Die Gartenlaube (1882)/Heft 47

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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum: 1882
Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[773]

No. 47.   1882.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig – In Heften à 50 Pfennig.



Der Stein des Tiberius.

Novelle von F. Meister.
(Fortsetzung.)

„Am nächsten Tage langte Wenzel’s Schwester, eine Frau Dörpinghaus, aus dem Wupperthale, in Rom an und mit derselben eine junge Dame, welcher gegenüber sich Wenzel zu allerlei vetterlichen Diensten verpflichtet fühlte, wenngleich dieselbe eigentlich nicht mit ihm verwandt war. Helene Dörpinghaus war nämlich ihrer Begleiterin Stieftochter, das Kind des reichen Fabrikherrn, dessen zweite Frau Wenzel’s Schwester ungefähr acht Jahre zuvor geworden war. Herr Dörpinghaus hatte kürzlich das düstere Wupperthal mit dem Himmel vertauscht, und so erschienen die beiden Damen noch in tiefer Trauer. Diese äußeren Zeichen eines gemeinschaftlichen Schmerzes ließen sie als ein Paar harmonisch und innig verbundener Wesen erscheinen. Frau Dörpinghaus, welche nur zehn Jahre mehr zählte als ihre Stieftochter, war ein prächtiges, treffliches Weib, unberührt von dem öden Muckerthum ihrer zweiten Heimath, und man konnte ihr schlechterdings nur den einen Vorwurf machen: daß sie alle Leute für ebenso brav und gut hielt, wie sie selber war. Ihr Aeußeres war frisch; sie lachte gern und sprach viel und laut, sodaß in den Museen, den Gallerien und Kirchen sich die steifen Nacken englischer Touristen oft genug mißbilligend nach ihr herumdrehten.

Wenzel hatte früher zuweilen geäußert, daß er vor Frauen, die sich mehr als nöthig bemerkbar machten, einen wahren Abscheu empfinde, jetzt aber schien er die sprudelnde Lebendigkeit seiner Schwester gar nicht zu bemerken und erfüllte den Damen gegenüber seine Obliegenheiten als ihr natürlicher Schutz, Rathgeber und Cavalier so unverdrossen und mit so großem Geschick, daß ich darüber einigermaßen in Verwunderung gerieth. Die Erklärung dieser Umwandlung aber lag nicht fern; es gab zu diesem Geheimniß einen Schlüssel, der in so viele Schlösser paßt: mein Freund hatte sich in Fräulein Dörpinghaus in aller Eile verliebt.

Helene Dörpinghaus war eine zierliche, schlanke Blondine; die Trauerkleidung verlieh ihrem zarten Gesichtchen einen süßen, kindlichen Schmelz. Sie trug ihr Haar, nach der Art der frommen Frauen ihres heimatlichen Thales, schlicht über die Schläfen herabgekämmt und hinten in einen griechischen Knoten geschürzt; ihre blauen Augen blickten ernst, kalt und scheu, in den Tiefen derselben aber schien es zu schlummern wie eine Verheißung von Wärme, ja von Gluth – vielleicht ihr selbst noch unbewußt.

Sie redete nur wenig, und mit mir wechselte sie täglich wohl kaum ein Dutzend Wort; dennoch muß ich gestehen, daß ihre Augen einen eigenthümlichen Bann auch auf mich ausübten.

Wenzel machte aus dem Zustande seines Herzens mir gegenüber nicht lange ein Geheimniß, und ich erhielt wieder eine bessere Meinung von meinem Freunde, der in Folge der Affaire mit dem Stein des armen Angelo im Grunde doch empfindlich in meiner Schätzung gesunken war. Oft genug fragte ich mich, ob er denn wirklich kein Herz im Leibe habe, zuweilen aber auch, ob in seinem Kopfe wohl Alles in Ordnung sei. Jetzt aber war in ihm eine gesunde, rechtschaffene, natürliche Leidenschaft erwacht, die nur ein tüchtiger, braver Mann empfinden konnte, und die den, der sie in sich trug, erheben und vervollkommnen mußte – das freute mich.

Ich begann daher zu hoffen, daß vor dem Sonnenschein dieser Liebe auch die Abneigung, dem Italiener sein Recht zukommen zu lassen, dahinschmelzen werde. Sinn und Seele lagen meinem Freunde in Zauberketten; er wurde ein ganz Anderer, und wochenlang dachte er nicht daran, seinen bitteren, unbarmherzigen Witz für sein unschönes Antlitz in die Schranken zu schickem. Sein Glück erfüllte ihn vollständig, und man sah ihm eine recht innerliche Zufriedenheit deutlich an. Zuweilen, wenn wir Beide beisammen waren, brach er plötzlich in ein nervös-lustiges Gelächter über seine eigenen Gedanken aus, und wenn er sich dann weigerte, mir dieselben gegen die conventionelle Scheidemünze mitzuteilen, dann kam ich zu der Ueberzeugung, daß er rein aus humoristischem Erstaunen über sein blindes Glück so heiter sei; denn wie in aller Welt hatte gerade er es fertig gebracht, das Wohlgefallen der reizenden Helene zu erregen?

Von Letzterer hatte ich hierüber natürlich keine Aufklärung zu erwarten, mit der hübschen Wittwe aber sprach ich gern und viel über das Paar, so oft dasselbe sich unserer Gegenwart entzog, was gar häufig geschah.

‚Mir vertraut sie kein Wort von ihren Empfindungen,‘ sagte das gutmüthige Frauchen, ‚und Räthsel,‘ fügte sie in ihrer humoristischen Weise hinzu, ‚habe ich bisher immer nur dann rathen können, wenn die Auflösung schwarz auf weiß darunter zu lesen war. Mein Bruder ist doch wirklich kaum eine fesselnde Erscheinung zu nennen, und dennoch glaube ich sicher, daß Helene sich sehr zu ihm hingezogen fühlt. Aber wer kann’s denn wissen, wie die Liebe ihn in ihren Augen verklären mag? Wer kennt alle die Geheimnisse jener curiosen kleinen Maschinerie, welche die jungen Mädchen ihr Herz nennen? Helene ist ein merkwürdiges und absonderliches Geschöpf, nicht eigensinnig, aber phantastisch. Vielleicht ist es ihr in den Sinn gekommen, meinen Bruder gerade wegen seiner Häßlichkeit zu lieben. Vielleicht will sie absolut nur einen geistig bedeutenden Mann, und da Wilhelm weder schön, noch [774] fashionable, noch überhöflich ist, so hat er ja alle Ursache dazu, sich möglichst mit der Weisheit zu befreunden.‘

Von dem wundervollen Topas redete Wenzel mit mir jetzt nur selten; es lag in unserem Gefühl, daß das Kleinod kein geeignetes Thema sei für das beiläufige Gespräch einer müßigen Minute. Als wir damals unseren Freund Angelo auf der Campagna aus den Augen verloren, da nahm ich die innerliche Ueberzeugung mit fort, daß wir eines Tages auf diese oder jene Weise wieder von ihm hören würden; inzwischen aber waren viele Wochen vergangen, ohne daß dies geschehen wäre.

So kam das Weihnachtsfest heran.

Die heilige Nacht fand uns Vier in der sixtinischen Capelle, wo wir mit bebenden Herzen der wundervollen Christmesse lauschten.

Frau Dörpinghaus hatte sich, wie immer, meiner Obhut anvertraut, und als wir Beide aus der Kirche traten, bemerkten wir, daß unsere Gefährten sich im Gedränge von uns verloren hatten. Wir warteten unter den Colonnaden eine Zeit lang vergeblich auf sie, und als wir später vor der Behausung der Damen angekommen waren, stellte es sich heraus, daß die Beiden hier noch nicht eingetroffen waren. Ich fühlte mich berufen, das Pärchen zu entschuldigen, und sagte daher, daß sie wahrscheinlich, der Schaar der übrigen Messebesucher folgend, zur Peterskirche gewallfahrtet seien, um dort in dem gewaltigen, halbdunklen Raume die tausend Kerzen brennen zu sehen. Man könne ja auch nichts Anstößiges in dieser nächtlichen Promenade der Zwei finden, da sie, im Grunde genommen, doch Onkel und Nichte seien.

Endlich trafen die Verspäteten ein, nicht nur als Onkel und Nichte, sondern – als Verlobte. Ich erfuhr dies am nächsten Morgen, als ich zu Wenzel in’s Zimmer trat. Er lief rastlos auf und ab, und ich sah ihm an, daß er mir etwas mitzutheilen hatte. Endlich brachte er’s heraus.

‚Höre,‘ begann er, ‚eine Neuigkeit! Ich bin verlobt. Ich bin, wie Du mich hier siehst, sozusagen ein glücklicher Kerl.‘

Ich wünschte ihm von Herzen Glück, während er wieder erregt hin und her ging. Plötzlich blieb er vor seinem Schreibtische stehen und zog ein Fach heraus. Da lag der große Intaglio; er erschien mir mächtiger und majestätischer als je zuvor.

‚Das wäre eine Brautgabe,‘ sagte Wenzel, nachdem er seine Augen einige Zeit an der strahlenden Pracht des Juwels geweidet hatte. ‚Wie würde sie den Stein am besten tragen können? Wie müßte er wohl gefaßt werden?‘

‚Sicherlich nur auf eine Art,‘ entgegnete ich ‚in ein massives Medaillon, an einer kostbaren Halskette hängend. Wohl würde dieses kaiserliche Kleinod, auf dem Busen einer schönen Frau ruhend, die Welt mehr mit seinen Strahlen füllen, als nun, da es hier im finsteren Schubfach zwischen Bürsten und Rasirmessern verborgen liegt. Meiner Meinung nach aber dürfte nur eine Schönheit von einem ganz bestimmten Typus einen solchen großartigen Schmuck tragen – ein dunkles, volles, prächtiges Weib, ein Weib mit den Brauen einer römischen Kaiserin und mit den Schultern einer classischen Statue. Ein schlankes, sylphenhaftes Kind mit blauen Augen und goldenem Haar dagegen würde, nach meinem Gefühl, damit überlastet erscheinen, und wenn ich den Stein zum Beispiel an Fräulein Helene’s Halse sehen müßte, würde ich die Empfindung haben, derselbe zöge sie niederwärts.‘

Wenzel schien durch meinen Einwand unangenehm berührt, aber als er das Schubfach schloß, lächelte er wieder.

‚Helene hat nun freilich wohl nicht die Schultern der milesischen Venus,‘ antwortete er, ‚aber ich glaube, daß es mehr als eines solchen Spielzeugs bedarf, um sie niederwärts zu ziehen.‘

Es hat viel Weihnachtsfeste gegeben, an denen ich nicht zur Kirche gegangen bin, aber so lange ich denken kann, habe ich an der Gewohnheit festgehalten, am Christtage einen langen, einsamen Spaziergang zu unternehmen – es sei das Wetter wie es wolle – und dabei christlichen Gedanken nachzuhängen, sofern solche sich einstellten. So hielt ich es auch an jenem Christtage unter italienischem Himmel. Das Wetter war mild, beinahe warm, das Firmament grau und sonnenlos. Ich schlenderte durch die Straßen der Stadt und suchte endlich das Coliseo auf. Der weite Cirkel war menschenleer, bis auf eine einsame Gestalt, die auf den Stufen des Kreuzes saß, das sich im Mittelpunkte der Arena erhebt – es war ein junger Mann, der, vornüber gebeugt, regungslos dasaß und die Ellenbogen auf die Kniee, das Gesicht in die Hände stützte. Als ich dicht an ihm vorbeiging, erhob er den Kopf; und ich erkannte Angelo. Seit unserer Begegnung waren nur sieben Wochen vergangen, er aber schien um drei Jahre älter geworden zu sein. Er hatte an Fülle verloren, an Ausdruck gewonnen. Als er grüßte, lag in dem Ton seiner Stimme keine Spur mehr von kindischer Einfalt. Er sah ernster, männlicher und gar nicht mehr wie ein Dorfbewohner aus. Seine Kleider waren neu und modern, dabei aber vernachlässigt und unsauber. Der ganze Mensch war so verändert, als habe er inzwischen eine Reise um die Welt gemacht. Ich reichte ihm die Hand und fragte ihn, ob er sich meiner noch erinnere.

Per Dio!‘ schrie er. ‚Dazu habe ich doch wahrlich Grund genug.‘

Angelo trug einen Zorn gegen uns in seinem Herzen. Wer mochte ihm die Augen geöffnet haben? Er sah mich in stummem, halb bittendem, halb drohendem Vorwurfe ernst an. Der Mann that mir leid; denn er hatte etwas verloren, das köstlicher gewesen, als der kaiserliche Topas: seine harmlose, knabenhafte Unwissenheit war von ihm gewichen, jene idyllische Gemüthsruhe, in deren Schatten er damals so sorglos und behaglich in der Campagna geruht, den Kopf auf blumenüberwucherten Steinen. Etwas von seiner früheren Einfalt lag aber auch jetzt noch in seinem gereizten Wesen.

‚Wo ist der andere – Ihr Freund?‘ fragte er dumpf.

‚Zu Hause, noch immer in Rom.‘

‚Was hat er mit dem Steine angefangen?‘

‚Nichts. Er besitzt ihn noch heute.‘

Angelo schüttelte klagend den Kopf.

‚Verkauft er ihn mir wohl, wenn ich ihm fünfundzwanzig Scudi dafür biete?‘

‚Ich fürchte, nein. Er schätzt den Stein sehr hoch.‘

‚Das glaub’ ich. Ob er ihn mir wohl noch einmal zeigt?‘

‚Das müssen Sie ihn selber fragen. So viel ich weiß, hat er ihn noch Niemand gezeigt.‘

‚Ha! Er fürchtet sich vor Räubern. Ja, ja! Das ist ein Beweis für die Kostbarkeit des Steines. Hat er ihn auch noch keinem Juwelier, noch keinem Steinschneider gewiesen?‘

‚Ich sagte Ihnen ja, noch Niemand hat den Stein gesehen. Sie müssen mir glauben, Freund.‘

‚Er hat ihn aber gereinigt und gewaschen und polirt und dann entdeckt, was er ist – he?‘

‚Der Stein ist sehr alt.‘

‚Sehr alt – he? Gewiß ist er sehr alt. Er zählt mehr Jahre, als er mir Scudi eingebracht hat. Und wie sieht er aus? Roth? Blau? Grün? Gelb?‘

Ich zögerte einige Augenblicke, und dann sagte ich:

‚Gelb.‘

Er sah mich lauernd und durchdringend an.

‚Es ist ein Topas!‘ rief er dann.

‚Ganz recht, es ist ein Topas.‘

‚Und ein kunstvoll geschnittener! O, das habe ich wohl gesehen. Ein Intaglio ist’s. Ich weiß jetzt alle die Namen, hab’ ich diese Weisheit doch theuer genug bezahlt! Was stellt das Bildniß vor? It’s eines Königs Kopf? Oder gar der eines Papstes? He? Oder ist’s eine jener schönen Frauen, von denen man in den Büchern liest?‘

‚Es ist das Bild eines Kaisers.‘

‚Eines Kaisers? Wie ist sein Name?‘

‚Tiberius.‘

Corpo di Cristo!‘

Angelo’s Gesicht wurde dunkelroth, und Thränen des Zornes traten ihm in die Augen.

