BLKÖ:Vámbéry, Hermann

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Vályi-Nagy
Band: 49 (1884), ab Seite: 239. (Quelle)
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Vámbéry, Hermann (ungarischer Reisender, geb. zu Duna-Szerdahelyi auf der Insel Schütt 1832). Der Sohn armer jüdischer Eltern, verlor er, nur wenige Wochen alt, seinen Vater durch den Tod, und so blieb er der Obsorge seiner Mutter überlassen, die, um ganz für ihn zu leben, sich nicht wieder verheiratete. Ein angeborenes Hinken (Coxalgie) im dritten Jahre erschwerte die Erziehung des Knaben, er mußte auf Krücken gehen. Bei den ärmlichen Verhältnissen der Mutter konnte auch für seine leibliche Pflege ein Uebriges nicht geschehen, im Gegentheile, nur zu oft kam es vor, daß er Mangel litt. Eben diese Umstände aber härteten seinen Körper ab, und so schien es, als ob das Schicksal mit im Bunde wäre, den Knaben für die Aufgaben vorzubereiten, denen er als Mann sich widmen sollte. Dabei besaß er vortreffliche Geistesgaben, vor Allem ein ausgezeichnetes Gedächtniß, und dies stärkte und steigerte seinen Wissensdrang. Sein Eifer für das Studium erfuhr aber leider einen schlimmen Stoß, als er seiner Armut wegen den Schulbesuch nicht fortsetzen konnte, sondern zu einem Frauenschneider in die Lehre geschickt wurde. Aber bei diesem hielt er es nicht lange aus, er verließ die Werkstätte, um den Sohn des Besitzers eines Dorfwirthshauses zu unterrichten. Hand in Hand mit diesem kleinen Lehramte gingen noch mancherlei untergeordnete Dienste, so mußte er Stiefel putzen, am Samstagabends den Gästen Wein und Branntwein verabreichen. Auch war sein um zwei Jahre älterer Zögling ein wilder Range, der einmal über den Lehrer herfiel, so daß dieser nur durch die herbeigeeilte Wirthin vor groben Thätlichkeiten bewahrt wurde. Aber er hielt geduldig seine Zeit aus, und als er acht Gulden beisammen hatte, machte er sich auf, verließ die Insel Schütt und ging zunächst nach St. Georgen, unweit Preßburg. Dort gelang es ihm durch Freitische und andere Unterstützung mildthätiger Menschen, das Piaristengymnasium zu besuchen, auf welchem er bald zu den besten Schülern zählte. Aber schon nach zwei Jahren drängte es ihn fort, und er wanderte nach Preßburg, wo er drei [240] Jahre als Diener, als Lehrer von Köchinen und Dienstmädchen unter den drückendsten Verhältnissen verbrachte. „Kein Stein ist in dem Pflaster der kleinen Stadt“, schreibt er selbst, „der, wenn er sprechen könnte, nicht von meinem Elende zu erzählen wüßte“. Trotz der mageren Kost, die meist nur in Wasser und Brod bestand, gedieh er doch trefflich und machte in der Schule die besten Fortschritte; war aber in der einen Stadt das Semester um, dann hielt es ihn nicht länger, er ergriff den Wanderstab und ging aufs Gerathewohl in eine andere. Auf solche Art besuchte er Wien, Prag und andere Städte der Monarchie; bei guten Menschen fand er, da er lateinisch sprechen konnte, Unterkunft, auch ward ihm ab und zu ein Stück Geld auf den Weg mitgegeben, und diese Wanderungen waren die Vorschule seiner späteren Derwischfahrten. Wenn er dann wieder in die Stadt zu den Studien zurückkehrte, wollte es ihm in den beengten Verhältnissen nimmer recht gefallen, indessen setzte er seinen Selbstunterricht fleißig fort, begann französisch zu lernen, verlegte sich auch nebenbei auf das Slavische, so daß er im Alter von fünfzehn Jahren neben dem in der Schule erlernten Latein die Kenntniß der deutschen, magyarischen, französischen und slovakischen Sprache besaß. Anfangs lernte er nur Vocabeln und stieg von zehn täglich allmälig zu sechzig, ja hundert. Später erst schritt er zur Verbindung in Sätzen. Die großen Resultate, welche er mit dieser Methode, durch die er auch sein Gedächtniß stärkte, in Kurzem erzielte, machten ihn nur noch eifriger, bald ging er vom Selbststudium des Französischen zu den übrigen Zweigen der romanischen Sprachbildung über. Und als er nun gar die Classiker der verschiedenen Sprachen im Original zu lesen begann, da gab es für ihn kein Halt mehr, er wurde nur noch lernbegieriger, und seine Sprachstudien gewannen einen immer größeren Umfang. Zu dem sprachlichen Eifer gesellte sich aber, eben durch die Lectüre geweckt, bald die Sehnsucht nach dem Orient, denn in den Werken Tasso’s, Ariost’s, Cervantes, Byron’s fesselten ihn vor Allem die Scenen, welche in den Ländern des Sonnenaufgangs spielten. Mit dieser Sehnsucht wuchs denn auch das Verlangen, die Sprachen des Orients kennen zu lernen, und so begann er zunächst mit dem Türkischen, dessen Studium ihm durch das Magyarische einigermaßen erleichtert wurde, wenngleich es auch da galt, große Schwierigkeiten zu überwinden, da ihm ja alle Mittel fehlten, um die sprachlichen Werke, deren er bedurfte, zu kaufen. So geschah es denn, daß er einmal, durch seinen Selbstunterricht irregeführt, einen ganzen starken Band fehlerhaft einstudirte, so daß er damit von vorn beginnen mußte. Auch noch andere Folgen schlimmster Art hatte für ihn dieses Selbststudium. Da er, um zu memoriren, laut sprach und in seinem Eifer sein Geberdenspiel immer heftiger und grotesker wurde, hielt man ihn bald für einen Wahnsinnigen, und in Folge dessen verlor er seine Lehrerstelle. Doch auch das überwand