BLKÖ:Schachner, Rudolph

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Schabus, Jacob
Band: 29 (1875), ab Seite: 27. (Quelle)
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Schachner, Rudolph (Componist, geb. zu München 31. December 1819). Zeigte in früher Jugend Talent und Neigung zur Musik, welche durch die Verhältnisse seiner Kindheit – er wurde in Einsamkeit von einer Verwandten streng erzogen – nur noch mehr gesteigert worden sein mochten. Im Alter von acht Jahren erhielt er auf sein Bitten einen – leider höchst mittelmäßigen – Unterricht. Als er 12 Jahre alt, starb sein Lehrer, und S. wäre wohl längere Zeit ohne weiteren Unterricht geblieben, wenn nicht, wie oft schon, so auch hier, ein günstiger Zufall mitgespielt hätte. In München lebte damals eine ungemein gebildete Dame und Musikenthusiastin, die Geheimräthin Flad, geborne von Canzler, die, da sie kinderlos, ihre ganze freie Zeit der Musik widmete und – unentgeltlich – Musikunterricht ertheilte. So waren Delphine Schauroth und Adolph Henselt ihre Schüler. Und um Letzterem ein Stipendium zu erwirken, [28] ertheilte sie der Prinzessin Mathilde von Bayern auch unentgeltlichen Musikunterricht , indem sie eben als Bedingung daran die Verleihung eines Stipendiums an Henselt knüpfte. Durch eine glückliche Verkettung von Umständen wurde auch Schachner, damals 12 Jahre alt, ein Schüler dieser Dame, die ihn nun in die Herrlichkeiten der Kunst, welche sie mit solcher Begeisterung liebte, einweihte. Auf ihren Rath nahm S. bei Kaspar Ett Unterricht in der Composition, so daß er bereits im Alter von 17 Jahren eine gründliche Kenntniß der Harmonielehre und des Contrapunctes besaß. Seine Verhältnisse nöthigten ihn aber, sich frühzeitig um einen Lebensunterhalt umzusehen, und es gelang ihm, bei dem damaligen russischen Gesandten am Münchener Hofe, bei dem Fürsten Gagarin, eine Clavierstunde für dessen beide Söhne zu erhalten. Durch diesen Umstand wurde S. auch der Zutritt zu noch höheren Personen ermöglicht. Die Königin Karoline von Bayern, Witwe des Königs Maximilian I. von Bayern, lebte um jene Zeit in München. Sie war eine große Freundin der italienischen Musik und so wurde S. die Ehre zu Theil, öfter in den Salon der Fürstin berufen zu werden, um ihr – freilich nicht classische Musik – leicht gefällige Sachen, wie sie damals eben Mode waren, vorzutragen. Durch Frau von Flad erhielt S. auch Gelegenheit, mit dem berühmten J. B. Cramer, der damals (1835) von London nach München gekommen war, bekannt zu werden. Als dieser S.’s Talent und Fortschritte kennen gelernt, nahm er sich S.’s an und ertheilte ihm während seines Aufenthaltes in München zweimal in der Woche unentgeltlichen Unterricht. S. lernte in seinem Meister einen vortrefflichen Mozartspieler kennen, dessen Unterricht nicht ohne Einfluß auf den empfänglichen Jüngling blieb. Um diese Zeit versuchte sich S. bereits in der Composition, und es entstanden damals mehrere Instrumental-Solo’s für das Piano und andere Instrumente, Duetten, ein Quartett, ja sogar eine deutsche Messe mit großem Orchester, welche später in der St. Michaelskirche in München aufgeführt wurde. Auch noch in anderer Hinsicht wurde Cramer’s Aufenthalt in München für S. maßgebend. Cramer erzählte nämlich dem jungen Musikenthusiasten von den musikalischen