‚Beruhigen Sie sich, Freund!‘ sagte ich. ‚Die Hergabe des Steines thut Ihnen leid, wie ich sehe; man hat Ihnen sicherlich allerlei vorgeschwatzt und Sie aufgestachelt und unzufrieden gemacht.‘

Per Dio! Was war ich für ein Dummkopf! Ich lief damals nach Hause mit meinen elf Scudi und glaubte, daß ich den Haufen Geld niemals würde durchbringen können. Zu allererst taufte ich für meine Ninetta eine vergoldete Haarnadel von einem Hausirer. Sie steckte das Ding in ihre Zöpfe, beschaute sich im Spiegel und fragte mich dabei, wie ich denn plötzlich zu all dem Reichthum gekommen sei. Ha, sagte ich, ich bin reicher als Du glaubst, und zeigte ihr das Geld und erzählte ihr, wie ich dasselbe für den Stein erhalten. Ninetta aber ist ein kluges Mädchen. Sie nannte mich einen Esel, lachte mir in’s Gesicht und schwor, [775] daß der Stein wenigstens fünfhundert Scudi werth gewesen sei. Den Fremden aber hieß sie einen gewissenlosen Schurken. Die guten Heiligen hätten mich ein Vermögen finden lassen, ich aber hätte es in meiner Dummheit wieder aus der Hand und vor die Hunde geworfen. Und zuletzt riß sie die Nadel aus ihrem Haar, warf sie mir in’s Gesicht und rief mir zu, daß sie mich niemals wiedersehen und an Stelle eines solchen Dummkopfes lieber den ersten, besten blinden Bettler auf einem Kreuzwege heirathen wolle. Was sollte ich ihr antworten? Ist ihre Schwester doch Kammermädchen bei einer vornehmen Marchesa hier in Rom, und diese hat ein ganz unschätzbares Halsband aus lauter alten, kostbaren Steinen, die alle in der Campagna gefunden worden sind. Ich schlich davon, ließ den Kopf hängen und verwünschte meine Einfältigkeit; ich warf das Geld zur Erde und spie darauf.‘

Er schwieg einen Augenblick. ‚Endlich ging ich in die Osteria,‘ fuhr er dann fort, ‚um meinen Aerger und meine Scham im Wein zu ertränken. Da saßen am Tische drei meiner Bekannten; ich hieß sie trinken und bezahlte dann alles. Ich wollte das Geld los sein; es brannte mir in der Tasche. Natürlich fragte man mich auch hier, wie ich zu den blanken Scudi gekommen. Ich erzählte die Wahrheit und hoffte, hier eine andere Anschauung der Sache zu finden, als Ninetta sie gehabt. Meine Freunde aber stießen die Gläser auf den Tisch und lachten und verhöhnten mich, bis ich mich nicht mehr zu lassen wußte. Jeder Esel, sagten sie, der solch einen Schatz fände, nähme ihn zwischen die Zähne und brächte ihn denen, die klüger wären als er. An jenem Abend trank ich mir zum ersten Mal in meinem Leben einen Rausch. Den Tag darauf ging ich zu meinem Onkel; ich gab ihm den Rest des Geldes und bat ihn, es den Armen zu spenden oder aber dafür Messen für meine sündige Seele lesen zu lassen. Er fragte mich, ob das Geld erworben sei, und nun erzählte ich die Geschichte auch ihm. Er hörte mir schweigend zu und sah mir unverwandt über seine Brille hinweg in’s Gesicht. Als ich geendet hatte, ließ er das Geld aus einer Hand in die andere gleiten und saß dann drei Minuten lang mit geschlossenen Augen. Plötzlich drückte er mir das Geld wieder in die Hände. Behalt’s mein Sohn, behalt’s! sagte er, mit Deinen fünf Sinnen wirst Du Dir nie ein Stück Brod erwerben können; behalte also, was Du hast, so lange als möglich! Und seit der Zeit laufe ich herum wie im Fieber; ich kann an nichts anderes denken, als an das Vermögen, um das man mich betrogen hat.‘

‚Nun, nun – Vermögen!‘ sagte ich. ‚Sie übertreiben’s ein wenig.‘

‚Ich weiß, was ich sage. Für mich wär’s ein Vermögen gewesen. Tag und Nacht ruft mir eine Stimme in’s Ohr, daß ich mit Leichtigkeit tausend Scudi für den Stein hätte erhalten können.‘

Ich vermochte jetzt seinen Blick nicht mehr auszuhalten und wendete mich ab.

‚Ihr Freund ist ein Schurke,‘ fuhr Angelo heftig fort. ‚Ihnen will ich damit nicht zu nahe treten; ich sehe es Ihnen an, daß Sie mir helfen würden, wenn Sie es könnten; aber Ihr Freund ist ebenso schlecht, wie er häßlich ist. Der Teufel allein weiß es, warum ich ihm Vertrauen schenkte. Kommt er mir aber einmal vor die Augen und wagt er es dann noch, mir mein Recht zu verweigern, so stehe ich nicht für diese beiden Hände! Es wäre mir ein Leichtes, ihn zu erwürgen. – Ich verlange nur mein Recht; speist er mich aber wieder mit seinen deutschen Schimpf- und Spottreden ab, dann – Rache!‘

Und in leidenschaftlicher Erregung riß er den Hut herunter, warf ihn gewaltsam auf den Boden und wischte sich dann die Schweißtropfen von der heißen Stirn.

Ich antwortete ihm freundlich und begütigend; ich versprach ihm, mich seiner Sache anzunehmen, wenn er Rom verlassen und nach Ariccia zurückkehren wolle. Ich rieth ihm, sich irgendwie nützlich zu beschäftigen; dann würde er sich der peinigenden Gedanken schon erwehren können. Ich gestehe allerdings, daß ich, als ich diesen Rath aussprach, daran selber nicht glaubte. Seiner trägen Natur, die nur unter dem Drucke von Gefühlsausbrüchen sich zur Beweglichkeit aufraffen konnte, wäre eine regelmäßige, gesunde Arbeit unerträglicher gewesen, als das Unrecht, das ihm widerfahren.

Er starrte trüb und stumpf vor sich hin, versprach mir aber schließlich, Rom zu verlassen. Wenn ich gute Neuigkeiten für ihn hätte, sagte ich ihm, dann wollte ich ihm nach Ariccia Nachricht geben. Und so erfuhr ich auch seinen vollen Namen, einen Namen, der seinem Inhaber eigentlich ein Talisman hätte sein müssen gegen der Welt Sorge und Noth – Angelo Beati. – –

Wilhelm Wenzel blickte finster drein, als ich ihm von meiner Begegnung mit unserm alten Bekannten erzählte. Er schalt den armen Teufel einen affectirten, theatralischen Narren, ließ sich schließlich aber dennoch dazu herbei, mich zu beauftragen, an Angelo zu schreiben und denselben auf einige Tage später zu einer Unterredung zu bestellen. Er war also gewissenhaft genug, sich auch der unangenehmen Seite der Angelegenheit nicht zu entziehen. Ich schrieb drei Zeilen nach Ariccia, in sehr mangelhaftem, aber höflichem Italienisch, und lud Angelo zu einer Zusammenkunft mit Wenzel in das Coliseo ein.

Es wäre besser gewesen, wenn diese Zusammenkunft nicht stattgefunden hätte. Als Wenzel von derselben zurückkam, ersuchte er mich, ihm eine Schilderung der widerwärtigen Einzelheiten zu erlassen; Angelo wäre ein unverschämter Mensch, dem er nie wieder zu begegnen hoffe. Wie ich dann später erfuhr, hatte Angelo im Zorne die Auslieferung des Edelsteins gegen Rückgabe der elf Scudi verlangt, worauf ihm Wenzel entgegnete, daß er absolut nichts erhalten werde, wenn er keinen bescheideneren Ton anschlage. Hierauf war Angelo, im Gefühl des ihm angethanen Unrechts, in beleidigende Drohungen ausgebrochen, und noch heute ist es mir nicht recht erklärlich, warum die beiden Hitzköpfe damals nicht an einander geriethen. Wahrscheinlich mochte es dem Italiener doch nicht so leicht erschienen sein, den Anderen so ohne Weiteres zu erwürgen, und die vorsichtige Klugheit, die selbst in der Höhe der Leidenschaft nie ganz aus den Gedanken jener Südländer weicht, veranlaßte ihn wohl, seine Rache auf einen gelegeneren Zeitpunkt zu verschieben.

Wenn ich auch die Sache nicht sehr tragisch auffaßte, so fürchtete ich doch, daß meinem Freunde ein böses Ungemach daraus erwachsen könne. Und wenn Angelo auch weiter nichts that, als daß er die Geschichte von dem Stein allenthalben in Rom erzählte, so mußte auch dieses allein schon zu allerlei ernstlichen Unannehmlichkeiten führen.

Einige Abende später stand ich an den Flügel gelehnt, auf welchem Fräulein Helene ein neues Musikstück übte. Wenzel saß abseits am Fenster.

‚Er hat mir seinen wundervollen Topas gezeigt,‘ begann die junge Dame plötzlich halblaut, indem sie die Hände auf den Tasten ruhen ließ und mich mit ihren ernsten, weitgeöffneten Augen anblickte. ‚Er verschwieg mir beharrlich, wie er in den Besitz des Steines gekommen, sagte mir auch, daß Sie allein darum wüßten. Es ist hoffentlich kein Unrecht damit verknüpft.‘

Ich versuchte zu lachen.

‚Solchen Antiquitätenjägern darf man nie zu nah auf die Finger und in die Gewissen sehen,‘ antwortete ich. ‚Diese Sorte sieht manchmal gar kein Unrecht darin, wenn sie sich herumtreibende Gemmen, Cameen und andere Kostbarkeiten nach demselben Modus behandelt, den Taschendiebe auf anderer Leute Börsen in Anwendung bringen.‘

Helene sah mich mit so scheuem Erstaunen an, als habe ich mir einen wirklich grausamen Scherz mit ihr erlaubt. Dann fuhr sie halblaut fort:

‚Er wünscht, daß ich den Stein als Medaillon trage. Aber das mag ich nicht. Der Topas ist wunderschön, aber es wäre mir unheimlich, den Kaiser Tiberius so nahe an meinem Herzen zu tragen. Er war ein böser, ein verruchter Mensch, einer der schlimmsten Kaiser des alten Rom; ich würde mich besudeln, wollte ich ein Juwel tragen, das sein Gewand geschmückt, das seine Hand täglich berührt hat und das nun doch eigentlich fast unvermittelt aus seinem in unseren Besitz gekommen ist. Durch das Bild dieses Menschen verliert der Stein für mich seine ganze Schönheit, und ich bin wirklich froh darüber, daß Wilhelm ihn so verborgen hält.‘

Ich fand diese Auffassung der Sache sehr erklärlich und angemessen, wenn ich mir in’s Gedächtniß rief, daß die blonde junge Dame ein Kind des frommen Wupperthales war. – – –

Die Tage vergingen, und noch immer war von Angelo’s Rache nichts zu merken gewesen. Wenzel ging jeden Abend durch die dunklen Straßen, ohne daß er bis jetzt hinter einer Mauerecke seinem Schicksal, in Gestalt eines vermummten Meuchelmörders, [776] in die Hände gefallen wäre, und ich hoffte bereits, daß die träge Natur Angelo’s das consequente Festhalten solch finsterer Pläne, als zu anstrengend, wieder aufgegeben habe, aber ich täuschte mich.

Wir spazierten eines Nachmittags im Park der Villa Borghese, und um dem Geräusch und Geschwätz der fashionablen Welt auszuweichen, hatten wir hier eine abgelegene Ecke aufgesucht. Die alte, zerbröckelnde Mauer, die schlanken dunklen Cypressen, das lang wuchernde Gras und über dem Ganzen der schimmernde römische Himmel – all das bot ein gar harmonisches Bild. Wir saßen auf einer moosgrünen, halbkreisrunden Bank und plauderten und beobachteten die flinken Eidechsen auf den sonnenwarmen Steinen. Eine halbe Stunde mochten wir so verbracht haben – da erspähte Helene an dem Fuße einer alten Cypresse das erste Frühlingsveilchen. Sie erhob sich mit einem Ausruf der Freude und eilte, es zu pflücken; dann wanderte sie weiter, um noch mehr von den lieblichen Blümchen zu suchen.

Wenzel saß zurückgelehnt und beobachtete die sich langsam entfernende Gestalt und den Schatten derselben auf dem Grase. Endlich war Helene hinter einem Flügel der Villa verschwunden. Frau Dörpinghaus machte den Vorschlag, die Bank nunmehr aufzugeben und dem Mädchen zu folgen. Wir waren aber kaum einige Schritte gegangen, als Helene wieder hinter der Ecke hervorkam; sie befand sich augenscheinlich in großer Aufregung; sie blickte mehrmals über ihre Schulter zurück, während sie beschleunigten Schrittes uns wieder zu erreichen strebte. Gleich darauf sah ich, daß ihr Jemand folgte, ein hochgewachsener Mann – Angelo Beati.

Helene sah bleich, fast verstört aus; es mußte etwas Besonderes zwischen den Beiden vorgegangen sein. Als sie bei uns angelangt war, stand auch Angelo dicht vor uns. Auch er war bleich, und zwischen diesen beiden farblosen Gesichtern erschien jetzt das meines Freundes Wenzel, glühend roth vor Zorn. Ich fürchtete einen Auftritt, und um denselben zu verhüten, ging ich schnell auf Angelo zu. Der aber richtete den umwölkten Glanz seiner schwarzen Augen der Reihe nach auf alle Mitglieder unserer Gesellschaft, und dann, gleichsam als Antwort auf meine noch ungesprochene Anrede, erhob er seine Hand mit einer Geberde, welche deutlich sagte: ‚Laßt mich – ich suche keinen Streit, aber ich weiß sehr wohl, was ich will.‘

Auf meinen Wink forderte Wenzel die Damen auf, mit ihm den Weg fortzusetzen. Aber wunderbar! Helene stand zögernd da; sie hatte ihre großen blauen Augen mit einem weichen, fast enthusiastischen Ausdruck auf Angelo geheftet – da faßte ihr Verlobter rauh ihren Arm, und sie folgte ihm, während das Blut ihr heiß in die Wangen stieg.

Frau Dörpinghaus, die nichts Böses ahnte, sagte in ihrer raschen, ungenirten Weise:

‚Was für ein schöner junger Mann!‘

Und damit folgte auch sie gleichmüthig ihrem voranschreitenden Bruder.

Angelo und ich blieben allein zurück.

‚Fürchten Sie nicht, daß ich Lärm zu machen gedenke!‘ sagte der junge Italiener mit düsterem Lächeln. ‚Ich habe während der letzten drei Wochen hier in Rom gelernt, wie ein Cavalier sich zu benehmen hat. Wer ist jene junge Dame?‘

‚Jene junge Dame geht Sie nichts an, mein Freund‘ erwiderte ich, ‚ich will hoffen, daß Sie Cavalier genug gewesen sind, dieselbe nicht anzureden.‘

Er schwieg eine Weile, und seine Blicke folgten der am Arme Wenzel’s in der Entfernung verschwindenden leichten Gestalt. Dann antwortete er:

‚Doch! Ich habe mit ihr gesprochen – und sie hat mich auch verstanden. Aber beruhigen Sie sich – ich sagte ihr nichts, was sie nicht hätte hören dürfen. Was ich aber sagte, o, das hat sie verstanden. Sie ist Ihres Freundes amica – ich weiß schon. Seit einer halben Stunde habe ich Sie alle hinter jenen Bäumen hervor beobachtet. Die Dame ist schön – sehr schön. – Leben Sie wohl! Ihnen zürne ich nicht, Ihrem Freunde aber sagen Sie, daß ich ihn nicht vergessen habe. Ich warte nur auf meine Gelegenheit, und die wird eines Tages kommen. Umbringen werde ich ihn nicht, aber ich werde eine Rache an ihm nehmen, die er fühlen soll, so lange er lebt.‘

Er wendete sich zum Gehen; da fiel sein Blick noch einmal auf das Paar in der Ferne; er blieb stehen und schaute ihm nach, bis es außer Sicht war.

‚Der Mensch da hat ein ganz unverschämtes Glück,‘ stieß er zwischen den Zähnen hervor. ‚Den Topas – und die Perle! Haha! Doch, nur immer zu! Nur zu!‘

Damit ging er schnell davon.“

(Fortsetzung folgt.)


Die Lachsfischereien am Columbia in Oregon.

Von Theodor Kirchhoff.
(Schluß.)

Um das Verpacken der Salmen nach eigener Anschauung kennen zu lernen, wollen wir jetzt eine der großen „Canneries“ besuchen, welche die Bucht von Astoria in meilenlanger Reihe umkränzen. (Vergl. unsere nebenstehende Abbildung.)

Ich muß zunächst das freundliche Entgegenkommen dankend anerkennen, das mir durch den Besitzer der Anstalt zu Theil wurde. Ein mir wildfremder, mit dem Lachsgeschäft wohlvertrauter Amerikaner, gegen den ich den Wunsch äußerte, ich möchte mir einige möglichst genaue Notizen über den Proceß des Lachspräservirens machen, um dieselben zu einem Berichte für ein deutsches Weltblatt zu verwenden, das von mindestens drei Millionen Deutschen in allen Theilen der Erde gelesen würde, setzte sich sofort hin und schrieb mir einen ausführlichen Bericht über das Gewünschte nieder.

