Miscellaneen (Journal von und für Franken, Band 6, 5)

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Autor: Diverse
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Titel: Miscellaneen
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aus: Journal von und für Franken, Band 6, S. 623-640
Herausgeber: Johann Caspar Bundschuh, Johann Christian Siebenkees
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Erscheinungsdatum: 1793
Verlag: Raw
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Quelle: UB Bielefeld, Commons
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IX.
Miscellaneen.


1.
Ellingen vom 18ten May 1793.
Unser gnädigster Landesfürst, überzeugt, daß wahre Aufklärung auch der niedrigsten Volksclasse nicht schädlich, und keineswegs der Grund des Aufruhrs und der Empörung sey, wenn nicht andere Umstände dazu kommen, wendet in dieser Rücksicht auch auf die obern Lande des Teutschmeisterthums sein väterliches Augenmerk. Die in den untern Teutschmeisterthums-Landen schon 1783| herausgekommene Schulordnung, ist nun auch hier publicirt, und der hiesige Stadtpfarrer, Herr Dr. Leonhard Röser, wirklicher Teutschmeisterischer geislicher Rath, aus dem ehemahligen Jesuiterorden, ist sammt dem Pfarrer zu Reimlingen im Rieß, Herrn Caspar Carli, gleichfalls einem Exjesuiten, von Ihro kurfürstlichen Durchlaucht zum Visitator unserer Schulen, und zwar jener in den Fränkischen Besitzungen des Teutschen Ordens, dieser aber im Rieß, gnädigst aufgestellt worden. Letzterer hatte schon unter der Regierung unsers vorigen Landcommenthurs, Freyherrn von Lehrbach, die Direction der Schul- und Erziehungsanstalten dahier; daher sich auch mit Grunde hoffen läßt, daß die Anstalt unter der Leitung dieser Männer ein Gedeihen gewinnen werde, wenn anders die übrigen Pfarrer und Beamten, wie es ihre Pflicht ist, emsige Hand an das Werk legen wollen. Der größte Theil des Volkes ist durchgängig biegsam, und nimmt gerne bessere Belehrung an, da es überzeugt ist, daß es der Landesherr gut mit ihm meint. An den übrigen Mitteln, z. B. zur Anschaffung der nöthigen Bücher und hinlänglicher Besoldung einiger Lehrer, fehlt es in unserer Gegend auch nicht. Das einzige Städtchen Obereschenbach bey Ansbach hat so reiche Stiftungen, daß mehrere Schulen von denselben errichtet werden können. (Eingegangene Stiftungen werden allemahl am besten zu Schulen verwendet, wie wir dann auch allenthalben| Beyspiele haben, daß es so geschehen) und selbst der hiesige Schatten von Gymnasium hat sein Daseyn dem Eschenbacher Gelde zu verdanken, indem das dortige Amt noch unter Lehrbach über 10,000 fl. baares Geld zur Gründung desselben hergeben mußte. Für Eschenbach selbst hat Lehrbach indessen, gleichsam aus einer, seiner stäten Laune angemessenen Abneigung, nur stiefväterlich gesorget. Denn als er die verbesserte Lehrart nach der Wiener und Münchner Norm hier einführen wollte, versetzte er den damahligen hiesigen Magister nach Eschenbach, gesellte ihm einen in der Normallehrart unterrichteten Gehülfen zwar bey, machte aber nicht die geringste Anstalt, daß die erforderlichen Bücher sowohl für die Lehrenden als Lernenden angeschafft, die Wohnung der Lehrer bequem eingerichtet, und dem Gehülfen nur die Congrua ausgeworfen wurde. Noch auf diese Stunde hat der Gehülfe nicht einmahl die ganze Kost, ausser seinem Lehrzimmer kein anderes Schlafgemach, und soll sich von 50 fl. Kost und andere Bedürfnisse anschaffen, so daß jeder wenigstens 50 Thlr. jährlich zusetzen, oder drückenden Mangel leiden muß. Als man in Bayern, wo Lehrbach so vieles abgesehen, die Schulen reformirte, war man auch gleich anfangs, nach dem Grundsatze: primum est vivere, deinde philosophari, darauf bedacht, den Lehrern einen hinlänglichen Unterhalt auszusetzen. Allein Lehrbach scheinet dieses nicht| bemerket zu haben. Er unterstützte viele Studirende, und da gab er denselben die Anweisungen zu ihren jährlichen Stipendien allzeit auf das Amt Eschenbach. Noch jetzt ziehet eines hiesigen Knopfmachers Sohn mit Namen Muschler ein Stipendium von 20 fl. von diesem Amte. Für Eschenbach und seine Söhne ward nichts gethan. So viel ich weiß, so freuen sich die Einwohner von Eschenbach über die neuen Verfügungen, und hoffen alles Gute für ihre Kinder, so wie sie auch zugleich wünschen, daß sie um 6 oder 8 Meilen näher bey Mergentheim wohnen möchten.