Verhältnissen in Paris, wohin er eben zu reisen vorhatte, um daselbst seinen Aufenthalt zu nehmen; von Habeneck’s Concerts spirituels, von den großartigen Aufführungen Händel’scher Werke in London und wie denn München in musikalischer Beziehung so Alles zu wünschen übrig lasse. Dadurch wurde S.’s Sehnsucht nach einer Stadt, in welcher ein erhöhtes musikalisches Leben herrschte, geweckt, und Wien, wo damals gute Musik gemacht wurde, und der Schauplatz des Wirkens eines Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert und auch der nächste Ort war, wurde das Ziel seiner Sehnsucht, nachdem er von Döhler, der damals aus Paris nach München gekommen, nur das Beste über die musikalischen Zustände der Kaiserstadt vernommen hatte. Im Frühlinge 1836 ging denn S., von Frau von Flad und seinem Meister Ett in der Ausführung seines Vorhabens bestärkt, nach Wien, wo er zunächst im Salon Streicher sich hören ließ und Beifall fand. Es gaben um diese Zeit eben Thalberg, Clara Wieck und der damals noch junge Liszt in Wien Concerte. Die Leistungen dieser Meister, wie [29] überhaupt, was S. in Wien zu hören bekam, brachten ihn zur Ueberzeugung, daß er noch viel zu lernen habe, wenn er in der Musik eine hervorragende Stellung einnehmen wolle. Indessen übernahm er im Hause des Grafen Otto Fünfkirchen, welcher zu Steinabrunn auf dem Lande wohnte, den Clavierunterricht der Comtessen, und während er Unterricht ertheilte, studirte er selbst fleißig und componirte. Damals war Wien, namentlich in Winterszeit, der Sammelplatz des Adels aller Provinzen. Die verewigte Erzherzogin Sophie gab glänzende Hofconcerte, in welchen die Sänger der deutschen und italienischen Oper, einheimische und fremde Virtuosen mitwirkten. Eine Empfehlung der Königin Karoline hatte S. auch Zutritt in diese Kammerconcerte verschafft, in denen jedoch nur italienische Musik und das modernste Virtuosenthum auf sicheren Beifall rechnen durfte, denn die goldene Aera des Wiener Musiklebens, in welchem die Capelle eines Fürsten Eßterházy sich hören ließ, die Quartettabende bei Fürst Lobkowitz und Dietrichstein wöchentlich stattfanden, waren vorüber; Haydn, Mozart waren antiquirt, und wenn Schubert zur Geltung gelangte, so dankte er dieß weniger den Sängern, als der Uebertragung seiner Lieder auf das Clavier, welche Liszt so meisterhaft durchgeführt. Ungeachtet dessen fand S. doch Gelegenheit, auch classische Musik zu hören und selbst zu üben. Durch den Schubert-Sänger Baron Schönstein und durch Diez wurde S. in das richtige Verständniß Schubert’s eingeweiht; die persönliche Bekanntschaft mit den Damen Baronin Erdmann und Baronin Drosdick, welche letztere Beethoven noch persönlich gekannt und seine Sonaten mit unvergleichlicher Virtuosität spielte, der Verkehr mit dem Cellisten Linke, einem Mitgliede des damals so berühmten Beethoven-Quartetts, mit welchen S. häufig spielte, förderten wesentlich S.’s Liebe und Kenntniß der classischen Musik. Um sich im Contrapuncte weiter auszubilden, nahm S. Unterricht bei Simon Sechter, aber die trockene Vortragsweise dieses Meisters sagte ihm so wenig zu, daß er schon nach zwei Monaten den ferneren Unterricht Sechter’s aufgab. In Wien ertheilte S. Musikunterricht, wozu sich ihm bei seinen ausgebreiteten Bekanntschaften und Empfehlungen gute Gelegenheit