Die „Canneries“ sind alle wie nach der Schablone angelegt: sie gleichen einander, wie ein Ei dem andern. Es sind große, auf Pfeilern in den Columbia hineingebaute, aus Holz aufgeführte Gebäude, meistens einstöckig und im geräumigen Innern mit nur wenigen Nebenabtheilungen versehen. An der dem Flusse zugewendeten Seite, wo die Fischerböte an Treppen anlegen, befindet sich eine überdachte breite Gallerie. Die Gebäude sind so schmucklos wie nur denkbar, was dem praktischen Zwecke dieser Anstalten auch vollkommen entspricht.

Die Arbeiter, welche in den „Canneries“ Beschäftigung finden, sind ihrer großen Mehrzahl nach Chinesen. Die kleineren Packanstalten beschäftigen 50 bis 60, die größeren 120 bis 150 Zopfträger und dabei nur 5 bis höchstens 10 Weiße, welche als Aufseher, Maschinisten etc. Verwendung finden. Man versuchte es früher, weiße Knaben in den „Canneries“ zu beschäftigen, mußte den Plan aber wieder aufgeben, weil kein Verlaß auf sie war und es mitunter vorkam, daß sie ihren Posten in Momenten verließen, wo sie am wenigsten zu entbehren waren. Wie unangenehm muß es für den Besitzer einer großen Salmenpackerei sein, wenn ihm seine Arbeiter gerade zu der Zeit fortlaufen, wo die Lachse ihre Hauptgeschwader stromaufwärts entsenden, und die Fischerböte täglich 3000 bis 5000 Fische abliefern, die sofort verpackt werden müssen! Erwachsene Weiße aber sind als Arbeiter in den „Canneries“ schwer zu erlangen, da die Saison nur vier Monate dauert und sich nur Wenige von jenen für eine so kurze Zeit verpflichten mögen.

Daß die Besitzer der Packanstalten unter diesen schwierigen Verhältnissen den Chinesen als Arbeitern vor den Weißen den Vorzug geben, ist selbstverständlich; denn jene sind durchaus zuverlässig und arbeiten, sobald sie einmal eingelernt sind, wie die Maschinen. Die Abneigung der Oregonier und Californier gegen die bezopften Asiaten, welche ihnen durch ihr knauseriges, heimtückisches Wesen und ihre fremdartigen Manieren besonders zuwider sind, kann bei einem Geschäftsgange, wie er in den Lachspackereien unumgänglich nothwendig ist, nicht in Betracht kommen.

Was die Lohnverhältnisse betrifft, so beziehen die Chinesen einen Dollar und zehn Cents pro Tag und erhalten einen Platz zum Schlafen, müssen aber für ihre Verpflegung selbst sorgen.

[777]

Die „Canneries“ (Lachspackereien) von Astoria in Oregon.
Nach einer Photographie auf Holz gezeichnet von H. Heubner.

[778] Die wenigen weißen Knaben, welche noch in den „Canneries“ Beschäftigung finden, empfangen fünfzehn Dollars per Monat und Beköstigung, erwachsene weiße Arbeiter fünfunddreißig Dollars per Monat nebst Verpflegung, während die weißen Aufseher einen Gehalt von zweihundert Dollars per Monat beziehen, falls sie nicht, was nicht selten vorkommt, einen Antheil im Geschäft haben.

Die „Cannery“, welche ich zuerst besuchte – Kinney’s Cannery, eine der größten und in unmittelbarer Nähe von Astoria gelegen – ist, wie viele andere am Columbia, das Besitzthum eines englischen Hauses. Die Engländer haben fast das Monopol des Lachshandels. Das zum Anfertigen der Büchsen nöthige gewalzte Blech, das Garn für die Netze etc., alles dies wird direct von England importirt, und auch der weitaus größte Theil von präservirtem Lachs wird nach Liverpool verschifft, theils auf Segelschiffen direct, theils auf Dampfern über San Francisco. Columbialachs ist in allen kleinen englischen Landstädten eine beliebte Hausmannskost, und was von Columbialachs nach Australien und dem europäischen Continent gelangt, geht fast ausschließlich durch englische Hände.

Die von mir besuchte Packerei hatte auch ein oberes Stockwerk, wo eine Fabrik für das Anfertigen von Blechbüchsen eingerichtet war. Der Geschäftsführer bot sich mir sofort als Führer an und geleitete mich durch das ganze bedeutende Anwesen. Wie er mir mittheilte, beschäftigt diese „Cannery“ zur Zeit hundertvierzig Chinesen und verpackte im letzten Jahre dreißigtausend Kisten Lachs, jede Kiste zu vier Dutzend Blechbüchsen à ein Pfund. Fünfzig Böte, die der Anstalt gehören, besorgen das Herbeischaffen des Rohmaterials in Gestalt von frisch gefangenem Salm.

In dem weiten und hohen inneren Raume des weitläufigen Gebäudes waren ganze Berge von Holzkisten und Blechbüchsen aufgespeichert, in welchen der präservirte Lachs in’s Ausland verschifft wird. Ein Schwarm von Chinesen war emsig bei der Arbeit, theils an langen Holztischen, wo die Lachse geköpft, ausgeweidet, zerschnitten und verpackt werden, theils an großen Wannen mit kochend heißem Wasser, in denen die mit Lachs gefüllten Blechbüchsen den Proceß des Siedens durchzumachen haben. Alles war im großen Fabrikstil eingerichtet und ging schnell und maschinenmäßig von Hand zu Hand.

Zunächst führte mich mein freundlicher Begleiter nach der am Fluß gelegenen Veranda, wo gerade – es war am frühen Morgen – einige Segelböte ihre Fracht von frisch gefangenen Salmen abluden. Eine Freude war es, die prächtigen Fische zu betrachten, von denen manche fünfzig bis sechszig Pfund schwer sein mochten und nur wenige unter zwanzig Pfund wogen.

Unser nächster Gang führte uns zu einem langen Tische, wo die Salmen ausgeweidet wurden. Ein Sohn des himmlischen Reiches besorgte mit staunenswerther Geschicklichkeit das Amt des Zuschneiders an den ihm von einem Gehülfen in schneller Reihenfolge hingelegten Lachsen. Mit einem Schnitt seines riesigen Handmessers köpfte er den Fisch, mit zwei weiteren Schnitten wurden die Eingeweide bloßgelegt und entfernt. Kopf und Eingeweide fielen in einen Trog. Aus diesen Abfällen wird in einem Kochapparat ein Oel gewonnen, welches einen namhaften Handelsartikel bildet, wie auch in einigen Lachspackereien der Rogen aufbewahrt wird, um als Material zu einem vorzüglichen Caviar zu dienen.

Der Chinese, dessen Specialität im Köpfen und Ausweiden der Lachse besteht, wirft die Fische in einen großen mit Süßwasser gefüllten Kübel, damit sich Schleim und Blut von ihnen loslösen. Hierauf werden die Schuppen von den Salmen mit einem großen Messer entfernt und diese dann in einen andern Kübel voll Salzwasser geworfen, wo sie einen weiteren Proceß des Reinigens durchzumachen haben. Sauber und von allem Blut und Schleim gereinigt, gelangen die Lachse nun an das Zerlegemesser, welches mit acht breiten Klingen versehen ist, die sich um ihre eigene Achse drehen. Mit einem einzigen Schnitt wird der vor das Messer gelegte Salm in acht Stücke von gleicher Größe getheilt, von denen jedes eine Blechbüchse ungefähr füllt. Die zerschnittenen Lachstheile werden auf einen anderen langen Tisch gelegt, wo ein Schwarm von Chinesen dieselben in Blechkapseln verpackt.

Während die Zopfträger ihrem Geschäfte emsig oblagen, musterten sie mich öfters mit ängstlichen Seitenblicken, und so oft ich meine Beobachtungen in mein Notizbuch eintrug, sahen sie meinem Schreiben mit mißtrauischer Miene zu.

Mein Begleiter erklärte mir das seltsame Gebahren der Chinesen dahin, daß diese mich für einen Angestellten im Abgabenbureau hielten, der sie für das Eintreiben von Taxen notire. Die Versicherung, welche ich einem der Herren Zopfträger gab: ich sei bei meiner Ehre kein „tax collector“, schien ihn aber durchaus nicht zu beruhigen; denn die geängstigten Leute verfolgten mich unausgesetzt mit häßlichen Blicken, als ich von Tisch zu Tisch ging und, das Notizbuch in der Hand, mit dem verdächtigen Geschreibsel fortfuhr.

Die Blechbüchsen, welche mit der nöthigen Menge Lachsfleisch gefüllt worden sind, gelangen in schneller Reihenfolge an einen anderen Tisch, wo zunächst Deckel aufgesetzt und festgelöthet werden. Von hier aus werden sie auf hölzernen Gestellen, welche etwa 120 Büchsen fassen, in das „Bad“ gebracht, eine lange mit lauwarmem Wasser gefüllte Wanne. Hier müssen sie eine Probe auf die luftdichte Festigkeit ihres Verschlusses bestehen. Die in den Büchsen enthaltene Luft wird nämlich durch die Wärme des Bades ausgedehnt, entweicht durch die Oeffnungen eines etwa mangelhaften Verschlusses und gelangt in Gestalt von Bläschen an die Oberfläche des Wassers. Die defecten Exemplare werden gleich wieder aus dem Bade herausgenommen und der nöthigen Reparatur unterworfen.

Nun werden die Büchsen stockweise über einander gestellt und in große mit Süßwasser gefüllte Kübel gesetzt, an deren Boden sich eine in Schlangenwindungen gelegte Röhre befindet. Durch einen Druck von neunzig Pfund auf den Zoll wird das über den Dampfröhren liegende Wasser in zwölf Minuten zum Sieden gebracht. In dem kochenden Wasser bleiben die Büchsen eine volle Stunde lang, worauf sie herausgenommen und nach einander punktirt, d. h. fein durchlöchert werden, damit der Dampf aus ihnen entweichen kann. Die kleinen Oeffnungen werden sofort wieder verlöthet, und hierauf gelangen die Büchsen in andere mit kochendem Salzwasser gefüllte Kübel oder in große mit Dampf erhitzte Kessel, worin sie weitere anderthalb Stunden verbleiben.

Nachdem die Lachsbüchsen diesen ziemlich langwierigen Proceß des Siedens etc. durchgemacht haben, werden sie in das Verpackungszimmer gestellt, wo sie zwei Wochen hindurch unangerührt bleiben. Sie werden alsdann der Reihe nach genau geprüft, und zwar in der Weise, daß ein Sachverständiger mit einem Stabe auf den Deckel der Büchsen schlägt; er entdeckt mittelst dieses Experiments sofort, ob die Büchsen in gutem Zustande sind. Diejenigen, welche die Prüfung bestanden haben, werden schließlich mit Firniß überzogen und mit hübschen Etiquetten versehen, worauf sie zu je vier Dutzend in hölzerne Kisten verpackt werden und zum Versenden fertig sind.

Der große Raum der „Cannery“ bietet während der Hauptfangzeit der Salmen ein außerordentlich bewegtes Bild. Die vielen Chinesen liegen ihren verschiedenen Pflichten beim Reinigen, Zerschneiden und Verpacken der Lachse mit einer Anstelligkeit und einem Eifer ob, die staunenswerth sind. Jeder weiß genau, was er zu thun hat, und Alles greift maschinenmäßig in einander. Eine Dampfmaschine producirt den zum Sieden nöthigen Dampf. Hier stehen die großen Kübel, in denen die mit Lachs gefüllten Blechbüchsen „gebadet“ werden, in langer Reihe neben einander, während die mächtigen eisernen Cylinder, welche die Weite von großen Dampfkesseln haben, ihre Mäuler aufthun, um die Büchsen zu empfangen und ihren saftigen Inhalt für den Gaumen der Bewohner des fernen Albions lecker herzurichten. Tausende von nagelneuen Holzkisten bilden wahre Chimborazzos, und die hoch in Reihen über einander geschichteten Blechbüchsen machen den Eindruck, als ob eine belagerte Festung auf ein Jahr mit Lachs verproviantirt werden sollte. Im oberen Raume befindet sich eine Fabrik zum Anfertigen von Blechbüchsen. Das Ausschneiden des Blechs, das Verlöthen der Kapseln etc. wird ebenfalls von Chinesen besorgt, und Alles greift dort mit rasender Schnelligkeit in einander.

Der erste Versuch, präservirten Lachs vom Columbia zu exportiren, wurde im Jahre 1867 mit 7000 bis 8000 Kisten gemacht. Seit 1871 hat sich diese Industrie in’s Riesige vergrößert, und im Jahre 1882 belief sich der Ertrag der Lachsfischereien am Columbia auf 530,851 Kisten im Vollwerthe von 2,813,510 Dollars. Wenn ich sage, daß seit 1867 ungefähr 15 Millionen Lachse im Columbia gefangen worden sind und der Export von 32 am Columbia etablirten „Canneries“ gegenwärtig mehr als 2 Millionen Dollars pro Jahr repräsentirt, so [779] wird sich der Leser einen Begriff von der Größe und Wichtigkeit dieser Industrie machen können.

Gegen das Ende der siebenziger Jahre fand eine bedenkliche Verminderung in den Heerschaaren der Salmen statt, welche, aus dem Meere kommend, zur Frühlingszeit den Columbia hinaufziehen, sodaß die Besitzer der „Canneries“ zusammentraten und eine Lachszucht-Anstalt an dem in den Willamette fallenden Clackamasfluß in’s Leben riefen, um der Vermehrung dieser Fische systematisch nachzuhelfen; es wurden während der letzten drei Jahre von dieser Anstalt jährlich an fünf Millionen junger Salmen ausgesetzt. Leider ist die Lage jener „hatching Station“ keine besonders günstige, da sie achtzehn englische Meilen oberhalb Portland angelegt wurde, sodaß die jungen Fische zuerst durch das Gewässer des Willamette, welches durch den Unrath einer großen Stadt inficirt ist, schwimmen müssen, ehe sie in den Columbia gelangen. Welchen Einfluß diese junge Brut auf die künftige Einwanderung der Lachse haben wird, läßt sich noch nicht bestimmt sagen. Da aber im Jahre 1880 etwa anderthalb Millionen Salmen im Columbia gefangen wurden, so scheint es mit dem Aussterben der Lachse daselbst vorläufig noch gute Wege zu haben.




Neues von dem alten Ritter Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand.

Von Karl Braun-Wiesbaden.

Die Gestalten Wallenstein’s (richtig: Waldstein) und Götz von Berlichingen’s sind uns der Regel nach weniger aus der Geschichte bekannt, als aus den gleichnamigen Dichtungen Schiller’s und Goethe’s. Allein Gedichte und Geschichte stimmen nicht stets mit einander überein. Goethe läßt seinen Götz unmittelbar nach der Niederlage der Bauern, deren mehr oder weniger unfreiwilliger Hauptmann er geworden, im Gefängniß sterben, gebrochenen Herzens. Also etwa schon 1525 oder 1526. Die Wahrheit ist aber, daß Götz zwei ganze Jahre – bis 1530 – zu Augsburg, wo er sich, obgleich seine Freunde ihm davon abgerathen hatten, freiwillig auf Ladung gestellt hatte, in Haft gehalten und erst dann gegen Ausschwörung einer harten Urfehde entlassen wurde, deren Ableistung man zur Bedingung seiner Haftentlassung gemacht hatte. Nach den heutigen Rechtsbegriffen war diese Erwirkung der Urfehde die reine Erpressung.

Götz mußte nämlich in derselben bekennen, daß er sich „in der vergangenen bäurischen Empörung mit den abgefallenen aufrührerischen Unterthanen als ein Hauptmann und Mithelfer eingelassen und zu Beschädigungen der Bunds-Staend (d. h. der Mitglieder des schwäbischen Bundes) geholfen hab’.“

Er mußte versprechen, daß er dem Cardinal-Erzbischof von Mainz zu Recht stehen werde, namentlich auch wegen der Ansprüche auf Ersatz des dem Gotteshause bei Amorbach zugefügten Schadens – desgleichen auch dem Bischof von Würzburg wegen ähnlicher Ansprüche – und daß er sich dem Erkenntnisse unterwerfen wolle, welches „die gemeine Versammlung des schwäbischen Bundes“ oder deren Beauftragte in diesen Sachen fällen würden. Endlich aber – und das war das Schlimmste – mußte er, der Ritter, sich verpflichten, nie wieder ein Pferd zu besteigen, sowie sein Schloß in Hornberg und die dazu gehörige Gemarkung niemals wieder zu verlassen.

