BLKÖ:Ulram, Karl Sohn
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 49 (1884), ab Seite: 11. (Quelle) | |||
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Karl Ulram (siehe den Vorigen). Gleich seinem Vater hatte er die juridische Laufbahn eingeschlagen, als er sich durch den plötzlichen Tod desselben in seinen Studien, denen er zu Prag oblag, unterbrochen sah. Da die Familie nicht eben in glänzenden Vermögensverhältnissen hinterblieb, beschloß er, das Studium aufzugeben und, im Besitz einer vortrefflichen tiefen Baßstimme, sich auf den Rath seines Lehrers, des berühmten Componisten Wenzel Tomaschek [Band XLVI, S. 57], der Oper zu widmen. Er ging nun nach Wien, wo ihn Duport, der Director des Kärnthnerthortheaters, als „Eleve“ und mit der Verpflichtung, in den zwei Opern „Robert der Teufel“ und „Norma“, im Chore mitzuwirken, gegen geringe Monatsgage engagirte. Dafür genoß er den unentgeltlichen Unterricht der Gesanglehrer Weinkopf des Aelteren und Cicimara. Nach Duport’s Abgange von dem Theater ward auch Eleve Ulram entlassen, und nun ging er nach Brünn, wo sich der Director Heinrich Schmidt gerne entschloß, ihn in der Oper debutiren zu lassen, hoffte er doch, mit Ulram, der ein gebürtiger Brünner war, eine gute Einnahme zu machen. In der Charwoche 1832 trat auch der junge Sänger als Sarastro in Mozart’s „Zauberflöte“ auf, und der Versuch fiel so glänzend aus, daß Ulram sofort auf zwei Jahre engagirt wurde. Aber seine Unbeholfenheit auf der Bühne machte ihm anfangs viel zu schaffen und trug ihm statt des Beifalls [12] das Gelächter des Publicums ein. Er ließ sich jedoch nicht irre machen, sondern studirte vielmehr mit allem Eifer, und als Anfangs 1834 die berühmte Wilhelmine Schröder-Devrient in Brünn gastirte und bei dieser Gelegenheit sich des Sängers mit der herrlichen Baßstimme freundlichst annahm, kam er allmälig auch zur verdienten Geltung. In den Opern „Othello“ und „Norma“, in denen er mit dem berühmten Gaste zusammen sang, fand er bald so viel Anerkennung, daß seine Gage auf das Vierfache stieg. Ostern 1836 ging Ulram zur deutschen Oper in Lemberg, wo er drei Jahre verblieb. Auf einem Ausfluge nach St. Petersburg, Kiew, Odessa, Warschau und Krakau verweilte er in letzterer Stadt zu längerem Gastspiel. In Krakau, damals noch Freistaat, herrschten übrigens so regellose Zustände, daß die österreichische Regierung sowohl in der Hauptstadt selbst, als von dem durch eine Brücke von dieser getrennten, jedoch zu Oesterreich gehörigen Vororte Podgorze aus, welcher ziemlich starke Besatzung hatte, strenge Wachsamkeit übte. Ulram[WS 1] trat in den „Puritanern“ zum ersten Male als Gast auf und fand bei dieser Vorstellung, welche am 17. August 1839 statthatte, Bühne, Foyer, Corridore, Orchesterraum und alle Gänge dicht von österreichischen Soldaten mit aufgepflanzten Bajonneten besetzt. Diese Obsorge schien aber nichts weniger als eine grundlose, brach doch das Publicum bei der Gesangstelle „für Freiheit und für Vaterland“ in frenetischen Beifall aus, der bei sorgloserem Verhalten der Regierung auch leicht in Aufruhr sich verwandeln konnte. Von Krakau ging Ulram, nach Wien, wo er mit Ballochino ein dreijähriges Engagement beim k. k. Hofoperntheater abschloß, welches damals Kräfte ersten Ranges, wie Jenni Lutzer, Hasselt-Barth, Karoline Mayer, Clara Heinefetter, Leopoldine Tuczek und die Sänger Staudigl, Erl, Pfister, Franz Wild, unter dem Capellmeister Conradin Kreutzer zu einem Ensemble vereinte. Ulram sang nur zweite Partien, so den Geßler in „Wilhelm Tell“, den Gouverneur in „Don Juan“, den Justinian in „Belisar“, was ihm auf die Dauer nicht behagte, so daß er schon im zweiten Jahre seine Entlassung nahm und einem Engagement an die königliche Hofbühne in Dresden folgte, wohin er von dem berühmten Karl Lipiński [Band XV, S. 217], der ihn in Lemberg kennen gelernt hatte, empfohlen worden war. Während eines