica di Biela nel suo ritorno al perielio nel 1846 ...“ (ibid.); – in den Memorie dell’ I. R. Istituto Veneto: „Considerazioni intorno al calcolo degli oculari pei cannochiali astronomici dirette a destruggere le aberrazioni secondarie di rifrangibilità e di sfericità da essi dipendenti“ (I, 1843); – „Calcolo delle perturbazioni prodotte dall’ azione di Giove e di Saturno negli elementi ellittici della Cometa di Biela dal 1839 fino al 1846 con una effemeride per il suo ritorno al perielio“ (ibid.); – detto dal 1846 al 1852“ (ibid. 1855); – „Osservazioni delle ecclisse solari di 28 Luglio 1851 calcolate“ (ibid. VI, 1856); in den Transactions der Astronomical Society, XII (1842): „A catalogue of 1677 stars etc.“; – in den Annali delle scienze a lettere ecc. del Regno Lombardo Veneto: „Costruzione degli oculari pancratici“ (I, 1831); – „Orbite ellitiche delle stelle doppie“ (ibid. II, 1832); außerdem viele Notizen und kleinere Mittheilungen in von Lindenau und Bohnenberger’s Zeitschrift, in den Jahrgängen 1822 und 1823 der zu Padua herausgegebenen „Biblioteca germanica“, in Schumacher’s „Astronom. Nachrichten“. in Tortolini’s „Annali“, in Zach’s Monatlicher Correspondenz“ u. s. w. Santini’s Verdienste um seine Wissenschaft wurden mehrfach gewürdigt; sein Monarch, Kaiser Ferdinand I., zeichnete ihn mit dem Orden der eisernen Krone 3. Classe, Kaiser Franz Joseph mit dem Comthurkreuze des Franz Joseph-Ordens, der König von Dänemark mit dem Danebrog- und der Herzog von Toscana mit dem St. Joseph-Orden aus; viele gelehrte Gesellschaften und Akademien nahmen ihn unter ihre Mitglieder auf, so die Società italiana delle scienze dei XL, die Accademia di Padova, die Società Reale astronomica di Londra, das Institut von Frankreich, das I. R. Istituto Veneto, viele andere Akademien Italiens und die kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Wien, deren wirkliches Mitglied S. seit 14. Mai 1847 war, bis er nach dem Verluste Venedigs im Jahre 1866 unter die correspondirenden Mitglieder im Auslande versetzt wurde.

Poggendorff (J. C.), Biographisch-literarisches Handwörterbuch zur Geschichte der exacten Wissenschaften (Leipzig 1859, J. Ambr. Barth, gr. 8°.) Bd. II, Sp. 749.