darbot. Auch spielte er in einem öffentlichen Concerte, ohne jedoch Beifall zu erringen, was seinen Eifer verdoppelte. Um diese Zeit veröffentlichte er sein erstes Concertstück für Clavier und Orchester, das als Opus 6 bei Haslinger in Wien im Stiche erschien. Im Sommer 1842 konnte S. seinen längst gehegten Wunsch, Paris zu besuchen, erfüllen. Dort fand er bei Moriz Schlesinger, dem ersten Musikverleger der Seinestadt, die wohlwollendste Aufnahme, und lernte durch ihn die interessantesten Persönlichkeiten kennen, darunter den berühmten Clavierfabrikanten Erard, den Dichter Heinrich Heine. Eine Empfehlung an Meyerbeer ermöglichte ihm auch den Zutritt zu diesem Tonheros, der ihn zu Habeneck, dem Director der großen Oper und der berühmten Concerts spirituels, und zu Chopin führte, bei dem S. mit dem Sänger Duprez und mit dem Fürsten der Pariser Kritik, Jules Janin, bekannt wurde. Insbesondere mit Habeneck, der sich dem jungen strebsamen Tonsetzer in wohlwollendster Weise zeigte, und mit Chopin verkehrte S. viel; und der Umgang mit diesen [30] ebenso als Künstler wie als Menschen gefeierten Männern übte nachhaltigen Einfluß auf S.’s empfängliches Gemüth. Von anderen bedeutenden Personen, welche S. in Paris kennen lernte, seien noch Kalkbrenner und Onslow genannt. Durck Habeneck’s Vermittlung erlangte S. die große und von Vielen vergebens angestrebte Gunst, sein Concertstück Opus 10 in einem der Concerts spirituels vorzutragen. Die Composition fand ungetheilten Beifall, S. erhielt die Ehren-Medaille de la Société, Beweise wohlwollendster Anerkennung namhafter Künstler und den Besuch Auber’s. Sein Name wurde in den besten Kreisen genannt und bekannt, auch an vortheilhaften Anerbietungen fehlte es nicht, aber die Sehnsucht nach Wien zog ihn im Herbste 1843 wieder dahin zurück. Dort war indessen der Capellmeister Nicolai eingezogen und hatte neues Leben in die schon ziemlich erschlafften musikalischen Kreise gebracht. Er hatte die philharmonischen Concerte in’s Leben gerufen und das Orchester des Kärnthnerthor-Theaters in musterhafter Weise geschult. S. selbst trug einige seiner neuen Compositionen in Concerten vor, wo sie Beifall fanden und damals, um die Wirkung einzelner Instrumente genau zu studiren, componirte er für Ullmann, Mitglied des Kärnthnerthor-Orchesters, eine große Phantasie für Oboe mit Orchester und Soli’s für Cello, Horn und Trombone. Im Winter 1844 wollte S. in seiner Vaterstadt München sich hören lassen und war deßhalb mit einem Freunde in brieflichen Verkehr getreten, der ihm auch schrieb, daß er alle Einleitungen für S.’s Auftreten getroffen habe. Aber welche Enttäuschung! Daselbst verkam alles Musikleben unter dem tyrannischen Gebaren des General-Musikdirectors, Alles, was wirklich Talent besaß und zu den besten Hoffnungen berechtigte, ging unter den elenden Gehalten geistig und physisch unter. Der Lebenssatz des Allgewaltigen war: „Mit hungrigen Hunden sei gut jagen“. Unter solchen Verhältnissen fand sich S. nichts weniger denn behaglich und kehrte bald wieder nach Wien zurück. Im Jahre 1845 besuchte S. Leipzig, wo er Mendelssohn-Bartholdy kennen lernte und von ihm in liebenswürdigster Weise aufgenommen wurde. Ueber Aufforderung Mendelssohn’s spielte S. auch eines seiner Werke in einem Gewandhaus-Concerte. Von Leipzig