längeren Halsleidens genöthigt zu pausiren, nahm er bei dem berühmten Johannes Mieksch [Band XVIII, S. 289] Unterricht, welcher dem bisherigen Naturalisten im Gesange zu großem Nutzen gereichte. Aber Conflicte mit dem Capellmeister Morlachi und dem Hoftheatersecretär Theod. Winkler (Pseudonym Theodor Hell) verleideten ihm einen längeren Aufenthalt, und er folgte einem Rufe an die Prager Bühne, die zu jener Zeit unter Stöger’s Leitung stand. Von Prag, wo er namentlich als Ankerström in Auber’s „Maskenball“ glänzenden Triumph feierte, ging er nach Gratz. Daselbst lernte er eine Tochter des k. k. Obersten von Boulet kennen, verheiratete sich mit ihr und blieb nun mehrere Jahre in der Murstadt, wo er sich auch im Fache des Buffo versuchte und als Leporello, Van Bett, Dr. Bartolo, Hofmeister in „Graf Ory“ sehr gefiel. Da ihm der Versuch, ein Gastspiel an der Wiener Hofoper zu erlangen, mißglückte, so machte er sich gerad auf nach Berlin. Aber auch dort [13] scheiterten seine Bemühungen, an der königlichen Oper zu singen, und zwar an dem Antagonismus, welcher zwischen dem Generaldirector von Küstner und Meyerbeer bestand – denn was der Eine wollte, hintertrieb der Andere. Zweimonatliche nutzlose Anstrengungen, zu einem Gastspiele zu gelangen, reiften endlich in Ulram den Entschluß, der Oper zu entsagen und dem – Schauspiele sich zuzuwenden. Um aber auf diesen Wechsel entsprechend sich vorzubereiten, hatte er, obwohl er die Zwischenzeit sorgfältig ausnützte, noch eine Reihe von Jahren nöthig. Indessen fand er Engagement am Leipziger Stadttheater, welches unter Dr. Karl Christian Schmid’s Direction stand. In der Antrittsrolle als Leporello machte er Furore; unter Schmid gelang es ihm auch schon, zuweilen im Schauspiele mitzuwirken, und so spielte er den Paul Werner in „Minna von Barnhelm“, den Oranien in „Egmont“, den Kurfürsten in Prutz’s „Moritz von Sachsen“, den Chapelle in „Urbild des Tartuffe“, und in allen diesen Rollen gefiel er sehr. Aber durch verschiedene Unfälle zog er sich ein Nervenfieber zu, und nachdem er genesen, stand er mit einem Male – ohne Engagement da. Endlich nach anderthalbjähriger Abwesenheit von Gratz kehrte er in sein früheres Engagement daselbst zurück. Und von da ab begann das berüchtigte Wanderleben des Künstlers, denn er spielte in der Doppeleigenschaft als Sänger und Schauspieler an verschiedenen österreichischen Bühnen. Der freundschaftliche Verkehr, in welchem er mit Robert Blum stand, war sogar Veranlassung, daß der von der Behörde abhängige Director Remark ihm deutlich merken ließ, daß eine Verlängerung des Engagements nicht in Aussicht stehe. So sah sich denn Ulram nach einer neuen Stelle um und fand sie endlich in Linz. Dort überraschte ihn die Bewegung des Jahres 1848, in welche der 33jährige Bühnenkünstler begreiflicher Weise nur zu bald hineingerissen wurde. Von der allgemeinen Begeisterung jener Tage fortgewirbelt, trat er mit an die Spitze eines politischen Vereines. Auch schrieb er in jenen Tagen unter Anderem zwei Broschüren politischen Inhalts: „Der Pferdefuss Jellacicicz’s“ und „Lebensgeschichte eines 68jährigen, seit 17 Jahren in dem Kloster der barmherzigen Brüder in Linz eingesperrten katholischen Priesters. Ein Beitrag zur Frage: Staat und Kirche“. Diese Schriften, welche in Tausenden von Exemplaren Absatz fanden, führten zu einem Preßproceß, welcher mehrere Monate als Damoklesschwert über seinem Haupte schwebte, aber mit der Thronbesteigung des Kaisers Franz Joseph wurden bei Ertheilung allgemeiner Amnestie auch alle Preßprocesse niedergeschlagen. Nun, den Proceß war er los, aber der alte Jammer war geblieben. Ulram stand ohne Engagement da. Endlich fand er eines in Brünn unter Director Balvansky, welches er am Palmsonntag 1849 antrat. Hier verblieb er drei Jahre, studirte sich auch in mehrere Rollen des classischen Repertoires ein und übernahm dann die Stelle des Regisseurs