er, er suchte eine andere und trieb sein Studium unverdrossen fort. Nun galt es, seine Sehnsucht nach dem Orient zu befriedigen. Dazu aber fehlten ihm alle Mittel, und schien der Zeitpunkt des Antrittes seiner Wanderschaft immer ferner zu rücken. So war er zwanzig Jahre alt geworden, als ihn ein günstiger Zufall mit Joseph Freiherrn von Eötvös [Bd. IV, S. 55] zusammenführte. Der vorurtheilslose geistvolle Aristokrat erkannte bald in dem jungen Hebräer, der ihm sein Sinnen und [241] Trachten offenbarte, die seltene Energie und war entschlossen, ihm zu helfen. Selbst zwar mittellos, verschaffte er ihm doch durch seine Fürsprache die freie Reise bis zum schwarzen Meere. Außerdem spendete er ihm einen kleinen Geldbetrag und alte Kleidungsstücke. Und so trat Vámbéry 1854, 22 Jahre alt, mit fünfzehn Gulden Reisegeld in der Tasche, auf einem Donaudampfer über Galacz seine Fahrt nach dem Orient an. Schon auf dem Schiffe, auf welchem alle Nationen vertreten waren, erregte er durch seine Sprachkenntnisse – denn er sprach serbisch, italienisch, türkisch, französisch u. s. w. – allgemeine Bewunderung, die um so mehr wuchs, als man erfuhr, daß er noch gar nicht in der Fremde gewesen. Auch genoß er aus dieser Sprachkenntniß den für ihn nicht geringen Vortheil, daß, wenn er, sobald man auf dem Schiffe die Tischglocke läutete, sich in einen Winket zurückzog, um dort sein trockenes Brod zu verzehren, er von manchem Sohne Mercurs, den er durch seine Sprachkenntnisse begeistert hatte, die Einladung zum gemeinsamen Mittagsmahle erhielt. Auch der Schiffskoch, ein Italiener, gewährte dem armen Reisenden, wenn dieser Stanzen aus Ariost oder Tasso recitirte, begeistert von den herrlichen Versen seiner vaterländischen Poeten, manche Schüssel Maccaroni oder Risotto, ja wohl gar einen Braten. Aber besonders die türkischen Passagiere, die sich auf dem Schiffe befanden, bezeugten dem jungen Magyaren ihre volle Theilnahme. Es war eben die Periode der ungarischen Flüchtlinge, in welcher deren Hunderte zum Scheine zum Islam übertraten. Die Unterdrückung der Magyaren durch die Russen mag wohl Seitens der Türken, die ja im Russen ihren Vernichter ahnen, die Sympathie für den jungen Magyaren geweckt haben. Das Recitiren der Eingangsverse in der „Henriade“ von Voltaire mitten im nächtlichen Sturme verhalf ihm auf dem Schiffe, welches sich bereits Constantinopel näherte, zur Bekanntschaft mit einem Gesandtschaftssecretär, der, gleichfalls dahin reisend, für den ärmlich aussehenden, aber so sprachgewandten Vámbéry Interesse empfand und denselben aufforderte, ihn in Constantinopel aufzusuchen, wo er ihm seinen Schutz so weit als möglich angedeihen lassen wolle. Unter solchen Umständen fuhr er in den Bosporus ein. Von seinen fünfzehn Gulden war ihm eben noch so viel geblieben, um das Boot zu bezahlen, welches ihn ans Land brachte, und so setzte er mit schwerem Herzen, aber leichtem Beutel den Fuß auf türkischen Boden. Das Zusammentreffen mit einem ungarischen Flüchtling, der seinen Landsmann an der Tracht erkannte und gern in seiner ärmlichen Spelunke aufnahm, verschaffte ihm für etliche Tage wenigstens eine dürftige Unterkunft, dann gewährten ihm andere Landsleute Unterstützung, sein Sprachentalent aber verhalf ihm zunächst zu einer Gelegenheit, sich seinen Unterhalt zu erwerben. Durch geschriebene Annoncen trug er seine Dienste an, und sonderbar genug, den ersten Secretär der dänischen Gesandtschaft in Constantinopel, einen Levantiner von Geburt, sollte er in seiner Muttersprache unterrichten. So war der Anfang gemacht. Nun folgte eine Unterrichtsstunde bei einem jungen reichen Türken, die sich nicht minder günstig für Vámbéry anließ und für denselben noch den Vortheil hatte, daß er sich mit den Sitten und Bräuchen des türkischen Familienlebens vollkommen vertraut machte. Noch ersprießlicher für die Förderung seiner Zwecke war es, als er in das Haus des [242] Divisionsgenerals Hussein Daim Pascha als Erziehen dessen Sohnes Hassan Bey gerufen wurde. Es ist dies jener Hussein Daim Pascha, der sich an der berühmten Kuleli-Verschwörung, bei welcher es sich um die Beseitigung des Sultans Abdul Medjid sammt seinen Landesgroßen handelte, hervorragend betheiligte. Bei dem General wurde nun Vámbéry mit dem eigentlichen Haupte dieser Verschwörung, mit Ahmed Effendi, dem Mollah aus Bagdad, bekannt. Die Kenntniß, welche er im Türkischen besaß, förderte sehr die Annäherung Beider, die um so intimer sich gestaltete, da es schien, als ob er zum Islam übertreten wolle. So geschah es, daß er den Mollah in dessen Zelle im Hofe der Moschee besuchen durfte. Bei Ahmed Effendi, einem gründlichen Kenner des Arabischen und Persischen, lernte er ungemein viel, und dieser war es auch, dem er für seine Umwandlung zum Asiaten am meisten verdankte. Nachdem er sich – ohne jedoch den Werth der abendländischen Bildung zu unterschätzen oder sich gar im Innern ganz vom Abendlande loszusagen – zum vollendeten Osmanli umgestaltet hatte, trat er in türkische Dienste und später als Secretär in jene Fuad Paschas. Während seines sechsjährigen Aufenthaltes in Constantinopel eignete er sich die Kenntniß von nicht weniger als zwanzig orientalischen Sprachen und Dialekten an, veröffentlichte mehrere