2.
 Die von dem braven Schultheiß Müller zu Wipfeld bekannt gemachte freundschaftliche Belehrung über die Mittel aus Kartoffeln einen recht guten Branntewein zu brennen, hat binnen der kurzen Zeit ihrer Erscheinung bey hohen Herrschaften und einsichtsvollen Ökonomen, in und ausser Landes vielen Beyfall gefunden. Auch ist des Verfassers in seinem Werkchen geäusserter Wunsch, dadurch unter seinen Landsleuten die Vortheile zu verbreiten, schon über Verhoffen erfüllt. Zum Beweis kann folgendes dienen. Der Herr General-Feldmarschall-Lieutenant, Freyh. von Drachsdorf zu Wirzburg, ließ den nützlichen Schriftsteller zu sich kommen, unterhielt sich über diesen Gegenstand mit ihm lange Zeit gnädig und herablassend und schenkte ihm beym Weggehen eine| schöne mit Silber beschlagene Dose von Agtstein. Der Kurcöllnische Herr geheime Rath-Freyh. von Stein zu Pfedelbach im Hohenlohischen erbat sich jüngst von dem Verfasser selbst ein paar Exemplare seiner kleinen Schrift, und schickte demselbigen sogleich, zum Erweis seiner Erkenntlichkeit und seines Beyfalls, ausser seinem verbindlichen Schreiben, die beyden vom Hof-Medailleur Reich zu Fürth auf Kaiser Franz den II. und König Friedrich Wilhelm II. ausgeprägten schönen Medaillen.