In dieser harten Gefangenschaft – denn anders kann man diese Freiheitsbeschränkung wohl nicht nennen – hat Götz von Berlichingen beinahe den ganzen langen Rest seines Lebens in Unmuth und Kummer zugebracht und vertrauert. Er ist erst am 23. Juli 1562 gestorben, hat also dreißig Jahre lang unschuldig gelitten, nachdem er 1530 die Urfehde in Augsburg beschworen. Er hat sein beschworenes Wort ritterlich gehalten, obgleich es ihm auf dem Wege der Erpressung abgerungen war, und obgleich ihm, dem in der Kraft seiner Jahre stehenden Manne, der an ein vielbewegtes Leben gewöhnt war, eine Clausur, welche er nicht einmal durch einen Ritt unterbrechen durfte, außerordentlich schmerzlich sein mußte.

Während seiner zweijährigen Haft in Augsburg sperrte man ihn gänzlich von der Außenwelt ab. Man hat wahrscheinlich sogar die Briefe unterschlagen, welche er aus der Gefangenschaft an seine Brüder und Freunde gerichtet; denn gewiß ist, daß die Briefe nicht in deren Hände gelangt sind. Ja, als er erkrankt war und sich „einen Pfaffen“ verschrieben hatte, ließ man diesen nicht zu ihm.

Götz verzweifelte beinahe ob dieser Behandlung, namentlich darüber, daß man ihm nicht gestattete, sich gegen die wider ihn erhobenen Anklagen zu vertheidigen, welche alle von den Bauern verübten Grausamkeiten, Requisitionen, Plünderungen und sonstige Schädigungen ihm ausschließlich zur Last legten und ihn für Alles verantwortlich und ersatzpflichtig machen wollten.

In seinen späteren Aufzeichnungen erklärt er jene von ihm unterschriebene Augsburger Urfehde für ein schändliches Actenstück, das er im Zustande der Selbstbestimmung und der Freiheit niemals unterschrieben haben würde; nur die zuversichtliche Hoffnung, sobald ihm die Freiheit wiedergegeben worden, seine Vertheidigung ohne widerrechtliche Beschränkung führen, jene Anklagen entkräften und sich gegenüber den Gerichten, den Mitlebenden und der Nachwelt von allem Makel reinigen zu können, habe ihm die Feder geführt, als er, mit widerstrebendem Herzen, jene Urkunde unterzeichnet.

Nur zweimal noch ist er mit kaiserlichem Dispens von Hornberg aus in Wehr und Waffen auf’s Neue zum Kampf und Streit hinaus in die Welt geritten, das eine Mal, als er, dem Rufe Kaiser Karl’s des Fünften folgend, 1541 wider die Türken stritt, und das andere Mal, als er 1544 mit des nämlichen Kaisers siegreichem Heere in das innere Frankreich zog, um dort den Frieden dictiren zu helfen. Im Uebrigen hat er auf seiner Burg stille gesessen und den Abend seines Lebens vorzugsweise dazu verwendet, seine Denkwürdigkeiten zu schreiben und seine Processe zu führen. Er hat also in Wirklichkeit mehr als ein Menschenalter länger gelebt, als ihn Goethe leben läßt, der natürlich für sein Drama einen Niedergang nicht brauchen konnte, der sich so lange hinauszieht.

Goethe hat dem alten Ritter sechsunddreißig Jahre seines Lebens genommen, aber er hat ihm dafür die Unsterblichkeit gegeben. Jener Raub ist nur ein imaginärer. Diese Unsterblichkeit ist wirklich. Auf wessen Stirn die leuchtende Flamme des Genius ihr ewiges Licht geworfen, der wird nicht untergehen im Gedächtniß seines Volkes – auch nicht in dem der anderen Völker. Hat doch [780] der größte Romancier Englands, Walter Scott, in seinen jungen Jahren schon Goethe’s „Götz von Berlichingen“ in’s Englische übertragen (siehe Eckermann, „Gespräche mit Goethe“, Theil III, Seite 178).

Ich hoffe auf die Aufmerksamkeit unserer Leser rechnen zu dürfen, wenn ich von demjenigen Lebensabschnitte unseres Ritters, den der Dichter im Interesse der Dichtung unterdrückte, der aber dennoch sein wohlbegründetes historisches Recht hat, Einiges mittheile, was bis jetzt dem Publicum im Großen und Ganzen wenig bekannt ist. Ich benutze dabei die zuerst von dem Heidelberger Professor Dr. Heinrich Zoepfel und die von dem Grafen von Berlichingen-Rossach erschlossenen Quellen.


Götz zu Hornberg.

Die Schriften, welche der Ritter Götz während der letzten zweiunddreißig Jahre seines Lebens zu Hornberg verfaßte, sind größtentheils von ihm dictirt worden. Mit seiner eisernen Rechten vermochte er nur die Waffen, aber nicht die Feder zu führen. Er schrieb zwar mit der linken Hand, aber sehr schlecht, sodaß es schwer ist, die kurzen Briefe und die Aenderungen an Urkunden und Entwürfen, welche wir von ihm besitzen, zu lesen. Selbst seine Unterschrift „G. von Berlichingh zu Hornbergk“ ist schwer zu entziffern.

Seine Denkwürdigkeiten sind in verschiedenen Handschriften auf uns gekommen, von denen die beste, die Neuenstettner, sich im Besitze der gräflichen Familie von Berlichingen befindet.

Die erste gedruckte Ausgabe ist 1731 erschienen, herausgegeben von Veronus Franck von Steigerwald. Sie führt den langen Titel:

– „Lebens-Beschreibung Herrn Gözens von Berlichingen, Zugenannt mit der Eisern Hand, Eines zu Zeiten Kayser’s Maximiliani I. und Caroli V. kühnen und tapfern Reichs-Cavaliers. Worinnen derselbe 1) all seine von Jugend auf gehabten Fehden und im Krieg ausgeübte Thathandlungen, 2) seine in dem Bauern-Krieg Anno 1525 widerwillig geleisteten Dienste, und dann 3) einige andere, außerhalb dem Krieg, und denen Fehden gethane Ritter-Dienste aufrichtig erzählet, und dabey seine erlebte Fatalitäten mit anführet. Mit verschiedenen Anmerkungen erläutert und mit einem vollständigen Indice versehen, zum Druck befördert, von Verono Franck von Steigerwald, welchem noch zu mehrerer Illustrirung eine Dissertatio de Diffitationibus et Faidis beigefügt sich befindet, von Wilhelm Friedrich Pistorius, Hohenlohe-Wickersheimischen Hof-Rathe. Nürnberg, verlegt von Adam Jonathan Felsacker 1731.“

Dieses in verschiedenen Ausgaben erschienene Buch hat Goethe den Anlaß zu seiner berühmten Dichtung gegeben. Er sagt selbst[1], er habe in seinem Drama Götz „vorgeführt, wie der wackere tüchtige Mann sich selbst, und also wohl zu leidlichen Gunsten, in eigener Erzählung dargestellt hat“. Diese Darstellung hat jedoch später lebhafte Anfechtung gefunden. Namentlich ist es Zimmermann in der zweiten Auflage seiner „Allgemeinen Geschichte des großen Bauernkriegs“ (Stuttgart 1854), welcher herausgefunden haben will, Götz sei, in Gemeinschaft mit dem bekannten Wendel Hippler, der eigentliche, aber geheime Anstifter des Bauernkrieges gewesen, habe während des Krieges den Mantel auf zwei Schultern getragen und dann die Bauern verrathen; wenn er dann schließlich lange gefangen gehalten und gezwungen worden sei, eine grausame Urfehde zu schwören, so habe er das ehrlich verdient – um seines Verrathes an den Bauern willen.

Diese Auffassung, wonach Götz ein gewöhnlicher Raubritter und Abenteurer gewesen sein soll, ist jedoch nicht richtig, wenigstens was das Verhalten des Ritters im Bauernkriege anlangt – das Uebrige liegt außerhalb der Aufgabe, die ich mir hier gestellt habe; – und so hat diesmal der Dichter Recht und der Geschichtsschreiber Unrecht. Dieses Urtheil fälle ich auf Grund der Proceßacten, welche nunmehr vollständig vorliegen und die ich studirt und juristisch geprüft habe.

Weder der Dichter noch der Geschichtsschreiber haben die vollständigen Acten gelesen: Zimmermann urtheilt hauptsächlich auf Grund der Aussagen des „Bauernrathes“ Dionysius Schmidt und des Abtes von Amorbach, und den Letzteren nennt er selbst einen alten schwachsinnigen Mann. Was aber den Ersteren anlangt, so hat derselbe diese Aussagen auf der Folter gemacht und später widerrufen. Es ist indessen eine durch Tausende von Hexenprocessen bestätigte Thatsache, daß bei dem Foltern die Aussagen dem Gefolterten vom Untersuchungsrichter in den Mund gelegt wurden.

Man fragte ihn: „War Das und Das nicht so und so?“ und folterte ihn dann so lange, bis er „Ja“ sagte. So erklärt sich z. B. auch die auffallende Gleichförmigkeit aller „Geständnisse“ und Aussagen in den Hexenprocessen. Professor Vilmar will aus dieser Uebereinstimmung schließen, daß doch etwas Wahres an dem Hexenwesen gewesen sein müsse. Aber mit Recht bemerkt dagegen der Hamburger Rechtsgelehrte Dr. C. Trummer, diese Gleichförmigkeit rühre einzig und allein daher, „daß die Tortur die Aussagen auf Suggestionen (Einflüsterungen) erpreßte, daß eben auszusagen war, was die Gerichte wollten, und daß diese sich nun einmal daran gewöhnt hatten, die Sache so aufzufassen“. Diese Geständnisse wurden dann später widerrufen, sobald die Tortur aufhörte, und erneuert, sobald man mit derselben wieder anfing. Doch dies nur beiläufig.

Kehren wir zurück zu unserem Ritter!

Jene beiden belastenden Aussagen leiden nicht nur an den bezeichneten Mängeln, sondern sie sind auch vollständig widerlegt durch zahlreiche Zeugen und Urkunden, welche Ritter Götz in seinem Processe gegen den Erzbischof von Mainz und Genossen producirt hat.

Ich habe bereits in der Einleitung erzählt, wie Götz 1530 in Augsburg Urfehde schwören mußte, daß er vor dem schwäbischen Bund wegen der Entschädigungsforderungen des Erzbischofs von Mainz und der Abtei Amorbach Recht nehmen und sich der Entscheidung unterwerfen wolle.

Auf Grund dessen erhoben auf Johanni 1531 vor dem in Nördlingen versammelten schwäbischen Bund Klage:

1. Kur-Mainz wegen 12,139 Gulden durch die Bauern unter Götz’ Führung erlittenen Schaden;
2. das Kloster Amorbach wegen „etlich Silber und Kleinod“, das Götz mitgenommen, auch dessen eheliche Hausfrau zur Auslösung angeboten habe;
3. die Geistlichkeit in Möltenberg wegen Ersatz des durch Götzens Diener Eucharius gestifteten Schadens.

Die Klage unter 3 ist ohne weitere Verhandlung abgewiesen worden, weil dieser Posten in der Urfehde von 1530 nicht mit einbegriffen und daher nicht vor dem schwäbischen Bund, sondern vor den ordentlichen Gerichten zu verfolgen sei. Beiläufig sei nur bemerkt, daß besagter Eucharius, welcher allerdings in Möltenberg bös gehaust hatte, damals nicht mehr in des Ritter Götz Diensten stand, auch alsbald darnach auf Befehl der Sieger gehenkt oder geköpft worden ist.

Dagegen wurde über die Klagen von Kur-Mainz und von Amorbach ausführlich verhandelt. Die Klagbeantwortung und die Duplik des Ritters sind von dessen Anwalt Johann Daickfuß eingereicht worden, und die Darstellung des Sachverhalts stimmt in allen wesentlichen Stücken mit der Erzählung der Selbstbiographie unseres Ritters überein.

Die Proceßschriften von Kur-Mainz zeichnen sich durch Rabulisterei und Flegelei aus. So wird in der Mainzer Replik Götzens Vertheidigungsschrift als ein „unnütz, lang, weitschweifig Geschwätz und Gedicht, als ein blos vermeintliches, aber ganz nichtiges Fürbringen“ bezeichnet. Dafür giebt denn aber auch Götz wieder Seiner erzbischöflichen Gnaden einige bittere Pillen zu schlucken: die in Rede stehenden Schädigungen, Brandstiftungen etc. seien gar nicht von den Bauernhaufen angerichtet, bei welchen sich Götz während seiner Hauptmannschaft (die er beharrlich als sein „Gefängniß“ bezeichnet) befunden, sondern von des Herrn Erzbischofs eigenen Bauern, die derselbe früher sehr schlecht behandelt, mit welchen er jedoch während des Bauernkriegs anfänglich auch ein gütlich Abkommen und Einvernehmen habe treffen wollen, wozu er die guten Dienste des Ritters Götz durch seinen bischöflichen Beamten Stumpf in Anspruch genommen, indem dieser Stumpf dem Götz sehr zugeredet habe, die Bauernhauptmannschaft zu übernehmen und zu behalten, weil er dadurch dem Bischof und dem Adel sehr nützlich sein könne.

Ferner behauptet Götz, Seine erzbischöfliche Gnaden hätten Sich für einen etwa erlittenen Schaden längst selber reichlich erholt durch die den Bauern nach errungenem Siege auferlegten [781] Brandschatzungen und Contributionen. Er schildert, wie grausam man namentlich seine Bauern in Neustetten behandelt habe; obgleich dieselben unschuldig waren, habe man sie bis auf acht Mann erschlagen und die Hinterbliebenen durch Brandschatzungen an den Bettelstab gebracht. Er, Götz, habe sich den weiter von dem Erzbischof beabsichtigten Mißhandlungen und Plünderungen seiner Bauern widersetzt und sich dadurch den Zorn Seiner erzbischöflichen Gnaden zugezogen.

Nach erfolgtem Schriftenwechsel erließ die Commission des schwäbischen Bundes ein Interlocut oder Beweiserkenntniß, wodurch sie den Ritter Götz mit seinem Gegenbeweis zuließ.

Mit der Beweisaufnahme, welche am 25. October 1533 begann, wurde Wolfgang Gröninger, ein Rechtsgelehrter in Cannstadt, „als der Sachen geschickt und verständig“, beauftragt. Er ließ über die von Götz vorgelegten fünfundzwanzig Urkunden verhandeln und vernahm eidlich die von ihm namhaft gemachten dreiunddreißig Zeugen.

Durch diesen Gegenbeweis wurde Götz der Klage von Kur-Mainz gegenüber vollständig entlastet. Es wurde bewiesen, daß er keine Wahl hatte, als sich entweder zum Hauptmann der aufständischen Bauern herzugeben oder sich von denselben umbringen zu lassen, und daß er weit entfernt, eine solche Stellung zu suchen, vielmehr die größten Anstrengungen gemacht habe, derselben zu entgehen. Es wurde namentlich festgestellt, daß er nach verschiedenen Orten geschrieben habe, um entweder Vertheidigungsmannschaft für seine Burg zu bekommen oder anderwärts für sich und die Seinen eine Zuflucht zu finden.

In letzterer Beziehung wurde ein Umstand festgestellt, welcher ein schweres Verschulden von Götz’ Hausfrau verräth, welche übrigens Dorothea hieß und nicht Elisabeth, wie sie Goethe genannt hat. Götz hatte in seiner Noth auch nach Heidelberg an den Pfalzgrafen um Zuflucht geschrieben, und Dieser hatte ihn sofort durch einen Eilboten eingeladen, zu kommen. Diesen Brief hatte nun Frau von Berlichingen in Empfang genommen und unterschlagen. Götz würde, wenn er den Brief erhalten hätte, ohne Zweifel dieser Einladung Folge geleistet haben und dadurch all jenem Mißgeschick entgangen sein, welches den Rest seines Lebens getrübt hat. Die Schwiegermutter war schuld daran. Sie hatte der Tochter zur Unterschlagung gerathen, „man könne doch nicht in die Welt ziehen und Schloß und Hab und Gut dem Verderben preißgeben“.

Der Zeuge Veit Werner sagt, die Schwiegermutter habe ihm das Alles gestanden. Sie habe hinzugefügt: „Wäre wohl möglich, so ich Das nit gethan, mein Tochtermann Götz wäre in sollichen Unfall nimmer gekommen.“

„Sie weinte sehr,“ sagt der Zeuge, „sie besorgte, wo Götz das erführe, er würde sie über die Burgmauer hinauswerfen.“

Ritter Götz von Berlichingen.
Nach dem Originalölbilde vom Jahre 1535,
im Besitze von Friedrich Wolfgang Götz Graf von Berlichingen-Rossach.