sprachwissenschaftliche Werke – nach deren Titel Verfasser dieses Lexikons vergeblich suchte – und bearbeitete das türkisch-deutsche Wörterbuch, welches 1858 herauskam. Die ungarische Akademie der Wissenschaften in Pesth, sowie einzelne Ungarn bestrebten sich schon seit einer Reihe von Jahren, die Ursitze des magyarischen Volkes und in weiterer Folge seine Sprachverwandtschaft mit anderen, finnischer Idiome sich bedienenden Völkern zu erforschen, ohne zu einem Resultate gelangen zu können. Da erbot sich nun Vámbéry im Jahre 1860, nachdem ihn die ungarische Akademie zu ihrem Mitgliede ernannt hatte, zu jenem Zwecke eine Reise in das von Europäern fast noch nie betretene centrale Asien zu unternehmen. Die Akademie unterstützte ihn mit tausend Gulden. Er beschloß, die Reise als Derwisch verkleidet zu machen, in der richtigen Voraussetzung, daß er als Europäer seinen Plan kaum unbehelligt werde ausführen können; doch hatte diese Verkleidung anderseits wieder den Nachtheil, daß er sich auffälliger Untersuchungen, eingehender Erkundigungen enthalten mußte und selbst Notizen aufzuschreiben und aufzubewahren nur durch List ihm möglich wurde. Ueber seine Reise in Centralasien hat er in einem besonderen Werke Bericht erstattet, in der ersten Abtheilung die eigentliche Reisebeschreibung gegeben, in der zweiten ungleich wichtigeren aber reiche Notizen über Bevölkerung, Lebensweise, Regierungsformen, Ackerbau, Handel, Industrie, Straßen u. s. w. Mittelasiens mitgetheilt. Von Constantinopel begab er sich zunächst nach Teheran, um von dort über Mesched und Herat in Mittelasien einzudringen, da aber durch den Krieg in Afghanistan zwischen Dost Mohammed Khan und Sultan Achmed Khan jede Communication unterbrochen war, sah er sich gezwungen, vorläufig in Teheran zu bleiben. Hier nahm er bereits den Charakter eines mohamedanischen Derwisch an; indeß seine europäische Gesichtsbildung erweckte doch zuweilen Verdacht, gefährdete seine persönliche Sicherheit und bereitete ihm auch sonst noch schwer zu besiegende Schwierigkeiten. Des Wartens müde, [243] schloß er sich endlich einer Karawane von Hadschis (Mekkapilgern) aus Bokhara und der chinesischen Tatarei an. Am 28. März 1863 brach dieselbe auf, erreichte bei dem Orte Karatepe das Kaspische Meer und fuhr von da auf einem turkmanischen Schiffe über die südöstliche Ecke des Meeres erst nach Aschura, das seit 25 Jahren im russischen Besitze ist, dann nach Gömüschtepe, einem Turkmanenlager an der Mündung des Görgen. In Gömüschtepe und nachher in Etrek hatte Vámbéry die beste Gelegenheit, die eigenthümlichen Verhältnisse der Turkmanen zu studiren. Es traf sich auch glücklich, daß gerade der Kerwanbaschi (Karawanenführer) des Khan von Khiwa sich in der Gegend befand, und mit dessen Karawane vereint machten die Hadschis in 20 Tagen die Reise durch die große Wüste nach Khiwa. Vámbéry beschreibt nun die Großartigkeit und das Leben der Wüste. In Khiwa gerieth er in große Gefahr, entdeckt zu werden, und nur die eigene Geistesgegenwart, sowie die Freundschaft seiner Reisegefährten retteten ihn, ja er wußte sich dann sogar ein gewisses Ansehen als Hadschi Rumi (türkischer Hadschi) zu verschaffen, wurde dem grausamen Khan Seid Mehemed vorgestellt und für würdig befunden, demselben seinen Segen zu ertheilen. Nach einem Ausfluge nach Kungrat setzte die Karawane ihre Reise nach Bokhara fort. Furcht vor den räuberischen Expeditionen der Turkmanen zwang sie, den Weg durch die Wüste zu wählen, wo sie die schrecklichsten Leiden durch Wassermangel zu erdulden hatte und auch Vámbéry nur durch die Hilfe persischer Soldaten dem Leben erhalten blieb. In Bokhara war er neuen Verdächtigungen und einer fortwährenden Spionage von Seite des Statthalters Rahmet Bi ausgesetzt; da es ihm aber gelang, die islamitischen Geistlichen, die hier im Hauptsitze des Islam in Mittelasien besonderen Einfluß besitzen, zu täuschen und bei diesen Achtung zu gewinnen, konnte die weltliche Gewalt ihm nichts anhaben. Der Aufenthalt in Bokhara dauerte 22 Tage und bot dem Reisenden Gelegenheit, dieses „Rom des Islam“, wie er es nennt, genau kennen zu lernen, ohne jedoch einen besonders günstigen Eindruck von dem Gesehenen zu empfangen. Nun wurde die Reise nach Samarkand, der Stadt Timur’s, angetreten, wo die Erinnerung an diesen großen Eroberer noch sehr lebendig war. Dort zog zu dieser Zeit gerade der aus dem Feldzuge gegen Kokhand zurückkehrende Emir von Bokhara ein, und auch diesem mußte der Reisende seine Aufwartung machen. Seine Absicht, noch weiter nach Osten vorzudringen, konnte Vámbéry, wie nun einmal die Verhältnisse lagen, vorläufig nicht ausführen, und so nahm er von seinen treuen Gefährten schmerzlichen Abschied und trat die Rückreise über Karschi, Balkh, Maymene nach Herat und von da nach Teheran an. In Herat war er zum letzten Male in Gefahr, entdeckt zu werden. Der junge Serdar sagte ihm geradezu: „Ich beschwöre es, du bist ein Engländer“, und nur Vámbéry’s treffende Entgegnung: „Wer einen Gläubigen, wenn auch nur im Scherz, einen Ungläubigen nennt, ist selbst ein Ungläubiger“ rettete ihn. Auf persischem Gebiete konnte er allmälig seine Maske fallen lassen, und als er im Jänner 1864 in Teheran ankam, entdeckte er dem Schah seinen