3.
Mergentheim im May 1793.
 Mehrere Stände des Fränkischen Kreises haben neuerer Zeit sich vermüßiget gesehen, das Hausiren ausländischer Kaufleute und Krämer sehr einzuschränken und in gewisser Rücksicht gar aufzuheben. So erfreulich das für den Handelsstand jedes Orts ist; so hart und drückend scheint es doch für den andern Staatsbürger zu seyn, der nun einzig und allein der Willkür der inländischen Kaufleute Preis gegeben ist, wenn er sich nicht von einer Messe zur andern mit seinen Bedürfnissen aller Art versehen kann. Die Herren übertreiben auch die ihnen gestatteten Vorzüge durch die Einschränkung des Hausirens oft über alle Maßen, und jagen uns in diesen Tagen, wo alles das Recht, die Preise der Dinge zu steigern, erlangt zu haben scheint, keinen gemeinen Vorteil ab. Um dieß ungestörter zu können, machen| manche den Leuten, die gegen den übertriebenen Wucher reden, einen bösen Namen, beschuldigen sie des Neides und der Mißgunst, oder geben vor: daß sie es darum thäten, weil sie, ihren Mit-Einwohnern unbewust, nun bey den Fremden nicht mehr auf Credit herausnehmen könnten, da jene manchen Haushaltungen darum so willkommen waren, weil sie auf lange Zeit borgten. Keines von beyden ist bey mir der Fall; aber es dünkt mich nur, daß die Rechte des einheimischen Kaufmanns auf der einen, und die der übrigen Staatsbürger auf der andern Seite noch nicht genug ausgeglichen seyen, um die Vervortheilung des einen oder des andern gehörig zu vermeiden. Daher mag es kommen, daß die hohe Landes-Regierung sich im Jenner des vorigen Jahrs vermüßiget sahe, das Hausiren auswärtiger Kaufleute und Krämer nur auf die sechs Markttage einzuschränken, mit dem Zusatze: daß ausser 3 Tagen vor und 3 Tagen nach dem Jahrmarkte dasselbe bey Confiscation der Waaren verboten seyn soll. Im September des nämlichen Jahrs aber wurde das Hausiren in so weit wieder frey gegeben, daß jedem fremden hier durchreisenden Kaufmann, ausser den gewöhnlichen Jahrmarkttägen, jedes Jahr 2 mahl drey Tage lang seine Waaren von Haus zu Haus zu verkaufen erlaubt sey. Im Übrigen hat es bey der im Jenner dieses Jahrs gedrohten Strafe sein Bewenden; wahrscheinlich geschahe dieses,| weil die Policey durch das vorige Verbot ihren Endzweck nicht erreicht sah: denn viele hiesige Kaufleute, anstatt gute Waaren von der ersten Hand beyzuschaffen, kauften selbst ihre Waaren von den hier angekommenen Gänglern. Es kann, auch noch andere Veranlassungen zu dieser Änderung gegeben haben; wer kann es aber wagen, sie hier öffentlich entfalten zu wollen? Der Denker tritt zurück, und entläßt die Entwickelung derselbigen der Zukunft.


4.
Lauda im Taubergrunde d. 16 May 1793.
 Am 14ten hatten wir hier 2 fürchterliche Gewitter, die vielen Schaden anrichteten. Mit dem Schaden aber, den sie zu Beckstein anrichteten, steht er in keinem Vergleiche. Der Schaden dieses Orts steigt auf 30000 fl. Heu- Getraid- und Wein-Ernde ist nicht nur gänzlich dahin, sondern alle liegende Gründe entweder ausgespühlt, oder mit Schlamm und Kies überführt, daß man sie nicht kennet. Die ganze Markung sieht sich nicht mehr gleich. Dem Anschein nach hätte der Weinzehend dieses einzigen Orts auf 30 Fuder steigen können, jetzt wird kaum eines zu heben seyn. Der Ort Beckstein liegt in einem Kessel zwischen lauter hohen Gebirgen, allenthalben strömte das Wasser in denselben. Über Mannshöhe war der Strom, der ungeheure Steine mit sich fortwälzte, Baustickeln und Mauern darnieder riß, die Brunnen verwüstete| und sie auf mehrere Zeit unbrauchbar machte. Ein Haus war dem Umsturz nahe, wenn nicht ein queer über die Straße gelegener Baum endlich in der Mitte entzwey gebrochen und dem Wasser Platz gemacht hätte. Das Vieh wurde aus den Ställen mit fortgerissen. Der Schrecken läßt sich kaum beschreiben.