am ständischen Theater in Linz. In Folge seiner Darstellung des Wallenstein erging vom königlichen Theater in Dresden an ihn die Einladung zu einem Gastspiele, welches, ungeachtet wenig glückverheißende Umstände mitwirkten, gut ausfiel. Nach einjährigem Aufenthalte in Linz nahm nun Ulram[WS 2] einen Ruf an das Thalia-Theater in Hamburg an, wo er am 25. August 1853 als General Morin im „Pariser Taugenichts“ debutirte. In [14] Hamburg sagte er sich ganz von der Oper los, denn er fand daselbst ebenso ein vortheilhaftes Engagement, als im Verkehr mit Männern, wie Karl Töpfer, Dr. Bernhardi, Wollheim de Fonseca, B. A. Hermann u. A. das, was er vor Allem suchte, Aufmunterung zur Fortbildung in seiner Kunst. Dazu gesellte sich noch eine künstlerische Umgebung seltener Art, aus welcher wir nur die Namen Marie Seebach, Frau Burggraf, Frln. Grahn, Alex. Kökert, Weber, Schaefer und Gloy nennen. Da brach am 24. Juli 1854 die bekannte finanzielle Katastrophe der „Vereinigten Hamburger Bühnen“ aus, welche außer vielen anderen Mitgliedern der zwei Hamburger Theater auch Ulram engagementlos machte. Er benützte die nächste Zeit zu Gastspielreisen, bis er ein Engagement in Danzig erhielt, welches er am 1. August 1855 antrat. Bei der mit 1. Mai 1857 stattgefundenen Umgestaltung des Theaters in Wiesbaden zur Hofbühne übernahm er an derselben die Regie des Schauspiels, später die der großen Oper und blieb in dieser Stellung bis 1. September 1860. In jene Zeit fallen mehrere Gastspiele Ulram’s in Mainz, Düsseldorf, Amsterdam und Schwerin. In letzterer Stadt setzte er aus eigenem Antriebe und in Verehrung für den Compositeur Flotow dessen Oper „Indra“ in Scene. Nun hatte er schon früher mit der Generalintendanz des kurfürstlichen Theaters in Cassel behufs eines Gastspiels auf Engagement Unterhandlungen angeknüpft. Aber immer zerschlugen sich dieselben, endlich wurde es Ernst, und in der Zeit vom 23. Mai bis 8. Juni 1860 gastirte er auf der kurfürstlichen Bühne. Da kam ein komischer Zwischenfall vor. Zwei Rollen waren im Voraus festbestimmt: Wallenstein und Oberst Berg in den „Journalisten“. Die dritte mußte auf höheren Befehl durchaus ein „König“ sein. Da ließ der wohlwollende Generalintendant und Hofmarschall in seiner Liebenswürdigkeit wohl ohne jeden Hintergedanken die zweideutigen Worte fallen: „Mein Gott! was soll ich Sie für einen König spielen lassen, diese Könige sind ja alle so undankbar!“ – Endlich wurde König Ludwig XIV. in Paul Heyse’s „Elisabeth Charlotte“ festgesetzt, da aber die Darstellerin der Maintenon sich plötzlich unpäßlich meldete, schnell König Philipp in „Don Carlos“ eingeworfen. Ulram spielte seine Gastrollen mit Glück, und so erfolgte sein Engagement als Mitglied des kurfürstlichen Hoftheaters. Als man im Jahre 1866 dasselbe zu einem königlich preußischen umgestaltete, blieben die bestehenden Verträge der Mitglieder aufrecht, und als Ulram’s Vertrag dann ablief, wurde derselbe auf mehrere Jahre erneuert. 1878 befand sich Ulram noch bei dieser Bühne, und er dürfte wohl auch noch heute Mitglied derselben sein.
Ulram, Karl Sohn (Schauspieler, geb. zu Brünn 20. Februar 1815). Sohn des mährisch-schlesischen Landesadvocaten- Almanach der Genossenschaft deutscher Bühnen-Angehöriger. Herausgegeben von Ernst Gottke (Leipzig, 8°.) I. Jahrg. (1873), S. 26 bis 36: „Carl Ulram“. – Allgemeines Theater-Lexikon oder Encyklopädie alles Wissenswerthen für Bühnenkünstler, Dilettanten und Theaterfreunde u. s. w. Herausgegeben von K. Herloßsohn, H. Marggraff u. A. Neue Ausgabe (Altenburg und Leipzig o. J., 8°.) Bd. VII. in den Nachträgen, S. 322. – Meyer (J.). Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, New-York und Philadelphia, gr. 8°.). Zweite Abtheilung (O–Z), Bd. XII, S. 1093. [Dieses und das vorige Lexikon führen ihn als Karl Ritter von Ulram an, was ein Irrthum, da weder Ulram Vater noch Ulram Sohn geadelt sind.]