begab sich S. nach Berlin, wo er von König Friedrich Wilhelm und seiner Gemalin huldvoll aufgenommen wurde und Letzterer sein Concert mit Orchester, Opus 10, zueignen durfte. Von Berlin kehrte S. nach Wien zurück. Dort lebte er nun, mit musikalischen Studien und Unterrichtertheilen beschäftigt. Unter solchen Verhältnissen kamen das Jahr 1848 und mit diesem die glorreichen, Oesterreich aus den Banden unwürdiger Knechtschaft entfesselnden Märztage heran. Auch S. wurde von dem allgemeinen Jubel mitgerissen, verkehrte damals viel mit dem eben in Wien anwesenden exaltirten Litolff, patrouillirte als Garde vor den Linien, um das Gesindel, das auf Sengen und Brennen dachte, im Zaun zu halten, und wie die Poesie, die mit einem Male Freiheitslieder wie Pilze aus dem Erdboden hervorschießen ließ, blieb auch die Musik nicht zurück, und auch S. trug sein Schärflein bei und componirte ein Nationalgardenlied, welches öfter von Strauß beim „Sperl“ gespielt wurde und bei Engel in Wien im Stiche erschien, dann ein Polenlied, das Mecchetti verlegte, Cantor [31] Sulzer zuerst im alten Musikvereinssaale und Karl Formes in einem Concerte im Theater an der Wien unter brausendem Hurrahrufe der anwesenden Polen sang. In dieser bewegten Zeit verfiel S. auf einen eigenthümlichen Gedanken. Wie Orpheus die Thiere durch die Töne seiner Leier bezwang, so meinte S. die Studenten, die damals statt studiren regieren wollten, durch einen Gesangverein den politischen Diatriben zu entziehen und gerieth mit Cantor Sulzer auf die Idee, einen akademischen Gesangverein zu gründen. Die beim Ministerium eingeholte Bewilligung wurde erlangt, in kürzester Frist waren auch über 800 Mitglieder dem Vereine beigetreten. Aber was sollte ein friedlicher, künstlerische Zwecke anstrebender Verein in so bewegter Zeit! Die Sache blieb ohne eigentlichen Erfolg. Als die Wogen der Bewegung sich immer höher stauten, verließ S., wie er es alljährlich zu thun pflegte, Wien und reiste Ende August nach München, um daselbst seine Erzieherin zu besuchen. In jener Zeit verkehrte S. viel mit dem ihm von früher her befreundeten Ludwig Schwanthaler, der schon damals sehr leidend war, aber trotz seiner geschwollenen Hände Schachner’s Bildniß modellirte. Er vollendete es in einem lebensgroßen Medaillon en face, haut relief und befindet sich dasselbe zu München im Schwanthaler-Museum (Nr. 88). Als indessen die Ereignisse in Wien sich immer drohender gestalteten und jene im October das Schlimmste befürchten ließen, kehrte S., in der Sorge, seine kleine Habe zu verlieren, nach Wien zurück, wo er am 15. October über Nußdorf ankam. Nachdem er seine Sachen in Sicherheit gebracht, begab er sich nach Baden nächst Wien, um dort den Schluß der Ereignisse, der nicht lange mehr auf sich warten lassen konnte, abzuwarten. Als dann im November der Belagerungszustand über Wien verhängt worden, kehrte S. aus Baden dahin zurück und wohnte durch Zufall der Hinrichtung Becher’s und Jellinek’s, welche ihm Beide befreundet waren, bei. Diese zahlreichen Acte soldatischer Brutalität in jenen Tagen verleideten S., wie vielen Anderen, den Aufenthalt in Wien, dessen Physiognomie völlig verändert war. Alles künstlerische und somit auch das Musikleben war erstorben, man machte nur Musik in kleinen Kreisen und einen solchen fand S. damals