Mergentheim im März 1793. 
 Die Handlungen charakterisiren gewiß jeden Menschen genauer, als seine Reden und Urtheile, und die so oft zweydeutigen Zeugnisse anderer von seinem Thun und Lassen. Das gilt von Vornehmen wie von Geringen, von Regenten wie von Untergebenen. Nach diesem kurzen Prolog lassen Sie mich auf einen Vorfall übergehen, der sich neuerdings zwischen den P. P. Dominicanern zu Mergentheim und ihrem Landesherrn, des Hoch- und Teutschmeisters K. D. zugetragen hat. Bereits im Jahre 1740 erhielt das Dominicaner-Kloster ein Regierungs-Decret, vermöge welches dem Kloster unter der schärfsten Ahndung verboten wurde, Güter oder Waldungen durch Kauf, Tausch oder auf andere Weise, ohne geschehene Anzeige bey der rechtmäßigen Herrschaft, an sich zu bringen. Zu was für Schlüßen ein solches Gesetz berechtiget, weiß jeder, der die Geschichte öffentlicher Gesetze studirt hat. Darüber weiter nichts. Auch nichts davon, wie es die zum Gehorsam gewöhnte Kloster-Geistlichkeit befolgte. Für den| Einsichtigen nur so viel: Vor ungefähr 2 Jahren wurde auf oberherrl. Befehl eine allgemeine Güter-Renovatur der Unterthanen vorgenommen. Dabey fand sich nun mancher neue Erwerb des Mergentheimer Dominicaner-Klosters, von dem man höchster Orten nichts wußte, worüber weder Bestättigung des Kaufs oder Tausches eingegehohlt worden war, noch die gehörigen Abgaben entrichtet und die Steuern bezahlt worden sind. Diese Entdeckung erregte bey der hohen Landes-Regierung keine gemeine Sensation, das Kloster wurde angehalten, seine Kauf- und Vertauschungs-Briefe auszuhändigen, und am Ende wurde nach Recht und Billigkeit über das Verfahren der gehorsamen Dominicaner zu Mergentheim abgeurtheilt. Man suchte im Kloster nach archivalischen Urkunden, um in via juris zu erhalten, was nach dem 1740 gegebenen Gesetz dem öffentl. Fiscus verfallen gewesen wäre. Es war nichts aufzutreiben, wodurch ein Schein des Rechts hätte erzeugt werden können. Indessen wären wenigstens 30 Morgen Waldungen, die Nachsteuer, das Interesse von derselbigen durch eine so lange Reihe von Jahren verloren gegangen. Hier war guter Rath theuer. Was ist zu thun, um uns, wo nicht für die Zukunft, doch wenigstens fürs Vergangene gegen das harte Gesetz zu schützen? das war die wichtige Frage, um die sich die Anschläge der Rathgeber des Klosters umdrehten, wie das Rad um die Axe. Man vereinigte| sich endlich dahin: durch Bitten zu erzielen, was durch den Weg Rechtens wohl nicht zu erlangen stände. Man schickte im Namen des Convents eine unterthänigst-gehorsamste Bittschrift an den Herrn Hoch- und Teutschmeister, bekannte seine Fehler, verehrte in aller Demuth das gerechte Verfahren der hohen Landes-Regierung, bat, flehte, seufzte um Schutz, um Beystand und Gnade – und es erschien wenige Tage nachher ein fürstl. Rescript, worin aus fürstlicher Milde dem Kloster alle von 1740 bis daher acquirirten Güter und Waldungen zugesichert, auch Rechts-Gebühren und Steuern von jenem Zeitpunct bis hieher gnädigst erlassen werden. Nur sollten von nun an die jährlichen Abgaben, gleichwie von andern Gütern, auch entrichtet werden. Zum Grund dieser fürstlichen Milde ist nicht das Chorgehen der Mönche, nicht ihr anhaltendes Bettelgehen, nicht ihre zu jeder halben Stunde eingerichtete Ordnung des Meßlesens, nein, nichts von diesen und dergleichen angegeben, sondern dieß sind beynahe die eigentlichen Worte des gnädigsten Rescripts: „es geschah in Rücksicht der vielen Mühe und Dienste, die sie durch Erziehung und Unterricht der Jugend dem Staate treu und fleißig leisten.“
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 Dieser merkwürdige Beweggrund des gnädigsten Fürsten muß allerdings den wirklich angestellten Professoren eine recht dringende Aufforderung seyn, alles zu thun, was in ihren Kräften| steht, der studirenden Jugend nützlich zu werden. So viel Undank auch mit ihren Arbeiten verknüpft ist, so verdienen sie sich die Gnade ihres Fürsten und Landesvaters. Der Herr Prior und andere, die mit ihm gleich denken, könnten aber auch aus diesem fürstl. Beweggrund, sich – wenn sie nicht sich über alles Lernen schon erhaben dünken – die Lehre nehmen, den Professoren mit mehr Bescheidenheit zu begegnen, sie nicht als bloße Figuranten auf der Kloster-Bühne, sondern als wirklich nützliche Diener des Staats zu betrachten, durch deren thätige Wirkung das Kloster die Gnade des Herrn empfunden hat.