Das hat nun zwar Götz nicht gethan, aber er hat nie wieder ein Wort mit ihr gesprochen.

Endlich wurde festgestellt, daß Götz sich nach Kräften bemüht habe, Excesse der Bauern zu verhüten.

In Ermangelung weiteren Beweises berief sich Kur-Mainz auf die Augsburger Urfehde von 1530, worin Götz selbst sich „als Mithelfer und Hauptmann bei der bäurischen Empörung“ bekannt habe. Die Gerichtscommission ließ jedoch diese Urfehde als Beweismittel nicht gelten.

Soviel über die Klage von Kur-Mainz!

Weniger günstig lag die Sache hinsichtlich der Klage des Klosters in Amorbach. Hier mußte Götz selbst zugestehen, daß er von dem Kloster herrührendes Silberwerk und Geschmeid gekauft und seiner Frau geschenkt habe. Die Frau Dorothea hatte dem Kloster dasselbe angeboten gegen eine Lösungssumme, welche jedoch das Kloster zu hoch fand. Götz entschuldigte sich damit, daß dieses Werk als Beute unter das gemeine „Gepöfel“ (Pöbel?) gerathen sei, womit es also wenigstens für das Kloster unter allen Umständen verloren und der Verschleuderung preisgegeben sei – eine schwerlich zureichende Ausrede.

Endlich am 31. Januar 1534, acht Jahre nach Niederschlagung des Bauernaufstandes, fällte die Commission des schwäbischen Bundes, bestehend aus Wilhelm von Knöringen, Reichserbmarschall von Pappenheim und Bürgermeister Neithart (aus Ulm), alle drei „gemeine Bundeshauptleute“, das Urtheil.

1. In der Klagsache von Kur-Mainz wurde für Götz auf den Eid erkannt,

„daß er, Götz, unsern gnädigsten Herrn den Cardinal und Erzbischof zu Mainz, an und in Seiner Kurfürstlichen Gnaden Kellereien, Schlössern und anderem, nicht beschädigt noch geplündert, noch Kurfürstlichen Gnaden und den Ihrigen sonst einigen Schaden zugefügt, solches auch zu thun weder geheißen noch befohlen, sondern allermaßen und nicht anders, denn wie er, Götz, in seinen eingebrachten Entschuldigungsschriften dargethan, gehandelt habe.“

Den Eid hat Götz durch seinen Anwalt geleistet. Darauf ist Kur-Mainz abgewiesen worden.

2. In der Klagsache des Prälaten zu Amorbach dagegen wurde Götz verurtheilt, daß er demselben alles Silberwerk und Geschmeide, und was solchem und seinem Gotteshaus entwendet worden und er, Götz, an sich gebracht hat und das er eidlich zu inventarisiren habe, in ziemlichen Werthe einzulösen gestatte; wenn aber er und seine Hausfrau von solchen Kleinoden verkauft oder veräußert hätten, soll er, Götz, den Prälaten nach billigem Werth und Geld entschädigen.

Da die Sachen längst nicht mehr vorhanden waren, so ist die Differenz durch eine von Götz gezahlte Abfindung ausgeglichen worden. So scheint es; denn die Acten geben darüber keine Auskunft.




[782]

Das letzte Lächeln.

Den bleichen Engel sah ich schweben,
Mein Kind, um deine Lagerstatt;
Noch rangst du um dein kleines Leben,
Dein Geist jedoch war irr und matt.

Du sah’st nicht, wie mit heißen Thränen
Die Mutter Kuß dir gab um Kuß,
Nicht, wie in Angst und Hoffnungswähnen
Ich stand an deines Bettchens Fuß.

Die Brust von Lieb’ und Weh durchdrungen,
Rief ich den theuern Namen laut –
Da hast du dich emporgerungen
Und hast noch einmal aufgeschaut.

Du hast mein Antlitz nicht gesehen;
Dein Auge folgte nur dem Schall,
Doch schien’s dich freundlich zu umwehen
Wie süßer Tage Widerhall.

Hast du im wirren Traum empfunden,
Daß dir dieselbe Stimme klang,
Die einst in glücklich schönen Stunden
Dir traute Kinderlieder sang ? –

Ein letztes müdes Lächeln dankte –
Auf grauer Flur ein Sonnenblick! –
Das kleine, blasse Antlitz schwankte
In’s weiße Bettchen dann zurück.

Die großen, irren Augen sanken
Zum trüben Schlummer wieder ein –
Ich aber will dir ewig danken
Für diesen letzten Sonnenschein.

Der Engel Spielgenoß zu werden,
Gingst du hinauf in’s ew’ge Licht,
Doch ich vergesse hier auf Erden
Dein letztes, liebes Lächeln nicht.

Anton Ohorn.     




Die Rivalen am Congo.

An den Küsten des „dunklen“ Welttheils, an welchen noch vor wenigen Jahrzehnten nur Sclavenschiffe Anker warfen, um die grausame Jagd auf den schwarzen Menschen auszuüben, wehen heute friedliche Handelsflaggen civilisirter Nationen; vom Norden und Süden, vom Osten und Westen her dringen kühne Forscher auf unwegsamen Pfaden in das „Herz Afrikas“, weder die Gefahren des mörderischen Klimas, noch die Nachstellungen der wilden Eingeborenen scheuend; Dampfer befahren die gewaltigen centralafrikanischen Ströme, welche früher nur von leichten Negercanoes durchfurcht wurden, und europäische Niederlassungen werden gegründet, mitten unter barbarischen Stämmen. Was bedeutet dieses sonderbare Treiben und Schaffen? Was verkündet der schrille Pfeifenton der Dampfmaschine und das Hallen der Aexte in der tiefen Stille des jungfräulichen Urwaldes?

Die Cultur schickt sich an, das Herz Afrikas zu erobern, und in ihren Diensten wetteifern alle civilisirten Nationen mit einander. Auf den vielverschlungenen Pfaden, welche einst der vom idealen Wissensdrange geleitete Forscher gefunden, wandelt heute der unternehmungslustige Kaufmann; er knüpft mit den wilden Völkern Handelsbeziehungen an und schürzt die Bande, mit welchen früher oder später Centralafrika an den unaufhaltsam vorwärts donnernden Gang der europäischen Cultur gefesselt werden wird.

Wie jung sind noch diese Bestrebungen, welche den Völkern Europas einen ungeheueren Nutzen versprechen! Vor kaum fünf Jahren brachte uns Stanley die Kunde von dem Laufe des gewaltigen Congostromes, der unter dem sechsten Grad südlicher Breite seine Fluthen dem Atlantischen Oceane zuwälzt, von dem unermeßlichen Reichthum der von ihm und seinen Nebenflüssen bespülten weiten Länderstrecken und von der dichten Bevölkerung jenes unerforschten dunklen Welttheiles. Schnell reifte da die Idee, dieses Gebiet dem Welthandel zu erschließen, und die civilisirten Völker reichten sich zu diesem Zwecke die Hände. Sie rüsteten Expeditionen aus, deren Zahl mit jedem Jahre wuchs, sodaß es heute selbst für den Fachmann schwierig sein dürfte, den Gang der afrikanischen Forschung klar zu überschauen. Vor Allem hat die auf Anregung des Königs Leopold des Zweiten von Belgien im Jahre 1876 gegründete „internationale afrikanische Association“ es zu ihrer Aufgabe gemacht, auch jenen Theil Afrikas zu civilisiren, und aus ihr sind auch jene Specialcomités hervorgegangen, deren Thätigkeit heute die gesammte handelsgeographische Welt in Spannung und Aufregung versetzt. Was man schon bei der Gründung der internationalen Vereinigung voraussehen konnte, hatte sich leider nur allzu bald bestätigt. Die Eintracht der einzelnen Völker war nicht von langer Dauer, und schon heute stehen wir vor einem – „Streit um den Congo“.

Werfen wir einen Blick auf die Landkarte des westlichen äquatorialen Afrikas, so sehen wir, daß hier zwei große Ströme in den Atlantischen Ocean münden, unter dem sechsten Grad südlicher Breite der mehrmals erwähnte Congo, und nördlich von ihm der kleinere Ogowe. Flüsse bildeten stets die wichtigsten Handelswege der Welt, und so müssen wir auch die Mündungen vom Congo und Ogowe als die Thore betrachten, durch welche man in das Innere dieses Landes gelangen kann.

Und in der That ließen sich an ihnen die Pionniere der europäischen Cultur zuerst nieder. An der Mündung des Ogowe besitzt Frankreich einen wichtigen Hafen, Gabun, in welchen jährlich an hundert Dampf- und Segelschiffe einlaufen. Sie treiben hier Tauschhandel mit den afrikanischen Völkern, und der Gewinn der Handelsherren soll dabei ein unermeßlicher sein; denn nur wohlfeile Waare wird für die kostbarsten Producte des Südens eingetauscht. Einen Elephantenzahn, der etwa 60 Kilogramm wiegt und in Europa einen Werth von 1800 Franken darstellt, ersteht man am Ogowe für Schundwaaren im Werthe von 40 bis 50 Franken, und Blöcke von Kopalharz, welche die Größe eines Kopfes haben, handelt man den Eingeborenen für einige Körner Salz ab. Alle tropischen Früchte gedeihen in jenen Ländern auf das vortrefflichste, und unermeßlich ist der Reichthum ihrer Urwälder an Kautschuckbäumen, sowie an Palmen, aus welchen das Palmöl gewonnen wird. Der Leser wird vielleicht staunen, wenn wir ihm mittheilen, daß dieser Handel vorwiegend von den Deutschen betrieben wird, daß das Hamburger Haus Wörmann in Gabun sozusagen eine Art Monopol besitzt.

Den Ogowe entlang sind einige Handelsstationen errichtet, und Karawanen von Canoes vermitteln den Verkehr zwischen dem Hafen und dem Inneren des Landes.

Dieser älteren französischen Handelscolonie erwuchs in jüngster Zeit ein gefährlicher Concurrent in dem an der Congomündung gelegenen Hafen Boma, in welchem, wie wir später sehen werden, einige europäische Handelshäuser unter der Leitung Stanley’s sich niedergelassen haben.

Von diesen beiden Punkten aus wurden nun in letzter Zeit die Expeditionen unternommen, deren Zweck es war, Handelswege nach dem Inneren Centralafrikas zu finden und Handelsstationen zu gründen.

Ein kühner französischer Forscher, Graf Savorgnan de Brazza, sollte vom Ogowe aus sein Glück versuchen. Die internationale afrikanische Gesellschaft trug ihm auf, ihre Interessen zu vertreten, und außerdem wurde er mit einem Mandat der französischen Regierung ausgestattet: „sei es auf dem Wege des Kaufes, sei es durch Verträge, von denjenigen Territorien Besitz zu ergreifen, die ihm am Ogowe und am Congo zur Errichtung von Niederlassungen günstig erschienen“. Man behauptet, daß ihm die afrikanische Association zu dieser Expedition 30,000 Franken, das französische Parlament aber 100,000 Franken bewilligt hätte, und es ist leicht zu begreifen, daß unter diesen Umständen Graf Savorgnan de Brazza bald die Verpflichtungen vergaß, welche er gegen die afrikanische Gesellschaft zu erfüllen hatte, und als Franzose nur die Interessen Frankreichs wahrnehmen zu müssen glaubte. Das Gebiet, das er betreten sollte, war ihm schon von seinen früheren [783] Reisen her bekannt, und vertrauend auf seine gründliche Kenntniß von Land und Leuten rüstete er eine verhältnißmäßig schwache Expedition aus, die nur aus zwei Matrosen und sechszehn waghalsigen farbigen Senegalschützen bestand. Was er mit diesen geringfügigen Mitteln zu erreichen wußte, ist entschieden großartig und nur ein Erfolg seines persönlichen Muthes und seiner schlauen Gewandtheit. Trefflich charakterisirt den französischen Forscher ein Brüsseler Correspondent des „Export“:

„In der That versteht Savorgnan de Brazza es ausgezeichnet, mit den Wilden umzugehen. Wie jener alte Römer, der den Karthagern in den Falten seiner Toga Krieg und Frieden zur Wahl vorlegte, pflegt er den Eingeborenen in der einen Hand eine französische Flagge, in der andern eine Patrone vorzuhalten. Er erklärt ihnen dann die Vortheile eines Handelsvertrages und die Schrecken des Krieges und läßt sie wählen. Alle haben die Fahne gewählt als Symbol des Handels und sodann feierlichst die Patrone vergraben, um damit den ewigen Frieden zu besiegeln.“

Im Jahre 1880 trat Brazza seine Reise an, um vom obern Laufe des Ogowe den Alima, einen Nebenfluß des Congo, zu erreichen und sich zu überzeugen, ob dieser Weg für eine Handelsstraße geeignet sei. Im Juni desselben Jahres gründete er die Station Franceville, die auf unserer umstehenden Karte den Ausgangspunkt der weiteren Reise Brazza’s bezeichnet. Er wurde von dem Stamme der Nghimi, die jene Gegend bewohnen, auf das Freundlichste aufgenommen, und es fehlte ihm – der dortigen Landessitte gemäß – niemals an eingeborenen Frauen, welche ihm zur Besorgung seiner Hauswirthschaft die Häuptlinge verehrten. Nach einigen Tagemärschen gelangte seine Karawane in das Land der Bateken, die zu den Menschenfressern zählen, aber, so lange sie nicht gereizt werden, fremde Reisende durchaus friedlich und zuvorkommend empfangen. Erst bei den Abumas, einem Volke, welches vom Sclavenhandel und von der Herstellung feiner Bastgewebe lebt, erfuhr er, in welcher Richtung er den Congo suchen müsse. Seine Karawane verließ bald den Fluß Lerina, auf dem sie bis dahin auf Canoes der Eingeborenen vorwärts drang, und trat zu Fuß einen beschwerlichen Weg an, der durch ein ödes, den sengenden Strahlen der Sonne ausgesetztes unbewohntes Plateau führte. Zwei Tage lang dauerte dieser ermüdende Marsch, und schon glaubte Brazza, daß er absichtlich irre geführt würde. Da erblickte er um elf Uhr Abends eine unendliche Wasserfläche, deren Glanz sich in den Schatten der hohen Gebirgszüge am Horizonte verlor.

„Der Congo,“ erzählt Brazza wörtlich, „wälzte, vom Nordosten kommend, wo er einem Meere glich, majestätisch seine Fluthen tief zu unsern Füßen, ohne daß der Schlaf der Natur geweckt wäre durch das schwache Gemurmel seiner Wogen. Das war einer jener Augenblicke, welche dem Reisenden ein andächtiges Schweigen (religienx silence) auferlegen, und in diesem Schweigen schlug mein Herz höher, das Herz eines Franzosen, da ich daran dachte, daß sich hier das Schicksal meiner Mission entscheiden müsse.“

Von hier aus gelangte Brazza auf dem Congo bis zu der seeartigen Erweiterung des Stromes, welche zu Ehren ihres Entdeckers den Namen Stanley-Pool trägt. Das ganze Gebiet, welches er jetzt durchkreuzte, gehört dem mächtigsten Fürsten Centralafrikas, dem „Könige von Makoko“, und Brazza versäumte nicht, diese schwarze Majestät aufzusuchen und mit ihr ein Freundschaftsbündniß zu schließen. In den „Tuilerien“ dieses Herrschers, welche nur aus einigen Hütten und einem Palissadenzaune bestehen, wurde der berühmte Vertrag, der jetzt ein so großes Aufsehen erregt, geschlossen. Der König nahm ein wenig Erde, legte sie in ein Kästchen und ließ dasselbe durch seinen Oberpriester dem französischen Reisenden mit den Worten überreichen:

„Nimm diese Erde und trage sie zu dem großen Häuptlinge der Weißen und sage ihm, daß wir ihm angehören.“

Brazza pflanzte hierauf das französische Banner neben der Hütte des Königs auf und hielt folgende Ansprache:

„Das ist das Zeichen der Freundschaft und des Schutzes, welches ich euch zurücklasse. Frankreich ist überall da, wo dieses Friedenszeichen weht; es achtet die Rechte aller derjenigen, welche sich um dasselbe schaaren.“

Seit jenem Tage pflegt der König von Makoko an jedem Morgen und an jedem Abend die französische Tricolore auf dem Dache seiner „Residenz“ aufziehen zu lassen.