wahren Charakter, und der Herrscher beschenkte den kühnen Reisenden reich mit Gold und verlieh ihm den Sonnenorden. Nach Europa zurückgekehrt, war Vámbéry [244] Gegenstand allgemeiner Bewunderung. Insbesondere in England, wohin er sich zuerst begab, schlug man in so eigenthümlicher Art die Lärmtrommel, daß man bei uns in Deutschland stutzig wurde und nach den näheren Motiven forschte. [Vergleiche S. 246: V. Vámbéry und die geographische Gesellschaft in London]. Regierung, Gesellschaft und gelehrte Körperschaften in London, die sich in Fällen, wo es sich um Prioritäten auf wissenschaftlichem Gebiete handelt, sehr reservirt zu verhalten und wenn es sein muß, auch vor kleinen Fälschungen sich nicht eben zu scheuen pflegen – man gedenke nur an die Erfindung der Schraube durch unseren braven Ressel [Bd. XXV, S. 313] – überhäuften den kühnen, doch sehr bescheidenen Reisenden mit Auszeichnungen und Ehrenbezeigungen aller Art. Einen Lehrstuhl, den ihm die Universität Oxford anbot, wie ähnliche Anerbietungen anderer Städte schlug Vámbéry aus, um seine reichen Kenntnisse und Erfahrungen an seiner vaterländischen Universität in Pesth zu verwerthen. In der That wurde er auch mit ah. Entschließung vom 21. Juli 1865 zum Lehrer der orientalischen Sprachen an dieser Hochschule ernannt, nachdem er vorher während seiner Anwesenheit in Wien ein Exemplar seines Reisewerkes Sr. Majestät dem Kaiser vorgelegt hatte. In den Pesther katholischen Universitätskreisen fand der neue Lehrer nicht eben das freundlichste Entgegenkommen. Früher Israelit, war er zum Protestantismus übergetreten und erfuhr nun von clericaler Seite mancherlei Widerwärtigkeiten. Jedoch die auszeichnende Aufnahme, welche sein Reisewerk von Seite Seiner Majestät gefunden – er erhielt mit ah. Entschließung vom 25. Februar 1865 die große goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft ebnete ihm einigermaßen den Pfad. In seinem Lehramte wirkt er noch zur Stunde, ab und zu unternimmt er größere Reisen auf dem Continent. So machte er im Jahre 1866 eine Rundreise durch England, wo er in den größeren Städten (Leeds, Birmingham, Manchester u. s. w.) Vorlesungen über englischen Verkehr mit Centralasien hielt. Ueber seine Reisen hat er ausführliche Werke, mehrere darunter in ungarischer, deutscher und englischer Sprache zugleich herausgegeben, ihre Titel werden unten in chronologischer Folge mitgetheilt. Aber auch sonst ist Vámbéry vielfach schriftstellerisch thätig, und zwar in deutscher und magyarischer Sprache. Seit Jahren ein fleißiger Mitarbeiter der Augsburger, jetzt Münchener „Allgemeinen Zeitung“, verficht er als solcher in seinen mit Sach- und Localkenntniß geschriebenen Artikeln Englands Politik in Asien, gegen Rußland in ostentativer Weise Partei nehmend. Die wichtigeren Artikel sind S. 246 zusammengestellt worden. Schließlich sei noch erwähnt, daß der verewigte Kaiser Maximilian von Mexico den kühnen Reisenden mit seinem Guadeloupe-Orden auszeichnete.

I. Vámbéry’s selbständig erschienene Werke und ihre Uebersetzungen. „Türkisch-deutsches Wörterbuch“ (Constantinopel 1858) [den bibliographisch genauen Titel dieses Werkes konnte ich nicht erfahren]. – Abuska. Csagataj török szógyüjtemény. Török kéziratokból forditotta“, d. i. Abuska. Türkisch-tschagataische Wörtersammlung u. s. w. (Pesth 1862, Eggenberger, 8°., XXII und 107 S.). – „Középázsiai utazás, melyet a magyar tudományos Akadémia megbizásából 1863-bán Teheránból a Turkman sivatagon át a kaspi tenger keleti partján Khivába, Bokharába és Szamarkandba tett“, d. i. Reise in Mittelasien, von Teheran durch die Turkmanische Wüste an der Ostküste des Kaspischen Meeres nach Khiwa, Bokhara und [245] Samarkand, ausgeführt im Auftrage der ungarischen Akademie der Wissenschaften im Jahre 1863, mit Illustrationen (Pesth 1865, Gustav Emich, 8°., XX und 399 S.); – auch deutsch: „Reise in Mittelasien, von Teheran durch die Turkmanische Wüste an der Ostküste des Kaspischen Meeres nach Khiwa, Bokhara und Samarkand, ausgeführt im Jahre 1863. Deutsche Originalausgabe“ (Leipzig 1865, Brockhaus, gr. 8°., XV und 352 S., mit 12 Abbildungen im Holzschnitt und einer lith. und color. Karte in gr. Fol.), 3 Rthlr.; – zweite verb. und verm. Aufl. (ebd. 1873, gr. 8°., XIV und 384 S.); – und englisch: „Travels in Central Asia; being the Account of a Journey from Teheran across the Turkoman Desert on the Eastern shore of the Caspian to Khiva, Bokhara and Samarkand, performed in the year 1863“ (London 1864, Murray, 8°.). – „Vándorlásaim és élményeim Persiában“, d. i. Wanderungen und Erlebnisse in Persien (Pesth 1867, Heckenast, gr. 8°., X und 399 S.); – auch deutsch: „Meine Wanderungen und Erlebnisse in Persien. Mit dem Porträt des Nasr-ed-din Schah, Königs von Persien. Nach der ungarischen Originalausgabe“ (Pesth 1867, Heckenast, gr. 8°., IX und 364 S., mit 8 Holzschnitttafeln, davon 2 color.), 2 Rthlr. – „Cagataische Sprachstudien, enthaltend grammatischen Umriß, Chrestomathie und Wörterbuch der cagataischen Sprache. Unter den Auspicien der königlichen asiatischen Gesellschaft von Großbritannien und Irland“ (Leipzig 1867, Brockhaus, hoch 4°.. VIII und 360 S.), 7 Rthlr. – „Vázlatai Közép-Ázsiából. Ujabb adalékok az Oxusmelléki országok