6.
Absberg den 15ten Jenner 1793.

 Daß es unter der Geistlichkeit im Bißthum Eichstätt in dem zu Ende gehenden 18 Jahrhundert noch recht finster[1] aussehe, mag folgende kurze Geschichte, die sich erst im Sommer 1791 in unserer Nachbarschaft zugetragen, in etwas beweisen.

 Zu Mitteleschenbach, einem unter Eichstättischer geistlicher und weltlicher Hoheit stehenden Pfarrdorfe wohnte 1791 ein sehr eifriger Caplan, mit Namen Jakob Amler, der den „Gott behüt uns“ aller Orten aufsuchte, und mit Feuer und Schwerd verfolgte. Sein vorzüglichstes Geschäfft bestand also| darin, daß er in alle Häuser auf seiner Station ging, um die Betten und Ställe von dem unreinen Gaste zu befreyen. Am stärksten trieb er sein Handwerk in dem Eichstättischen Dörfchen Obererlbach, einem Filialorte der Pfarre zu Mitteleschenbach, wo er unter andern in das Haus eines armen Taglöhners, Namens Jakob Krieser, kam. Dieser hatte nebst 2 andern Töchtern und 2 schon verheyratheten Söhnen eine Tochter, mit Namen Walpurgis, die wegen des mehrjährigen Ausbleibens der monatlichen Reinigung eine etwas schwächliche Gesundheit, und dabey sehr erhitzte Einbildungskraft hatte. Bey dieser Person nun glückte es Amlern, die Wirklichkeit der Teufelsbesitzungen zu beweisen, und die Person selbst in kurzer Zeit, so wie ihre Anverwandten und die ganze Pfarre, zu überreden, daß sie wirklich auch den Teufel im Leibe habe. Nachdem er durch allerhand Versuche sich und andere noch mehr davon überzeugt hatte, unterredete er sich mit seinem eben so seleneifrigen Pfarrer – Wilibald Hagenburg – der zugleich ein berühmter Ökonom und sehr kurzweiliger Prediger ist; und beyde wurden einig, die Sache an das Hochwürdigste Ordinariat zu Eichstätt unterthänigst zu berichten, und für Amlern die facultatem exorcizandi[2] einzuhohlen. Diese Vorstellung fand zu Eichstätt Gehör, und Amlern ward seine Bitte dahin gewähret, daß sogleich (im Heumonat 1791) ein Rescript von der geistlichen Regierung an den Teutschordischen Pfarrer zu Stadt Eschenbach, Herrn Peter Dionys Röder, erging, worin demselben befohlen wurde,| Amlern, wenn derselbe mit der Walburgis Krieserin zu ihm kommen würde, in seinem wichtigen Geschäffte treulich zu unterstützen, und zuerst die exorcismos probativos, dann die expulsivos zu gebrauchen. Mittlerweil hatte auch Amler einen Befehl erhalten, mit der Patientin nach Stadt Eschenbach zu gehen, und den Beystand des dortigen Pfarrers zu erwarten. Er kam auch wirklich nach einigen Tagen mit der Krieserin und ihren Anverwandten auf einem Holzwagen zu E. an, zeigte dem dasigen Pfarrer seine Weisung aus Eichstätt vor, und führte auch die Krieserin sammt ihren Anverwandten in den Pfarrhof, wo schon alles zu ihrem Empfang bereit war. Zu merken ist, daß der Pfarrer zu St. Eschenbach nicht in die Classe derjenigen Geistlichen gehört, welche alles für baare, heilige Wahrheit halten, was in der bischöfflichen Agende[3] stehet, vorzüglich aber der jetzige Caplan, Herr Phil. Joseph Meßner, ein so redlicher und helldenkender Kopf ist, dergleichen es wohl im Bißthume Eichstätt wenige mehr geben dürfte. Diese beyden Geistlichen, in der vesten Überzeugung, daß der Teufel, von dem die Krieserin geplagt werde, nichts anders sey, als eine, durch eine Nervenkrankheit zerrüttete, oder durch andere ausserordentliche Umstände erhitzte Einbildungskraft, hatten schon vorher verschiedene falsche Skapuliere, Amuleten von Karten, zu rechte gerichtet, und ein Paar Fläschchen ungeweihten Wassers hingestellt, um dasselbe die Dienste eines hochbenedicirten thun zu lassen.
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 Als Amler die Krieserin vorgeführet hatte, kramte auch er seine geweihten Sachen aus, und machte vor den 2 oben genannten Eschenbacher Geistlichen, einem Franciscaner Mönche, P. Juvenal,| aus Schillingsfürst, der Termins halber öfters nach E. gekommen war, und dem dasigen geschickten und menschenfreundlichen Stadtchirurgus Herrn Heinrich Mayer, der der Krieserin öfters den Puls fühlte, und in der Folge öffentlich die Sache für das erklärte, was sie wirklich war, die Probe, daß die Krieserin wirklich besessen sey. Nach einigen Präliminarien führte man die Person in die Kirche und Sacristey, wo sie Amler mit einer Stole umwand, unter nervösen Flüchen und Verwünschungen des Teufels hin und her führte, und mit einer pfündigen weisen Wachskerze unter der verwahrenden Betheurung, „daß dieß Schlagen nicht die Creatur, sondern den Erbfeind des menschlichen Geschlechts angehe“ tüchtig prügelte, den Teufel aber dabey immer beschwur, die Person zu verlassen. Der