Kurze Geschichte des ehemaligen Klosters Birklingen in der Grafschaft Castell
Graf Wilhelm von Castell, in seinem Hause der vierte dieses Namens, stiftete im Jahr 1455 das Kloster Birklingen, eine Stunde von seinem Stammschloß im Walde. Diese, bey den damahligen bedrängten Umständen der Grafschaft Castell, äusserst unzeitige Unternehmung wurde vorzüglich, ausser dem Aberglauben jener Zeit, von der großthuerischen und verschwenderischen Gemahlin Graf Wilhelms, Anna, einer gebornen Gräfin von Helfenstein, veranlaßt; als welche ihrem Gemahl beständig anlag ein ansehnliches Kloster zu seinem, und seiner Nachkommen Erbbegräbniß zu stiften. An diesen Klosterbau, welcher im J. 1455 angefangen wurde, hat Graf Wilhelm fast die letzten Kräfte seiner damahls äusserst verschuldeten Grafschaft gewendet, so daß diese Stiftung wohl eine Hauptursache mit war, weswegen sich der Graf im Jahr 1457 genöthiget gesehen, seine Grafschaft dem Hochstift Wirzburg zu Lehen aufzutragen. So theuer mußte er die heilige Ehre bezahlen, von seiner Armuth ein Kloster gestiftet zu haben!
| Im Jahr 1458 am Pfingstfest las der Weihbischoff von Wirzburg die erste Messe in diesem Kloster, und weihte dasselbe zum künftigen Gottesdienst ein. Die Mönche trugen weiße Leibröcke, darüber noch ein weißes leinenes Kleid, und wenn sie in die Kirche oder sonst ausgingen, auch schwarze Kutten. Diese Klostergeistlichen verstanden sehr bald die Kunst das wenige Vermögen des aberglaubischen Volks auf die artigste Weise durch ein vorgebliches wunderthuendes Marienbild in ihren Klosterseckel zu zaubern. Dieses Wunderbild wurde in der Folge so berühmt, daß ansehnliche Wallfahrten in das Kloster geschahen. Nicht bloß Teutsche, sondern auch Ungarn, Böhmen und Italiäner pilgerten heran, verrichteten bey dem Bilde ihre Andacht und brachten reichliche Opfer. Durch diese Schenkungen kam das Kloster bald so in Aufnehmen, daß es im Jahr 1462 Marggraf Albrecht Achilles von Brandenburg, während seiner blutigen Fehde mit dem Bischoffe Johann von Wirzburg, wohl der Mühe wehrt hielt, demselben einen derben Reuterbesuch abzustatten. Die armen Pilger waren so eben aus Teutschland, Ungarn, Böhmen und Italien in großer Zahl beysammen, und verrichteten andächtiglich ihr Gebet| vor der Mirakelstatue, als der stürmische Albrecht mit seinen Reißigen herangesprengt kam, die Wallfahrter plünderte, das Kloster ausraubte, und den widerspänstigen Männern Gottes die Meßgewänder aus den Händen hieb. Ja er entblödete sich nicht, daraus Vasa sacra, Bücher, päbstliche Ablaßbriefe, und alles was nur tragbar war, mit sich fort zu nehmen. Beym Abzug gab der rauhe Mann den geängsteten Leuten noch ein Feuerwerk zum Besten, und steckte die sämmtlichen Klostergebäude in Brand. Allein das Wunderbild, welches mit rühmlicher Langmuth bis jetzt dem Greuel gelassen zugesehen hatte, that nun seine Schuldigkeit und löschte – wie die Mönche sagen – das Feuer aus.Das bretterne Obdach der Wunder-Maria, die sich auf einmahl in einem Sack mußte forttragen lassen, mußten die Iphöfer abbrechen, und alles, was bisher die Wallfahrter geopfert hatten, zur Erbauung ihrer neuen St. Veitskirche anwenden.
Es nahm also die Wallfahrt zu Iphofen mit Schrecken ein Ende, zum bittersten Verdruß aller Bewohner dieses Städtchens.
Birklingen war nun ganz der Gegenstand ihrer Rachgier, und sie fanden in kurzer Zeit Gelegenheit dieselbe zu befriedigen. Indessen| blieb Birklingen in dem Besitz seiner Wallfahrt, und es ist nicht bekannt, daß sie so, wie die zu Iphofen, gestört worden wäre.Im Jahr 1479 war Graf Wilhelm gestorben, und hatte dann auch die so theuer erkaufte Ehre genossen, in einem selbst gestifteten Kloster begraben zu werden. Auch der Leichnam seines Sohns, Graf Friedrichs VIII. der 1498 gestorben war, ruhte einige Zeit daselbst. Ob aber noch mehr Grafen von Castell, als Graf Leonhard III. der noch bey Lebzeiten seines Vaters, Graf Wilhelms IV. auf der Jagd umkam, und Graf Georg II. ein Sohn Friderichs VIII. der 1506 starb, zu Birklingen begraben worden, übergeht das vorliegende Manuscript mit Stillschweigen.