népismereti, társadalmi és politikai viszonyaihoz“, d. i. Skizzen aus Mittelasien u. s. w. (Pesth 1868, Mór. Ráth, gr. 8°., V und 385 S.). – „Skizzen aus Mittelasien. Ergänzungen zu meiner Reise in Mittelasien. Deutsche Originalausgabe“ (Leipzig 1868, Brockhaus, gr. 8°., V und 358 S.), 2 Rthlr. – „A keleti török nyelvről“, d. i. Ueber die osttürkische Sprache (Pesth 1869, Eggenberger, 8°.). bildet Nr. VI der von der ungarischen Akademie herausgegebenen. von Franz Toldy redigirten Abhandlungen der sprach- und schönwissenschaftlichen Abtheilung. – „Indiai tündérmesék. Érdekes olvasókönyv az érettebb ifjuság számára“I, d. i. Indische Feenmärchen. Interessantes Lesebuch für die reifere Jugend (Pesth 1870, Heckenast, 8°., XI und 352 S.). – „Uigurische Sprachmonumente und das Kudatku-Bilik. Uigurischer Text mit Transscription und Uebersetzung nebst einem uigurisch-deutschen Wörterbuche und lithographirten Facsimile aus dem Originaltexte des Kudatku-Bilik“ (Innsbruck [Leipzig 1870, Brockhaus], gr. 4°., V und 262 S.), 8 Rthlr. – „Oroszország hatalmi állása Ázsiában. Történelmi tanulmány“, d. i. Rußlands Machtstellung in Asien. Eine geschichtliche Studie (Pesth 1871, Athenäum, gr. 8°.); – auch deutsch: „Rußlands Machtstellung in Asien. Eine historisch-politische Studie“ (Leipzig 1871, Brockhaus, gr. 8°., IV und 95 S.), 1.50 Rthlr. – „Geschichte Bochara’s oder Transoraniens von den frühesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Nach orientalischen benützten und unbenützten handschriftlichen Quellen. Deutsche Originalausgabe“, 2 Bände (Stuttgart 1872, Cotta, gr. 8°., XLII und 230 S.; VI und 248 S.), 21 Mark. – „Centralasien und die englisch-russische Grenzfrage. Gesammelte politische Schriften“ (Leipzig 1873, Brockhaus, gr. 8°., VIII und 351 S.). 4 Thlr. 50. – „Der Islam im neunzehnten Jahrhunderte. Eine culturgeschichtliche Studie“ (Leipzig 1875, Brockhaus, gr. 8°., VII und 321 S.), 6 Thlr. – „Sittenbilder aus dem Morgenlande“ (Berlin 1876, A. Hofmann, gr. 8°., V und 317 S.), 6 M. [Bildet den ersten Band der dritten Serie der vom allgemeinen Verein für deutsche Literatur bei Hofmann in Berlin herausgegebenen Schriften.] – „Die primitive Cultur des turkotatarischen Volkes“ (1879). – „His life and adventures, written by himself“ (London 1883, F. Uwin, 8°.), 16 Sh. [Vámbéry’s jüngstes Werk, das soeben (December 1883) die Presse verlassen hat.]
II. Kritik der Fachblätter über seine Reisen. Ueber Vámbéry’s Reise durch Centralasien: Allgemeine Zeitung (Augsburg, Cotta, 4°.) 1864, Beilage Nr. 339–345. – Blätter für literarische Unterhaltung (Leipzig, Brockhaus, 4°.) 1865, S. 488. – Magazin für Literatur des Auslandes. Von J. Lehmann (Leipzig, 4°.) 1865, Nr. 19, S. 261 und 278. – Mittheilungen aus Justus Perthes’ geographischer Anstalt, 1864, S. 385. – Oesterreichische Wochenschrift. Beilage zur (amtlichen) „Wiener Zeitung“ (Wien, gr. 8°.) 1864, Nr. 52. – Ueber seine Wanderungen und Erlebnisse in Persien: Blätter für literarische Unterhaltung (Leipzig, Brockhaus, 4°.) 1868, Nr. 25 [246] S. 389. – Zarncke (Friedrich). Literarisches Centralblatt (Leipzig, Avenarius, 4°.) 1868, Nr. 35, Sp. 944.
III. Vámbéry’s zerstreute Abhandlungen in magyarischen Fachschriften. In Budapesti Szemle. Uj folyam“, Bd. III, 1865, S. 358: „A sivatagon“; – Bd. IX, 1867, S. 137: „A törökök és a nyugati polgárisodás“; – Bd. XIV, 1869, S. 3; – „Keleti Turkesztán vagy a Khinai tatárság“; – 1873, Bd. I, S. 135: „Timur és udvara“. – In Erdélyi Muzeum-Egylet Évkönyvei, Bd. I, 1859/61, S. 63: „Feridun bégnek szultáni okmányok gyüjteménye“; – S. 65: „Forditása azon levélnek, melyet Bethlen Gábor magyar király Murteza pasához a budai helytartóhoz küldött“; – S. 67: „Forditása annak a levélnek, melyet Bethlen Gábor magyar király a fővezérhez intézett“. – In Földrajzi közlemények, Bd. I, 1873, S. 1: „Megnyitó beszéd és évi jelentés a magyar földrajzi társulat 1873 Január 12–diki közgyülésen“; – S. 177: „Bokharai khánság éjszaki határán létező sivatagok“; – S. 225: „Tekesz-völgy és a Muzart szorosut“. – In Hazánk, Bd. II, 1860, S. 195: „Solimán zultánnak a mohácsi ütközetnél nyert győzelmét hirdető levele“. – In Magyar történelmi tár, Bd. XI. 1862, S. 197: Hunyady János hat legnagyobb csatája, melyet szultán Murád és Mohammed ellen vitt. Chodzsa Szádüddin Effendi Tadzs üt Tevárich török szövegét forditva közli“. – In Magyar Tud. Akademiai Értesítő. A Philosophiai Törvény és Történettudományi Osztályok közlönye“, Bd. I, 1860, S. 360: „Tarikhi Engerusz, azaz magyarország Története czimü török kézirat ismertetése“; – Bd. II, 1861/62, S. 87: „Török történeti irodalomról“. – In Magyar Tudományos Akademia Értesítője, Bd. I, 1867. S. 57: „Egy magyar perzsa követségről“. – In Nyelvtudományi közlemények, redigirt von Paul Hunfalvy, Bd. XIII (1877): „Etymologisches Wörterbuch der türkisch-tatarischen Sprachen“. – In Uj Magyar Muzeum, 1860, Bd. I, S. 31: „A mohácsi ütközet. Pecsevi Ibrahim Effendi történeti kéziratából forditva“; – S. 294: „Szolimán zultán harmadik hadjárata. Pecsevi török történelmi kéziratából“; – S. 348: „Szolimán zultán negyedik magyar hadjárata. Pecsevi után“; – Bd. II, S. 418: „A belgrádi és magyarországi győzedelmekről. Pecsevi török történetíróból forditva“.
