Gründliche und allgemein faßliche Darlegung der Glaubenslehre der evangelisch-lutherischen Kirche/3. Kapitel

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Gründliche und allgemein faßliche Darlegung der Glaubenslehre der evangelisch-lutherischen Kirche
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Das dritte Kapitel.
Gott, von dem unsere Seligkeit ursprünglich herrühret, ist ein geistiges Wesen, ewig, allmächtig, allwissend, allenthalben, gegenwärtig, unendlich, wahrhaftig, barmherzig, heilig und gerecht.

 50. Alles, was von unserer Wohlfahrt gesagt werden mag, beruhet auf diesen dreien Stücken: Gottes Erkenntniß, Gottes Willen, Gottes Werken.

 Vom Ersten ist anfänglich zu handeln, damit wir den Gott erkennen, von dem wir herkommen, und der unsrer Seligkeit eigentliche und vornehmste Ursache ist.

|  51. Die Erkenntniß Gottes ist ein großes Stück des Christenthums, als ein Anfang des zukünftigen ewigen Lebens, wie das Buch der Weisheit 15, 3. sagt: „Dich (Gott) erkennen, ist eine vollkommene Gerechtigkeit, und deine Macht wissen, ist eine Wurzel des ewigen Lebens.“ Und der Herr Christus Joh. 17, 3: „Das ist das ewige Leben, daß sie dich, daß du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen.“

 52. Solche Erkenntniß Gottes ist in dieser Zeit ganz unvollkommen und Stückwerk; „wir sehen Gott jetzt durch einen Spiegel in einem dunkeln Wort,“ 1 Corinth. 13, 9. 12. Gleichwohl müssen wir ihn, so fern er sich uns geoffenbaret hat, erkennen lernen, also lernen: a) Was Gott sei? b) ob mehr denn ein Gott sei? c) Wer der wahre Gott sei? damit wir nicht die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes verwandeln in Gestalt der Creaturen, Röm. 1, 23, oder die göttliche Ehre einem Fremden geben und damit Abgötterei begehen. Jesaias 42, 8.

 53. Mit der ersten Frage: Was Gott sei? wird eigentlich gefragt: Was sich der Mensch einbilden soll, wenn er an Gott gedenket? Dieß zu beschreiben, ist schwer, weil unsere Gedanken am meisten auf das Irdische und auf das, was unsere fünf Sinnen begreifen können, gerichtet sind.

 So viel weiset uns Gott aus seinem Worte, daß er ein geistiges Wesen sei, das ewig, allmächtig, allwissend, allenthalben gegenwärtig, unendlich, wahrhaftig, barmherzig, heilig, gerecht sei. Weiter verstehen wir davon nichts, auch kann Gott von uns nicht anders als in seinen Eigenschaften betrachtet werden, von denen| zwar viele andere in der Schrift angezogen werden, diese zehn aber, als die vornehmsten, genug sind.

 54. a. Daß Gott ein geistiges Wesen sei, heißt, er hat nichts leibliches an sich; ein Geist hat nicht Fleisch und Bein, Luc. 24, 39. Nun ist Gott ein Geist, wie der Herr Christus Joh. 4, 29. lehret; darum wird durch dieses Wort „ein geistig Wesen“ so viel gesagt: wir sollen uns nichts Leibliches von Gott einbilden, sondern dasselbe gänzlich durch die Gedanken von ihm ausschließen, und, gleichwie die Engel, auch der Menschen Seelen, Geister sind, von allem Leiblichen abgesondert, so ist Gott auch ein Geist, wie wohl viel reiner und vollkommener, als Engel und menschliche Seelen sind.

 55. b. Gott ist ewig. Diese Eigenschaft wird Gott zugeschrieben 1 Mos. 21, 33. Abraham predigt von dem Namen des ewigen Gottes. Römer 1, 20. wird Gottes Wesen die ewige Gottheit genannt; Röm. 16, 16. 1 Timoth. 1, 17. Das Wort ewig sagt von Gott dreierlei:

 α) daß er keinen Anfang habe, Psalm 90, 3. Ehe denn die Berge worden, und die Erde, und die Welt geschaffen worden, bist du Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit; daher nennt er sich den Ersten und den Letzten, vor dem nichts gewesen ist. Jes. 41, 4. 43, 10. 44, 6. 48, 12.

 β) daß er kein Ende habe. Er wohnet ewiglich, Jes. 57, 15., er hat allein Unsterblichkeit, 1 Timoth. 6, 16. Er ist ein ewiger König, Jerem. 10, 10. Psalm 102, 27. 28. „Himmel und Erden werden vergehen, Du aber bleibest, sie werden alle veralten, wie ein Gewand, sie werden verwandelt wie ein Kleid, Du aber bleibest,| wie du bist.“ Daniel 6, 26. „Der Gott Daniels ist der lebendige Gott, der ewiglich bleibet, sein Königreich ist unvergänglich, und seine Herrschaft hat kein Ende.