Dies geschah am 3. October 1880, und kraft des Vertrages erhielt Brazza ein Gebiet von zwölf Quadratmeilen oberhalb des Stanley-Pool. Sofort gründete er eine neue Station Brazzaville, in welcher er den schwarzen Unterofficier Malamine und zwei Senegalschützen zurückließ. Er selbst aber fuhr den Congo hinab, und kehrte, fast von allen Mitteln entblößt, über Boma nach Europa zurück. Auf diesem Wege traf er mit Stanley zusammen, dem gegenüber er aber von seinem Vertrage mit dem Könige von Makoko nichts verlauten ließ. – –

In derselben Zeit, da Brazza seine Reise ausführte, wurde von Boma aus ein Versuch im großen Stil unternommen, das Congogebiet zu erschließen. Haftet dem Brazza’schen Vorgehen in gewisser Hinsicht ein abenteuerlicher Zug an, so sehen wir in dem anderen Unternehmen eine entschieden großartige Schöpfung vor unsern Augen entstehen. An seiner Spize steht der „Heros der afrikanischen Forschung“, der berühmte Stanley, dem es gelungen ist, den König von Belgien und eine Anzahl großer Capitalisten für seine praktischen Pläne zu gewinnen. Auf seine Anregung bildete sich bereits vor vier Jahren eine Gesellschaft unter dem Namen „Comité d’études du Haut-Congo“, welche über große Capitalien verfügt und Stanley mit der Erschließung der Congoländer beauftragte.

Unsere Landkarte zeigt uns, daß der untere Lauf des Congo drei bedeutende Wasserfälle aufweist, zunächst die Yellala-Fälle, dann die Isandschila-Fälle und endlich die Ntamo-Fälle in der Nähe des Stanley-Pool, zwischen welchen noch etwa zwanzig kleinere Katarakte liegen. Da durch dieselben die Schifffahrt auf dem Strome besonders erschwert wird, so beschloß man hier eine Landstraße den Congo entlang zu bauen, um den Verkehr mit dem Inneren des Landes zu ermöglichen. Zu diesem Zwecke wurde Stanley mit großartigen Mitteln ausgerüstet. Sieben kleinere Dampfschiffe und Remorqueure befahren schon den Strom zwischen den einzelnen Katarakten, und für die Expedition selbst wurden sechszig Europäer und drei- bis vierhundert Zanzibariten engagirt.

Dem Laufe des Stromes folgend, hat Stanley eine Reihe von Niederlassungen gegründet, welche Anfänge von Städten bilden; sie haben ihre Straßen und ihre besondere Fahne, welche einen goldenen Stern im blauen Felde zeigt; denn es sind nicht belgische, sondern afrikanische Städte, die hier gegründet werden. Jede dieser Stationen hat einen weißen Vorsteher, während die übrige Einwohnerschaft aus Zanzibariten und Eingeborenen der Umgegend sich zusammensetzt. Die Cultivirung des Bodens wurde sofort in Angriff genommen, und wo man noch vor Kurzem wildes Buschwerk und Gestrüpp sah, erheben sich heute Plantagen und blühende Gärten. Zwischen den Eingeborenen und der Expedition herrscht das beste Einvernehmen, da Stanley auf gerechte Behandlung der Ersteren ein besonderes Gewicht legt. So wird z. B. der Grund und Boden, welchen man zur Gründung von Niederlassungen braucht, stets im Wege des Kaufes erworben, und die eingeborenen Häuptlinge erhalten von der Expedition monatlich einen Tribut, der ihnen als der einheimischen Obrigkeit zukommt. Dank dieser humanen Handlungsweise ist bis jetzt am Congo noch kein einziger Flintenschuß in feindlicher Absicht abgegeben worden.

Trotzdem hat die Expedition bereits große Opfer gefordert; neun von den Europäern, welche Stanley nach Afrika folgten, sind den Strapazen und dem Klima erlegen, während viele andere aus Gesundheitsrücksichten nach Europa zurückgeschickt werden mußten. Die Zanzibariten dagegen erweisen sich als vortreffliche Arbeiter, und da ein Theil derselben nach Ablauf ihres dreijährigen Contractes in ihre Heimath zurückkehren wird, so hat man bereits 250 Arbeiter von Neuem in Zanzibar engagirt und an den Congo befördern lassen.

Mit diesen Mitteln versuchte nun Stanley möglichst weit in das Innere des Landes den Congo entlang vorzudringen und die projectirte Straße auszubauen.

Von Boma aus fuhr er mit dem Dampfer bis eine Meile unterhalb der Yellala-Fälle und gründete hier im November 1879 die erste Station, Vivi. Nach einem Jahre errichtete er weiter stromaufwärts, sieben deutsche Meilen entfernt, Ndambi Mbongo, und im Frühjahre 1881 die dritte Station, Isandschila. Da er von hier aus den Strom benutzen konnte, gelang es ihm, schon im Mai desselben Jahres die zwanzig deutsche Meilen lange Strecke bis Manjanga zurückzulegen und die vierte Station zu errichten. Hiermit waren die größten Schwierigkeiten überwunden; [784] er befand sich in einer fruchtbaren, von dem freundlich gesinnten Volke der Bawende bewohnten Gegend. Der Weg zu dem von hier noch elf deutsche Meilen entfernten Stanley-Pool führt zwar wieder zu Lande durch hügelreiche Gegenden und über den reißenden Edwin-Arnold-Fluß, aber von Nkenke an beginnt Lehm- und Sandboden und theilweise sogar Parklandschaft.

Hier traf Stanley mit dem „zerlumpten Franzosen“ Brazza, wie er den von allen Mitteln Entblößten später nannte, zusammen; er begrüßte ihn zuvorkommend, erfuhr aber nichts Näheres über seine bereits erwähnten Verträge. Als nun Stanley an der Spitze der stattlichen Expedition bis zum Stanley-Pool vorgedrungen war, fand er hier den Sergeanten Malamine, der die Eingeborenen gegen die Belgier so aufreizte, daß Stanley, theilweise unverrichteter Dinge, umkehren mußte. Trotzdem ist sein Erfolg ein bedeutender.

Die Gesellschaft des „Comité d’études du Haut-Congo“ unterhält bereits einen lebhaften Handel mit dem ganzen Gebiet ihrer Operationen. Elfenbein, Kaffee, Gummi, Guttapercha, Palmöl, Ebenholz, Mahagoni und Eisenholz sind kostbare Handelsartikel, welche schon jetzt für die Gesellschaft eine Quelle unermeßlichen Reichthums bilden.

Kein Wunder also, daß Stanley nach seiner vor Kurzem erfolgten Rückkehr nach Europa gegen das Vorgehen Brazza’s protestirte, daß er den Plan des Letzteren, zwischen dem Ogowe und Congo eine Eisenbahn zu bauen, lächerlich zu machen versucht und seine Straße am unteren Congo für den besten Handelsweg ausgiebt. Kein Wunder auch, daß Herr de Brazza seinerseits seinen Landsleuten zuruft:

„Laßt uns für die Zukunft sorgen! Denn in einem Jahre vielleicht schon wird sich das Comité, welches Stanley zum Vertreter seiner Interessen macht und das in drei Jahren fünf bis sechs Millionen Franken geopfert hat, in eine Gesellschaft mit einem Capital von fünfzig bis sechszig Millionen Franken verwandeln, in eine Gesellschaft, welche den inneren Congo mit dem atlantischen Ocean durch eine Eisenbahn verbinden und so den Handel des gesammten Congogebietes unumschränkt beherrschen wird.“

Es ist unthunlich und zwecklos, den bisher meist nur persönlichen Streit beider Männer noch ausführlicher zu verfolgen. Der Conflict wird durch die Organe Gambetta’s ausgebeutet; er wird aber sicher durch besonderes internationales Einwirken im allgemeinen Interesse der Völker beigelegt werden; denn Brazza war wie Stanley von der internationalen Association zu einer Forschungsreise beauftragt worden, und nach den neuesten Nachrichten soll die portugiesische Regierung sich schon mit dem Plane tragen, gegen die Ansprüche Brazza’s zu protestiren.

Es ist zweifellos, daß bei der Anstrengung so vieler Kräfte, zu denen auch noch die Arbeiten verschiedener Missionare hinzukommen, und bei der dadurch entstandenen fieberhaften Concurrenz die große Wasserstraße des Congo nach dem Innern in Bälde eröffnet werden wird. Für uns ist es zunächst fraglich, welcher von den beiden Wegen den Vorzug verdient, der Brazza’s von Norden her, von Gabun auf dem Ogowe bis Brazzaville, eine Strecke von hundertvierundzwanzig deutschen Meilen, wobei freilich nur fünfzehn deutsche Meilen Landweg sind, – oder der Stanley’s von Boma bis zum Pool, eine Strecke von nur zweiundsiebenzig Meilen, von denen zwanzig Landweg sind.

Brazza hat nur einen kurzen Landweg auf gutem zugänglichem Terrain zu bauen, dagegen ist sein Wasserweg sehr lang und führt durch eine Reihe kleiner selbstständiger Reiche mit kriegslustigen Einwohnern, sodaß der Verkehr immer gefährdet ist. Stanley’s Kunststraße um die Katarakte herum ist den zerstörenden Ueberschwemmungen ausgesetzt und erfordert häufige Reparaturen. Auch ist der Wasserweg zwischen Isandschila und Manjanga gefährlich. Doch kann man diese Strecken auf dem Karawanenwege der Eingeborenen über Matodi-Kinsuka-Manjanga umgehen, vorausgesetzt, daß man sich mit den bisher feindseligen Eingeborenen abfände. Stanley’s Weg ist unter allen Umständen der kürzeste und nicht durch die Feindseligkeiten der Eingeborenen bedroht. Man darf also wohl voraussehen, daß diese Verkehrsstraße den Vorzug erhalten und behaupten wird. – Frankreich sucht indessen fortgesetzt neue Lorbeeren von Centralafrika zu holen. Es entsendet fast gleichzeitig mehrere Expeditionen dahin, nämlich außer der des Dr. Bayol eine zweite unter Aimé Ollivier, Vicomte de Sandernal, um eine französische Colonie in der Nähe von Cimbra in Senegambien zu gründen und die kleine französische Colonie Assimie mit den Besitzungen Frankreichs am Senegal zu verbinden, Expeditionen, deren Hauptziel es ist, das ganze centrale und westliche Afrika in Frankreichs Gewalt zu bringen. Die Entdeckungen, welche so vielen muthigen englischen, deutschen und amerikanischen Forschern das Leben gekostet haben, sind für die französischen Republikaner gut genug.




Ueber Explosionen von Petroleumlampen.

Aufklärendes in Bezug auf die neue Verordnung, betreffend den Handel mit Petroleum.

Während in den übrigen europäischen Staaten schon seit längerer Zeit Vorschriften über den Verkauf von Petroleum bestanden, kraft welcher feuergefährliches Oel überhaupt nicht, oder doch nur unter besonderen Vorsichtsmaßregeln verkauft werden durfte, existirte bisher ein derartiges Gesetz bei uns in Deutschland noch nicht. Es ist also leicht erklärlich, wie gerade der deutsche Markt mit schlechten Petroleumsorten, die in anderen Ländern keinen Absatz finden konnten, überschwemmt wurde. Diese mißliche Lage erreichte ihren Höhepunkt im Jahre 1878. Daß man

[785]

Die kleinen Künstler.
Nach dem Oelgemälde von H. Oehmichen.

[786] nicht schon früher laute Klagen über schlechtes Petroleum vernahm, ist nur dem Umstande zu verdanken, daß bis dahin gute Waare in überreichlicher Menge vorhanden war. Mit dem Jahre 1876 änderte sich aber die Sachlage. Die bis dahin verwertheten Petroleumquellen im Staate Pennsylvanien, welche fast das ganze Europa versorgten, versiegten um diese Zeit, und andere in deren Nähe, im Bradford-District, gelegene wurden in Angriff genommen; freilich nicht mit dem gleichen Erfolge. Denn wenn auch die neuen Quellen an Ergiebigkeit den alten gleich kamen, so standen sie ihnen doch in Bezug auf die Güte des gelieferten Materials bedeutend nach.

Bekanntlich ist das Petroleum kein einheitlicher Körper, sondern besteht hauptsächlich aus einer großen Anzahl von Kohlenwasserstoffen, welche theils der Sumpfgasreihe, theils der Aethylengasreihe angehören, deren Eigenschaften aber so wenig von einander abweichen, daß eine Trennung dieser Kohlenwasserstoffe nicht möglich ist. Das zu Brennzwecken verwendete Oel soll nur diejenigen Glieder dieser Reihen enthalten, welche zwischen 140° und 300° sieden, und je mehr dasselbe von den mittleren Kohlenwasserstoffen, welche etwa bei 200° sieden, den sogenannten Herztheilen des Petroleum, enthält, desto besser ist es im Allgemeinen.

Die bei niedrigerer Temperatur siedenden Bestandtheile des rohen Materials kommen unter den Namen Ligroin, Petroleumäther, Petroleumbenzin, Naphta, Gasolin etc. in den Handel; die höher siedenden dagegen werden als Schmieröle verwendet; auch wird aus ihnen Paraffin gewonnen.

Das von den neuen Quellen im Bradford-District gelieferte Oel enthält nun einen weit geringeren Procentsatz von jenen mittleren Kohlenwasserstoffen, welche, wie oben bemerkt, die Güte des Petroleum bedingen. Sei es nun, daß die amerikanischen Raffineure das neue Rohöl noch nicht richtig zu behandeln wußten, sei es, daß sie in betrügerischer Absicht demselben Naphta und Schmieröle zusetzten, für welche damals noch nicht der nöthige Absatz existirte – die durch Explosionen von Petroleumlampen verursachten Unglücksfälle mehrten sich fortwährend, und die Klagen über schlechtes Oel wurden allgemein.

Die mittlerweile von den Handelschemikern vorgenommenen Untersuchungen bestätigten nur, daß das im Handel befindliche Petroleum bedeutend schlechter geworden sei und leicht zu Feuersgefahren Veranlassung geben könne. Es traten deshalb die Großkaufleute im Jahre 1878 in Bremen zu einer Conferenz zusammen und berathschlagten, wie diesem Uebel abzuhelfen sei. Sie einigten sich dahin, an Ort und Stelle der Verschickung in Amerika eine gewisse Controlle ausüben zu lassen, und es ist nicht zu leugnen, daß seitdem die Klagen über schlechtes Petroleum erheblich nachgelassen haben.

Immerhin war es aber eine dringende Nothwendigkeit, daß die Reichsregierung die Angelegenheit in die Hand nahm und ein Gesetz in dieser Beziehung ausarbeitete, welches nun mit dem 1. Januar 1883 in Kraft treten wird.

Die Feuergefährlichkeit einer Petroleumsorte ist darin begründet, daß sie reich ist an solchen Bestandtheilen, welche sich bei niedriger Temperatur verflüchtigen. Indem sich diese Dämpfe mit der atmosphärischen Luft mischen, entsteht ein explosibles Gemenge, welches sich bei Annäherung der kleinsten Flamme entzündet.

Als feuergefährlich ist nun nach der neuen Verordnung solches Petroleum anzusehen, welches bei einem Barometerstand von 760 mm. und bei einer Erwärmung auf weniger als 21° C. entflammbare Dämpfe entwickelt. Dasselbe darf nur in Gefäßen in den Handel gebracht werden, welche an einer in die Augen springenden Stelle auf rothem Grunde in deutlichen Buchstaben die nicht verwischbare Inschrift tragen „Feuergefährlich“. Wird ein solches Oel in kleineren Mengen als 50 Kilo abgegeben, so muß die Inschrift noch die Worte enthalten „Nur mit besonderen Vorsichtsmaßregeln zu Brennzwecken verwendbar“.

Die Untersuchung einer Petroleumsorte auf ihre Entflammbarkeit erfolgt mit dem Abel’schen Prober, einem Apparate, dessen nähere Beschreibung hier zu weit führen würde. Im Wesentlichen setzt sich derselbe zusammen aus einem Wasserbade, welches die langsame gleichmäßige Erwärmung bewirkt, aus einem Gefäß zur Aufnahme des zu untersuchenden Oeles und aus einem das Gefäß verschließenden Deckel, durch welchen hindurch ein Thermometer in das Petroleum hineinragt und welcher die Zündvorrichtung trägt. Letztere wird durch ein Triebwerk in Bewegung gesetzt.