IV. Vámbéry’s deutsche Artikel in der (Augsburger) „Allgemeinen Zeitung“. 1874, Nr. 176: „Russen und Briten in Mittelasien“; – 1875, Nr. 62: „Rußland am Nordrande Irans“; – Nr. 276: „Die neuesten Vorfälle in Chokand“ – Nr. 347; „Die russischen Kämpfe in Chokand“; – 1876, Nr. 11; „Kiptschaken und Russen“; – Nr. 341: „Die nationale Stimmung in Constantinopel“; – 1877, Nr. 4: „Mittelasien und die orientalische Frage“; – Nr. 9, Beilage: „Ein Ausflug nach Khiwa“; – Nr. 108: „Persien und die orientalische Frage“; – Nr. 132: „Afghanistan und die orientalische Frage“; – Nr. 224: „Die Faust des kranken Mannes“; – 1878, Nr. 63: „Ueber die Türken in Europa“; – Nr. 208: „Rußlands Kriegsrüstungen in Centralasien“; – Nr. 239: „Rußlands Kriegsrüstungen in Turkestan“; – Nr. 269: „Die Vorgänge in Centralasien“; – Nr. 320: „Russische Pläne auf der Turkomanensteppe“; – Nr. 339: „Rußland und Afghanistan“; – 1879, Nr. 137: „Der Friedensschluß in Afghanistan“; – Nr. 203: „Der russische Feldzug gegen Merw“; – Nr. 267: „Kabul und Herat“; – Nr. 275: „Die politischen Zustände im Norden und Nordwesten Afghanistans“; –, Nr. 308: „Der russische Mißerfolg auf der Turkomanensteppe“; – Nr. 344: „Neue Aufschlüsse über die russische Expedition gegen die Turkomanen“; – 1880, Nr. 98: „Der zweite russische Feldzug gegen die Turkomanen“.
V. Vámbéry und die geographische Gesellschaft in London. In Sommer des Jahres 1864 bildete dieser berühmte Reisende – er hatte sich, von seiner Reise aus dem fernen Samarkand heimgekehrt, eben nach England begeben – wochenlang dort das Thema der Gesellschaft wie der Journale. Die königliche geographische Gesellschaft in London führte ihn in ihrer Sitzung vom 27. Juni genannten Jahres zum ersten Male, bald darauf in Bath bei der British Association zum zweiten Male dem gelehrten und neugierigen Publicum vor. „Samarkand, die wunderbare Metropole Innerasiens, schon in Alexanders des Großen Geschichte eine wichtige Rolle spielend, von Dschingis Chan 1220 belagert, von Tamerlan [247] 1369 zu seiner Residenz gemacht, wurde nur von Marco Polo vor etwa 600 Jahren einmal besucht und dann nicht wieder bis auf – Hermann Vámbéry!“ So posaunten die Londoner großen und kleinen Blätter, und ihnen nach im Chorus die übrigen Blätter aller Sprachen des Continents. Und um diesen Berichten den gehörigen Nachdruck zu geben, hielt der berühmte Sir Roderick Murchison, zur Zeit Präsident der Londoner Geographical Society, in derselben eine lange Rede, in welcher er nicht genug von der Außerordentlichkeit der Vámbéry’schen Reise erzählen konnte, und unter Anderem behauptete: daß die von dem Reisenden durchschnittene Gegend zwischen Teheran und Samarkand so ziemlich eine terra incognita, sei, daß er denselben für den ersten Europäer halte, dem es gelungen, vom Kaspischen Meere über Asterabad nach Khiwa zu reisen, daß auch Vámbéry’s Aufenthalt in Samarkand etwas Neues sei, daß diese Stadt nicht seit den Tagen Clavijo’s (der es 1404 besuchte) beschrieben und dergleichen mehr. Diese Angaben des Herrn Präsidenten der geographischen Gesellschaft in London sind aber zum Theile gräßlich übertrieben, zum Theile gänzlich irrig, ja unwahr. Selbst die deutsche Wissenschaft ließ sich durch englischen Aplomb für einen Augenblick – aber auch nur für einen Augenblick verblüffen. Schon in der nächsten Sitzung der British. Association zu Bath klangen die Berichte – Vámbéry selbst widersprach den maßlosen Uebertreibungen Murchison’s auf das entschiedenste – bedeutend gemäßigter, waren doch zwei Russen, Chanykoff und Alexander Hippius, zugegen. Ersterer, selbst ein Reisender, der auch in Samarkand gewesen, hielt einen Vortrag, und Letzterer hob mit Nachdruck hervor, daß er die für Vámbéry beanspruchte Ehre: „seit 450 Jahren der erste Europäer gewesen zu sein, der bis Samarkand vorgedrungen wäre und es beschrieben hätte“ für seine Landsleute in Anspruch nehme, und citirte für seine Behauptung ein russisches Journal vom Jahre 1842,. in welchem ein ausführlicher Bericht über die russische Expedition nach Samarkand enthalten sei. Nun erst begann man in Deutschland – wo man leider sein Licht unter den Scheffel zu stellen pflegt – sich zu regen, und Dr. Petermann, der selbst einen Augenblick von den britischen Uebertreibungen sich hatte verblüffen lassen, trat für die Deutschen ein. „Wir Deutsche“, rief er mit gerechter Entrüstung aus, „müßten nicht einen Funken von Ehr- und Nationalgefühl im Leibe haben, wenn im Laufe dieser monatelangen öffentlichen Verhandlungen, welche deutsches Verdienst wieder einmal öffentlich vollständig ignoriren, nicht endlich auch eine Stimme laut würde, die dasselbe zu wahren sucht, oder wenigstens daran zu erinnern sich bemüht. Lehmann, Blaramberg, Helmersen, Baer, Bunge sind nicht nur deutsche Namen, sondern auch Deutsche und die Hauptnamen für Alles das, was wir wirklich schon über Samarkand, Buchara (Bokhara) und Sir Murchison’s angebliche terra incognita (!) wissen, und sind die Träger genannter Namen auch in Diensten Rußlands, so