Pfarrer zu E. machte unterdessen seine Exorcismos nach Anweisung der Agende, und so oft er die Person mit Weihwasser besprengte, bebte sie mit großem Geräusche davor zurück. Man legte ihr ungeweihte Ablaßpfennige (eine wirkliche Geldmünze) auf, und es hatte die nämliche Wirkung. – P. Juvenal entfernte sich inzwischen, weil er die Possen merkte, welches ihm aber Amler in der Folge als eine Zaghaftigkeit und Mißtrauen in seine eignen Kräfte auslegte. – Man bediente sich nun auch des ungeweihten Wassers, und die Folge davon war, daß die Krieserin mit weit größerem Geräusche (man hatte ihr absichtlich vor dem Gebrauche die ausserordentliche Wunderkraft desselben angepriesen) als vor dem wirklich geweihten, mit Verdrehung der Augen, mit Zähnknirschen und beständigem Abwehren mit beyden Händen zurückbebte, ohne daß jedoch Satanas sein Quartier verlassen wollte.
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 Weil nun Amler bereits zwey Wachskerzen an der Patientin zerschlagen hatte, ohne der Sache eine andere Wendung gegeben zu haben, so nahm der Caplan zu E. das Wort, faßte die Patientin bey der| Hand, und brachte ihre Sele durch eine bündige Rede vom Vertrauen auf Gott in eine andere Stimmung. „Es seyen nun nur noch wenige Gebete übrig, wodurch sie endlich von ihrem bösen Gaste befreyet werden würde: ob sie wünsche daß ihr geholfen werden möchte; und ob sie, wenn ihr wirklich geholfen sey, wieder arbeiten wolle.“ Als sie alles in vollem Ernste bejahete, wurden noch einige Gebete gebetet, und dann nahm sie der Eschenbacher Caplan abermahl bey der Hand, betheuerte ihr, der Geist habe sie nun verlassen, sie sey völlig frey, sie solle nur, um sich davon zu überzeugen, selbst Weihwasser nehmen, solle die Stole, Kerzen, Amuleten und Ablaßpfennige selbst berühren. Beherzt trat sie hinzu und berührte mit freudestrahlenden Augen alles dasjenige, wovor sie erst vor einigen Minuten zurück gebebet war, zur innigen Freude ihrer Anverwandten, aber zu Amlers Ärger, der den Teufel etwa mit Hinterlassung eines höllischen Gestankes à la Cochem abfahren zu sehen wünschte. Nun führte man sie vor den hohen Altar, und verrichtete ein Dankgebet für die so eben erhaltene Gnade, welches sie mit so vielen Zeichen der innerlichen Gemüthsruhe und heiligen Inbrunst durchaus selbst mitbetete, daß jeder Zuschauer auf das innigste gerühret wurde. Drauf brachte man sie wieder zurück in das Pfarrhaus, wo sie unter wiederhohlten Trostgründen, Ermahnungen, zur Arbeit zu gehen, und wegen ihrer durch die vom Teufel ausgestandenen Plagen (man benahm ihr weislich den Irthum niemahl) geschwächten Gesundheit bey einem geschickten Arzt Rath zu hohlen, mehrere Glaser Bier austrank, und von da äusserst munter und zufrieden mit ihren Anverwandten und Amlern wieder in das Wirthshaus zurück kehrte.
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 Allein da nun die Unglückliche doch noch nicht völlig geheilet, dabey dem fanatischen Amler fast allein überlassen war, so wendete sich auch das Blättchen gleich wieder. Dieser, der, wie schon| gesagt, eine recht fühlbare Abreise des Beelzebub erwartet hatte, fragte hier schon die Krieserin mit bedeutender Mine: ob sie wohl meine, daß der Teufel ausgetrieben sey, und in dem Augenblicke war er auch wieder da, und alles Gute, welches die zwey Eschenbacher Geistlichen gestiftet hatten, mit einem Schlage verdrängt. Die ehrsame Gesellschaft kehrte mit niedergeschlagenem Gemüthe auf ihrem Holzwagen wieder nach Mittel-Eschenbach zurück, wo Amler seine Alfanzereyen schon in dem Schulhause wieder anfing, und dadurch die Person wieder tiefer ins Elend stürzte, als sie vorher gesteckt war. Der Pfarrer zu Stadt-Eschenbach machte an die geistliche Regierung zu Eichstätt über den Vorgang und Befund der Sache einen officiellen Bericht, und legte die Zeugnisse des Caplan Meßners, des Franciscaners Juvenal und des Chirurgus Mayer bey. Was übrigens seitdem aus der Krieserin geworden sey, habe ich nicht genau erfahren können, weiß aber doch so viel, daß sie sammt ihren Anverwandten noch vest glaubt, sie sey besessen, und kein Geistlicher könne ihr helfen, worin sie wohl nicht irren mag. Der geistliche Charlatan ward darauf nach Litzlohe, einem Dorfe im Herzogthum Pfalz-Neuburg, auf eine andere Caplaney transferirt, von da aber kam er wegen seiner ausschweifenden Lebensart und ausserordentlichen Schwatzhaftigkeit, womit er bedenkliche Uneinigkeiten zwischen vielen Familien stiftete, auf das bey Eichstätt liegende Schloß Willibaldusburg in gefängliche Haft, woraus er erst vor kurzer Zeit befreyet wurde. D.