Es ist indeß nothwendig, noch besonders hervorzuheben, daß auch bei Benutzung eines nach obiger Verordnung ungefährlichen Oels eine Lampenexplosion nicht ausgeschlossen ist. Freilich bei gut construirten Brennern, bei zweckentsprechender vorsichtiger Behandlung der Lampe, sowie bei gewöhnlicher Zimmertemperatur ist keine Gefahr vorhanden; sind jene Voraussetzungen aber nicht erfüllt, so können Unfälle schon vorkommen.

Zur Herbeiführung der Explosion einer Petroleumlampe ist zunächst erforderlich, daß sich im Oelbassin ein explosibles Gemenge von Dampf und atmosphärischer Luft bilde. Die Entstehung eines solchen Gemisches ist nun nicht allein von der Entflammungstemperatur des benutzten Petroleums abhängig, sondern wird in eben so hohem Grade durch die Temperatur des Oelgefäßes bedingt. Wenn nun auch das nach der neuen Verordnung als ungefährlich gestempelte Oel schon bei einer Temperatur von 21° C. entzündliche Dämpfe liefert, so kann sich in dieser Temperatur ein gefahrbringendes explosibles Gemenge noch nicht bilden; dazu ist eine weit stärkere Dampfentwickelung nöthig, und diese tritt erst bei einer um 10° höheren Erwärmung ein, wie häufig wiederholte Experimente bestätigt haben.

Eine heftige Explosion kann eben nur stattfinden, wenn circa 1/9 des Gasgemenges aus Petroleumdampf besteht; ist weniger Petroleumdampf in dem Gasgemenge vorhanden, so verliert die Reaction ihren gefährlichen Charakter, und es findet entweder ein schwaches Verpuffen statt, oder es verbreitet sich ohne merkliches Geräusch eine kaum sichtbare bläuliche Flamme über die Oberfläche des Oels, welche aber sofort wieder erlöscht. Ist andererseits erheblich mehr als 1/9 des Volumens von Petroleumdampf erfüllt, so schwächt sich die Explosion gleichfalls ab; es ist alsdann zur plötzlichen Verbrennung nicht genügend Sauerstoff vorhanden, und es erfolgt nur ein ruhiges, langsames Abbrennen des Gemisches, welches keine weiteren Gefahren nach sich zieht.

Aus Vorstehendem geht demnach hervor, daß bei einer Petroleumsorte, deren Entflammungspunkt 21° C. beträgt, der gefährlichste Punkt etwa bei 30 bis 31° liegt; steigt die Temperatur hierüber hinaus, so nimmt die Gefahr wieder ab. Für ein anderes Oel mit höherem Entflammungspunkte stellt sich natürlich auch die gefährliche Temperatur entsprechend höher.

Da nun im Allgemeinen, wie zahlreiche Versuche ergeben haben, das Oelbassin sich bei einer mittleren Zimmertemperatur von 19° bis 20° C. nicht mehr als circa 5° über die umgebende Luft erwärmt, so ist beim Brennen des vorschriftmäßigen Petroleums unter normalen Verhältnissen keine Gefahr vorhanden. Anders verhält sich freilich die Sache, wenn, wie es in stark besuchten Localen und hier wieder speciell an der Decke wohl vorkommen kann, die umgebende Luft eine weit höhere Temperatur hat, oder wenn durch die schlechte Construction des Brenners die Erwärmung des Oelgefäßes begünstigt wird. Denn wenn auch, wie bezügliche Versuche lehrten, mit steigender Temperatur die Differenz zwischen Luft- und Bassintemperatur erheblich abnimmt – sie beträgt bei 32° bis 35° im Durchschnitt nur 2° – so ist doch klar, daß in solchen Fällen die Bildung eines explosiblen Gasgemenges nicht allein möglich, sondern auch wahrscheinlich ist.

Die größte Sorgfalt ist deshalb auf die Construction des Brenners zu verwenden, insofern von dieser wesentlich die Erhitzung des Oelbassins abhängt. Flachbrenner erwärmen sich z. B. durchschnittlich viel höher als Rundbrenner; auch das Material, aus dem die Oelgefäße hergestellt sind, ist nicht ohne Bedeutung; so begünstigt Metall seiner guten Wärmeleitungsfähigkeit halber die Entstehung eines explosiblen Gemisches viel mehr als Glas, und doch finden wir gerade vielfach Flachbrenner mit metallenem Oelbassin.

Auch ist wohl zu beachten, daß eine wichtige Quelle der Dunstbildung in dem mit Oel getränkten Docht vorhanden ist, und dieser wird durch den Brennerkopf direct in seinem oberen Theile erhitzt. Nach einigen vorliegenden Versuchen erwärmt sich der Docht selbst bei guten von außen ganz kalt anzufühlenden Brennern circa 10° über die umgebende Luft, bei stark heiß brennenden Flachbrennern wurden aber sogar Temperaturen von 50° bis 60° beobachtet.

Wenn nun auch die äußere Luft regulirend einwirkt – und insofern ist auch sie von Bedeutung – indem sie die Petroleumdämpfe an den Bassinwänden zur Verdichtung bringt, so ist doch leicht verständlich, daß unter ungünstigen Umständen selbst Oele von einem weit höheren als dem vorgeschriebenen Entflammungspunkte zu Gefahren Veranlassung geben können.

Schließlich darf nicht vergessen werden, daß auch die Behandlungsweise einer Petroleumlampe nicht unerheblich zur Entstehung einer Gefahr beitragen kann. Bei nachlässiger Reinigung verstopfen sich leicht die zur Abkühlung angebrachten Luftlöcher; auch ein sogenanntes Blaken der Flamme, sei es nun durch eine falsche Stellung des Dochtes, sei es durch ein unrichtiges Aufsetzen des Cylinders hervorgerufen, befördert die Erwärmung des Oelgefäßes und somit die Entstehung eines explosiblen Gasgemenges.

Glücklicher Weise zieht die Entstehung eines solchen Gemisches nicht gleich eine wirkliche Explosion nach sich; diese kann vielmehr erst statt finden, wenn die Flamme direct mit dem Gemenge in Berührung kommt. Um letzteres zu vermeiden, ist sehr auf die etwa im Brennerboden befindlichen Luftöffnungen zu achten; sind sie zu groß oder nicht mit den genügenden Schutzvorrichtungen versehen, so findet leicht, speciell beim Ausblasen der Lampe oder bei vorhandener Zugluft, ein Rückzünden der Flamme statt. Andererseits ist darauf zu halten, daß der verwendete Docht die Hülse vollständig ausfüllt, damit keine freien Verbindungscanäle zwischen dem Bassin und der Flamme bestehen, welche in gleicher Weise ein Rückzünden begünstigen würden.

Die meisten Explosionen dürften indeß durch unvorsichtige Behandlung der Lampen veranlaßt werden, indem man beim Nachgießen von Oel in eine soeben benutzte Lampe dem Bassin mit einer Flamme zu nahe kommt, oder sogar versucht, Petroleum nachzufüllen, während die Lampe noch brennt. Vor solcher Behandlung einer Petroleumlampe kann deshalb nicht dringend genug gewarnt werden.

Ueberblicken wir zum Schluß das in Vorstehendem Gesagte, so gewinnen wir die Ueberzeugung, daß die leider noch immer nicht als selten zu bezeichnenden Explosionen von Petroleumlampen ebenso sehr, wenn nicht in noch höherem Maße, durch deren Behandlung und die Construction der Brenner, wie durch die Qualität des verwendeten Oels bedingt sind. Einen absoluten Schutz gegen Gefahren kann deshalb die neue Verordnung auch keineswegs gewähren; nur derjenige ist gesichert, welcher sich einer gut construirten Lampe bedient und dieselbe sachgemäß behandelt. Mehr läßt sich auf dem Wege der Gesetzgebung nicht erreichen. Wohl Niemand wird die Flachbrenner vom Gebrauche ausschließen wollen, weil sie leichter zu Explosionen Veranlassung geben können, da sie weit weniger Oel verzehren und doch für manche Zwecke genügende Lichtmengen liefern. Andererseits dürfte man auch die gesetzliche Bestimmung eines höheren Entflammungspunktes für das zu Beleuchtungszwecken zu verwendende Petroleum nicht gut fordern; denn schon eine Erhöhung desselben um wenige Grade hätte das Petroleum bedeutend vertheuert, während die dadurch erreichte Sicherheit kaum merklich größer geworden wäre. Hätte man wirklich allein durch die Auswahl des Petroleums jegliche Gefahr ausschließen wollen, so hätte es kaum genügt, einen Entflammungspunkt von 36 bis 40°, wie es etwa das Kaiseröl hat, vorzuschreiben; ob es aber in diesem Falle nicht ebenso richtig gewesen wäre, das [787] Petroleum überhaupt vom Handel auszuschließen oder doch für feuergefährlich zu erklären – diese Frage scheint mir nicht fern zu liegen.

Ueberdies ist zu bemerken, daß die schweren Oele mit hohem Entflammungspunkt ihrer Dickflüssigkeit wegen in den Dochten weniger gut steigen und daher eine besondere Lampenconstruction erfordern.

Vor Allem darf aber in dieser Beziehung nicht außer Acht gelassen werden, daß Deutschland derjenige Staat ist, welcher den größten Petroleumconsum aufweist (1879 wurden nicht weniger als fünf Millionen Centner verbraucht). Würde man auch nur einen um wenige Grade höhern Entflammungspunkt gefordert haben, so hätten sich die Mehrkosten doch auf etwa zwölf Millionen Mark belaufen; die Schädigung des Nationalvermögens wäre also bedeutend gewesen.

Aber auch der Handel und speciell das Exportgeschäft hätten unter einer solchen Bestimmung zu leiden gehabt, indem das deutsche Petroleum alsdann für die umgebenden Länder zu theuer geworden wäre. Von welchem Umfang aber dieser Export ist, geht wohl am besten daraus hervor, daß die deutschen Bahnen allein von dem über Bremen nach Oesterreich und der Schweiz verladenen Petroleum im Jahre 1879 an Fracht eine Einnahme von circa 1,200,000 Mark erzielten.

Wenn wir demnach am Schlusse der vorstehenden Erörterungen zu der Ansicht kommen, daß auch nach Einführung der neuen Verordnung über den Handel mit Petroleum Explosionen von Lampen durchaus möglich sind, so wird doch dieser Uebelstand durch das feste Bewußtsein gemildert, daß die Gefahr auf das erreichbare Minimum verringert wurde und daß jedenfalls die Zahl der Unglücksfälle in Zukunft noch erheblich abnehmen wird. Trotzdem ist nach wie vor die größte Vorsicht dem Petroleum gegenüber nöthig.

Dr. A. Fock.




Blätter und Blüthen.

Literarische Weihnachtsneuigkeiten. Die zierlich gebundenen und goldschnittgeschmückten Novitäten der Weihnachtsliteratur beginnen sich auf unserem Büchertische zu mehren. Wie lustige bunte Vögel in üppiger Federpracht, flattert eines nach dem andern uns zu. Auf denn! Thun wir unsere Pflicht! Rechtzeitig darauf bedacht, daß dem vorsichtig wählenden Auge unserer Leser ein berathender Führer auf dem Büchermarkte des Christfestes nicht fehle, eröffnen wir heute eine kurze Umschau über die uns zunächst zur Besprechung vorliegenden literarischen Neuigkeiten, soweit sie sich zum Schmucke des Weihnachtsfesttisches eignen. Einen Hinweis auf die Novitäten der Prosadichtung sowie auf die neuesten Prachtwerte uns einstweilen vorbehaltend, registriren wir vorläufig einige neue Erscheinungen auf dem Gebiete der Poesie. Zwei Sammlungen lyrischer Gedichte mögen den Reigen eröffnen; die Namen beider Dichter sind unseren Lesern längst vertraut: Ernst Scherenberg und Alfred Friedmann.

Ernst Scherenberg, der patriotische Liedersänger, tritt mit „Neuen Gedichten“ (Leipzig, Ernst Keil) vor das Publicum. Die Eigenart unseres Dichters kennzeichnet sich durch das Zusammentreffen zweier Momente, die bei den Poeten der Gegenwart sich nicht gerade häufig vereinigt finden: er verfügt zugleich über die zu Herzen gehende Melodie echter und tiefer Empfindung, die sich im leicht geschürzten Liede anspruchslos austönt, und über den vollen und kräftigen Brustton eines männlich bewegten Pathos, dem er in vaterländischen Gesängen, in politischen Hymnen einen monumentalen Ausdruck leiht. Unser Dichter gehört ohne Frage zu den hervorragendsten Vertretern des heutigen lyrischen Parnasses in Deutschland, und man darf seinen Liedern daher die weiteste Verbreitung wünschen. Die vorliegende Sammlung zerfällt in die Abtheilungen: „Stimmungen“, „In der Krankheit“, „Sprüche und Sinngedichte“, „Vermischte Gedichte“ und „Zeitgedichte“ und enthält des Schönen und Bedeutenden vieles. Einige dieser Gedichte, wie das stimmungsvolle Lied „Ein Thurm einst ragte“, das sinnige Gedicht „Zwei Spätherbstrosen“ und das patriotische Festlied „Die Kaiserglocke“ sind lyrische Proben von dauerndem Werthe. Mögen Scherenberg’s „Neue Gedichte“ ein wirklicher geistiger Besitz von Alldeutschland werden!

Weniger tief in der Empfindung und geistig auf kleinere Ziele gerichtet als die Scherenberg’schen sind die sehr achtbaren „Gedichte“ von Alfred Friedmann (Leipzig, Wilhelm Friedrich). Unser Poet ist vor Allem ein gewandter und graziöser Versificator; seine Strophengebäude und seine Rhythmen zeigen vielfach neue eigenartige Erfindungen, und nach dieser Seite hin bilden seine „Gedichte“ eine wahre Musterkarte, allen Liebhabern solcher strophischen Neubildungen zur Freude. Liefe nur neben den meistens wirklich glücklich gebildeten Formen hier und da nicht einiges Manierirte mit unter! Was Friedmann’s Lebensanschauung und sein dichterisches Naturell betrifft, so ist er ein ausgesprochener Optimist, etwas von einem Mirza Schaffy in deutschem Gewande, wie er denn auch Friedrich Bodenstedt seine Sammlung widmet. Unser Dichter ist eine vornehme Natur, die einem edlen Schönheitscultus huldigt, und seine „Gedichte“ dürfen mit Recht allen denen empfohlen werden, welche in unserer poesielosen Zeit noch Sinn für das anmuthige Spiel mit schönen Formen und die feine Ciselirarbeit künstlerisch modellirter und zugespizter Gedanken haben.

Den beiden soeben besprochenen längst bekannten Lyrikern schließt sich in unserer heutigen Revue ein bisher noch wenig gewürdigter, junger lyrischer Epiker an: Hermann Eduard Jahn, dessen neueste Dichtung Slavina“ (Leipzig, Karl Reißner) uns vorliegt. Es ist der gewaltige Kampf des hereinbrechenden Christenthums gegen das Heidenthum, welchen uns der Dichter im Spiegel seines Epos schildert. Markige, heldenhafte Gestalten treten uns hier auf dem stürmischen Hintergrunde des Mittelalters und dem unwirthlichen, wüsten Boden des alten Wendenlandes an der Ostsee entgegen; das blutige Aufeinanderprallen der geschichtlichen Gegensätze alten und neuen Glaubens findet in der christlichen Slavina einerseits, in dem wendischen jungen Krieger Wlawslaw andererseits seine poetischen Hauptrepräsentanten, um welche die übrigen Gestalten der Dichtung sich künstlerisch gruppiren und dramatisch bewegen. Handlung und Charaktere sind in großen, kühn hingeworfenen Umrissen mehr skizzirt als gezeichnet, und das phantastische Colorit, das über dem ganzen Epos ausgebreitet liegt, stimmt auf’s Beste zu dem sagenhaften Inhalte desselben. Aber trotz aller düstern Beleuchtung und romantischen Einkleidung fehlt es Jahn’s „Slavina“ weder an plastischer Kraft der Gestaltung noch an präcisem Aufbau der sich correct entwickelnden Handlung: ein gesunder, kräftiger Realismus, der nur hier und da in eine etwas allzu ungenirte Sinnlichkeit überschlägt, hält in dieser Dichtung dem Phantastischen sehr glücklich die Wage. Von besonderer wilder Schönheit sind Jahn’s ganz in’s Lyrische getauchte Landschaftsbilder, welche das dämonische Colorit Ossian’scher Farbengebung nicht verschmähen. Es ist ein grotesker Freskenstil, in dem die Decorationen der Dichtung sich vor uns aufthun, wie denn gleich die das Ganze einleitende Schilderung einer Sturmnacht denselben Geist düsterer Naturmalerei athmet, den wir aus den Skaldenliedern des Nordens kennen. – Ohne hier auf die Einzelheiten des Jahn’schen Gedichtes eingehen zu können, stehen wir nicht an, „Slavina“ als das Werk eines Talentes zu bezeichnen, das für die leidenschaftlich bewegte lyrische Epik reich begabt ist. Wir dürfen von der literarischen Zukunft des jugendlichen Dichters das Beste erwarten.