sind es doch Männer deutscher Abkunft. Freilich wieder können wir nicht bestreiten, daß alles Große, was von Deutschen für die Erdkunde geleistet wurde, im Dienste und Solde des Auslandes geschehen ist, das aber schmälert die Verdienste derselben nicht, sondern fällt nur den deutschen Regierungen zur Last, welche wohl Soldaten besolden und bezahlen, für deutsche Reisende und Geographen aber kein Geld übrig haben. Diese müssen sich nach Rußland, England, der Türkei, Neuseeland, Brasilien und an gütige Scheiks in der Wüste Sahara und Timbuktu um Unterstützung wenden“. Monate lang faselte man über Samarkand, ohne in den deutschen Werken von Karl Ritter, Erman, in den Monatsberichten der „Berliner Zeitschrift für Erdkunde“, in Professor Dr. Grisebach’s geographischen und phytogeographischen Berichten und anderen ähnlichen deutschen Werken nachzusehen und sich eines Besseren zu belehren. Ja, Ritter’s „Geographisch-statistisches Lexikon“, schon 1847 bei Otto Wigand in dritter Auflage herausgegeben, berichtet S. 227 unter Artikel Bukhara und S. 1113 unter Samarkand genauer und zwanzig Jahre früher über diese terrae incognitae, als die englischen gelehrten Geographen in ihren Sitzungen zusammenfaselten. Aber noch mehr. Es sei hier des XVII. Bandes von K. E. von Baer’s und Helmersen’s Beiträgen zur Kenntniß des russischen Reiches und der angrenzenden Länder Asiens gedacht, welches Werk in Petersburg und Leipzig schon 1852 in deutscher Sprache erschienen ist und den Titel führt: „Alexander Lehmann’s Reise nach Buchara und Samarkand in den Jahren 1841 und 1842. Nach den hinterlassenen Schriften desselben [248] bearbeitet und mit Anmerkungen versehen von G. von Helmersen. Mit einer Karte und fünf auf Samarkand bezüglichen Abbildungen“. Alexander Lehmann, dieser ausgezeichnete Reisende und Naturforscher, hat sich 1841 nicht blos längere Zeit in Samarkand aufgehalten, die Umgegend durchforscht und mit hoher Begabung höchst eifrig und fleißig Alles beobachtet und beschrieben, sondern ist auch noch ungefähr drei Grade weiter jenseits Samarkands in das Innere von Asien eingedrungen, hat die „asiatische Schweiz“ besucht [Bd. I, S. 141 seines Werkes] und über das ganze paradiesische, von Schneebergen umsäumte obere Thal des Flusses von Samarkand wissenschaftliche Kunde gebracht. Vámbéry dagegen kam nur bis Samarkand und nicht darüber hinaus in die innerasiatischen Alpengebirge. Die Sache mit England und Vámbéry hat aber eine andere, nicht rein wissenschaftliche, sondern vielmehr politische Seite; man hoffte damals durch ihn den Weg nach Centralasien zu finden und dem dort gefürchtetsten Gegner Englands, dem Russenthume, mit diesen Entdeckungen ein Paroli zu biegen. Die Russen verhielten sich bei den englischen Uebertreibungen nichts weniger als indifferent und bezeichneten Vámbéry’s ganze Wanderung – wohl aus verletzter Eitelkeit durchaus ungerecht – als unbedeutend. Die Engländer aber gaben sich noch immer nicht zufrieden und suchten den Forschungsreisenden für ihre Interessen zu gewinnen, und so begannen denn die geheimen Unterhandlungen. Zwischen den beiden tendenziösen Parteien stand nun zunächst der Ungar Vámbéry, der, als er das überkühne Wagniß that, nur an seine Nationalfrage dachte – denn er reiste ja im Auftrage der ungarischen Regierung in sprachwissenschaftlichen Erforschungszwecken – dann aber auch die deutsche Wissenschaft, welche sich weder um die Priorität in dieser Angelegenheit, noch auch durch britische Großmäuligkeit um ihr wissenschaftliches Vorrecht bringen lassen wollte. Vámbéry als Reisender zu sprachlichen Zwecken steht in Ungarn nicht allein da, schon vor ihm haben so manche seiner Landsleute Asien in der Absicht durchwandert. um dort die Ursitze der Magyaren aufzusuchen, wir nennen nur beispielsweise Alexander Csoma [Bd. III, S. 65], Johann Jerney [Bd. X, S. 169] und Anton Reguly [Bd. XXV, S. 135]. Uebrigens bewiesen sich die Engländer, wie immer, wenn es die Förderung ihrer Zwecke gilt, sehr generös sie honorirten Vámbéry die englische, bei Murray erschienene Uebersetzung seiner Reisebeschreibung mit 2000 Pfund Sterling, worauf dann auch die Pariser Firma das Recht der französischen Ausgabe für 12.000 Francs erwarb. So standen und stehen die Verhältnisse mit Vámbéry’s gegen alles Fug und Recht als beispiellos hingestellter Reise nach Centralasien, so wurde ein in rein wissenschaftlichem Interesse vollbrachtes, immerhin höchst verdienstliches Unternehmen theils durch Unwissenheit, theils durch Anmaßung im Hinblick auf politische Zwecke und nationale Rivalitäten zu einem Wunder hinaufgebauscht, bis der deutsche Ernst und die deutsche Gründlichkeit endlich in dieses Intriguenspiel und in diese Renommage hineinfuhr und den Deutschen gab, was den Deutschen gehört, und Vámbéry ließ, was ihm nicht genommen werden kann, wobei dem ungarischen Reisenden das Zeugniß gegeben werden muß, daß er selbst mit allem Ernste gegen die großbritannische Breitspurigkeit in geographischen Dingen Protest einlegte.