7.
Mergentheim den 10ten May 1793.
 Wie sehr unser Landesherr wünsche, von seinen Unterthanen alles zu entfernen, was ihnen irgend auf eine Art lästig seyn könnte, beweiset unter andern folgender Zug. Im Teutschherrischen hatte| man bisher kein zahlreicheres Militaire gehalten, als zur Erhaltung der innern Ruhe und Sicherheit höchstnöthig war. Da es nun jetzt an dem ist, daß das Contingent zum Fränkischen Kreise gestellt werden soll, so will Maximilian die Last lieber allein tragen, als seinen getreuen Unterthanen im ganzen Meisterthum nur im geringsten wehe geschehen lassen. Er hat zu dem Ende 50,000 fl. aus seiner eigenen Chatulle bestimmt, um sie einstweilen an den Kreis zu zahlen, bis die Zahl des zu stellenden Militairs blos durch freywillige Unterhaltung ergänzet seyn wird. Dieser wahrhaft fürstliche Entschluß ist durch ein Ausschreiben an alle Beamten dieser Tagen bekannt gemacht worden. Fürsten, die so handeln, können gewiß seyn, daß sie die Herzen ihrer Unterthanen in ihrer Gewalt haben, und daß ihre Thronen nie wanken werden. Zu wünschen wäre nur, daß auch alle Beamten gleich gesinnte Herzen gegen ihre Untergebenen zeigen möchten.