 γ) daß Gott nicht an die Zeit gebunden, nicht an Jahren noch an Alter zunimmt, daher Psalm 90, 4. „Tausend Jahre sind vor dir, wie der Tag, der gestern vergangen ist.“ Nun aber ist der Tag, der gestern vergangen ist, keine Zeit, darum sind tausend Jahre vor Gott auch also, wie keine Zeit. Noch klarer sagt solches St. Petrus 2 Epist. 3, 8. „Ein Tag ist vor dem Herrn wie tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag,“ welches niemand verstehen kann, wenn nicht Gott außer aller Zeit gesetzt wird.

 Wenn wir also sagen, Gott sei ewig, so sagen wir so viel: Gott hat weder Anfang, noch Ende, noch Veränderung, oder Wechsel der Zeit, er bleibet in seinem Wesen unbeweglich ohne Aufhören.

 56. c. Gott ist allmächtig. Dieser Titel wird Gott oftmals gegeben. 1 Mos. 17, 1. 28, 3. 35, 11. 43, 14. 48, 3. 49, 25. 2 Mos. 6, 3. 2 Corinth. 6, 18. Offenb. 1, 8. 16, 7. Erklärt wird die Allmacht Gottes 4 Mos. 11, 23. Jes. 50, 2. 59, 1. „Die Hand des Herrn ist nicht verkürzt u. s. w.“ „Er kann überschwänglich thun, über Alles, das wir bitten oder verstehen,“ Ephes. 3, 20. „Seiner Hand und Gewalt kann Niemand wehren,“ Hiob 11, 10. Jes. 14, 27. Ap. Gesch. 11, 17. „Er macht’s, wie er will,“ Daniel 4, 31. Daher wir das behalten müssen, daß, wenn Gott etwas sagt, verheißt, oder drohet, wir Gottes Allmacht nicht an die Natur binden, und wenn es vor Menschen und der Natur unmöglich scheint, nicht| alsobald für Gott unmöglich achten. Zach. 8, 6. Matth. 19, 26. Luc. 1, 37.

 57. d. Gott ist allwissend, d. h.

 α) er weiß das Zukünftige. Ps. 139, 2. „Du verstehest meine Gedanken von ferne.“ Daraus, daß die Götzen der Heiden zukünftige Dinge nicht wissen, schließt Jesaias (41, 22. 23), sie seien keine Götter. „Laß sie herzu treten, und uns verkündigen, was zukünftig ist, verkündiget uns und weissaget etwas zuvor, laßt uns mit unsern Herzen darauf achten, und merken, wie es hernach gehen soll, oder lasset uns doch hören, was zukünftig ist, verkündiget uns, was hernach kommen wird, so wollen wir merken, daß ihr Götter seid.“

 β) es ist ihm nichts verborgen von allem, was heimlich oder öffentlich geschieht, also, daß er auch den Abgrund des Herzens erforschet und weiß, was die Menschen am heimlichsten verbergen, 1 Sam. 16, 7. „Ein Mensch siehet was vor Augen ist, der Herr aber siehet das Herz an,“ Ps. 7, 10. Du gerechter Gott prüfest Herzen und Nieren,“ Jerem. 20, 12. „Herr Zebaoth, der du die Gerechten prüfest, Nieren und Herzen siehest,“. Sirach 23, 28. 29. „Die Augen des Herrn sind viel heller, denn die Sonne, und sehen Alles, was die Menschen thun, und schauen auch in die heimlichen Winkel.“ Ps. 94, 9. „Der das Ohr gepflanzet hat, sollte der nicht hören? Der das Auge gemacht hat, sollte der nicht sehen?

 58. e. Gott ist allenthalben gegenwärtig, Jerem. 23, 23. 24. „Bin ich nicht ein Gott, der nahe ist, spricht der Herr, und nicht ein Gott, der ferne sei, bin ich’s nicht, der Himmel und Erde erfüllet?| 1 Kön. 8, 27. „Meinest du, daß Gott auf Erden wohne? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel mögen dich nicht versorgen.“ Ps. 139, 7 ff. „Wo soll ich hingehen vor deinem Geist, und wo soll ich hinfliehen vor deinem Angesicht? Führe ich gen Himmel, so bist du da, bettete ich mir in die Hölle, siehe, so bist du auch da; nähme ich Flügel der Morgenröthe und bliebe am äußersten Meer, so würde mich doch deine Hand daselbst führen, und deine Rechte mich halten.“

 59. Damit aber wird Gott nirgend in die Geschöpfe eingeschlossen, wie er auch nirgend von einer Creatur ausgeschlossen ist. Wir vermögen zwar nicht zu begreifen, wie Gott an allen Orten zugegen sein könne, da er doch ein Geist ist, und keine unterschiedliche Stücke nach Gliedmassen an sich hat; jedoch, da wir der Natur glauben, daß die menschliche Seele ein Geist sei, der nicht getheilt werden mag, und doch unzertheilet allen Gliedmassen zugegen ist, ob wohl Niemand ganz verstehet, wie solches zugehe, warum sollten wir denn nicht glauben, daß das göttliche Wesen allenthalben gegenwärtig sei, ob wir schon nicht auszuforschen noch auszudrücken vermögen, wie solches geschehe?