Die Geschichte dieses Klosters bleibt nun bis zum Jahr 1524 arm an merkwürdigen Begebenheiten; desto lebhafter aber, wiewohl zum Nachtheil und endlichen Untergang des Klosters, wird sie von diesem Jahre an.
Birklingen besaß in der Iphofer Vorstadt einen Hof, jetzt der Amthof genannt, wohin die Mönche öfters kamen, indem sie jederzeit einen ansehnlichen Weinvorrath daselbst liegen hatten. Weil nun diesen Mönchen die Iphöfer, seit dem ihre Maria| in einen Wirzburgischen Sack kriechen mußte, tödlich gram waren, so trugen sich auch seit jener Wallfahrtszeit häufige Streitigkeiten zu. Insbesondere geriethen im oben erwähnten Jahr 1524 einige Bürger von Iphofen mit den Birklinger Mönchen in einen Streit, der sich mit solcher Erbitterung auf Seiten der Bürger endigte, daß Cunz Kröhn, Wirth und Zöllner, eine Rotte von Bürgern und Häckern an sich zog, mit diesen am Sonntag Invocavit in den reichen Weinkeller der Birklinger Mönche brach, sich hier mit seinen Gesellen nicht nur den geistlichen Wein tapfer schmecken, sondern auch eine Menge davon aus dem Keller fortschaffen ließ, und überhaupt in dem Klosterkeller hausete, als wie die Franzosen in unsern Tagen in den Rheinweinkellern des Adels zu Mainz. Als sich nun der anwesende Pater Prior von Birklingen diesem Unwesen widersetzen wollte, bekam er eine derbe Tracht Schläge, und wurde mit den empfindlichsten Mißhandlungen zurückgewiesen.Die Mordbrenner zogen hierauf mit der gemachten Beute an Kirchenornat, Kleinodien, Geld u. a. davon, und schlugen sich zu den übrigen aufrührerischen Bauern, die damahls bey Heydingsfeld ihr Wesen trieben.
Wahrscheinlich haben auch damahls die Verheerer des Klosters den Lohn für ihre schöne Arbeit bekommen, als nach geendigtem Bauernkriege der Bischoff Conrad von Wirzburg seine Lande zu Pferde, den Scharfrichter an der Seite, durchstrich.
Ein solches Ende hat das Kloster Birklingen genommen, nachdem es nicht länger als 70 Jahre gestanden hatte. Es ist nicht wieder aufgebauet worden, sondern Wirzburg zog die Einkünfte ein, und besitzt sie noch jetzt; ob aber mit Recht? da Castell das Kloster gestiftet hatte, getraue ich nicht zu behaupten. Es ist zu wundern, daß man das unbestreitbare Recht auf Birklingen nach Zerstörung des Klosters von Seiten des Hauses Castell nicht besser gewahret hat.
| Den noch übrigen Mönchen des zerstörten Klosters hat man erlaubt, in dem schon bekannten Amt Hof zu Iphofen zu wohnen, bis einer nach dem andern absterben würde.Es findet sich, daß noch im Jahr 1537 Hieronymus Roes Prior und Convent des Klosters Birklingen dem Grafen Wolfgang von Castell über die Einlösung einiger, von seinen Voreltern versetzten Güter, quittiret hat. Ja, noch im Jahr 1540 sind noch 3 Birklinger Mönche zu Iphofen am Leben gewesen.
Erwähnter Graf Wolfgang hat, weil nach der Zerstörung der Klosterkirche das gräfliche Erbbegräbniß in derselben ohne Obdach war, den Leichnam seines Vaters, Graf Friederichs VIII, herausheben, und in die Abtey Ebrach zur Beerdigung bringen lassen.
Jetzt ist Birklingen ein schlechtes Dorf. Alte Mauern lassen noch das ehemahlige Daseyn eines vesten Gebäudes vermuthen. Eulen und Kauze heulen jetzt, wo vor 300 Jahren Mönche die Horas sangen. Dornen und Unkraut bedecken die Stelle, wo sonst der Schweis gutwilliger Andächtigen und der Klosterbauern verpraßt wurde.