bei William Grey, Secretär der englischen Botschaft. Als darauf im Jahre 1850 Lord Westmoreland als englischer Gesandter nach Wien kam, wurde auch S. in dessen Hause, da der Lord Musikenthusiast war – d. h. eigentlich mehr Enthusiast seiner eigenen Musik, da er selbst componirte – eingeführt und bald ein täglicher Gast desselben. Lord Westmoreland schilderte S. das musikalische Leben in London in so verlockender Weise, daß dieser beschloß, Wien, wo die Zustände noch immer höchst unerquicklich waren, zu verlassen. Er führte diesen Entschluß auch anfangs 1852 aus, verließ Wien und begab sich über München nach London, wo er seither seine bleibende Stätte aufschlug. Eine günstige, wenngleich befremdende Thatsache war es, daß S. seine Compositionen bei einigen Londoner Musikverlegern so bei Jules Benedict und bei Addison, nachgedruckt fand. Durch Empfehlungsbriefe erhielt S. Eintritt bei mehreren Familien, in denen viel Musik getrieben wurde. S. wurde oft gebeten, in denselben sich hören zu lassen, wurde aber auch immer sehr reich honorirt, ein Gebrauch, der weder in Wien noch in Paris vorkommt, wo die Ehre, eingeladen [32] zu sein, das übliche Honorar ist. Ueber 18 Jahre verlebte S. in der Themsestadt und hatte Zutritt zu den besten Familien und den Salons der vornehmsten Welt. Durch eine Einladung bei der Herzogin von Kent, Mutter der Königin Victoria, öffneten sich ihm auch die Hofkreise. Indessen verlief ihm die Zeit mit Unterrichtertheilen, wofür er glänzend honorirt wurde, da tritt ein Ereigniß in sein Leben, das einige Wichtigkeit annehmen sollte. Im Jahre 1857 hatte S. einer Aufführung von Händel’s Oratorium: „Israel in Egypten“ in Exeter Hall beigewohnt. Nun ist Händel der musikalische Abgott der Engländer und die Aufführung ging mit jener Großartigkeit vor sich, welche man den Händel’schen Tonstücken in London überhaupt angedeihen läßt. Von der Herrlichkeit dieses Werkes war S. berauscht und es ließ ihm keine Ruhe, er wollte ein ähnliches Werk schaffen. Dieß ist die Genesis seines berühmt gewordenen Oratoriums: „Israels Rückkehr aus Babylon“ (Israels return from Babylon), das Schachner’s Ruf in der Musikwelt begründete. Als S. einen Librettisten für den Text suchte und dieser nicht weniger denn 100 Guineen dafür verlangte, schrieb sich S. das Libretto selbst, das in vier Theile zerfällt: 1) Gefangenschaft, 2) Befreiung, 3) Versöhnung, 4) Verheißung und Lobgesang. S. stellte es nach Gedichten von Thomas Moore mit verbindendem Texte aus der Bibel zusammen. Als das Werk zur Hälfte gediehen war, unternahm S. eine Reise auf den Continent. In Hamburg traf er seinen Jugendfreund Hermann Berens, der ihm bezüglich seines Werkes treffliche Rathschläge gab. Nun begab sich S. nach Berlin, wo er seine Arbeit Meyerbeer vorlegte, der sich so günstig darüber aussprach, daß das Fragment in der Sing-Akademie zum Besten des Gustav Adolph-Vereins aufgeführt wurde und sehr gefiel. Nun ging S., der wieder nach England zurückgekehrt war, mit gehobener Stimmung an die Vollendung des Werkes. Als es fertig war, wurde es im Ausstellungsjahre 1862 in Exeter Hall zum Besten eines wohlthätigen Zweckes gegeben. Die Titjens sang die Sopran-Partie. Die Aufführung war glänzend. Ueber 500 Personen wirkten im Chor mit, das nahezu 90 Mann starke Conventgarden-Orchester