 Daraus folgt, daß Gott, wie er allenthalben gegenwärtig ist,

 60. f. auch unermeßlich und unendlich ist, worunter nichts anderes zu verstehen ist, als daß Gottes Wesen nicht umschrieben werden mag, sondern, gleichwie alles andere, das erschaffen ist und seine gewisse Endschaft, Maaß und Ziel hat, dem göttlichen Wesen kein Ziel oder Maaß gesetzt werden kann.

|  61. g. Gott ist wahrhaftig, indem er thut und wirklich erfüllt, was er versprochen hat. Röm. 3, 4. „Gott ist wahrhaftig, alle Menschen aber sind Lügner.“ Ps. 33, 4. „Des Herrn Wort ist wahrhaftig, und was er zusagt, das hält er gewiß.“ 1 Sam. 15, 29. „Der Herr in Israel lüget nicht und gereuet ihn nicht, denn er ist nicht ein Mensch, daß ihn etwas gereuen sollte.“ Hebr. 6, 18. „Es ist unmöglich, daß Gott lüge.“ Das rühmet Josua an dem Herrn, wenn er von den dem israelitischen Volke gegebenen Verheißungen schreibt cap. 23, 14.: „Es hat nicht Ein Wort gefehlet an alle dem Guten, das der Herr, euer Gott, euch geredet hat, es ist alles kommen und keines überblieben.“ Darum müssen wir Gott nicht zutrauen, daß er betrüglich mit uns handle, oder argwöhnen, wenn er in seinem Worte uns seine Gnade verspricht, daß er bei sich heimlich ein Anderes beschließe, etwa wie Cain mit seinem Bruder freundlich redete, und doch im Sinne hatte, ihn zu tödten.
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 62. h. Gott ist barmherzig. Dieß wird durch die h. Schrift viel gerühmt. Jon. 4, 2. „Ich weiß, daß du gnädig, barmherzig, langmüthig und von großer Güte bist, und lässest dich des Uebels reuen.“ 2 Mose 34, 6. Nehem. 9, 17. Ps. 103, 8. Joel 2, 13. Micha 7, 18, 19. „Wo ist solch’ ein Gott, wie du bist, der die Sünde vergibt, und erlässet die Missethat den übrigen seines Erbtheils, der seinen Zorn nicht ewiglich behält, denn er ist barmherzig, er wird sich unserer wieder erbarmen, unsere Missethat dämpfen, und in die Tiefe des Meeres werfen.“ Klagl. 3, 22, 23. „Die Güte des Herrn ist’s, daß wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle| Morgen neu und seine Treue ist groß.“ Sirach 2, 23. „Seine Barmherzigkeit ist ja so groß, als er selber ist.“

 63. i. Gott ist heilig. 3 Mos. 19, 2. „Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.“ 1 Sam. 2, 2. „Es ist Niemand heilig, wie der Herr.“ Offenb. 15, 4. „Wer sollte dich nicht fürchten, Herr, und deinen Namen preisen? Denn du bist allein heilig.“ Hierauf beruhet auch der Lobgesang der Engel und auserwählten Seelen, daß sie Gott zurufen: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth.“ Jes. 6, 3. Offenb. 4, 8.

 64. k. Gott ist gerecht. Ps. 11, 8. „Der Herr ist gerecht und hat Gerechtigkeit lieb“. Ps. 119, 137. „Herr, du bist gerecht, und dein Wort ist recht.“ 5 Mos. 32, 4. „Er ist ein Fels, seine Werke sind unsträflich, und alles, was er thut, das ist recht, treu ist Gott, und kein Böses an ihm, gerecht und fromm ist er.“ Ps. 7, 12. „Gott ist ein rechter Richter u. s. w. Darum schreibt Salomo Sprüchwörter 15, 15. „Wer dem Gottlosen Recht spricht, und den Gerechten verdammt, die sind beide dem Herrn ein Gräuel.“

 Dieses sind also die vornehmsten Eigenschaften, daraus wir das göttliche Wesen und was Gott sei, zu erkennen haben. Ob aber gleich noch andere mehr in der h. Schrift vorkommen, ist es doch nicht nöthig, sie hieher zusetzen, weil aus diesem nothdürftig erscheint, was von Gott und seinem Wesen zu halten sei.





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