Von dem aufsteigenden Gestirne Jahn’s zu der voll aufgegangenen Sonne des viel gefeierten, aber auch viel befehdeten Sängers der „Amaranth“, Oscar von Redwitz! Das Product des Dichters, auf welches wir hinweisen möchten, ist eine episch-lyrische Erzählung in graziös geschürzten Reimstrophen, die oft ein leiser humoristischer Hauch durchweht. Wir meinen die anmuthige Idylle „Ein deutsches Hausbuch“ (Stuttgart, J. G. Cotta). Diese soeben in zweiter unveränderter Auflage versandte Dichtung eroberte schon bei ihrem ersten Erscheinen im Fluge den deutschen Familientisch, und dort ist auch ihre rechte und echte Heimstätte; denn der ausgesprochen häusliche Ton des Buches, aus dessen leicht gewobenen Versen man mitunter förmlich das Knistern der Herdflamme, das trauliche Tiktak der Hausuhr herauszuhören meint, macht es besonders geeignet für die Lectüre im Familienkreise. Es ist kein neues Buch – es ist, wie gesagt, eine zweite Auflage, und so dürfen wir uns hier wohl ein Eingehen auf seinen bekannten Inhalt ersparen, der, kurz gesagt, die Geschichte zweier Herzen schildert, vom ersten Sichfinden an bis in die Zeit der hohen Greisentage hinein. Es ist viel Herzenswärme, viel wohlthuende Sinnigkeit in dieser Dichtung, und zugleich leuchtet uns aus den auf den verschiedensten Versfüßen sich bewegenden Capiteln manch Körnlein schlicht vorgetragener, aber echter Weisheit entgegen. Oscar von Redwitz hat mit dieser Idylle nicht nur ein wirkliches „Deutsches Hausbuch“, er hat eben deshalb auch ein gutes deutsches Volksbuch geschaffen, das gern gelesen werden wird überall, wo deutsche Herzen schlagen.

An den Hinweis auf diese Erzeugnisse der neuesten deutschen Dichtung fügen wir zum Schlusse noch eine kurze Betrachtung über zwei deutsche Aneignungen aus dem Gebiete der fremdländischen Literatur. Zuerst führen wir unsere Leser nach dem Norden, nach dem schönen Schweden.

Esaias Tegnér’s „Lyrische Gedichte“, herausgegeben zum hundertjährigen Geburtstage des Dichters und übersetzt von Gottfried von Leinburg (Leipzig, Oscar Leiner), haben soeben die Presse verlassen. Wie tief im deutschen Gemüthe die Liebe und das Verständniß für den großen schwedischen Dichter wurzelt, das hat sich gelegentlich seines in diesen Wochen auch bei uns in allen Gauen gefeierten Geburtsjubiläums in erfreulichster Weise gezeigt. Nicht nur in den Organen der Presse und den Versammlungssälen literarischer und anderer Vereine brachte man dem Sänger der „Frithjofs-Sage“ den verdienten Ehrenzoll dar, auch die Verzeichnisse des deutschen Büchermarktes nennen den gefeierten Namen des nordischen Dichters heute mehrfach bei Ankündigung neuer Uebersetzungen. Eines dieser Uebersetzungswerke liegt uns vor: Gottfried von Leinburg’s oben näher bezeichnete Verdeutschung von Tegnér’s „Lyrischen Gedichten“. Sind die größeren epischen und episch-lyrischen Dichtungen des Bischof’s von Wexiö, seine „Frithjof-Sage“, seine „Abendmahlskinder“, sein „Axel“, längst Eigenthum des deutschen Volkes, so gilt dies bisher durchaus noch nicht von seinen „Lyrischen Gedichten“, welche bis zur Stunde nur in unvollständigen oder der Form nach mittelmäßigen Uebertragungen zu uns gedrungen sind. Leinburg’s Verdeutschung derselben verdient daher um so größere Beachtung und um so wärmere Anerkennung. Der Uebersetzer, auf dessen vortreffliche Uebertragung von Tegnér’s „Kleineren epischen Gedichten“ (Leipzig, in gleichem Verlage) wir hier im Vorübergehen auszeichnend hinweisen, ist als gewandter und geistvoller Vermittler zwischen den nordischen Literaturen und dem deutschen Schriftthum längst rühmlich bekannt, und seine Uebertragungen Tegnér’scher, Oehlenschläger’scher und anderer Dichtungen Skandinaviens haben in der Welt der Leser wie der Kritiker gleiches Lob geerntet durch die große Sicherheit, mit der sie die richtige Mitte treffen zwischen pedantischer Treue und pietätloser Willtür in der Wiedergabe des Originals. Auch die vorliegenden „Lyrischen Gedichte“ halten diese glückliche Mitte inne; sie lesen sich leicht wie das Original selbst und bringen dessen Schönheit in virtuoser Weise zur Geltung. Biographische, kritische und sachliche Mittheilungen zu den Gedichten erhöhen den Werth dieser Ausgabe, und da die Ausstattung eine in jeder Beziehung elegante ist, so darf das Werk als für den Weihnachtstisch besonders geeignet bezeichnet

[788] werden, was übrigens auch von Eugène Peschier’s soeben erschienenem „Esaias Tegnér. Sein Leben und Dichten mit einem Blüthenkranz aus seinen lyrischen Gedichten" (Lahr, Schauenburg) gilt, auf welches Werk wir bereits (vergl. den Artikel „Esaias Tegnér", „Gartenlaube" Nr. 45) kurz hinwiesen. – In der Spemann’schen Buchhandlung in Stuttgart erscheint soeben eine neue Ausgabe der „Frithjof-Sage", übersetzt von dem leider soeben heimgegangenen E. Lobedanz, mit einer ausführlichen Biographie des Dichters; das Werk liegt uns nicht vor, aber wir ergreifen gern die Gelegenheit es zu registriren.

Und nun von dem ernsten Barden des Nordens zu dem feurigen Sänger des Südens!

Wir finden unter den eingegangenen Novitäten ein Buch, das den Titel führt:

Ariost’s: Rasender Roland. Die schönsten Episoden des Gedichtes nach der Uebersetzung von Johann Diederich Gries.“ (Leipzig, Bibliographisches Institut.) „Die ganze Richtung unseres so beschäftigten Zeitalters,“ so heißt es in der Einleitung zu dieser Ausgabe der italienischen Dichtung, „läßt den Einzelnen selten dazu kommen, Gedichte zu lesen, und gar Gedichte von solcher Länge, wie der ‚Rasende Roland‘ sie im Originaltext hat. Es schien daher gerathen, zumal auch mancherlei leere Stellen mit unterlaufen, den Kern der Dichtung in einer Auswahl der schönsten Episoden zu geben, in welche sowohl Bojardo als Ariost ihre Roland-Epen zerlegt haben. Auf diese Weise dürfte es möglich sein, dem ‚Rasenden Roland‘ den verdienten größeren Kreis von Freunden zu erwerben, dessen er nachweislich in Folge seines allzu weitgedehnten Umfanges bisher entbehrte.“ Diese Worte kennzeichnen die Absicht der Ausgabe als eine sehr beachtenswerthe. Wir brauchen nur noch hinzuzufügen, daß die Auswahl unter Zugrundelegung der altbekannten trefflichen Gries’schen Uebersetzung mit vielem Geschick getroffen worden und daß dem zwei Bände umfassenden Werke Biographien des Dichters und des Uebersetzers wie eine Inhaltsangabe der Roland-Gedichte von Bojardo und Ariost vorangeschickt wurden. Durch die farbenprächtige, klanggewaltige Darstellungsweise und den bunten, gestaltenreichen Inhalt seiner Dichtungen ist Ariost, wie kaum ein anderer Poet der apenninischen Halbinsel geeignet, uns ein Repräsentant des feurigen italienischen Temperaments zu sein, und schon diese typische Eigenschaft seiner Poesie empfiehlt ihn uns Deutschen als ein dankbares Studienobject. Das gediegen ausgestattete Werk erfüllt alle Bedingungen, um den deutschen Weihnachtstisch würdig zu schmücken.


(Fortsetzung folgt.)



La Trinità, Antiquità di Salerno.
Nach einer Skizze von Cl. Schnackenburg.


Ein monströses Kunstproduct. Als wir im Frühling des Jahres 1879 auf unserer Reise durch Italien von Sicilien nach Neapel zurückgekehrt waren, unternahmen wir eine mehrtägige Fahrt nach dem Golf von Salerno.

Wir besuchten zunächst Amalfi, das romantisch gelegene Geburtsstädtchen Masaniello’s, wohin wir auf einer der großartigsten und bestangelegten Kunststraßen gelangten, die bald tief unten an der Küste des blauen Meeres, bald hoch oben an den schroffen Felsen entlang führt. Von Amalfi mit dem Wagen nach Vietri zurückgekehrt, fuhren wir weiter nach Salerno – dem alten Salernum – wo einst lombardische, dann normannische Fürsten und schließlich die Hohenstaufen herrschten und wo die bedeutendste medicinische Schule Europas blühte. Das Wetter war heute sehr ungünstig, und so mußten wir einen großen Theil unserer so kostbaren Zeit in dem Gasthofe verbringen, dessen hohe und kalte Räume mit den frostigen rothen Steinfußböden wenig genug zu einer behaglicheren Stimmung beitrugen.

Als wir in den Speisesaal hinabgingen, um dort die Zeit der tavola rotonda, d. h. die Essenszeit abzuwarten, fesselte ein höchst eigenthümliches auf Holz gemaltes Oelbild, welches dort an der Wand hing und die Unterschrift: La Trinità, Antiquità di Salerno trug, meine Aufmerksamkeit. Das Gemälde mochte sehr alt sein; wahrscheinlich stammte es aus dem dreizehnten Jahrhundert, in welcher Zeit die byzantinische Kunst dem unheilbaren Verfall entgegen trieb und sich in Verirrungen und Ausschweifungen aller Art gefiel. Ein frommer, zum Uebernatürlichen hinneigender, der Ascese streng ergebener Mönch wird wohl der Urheber des Bildes gewesen sein.

Dasselbe ist jedenfalls merkwürdig als Beleg dessen, „was sich die Kunst von Tendenzgegenständen mußte aufbürden lassen, seitdem sie sich selbst erniedrigt hatte“.

Auf schwarzem Grunde erhebt sich ein großer breiter Kopf, der von einem goldnen Heiligenschein eingefaßt ist. Das Haupt ist umwallt von dunkelbraunem Lockenhaar. Vier Augen, drei Nasen und drei Münder – wenn das Wort Mund überhaupt in der Mehrzahl zu verwenden ist – unter denen sich je ein kraus gelockter Bart herabzieht, der jedesmal ganz symmetrisch in zwei Spitzen ausläuft – dieses alles ist mit schablonenhafter Gleichmäßigkeit, wenn auch nicht Correctheit gezeichnet. Der Teint dieses dreifachen Gesichtes ist leichenhaft bleich, und wahrhaft gespenstisch erheben sich über ihm die einzelnen Theile des Dreigesichts, sowie das dunkle Haupt- und Barthaar. Die Augen sind halb durch die Lider verdeckt und blicken ernst auf den Beschauer herab.

Leider konnten wir über dieses, wenn auch nichts weniger als ansprechend schöne, so doch immerhin höchst interessante Bild nichts weiter erfahren, als daß es aus einem Kloster Unteritaliens stammt, aus welchem es, nachdem seit der Italia unita sämmtliche Klöster aufgehoben wurden, hinaus in die Welt gewandert war, um von irgend einem Kunstliebhaber oder Antiquitätenhändler käuflich erworben zu werden.

Es soll, wie ich später hörte, für den Spottpreis von 150 Lire in den Besitz eines vornehmen Engländers übergegangen sein. Einstweilen machte ich es mir zu nutze und verkürzte mir den trüben Regentag, indem ich das Bild mit dem Bleistift copirte. Nebenstehend die tylographische Nachbildung desselben.



Berichtigung! In Nr. 42 unseres Blattes (Seite 701, Zeile 2) hat sich ein unliebsamer Druckfehler eingeschlichen. Es wird dort in dem Artikel „Ein Doppelfest in Wilhelmshaven“ ein gewisser Bildhauer Schults als der Schöpfer des Prinz Adaldert-Denkmals bezeichnet, während der wirkliche Name desselben „Carl Schuler“ lautet, was wir auf speziellen Wunsch des Künstlers hiermit berichtigen.


Kleiner Briefkasten.

L. Sch. in Moskau. Zuvor herzlichen Gruß unseren liebenswürdigen Abonnentinnen an der Moskwa! Wir können Ihren Wunsch leider nicht erfüllen, da die auch von anderer Seite schon gewünschte Abbildung trotz alles Nachsuchens in Chroniken und Archiven absolut nicht aufzufinden ist. Etwas nicht Verbürgtes möchten wir aber unseren Lesern nicht bieten. Entweder Echtes oder gar nichts!

Abonnent H. in B–n. Eine gemeinverständliche und doch wissenschaftlich gediegene Darstellung des Darwinismus finden Sie in einer fünf Bogen starken Skizze über das Leben Charles Darwin’s aus der Feder des bekannten naturwissenschaftlichen Essayisten Dr. Otto Zacharias. (Elwin Staude, Berlin.)

A. B. in Aachen. Um Sie in der Ausbildung des Zeichen- und Maltalents Ihrer kleinen Emma zu unterstützen, können wir Ihnen am besten die „Zeichen- und Mal-Fibel“ von Marie von Olfers (Central-Verlag von Unterrichts- und Beschäftigungsmaterial in Leipzig und Berlin) empfehlen. Das hübsch und zierlich ausgestattete Buch bietet den Kindern unter Beifügung von Farben, Palette und Pinsel willkommene Gelegenheit, die in demselben enthaltenen und durch lustige Verse erklärten, theils colorirten, theils blos in Strichmanier gehaltenen Zeichen- und Malvorlagen zu copiren, und gehört zu den ansprechendsten lehrreich-unterhaltenden Beschäftigungsmitteln für Kinder.

N. N. in Naumburg. Wir können Ihnen im „Briefkasten“ leider nicht antworten. Geben Sie gefälligst Ihre genaue Adresse an!


Verlag von Ernst Keil in Leipzig.

Mutter und Sohn.

Roman in zwei Bänden
von
A. Godin.
8. 0Elegant broschirt 6 Mark.

Ein Roman, welcher, nachdem er in der „Gartenlaube" mit so großem Interesse gelesen worden, einer besonderen Anpreisung nicht bedarf. Der Name der Verfasserin hat auf belletristischem Felde einen so guten und beliebten Klang, daß die vorliegende noch vielfach revidirte und umgearbeitete Buchausgabe allen Freunden schönwissenschaftlicher Literatur eine fesselnde Erscheinung sein wird.


„Gedichte“ von Ernst Ziel.

Zweite vermehrte Auflage.
Elegant gebunden 5 Mark 25 Pfennig.

Ernst Ziel’s Poesien erfreuen sich mit Recht der Gunst des Publicums. Einige seiner „Lieder" sind im Volke populär geworden und werden vielfach gesungen; seine „Bilder und Gestalten", seine „Stimmungen und Reflexionen" zeichnen sich durch tiefes Gemüth, wahres poetisches Gefühl und kunstvollendete Form aus; seine „Vaterländischen Gedichte“ bekunden eine warme, gesunde patriotische Gesinnung, und in den gedankenvollen „Canzonen“ leiht er seiner Weltanschauung dichterischen Ausdruck.


Redacteur: Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

  1. „Wahrheit und Dichtung“, Theil IV, Buch 17; sämmtliche Werke Band 48, Nachlaß Band 8, Seite 37.