und eine majestätische Orgel halfen den Eindruck des Tonstückes vollenden, dessen Erfolg ein durchschlagender war. Im folgenden Jahre wurde es bei dem großen Musikfeste in Worcester, dann bei dem Musikfeste in Gloucester und dann noch einmal in London in Exeter Hall zum Besten eines Kinderspitals (Queens Square Nr. 19) gegeben, wobei die Herzogin von Newcastle, eine Schülerin Schachner’s, und Ms. Elliot, die Gemalin des Bischofs von Gloucester, sich in den Sopranpart theilten. Von dem bedeutenden Ertrage wurde im Spitale ein neuer Saal mit 30 Betten eröffnet, am 16. December 1867 feierlich eingeweiht und mit dem Namen „Schachners Ward“ bezeichnet. Die Königin Victoria ließ sich zum Vortrage auf dem Harmonium Arrangements nach dem Oratorium anfertigen. Der Verlag Boosey aber kaufte den Clavier-Auszug um 400 Pfund. S. hätte wohl England nie verlassen, aber die schwankende Gesundheit seiner sechsjährigen Tochter, die das englische Klima nicht vertragen konnte und auf den Rath der Aerzte Heilung auf dem Continente suchen mußte, bewog ihn, im Jahre 1868 nach München zu reisen, wo er [33] einstweilen längere Zeit blieb. Ungeachtet er vom Könige in Audienz empfangen wurde und ein Exemplar seines Oratoriums überreichen durfte, scheiterte die Aufführung an jenen Intriguen, die sich dem Genius überall dort entgegenstellen, wo er sie am wenigsten erwartet. Die Erfahrungen. welche S. daselbst gemacht, verleideten ihm sein Verbleiben an diesem Orte, und er verließ München und ging nach Salzburg, wo er seither seinen bleibenden Aufenthalt genommen hat. Am 18. November 1869 brachte das Mozarteum sein Oratorium zur Aufführung, welche so günstig ausfiel, daß die Erzherzogin Sophie und ihr Gemal, da sie der ersten Aufführung nicht beigewohnt, eine Wiederholung wünschten, welche dann auch von der Liedertafel veranstaltet wurde. Der Ertrag beider Ausführungen war zum Besten des Pensionsfondes des Mozarteums und der Orchestermitglieder bestimmt. Nun war für S. in Oesterreich der Bann gebrochen. Am 11. u. 12. April 1870 fand die Aufführung des Oratoriums in Wien Statt. Der Haydn-Verein hatte sie im alten Kärnthnerthor-Theater veranstaltet und der Kaiser derselben bis zum Schlusse beigewohnt. Außer diesen Aufführungen sind noch jene in Kremsmünster, Augsburg, Straßburg, sämmtlich zu wohlthätigen Zwecken und mit glänzenden Einnahmen, zu erwähnen. Außer diesem Hauptwerke Schachner’s und den schon im Texte angeführten Compositionen sind von Schachner noch folgende, im Drucke erschienene Werke anzuführen: Lieder: 1) „Scheiden“; 2) „Der Spielmann“; 3) „Sehnsucht“; 4) „Liebesglück“; 5) „Trinklied der Alten“, sämmtlich von Geibel; 6) „Becher und Schwert“, von Joh. Nep. Vogl (alle bei Schott in Mainz); – eine zweite Folge: 1) „Lied des Alten im Barte“; 2) „Serenade“; 3) „Gesang im Grünen“; 4) „Des Müden Abendlied“; 5) „Wiedersehen“; 6) „Vorwärts“, sämmtlich von Geibel (diese sechs bei Kistner in Leipzig); – eine dritte Folge: 1) „Der Trinker und der Baron“, von J. Hausner; 2) „Wollt keiner mich je fragen“; 3) „Der lustige Geselle“, beide von Geibel (diese drei bei Schreiber in Wien); – Chöre: 1) „Durch Nacht zum Licht“; 2) „Blas’ blas’ du Winterwind!