VI. Biographische Quellen. Allgemeine Zeitung (Augsburg, Cotta, 4°.) 1864, S. 2715/a, 3075/a, 5305 und 5510; 1865, S. 3177–3178 und 3195–3196; 1867, S. 2301. – Dieselbe, 1864, Beilage zwischen Nr. 185–191: „Der Ungar Vámbéry in Centralasien“. – Das Ausland (Stuttgart, Cotta, 4°.) 1864, Nr. 52. – Bornmüller (Franz). Biographisches Schriftsteller-Lexikon der Gegenwart. Die bekanntesten Zeitgenossen auf dem Gebiete der Nationalliteratur aller Völker mit Angabe ihrer Werke (Leipzig 1882, Bibliogr. Institut, 8°.) S. 739. – Daheim. Ein deutsches Familienblatt mit Illustrationen (Leipzig, Velhagen und Klasing, 4°.) 1874, S 58 u. f., S. 73 u f.: „Aus Hermann Vámbéry’s Leben. Von ihm selbst niedergeschrieben. I. Jugendzeit. II. Lehrzeit im Orient“. – De Gubernatis (Angelo). Dizionario biografico degli scrittori contemporanei ornato di oltre 300 ritratti (Firenze 1879, succesori Le Monnier, gr. 8°.) p. 1025 [nennt Vámbéry’s Geburtsort irrig Szendahely statt Szerdahely]. – Embacher (Friedrich Dr.). Lexikon der Reisen und Entdeckungen (Leipzig 1882, Bibliogr. Institut, 8°.) S. 289. – Globus. Herausgegeben von Karl André (4°.) XXV. Bd. (1874), S 171 u. f.: „Vámbéry’s [249] Jugenderinnerungen“. – Hillberg’s Illustrirte Monatshefte für die gesammten Interessen des Judenthums (Wien, gr. 8°.) 1865, Aprilheft, S. 49: „Hermann Vámbéry“. – Hunfalvy (Paul). Literarische Berichte aus Ungarn über die Thätigkeit der ungarischen Akademie der Wissenschaften und ihrer Commissionen, des ungarischen Nationalmuseums u. s. w. (Budapesth, Franklin-Verein, gr. 8°.) Bd. I (1877), S. 62, 67, 105, 108 und 491; Bd. II (1878), S. 110, 111 und 137. – Illustrirte Welt (Stuttgart, Hallberger, kl. Fol.) 1876, S. 439: „Hermann Vámbéry“. – Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber, kl. Fol.) Band XLIII, 5. November 1864, Nr. 1114, S. 319: „Hermann Vámbéry“. – Pesther Lloyd (polit. Blatt) 1864, Nr. 153: „Vámbéry“. – Petermann’s Geographische Mittheilungen (4°.) Octoberheft 1864. – Presse (Wiener polit. Blatt) 1864, Nr. 332, im Feuilleton: „Ein falscher Derwisch“. – Ueber Land und Meer. (Stuttgart, Hallberger, kl. Fol.) Bd. XVIII (1867), Nr. 37, S. 587: „Hermann Vámbéry“. – Unsere Zeit (Leipzig, Brockhaus, gr. 8°.). Neue Folge, Bd. I (1865), S. 72 u. f. – Az ország tükre, d. i. Der Reichsspiegel (Pesth, kl. Fol.) 21. December 1864, S. 219: „Vámbéry Armin“. – Derselbe, 1864, S. 422: „Vámbéry Armin“. – Nagy képes naptár, d. i. Großer Bilderkalender. herausgegeben von Emich. 1864, S. 125: „Vámbéry Armin“.
VII. Porträte. 1) Unterschrift: „Hermann Vámbéry als bettelnder Derwisch in Bokhara“. Nach einer Photographie von Clarkington und Comp. in London. Holzschnitt in der Leipziger „Illustrirten Zeitung“, 5. November 1864, Nr. 1114, S. 320. – 2) Unterschrift: „Vámbéry Armin s tatár moláhja“. Marastoni Jos. 1864 (lith.), in „Az ország tükre“, 1864, Nr. 19 [in sitzender Stellung als Bettelderwisch, neben ihm ein anderer Moslem in aufrechter Stellung]. – 3) Unterschrift: „Vámbéry Armin“. Marastoni Jos. 1864 (lith.) [auch in „Az ország tükre“, 1864, S. 421], Brustbild im ungarischen Schnürrock. – 4) Unterschrift: „Hermann Vámbéry“. Holzschnitt nach Zeichnung von E. G. Als Orientale in sitzender Stellung in Hillberg’s „Illustrirten Monatsheften“, 1865, S. 50. – 5) Unterschrift: „Hermann Vámbéry als Derwisch“. Emik Bayard (del.). T. Huyot (sc.) [in aufrechter Haltung, in der Rechten den Fokos, zur Linken der gesattelte Esel. Auch in der „Illustrirten Welt“, 1876, S. 429]. – 6) Unterschrift: „Hermann Vámbéry“. Holzschnitt ohne Angabe des Zeichners und Xylographen in Payne’s illustrirtem Blatte: „Die Glocke“.