8.
Aus dem Haßgau im April 1793.

 Den 5ten April starb zu Königsberg der in die 33 Jahre daselbst angestellt gewesene Rector Södel im 78sten Jahre seines mühevollen Lebens, verkannt von vielen. Wenn Herr Regierungs-Rath und Professor Hezel in Giesen und noch einige andere seiner dankbaren Schüler sein Leichenbegängniß hätten zu veranstalten gehabt, würde es wohl anders ausgefallen seyn. Als vor 5—6 Jahren die Königsberger neue Schule eingeweiht wurde, verlas der in der That gelehrte Mann ein lateinisches Gedicht, aus dem folgende Stelle hier aufbewahrt zu werden verdient.

– – Illa caput, velut inter recta minora
 Arx solet, in coelum tollit ad astra suum. Allicit adspectu, mirentur splendida tecta

 Quisque eam forsan praeteriisse solet.
| Nemo scholam credit, putat esse palatia regis,

 Sicce stupet, quisquis praeterisse solet.
Obstupet hicce illam, convertit lumina quisque,
 Nec spectando oculos exsatiare potest.
Scilicet haec species, schola qua nunc nostra refulget,
 Externa est sana splendida, pulcra satis.


9.

 Der bisherige Preußische Legationsrath Herr Johann Ferdinand Ganz in Regensburg ist von seinem König als wirklicher geheimer Hof- und Regierungsrath nach Anspach versetzt worden.



  1. Vor ein Paar Jahren gieng ein Circulare von einer Gesellschaft Illuminaten bey allen Beamten und Pfarrern im ganzen Bißthume herum, um dieselben zum Beytritt in diese Gesellschaft zu bereden; und noch jetzt ist mancher Pfarrer, der gleichwohl kein Vater einer neuen Ketzerey werden wird, stolz darauf, wenn man ihn für einen Illuminaten ansiehet.
    d. E. 
  2. Obgleich die katholischen Geistlichen bey ihrer Weihung, die Gewalt Teufel auszutreiben, schon erhalten, so dürfen sie doch die exorcismos expulsivos nicht ohne ausdrückliche Erlaubniß der Ordinariate ausüben. Es ist also ein Zeichen eines besondern Zutrauens, daß dem oben im Text genannten Pfarrer zu St. Eschenbach die ganze facultas ungesucht ertheilt worden. d. E.
  3. Die Agende ist ein Buch, worin alle Cärimonien und Gebetformeln bey der Wasser- Salz- Speisen-Palmen etc. etc. Weihe, bey Taufen und andern Teufelsbeschwörungen von Ordinariatswegen beschrieben sind. d. E.