“ letzteres aus Shakespeare’s „Wie es Euch gefällt“ (beide bei Haslinger in Wien); -- Männerchöre: „Trinklied“ (bei Mechetti in Wien); – „Gaudeamus“, 6 Chöre: 1) „Die Maulbronner Fuge; 2) „Hildebrandlied“; 3) „Der Tazzelwurm“; 4) „Am Grenzwall; 5) „Der Basalt“; 6) „Dem Tode nah“ . von Scheffel (Wien, bei Haslinger); – dann die bei Schreiber in München erschienenen Charakterbilder für Männerchor: 1) „Die Lerche“; 2) „Alt-Assyrisch“, von Scheffel; 3) „Warnung“. von H. Lingg; 4) „Fahrender Schüler Psalterium“. Von anderen Compositionen wurden noch durch den Druck bekannt einige Clavierstücke, so: „Concertstücke mit Orchester“, Op. 6; – „Poesies musicales“, 3 Hefte; – „Fantaisie in Cis-moll“; – „Melodien im ungrischen Styl“; – „Phantasie über Yankee doodle“; – „Ombres et rayons“, sechs Stücke (Wien, bei Mechettl); – „Air triomphale“; – „Christmas pastorale“, zweistimmiger Canon mit Begleitung; – „Hallelujah“, zwölf vierstimmige geistliche Gesänge, u. m. a. S. ist kein Salon-Compositeur, der, der Mode des Tages folgend, ephemere Tändeleien auf den Musikmarkt wirft. Was er schreibt, hat tiefen geistigen Gehalt, ist warm empfunden und mit großer Sorgfalt ausgearbeitet. Sein bedeutendstes Tonstück bleibt jedoch jedenfalls das Oratorium, das die (Augsburger) [34] „Allgemeine Zeitung“ als eine Composition von kühnem Wurfe in der Anlage, großer Gewandtheit in der Behandlung des Technischen, Klarheit und Durchsichtigkeit der Entwickelung, von viel Glanz und Farbe in der Instrumentirung und voll Ursprünglichkeit der melodischen Erfindung bezeichnete. Vieles hat S. ungedruckt im Pulte liegen, was durch gelegenheitliche Aufführungen bekannt geworden, so z. B. eine deutsche Messe mit Orchester, eine Schlachtsymphonie für Orchester zur Siegesfeier bei Beendigung des Krimkrieges, eine Phantasie für Oboe mit Orchesterbegleitung, eine Phantasie für Clavier mit Orchesterbegleitung u. dgl. m. Mit dieser aus authentischen Quellen geschöpften Biographie werden die zahlreichen unrichtigen Angaben, die sich in Journalen und lexikalischen Werken vorfinden, berichtigt. So wurde S. im Jahre 1859 in belgischen, französischen und deutschen Blättern als in London gestorben gemeldet, was sich durch die Thatsache, daß er zur Stunde noch in Salzburg lebt, von selbst widerlegt. Ebenso ist die Angabe, daß er im Jahre 1848 aus politischen Gründen Wien habe verlassen müssen, unrichtig. Die Sache verhält sich so, wie sie in dieser Lebensskizze erzählt ist. Zu bedauern ist nur, daß eine Kraft, wie jene S.’s, unbenützt in Salzburg erschlafft, da sie in einer Weltstadt mit entsprechenden Mitteln Großes zu leisten berufen erscheint.

Salzburger Zeitung vom 18. September 1869, im Feuilleton; – dieselbe vom 15. November 1869, ebenda. – Wiener Abendpost. Beilage der (amtlichen) Wiener Zeitung 1873, Nr. vom 23. Juni, von Ambros. – Allgemeine Zeitung (Augsburg, Cotta, 4°.) 17. November 1869; 3. November 1870. – Augsburger Tagblatt (4°.) 21. October 1870. – Augsburger Abendzeitung vom 7. October 1870. – Neues Universal-Lexikon der Tonkunst. Angefangen von Dr. Jul. Schladebach, fortges. von Eduard Bernsdorf (Dresden 1857, Robert Schäfer, gr. 8°.) Bd. III, S. 445 [nach diesem geb. am 31. December 1821]. – Porträt. Unterschrift. Unter einigen Tacten einer facsimilirten Composition der facsimilirte Namenszug: Jos. Rud. Schachner. G. Fackert (lith.) 1861. Druck von C. G. W. Korn in Berlin (Fol.).