RE:Centumviri 1
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Richter | |||
Band III,2 (1899) S. 1935–1952 | |||
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Centumviri. 1) Richter.
Das Gericht der C. gilt vielen Neueren (Niebuhr, Zimmern, Rudorff, Bethmann-Hollweg, Karlowa u. a.) für uralt. Die Überlieferung weist sehr bestimmt auf das Gegenteil hin. Die Überreste der zwölf Tafeln kennen für Processe in Privatsachen nur den Einzelrichter, ebenso schweigt Plautus von den C. Die ältesten Nachrichten, bei Cicero, betreffen Centumviralprocesse aus der Zeit der Redner M. Antonius (s. Bd. I S. 2590–2594) und L. Licinius Crassus. Auch die von Val. Max. VII 7, 2. VII 8, 1. 4. IX 15, 4 erzählten Fälle (zeitlich unbestimmbar scheint VII 8, 2, wo übrigens die C. nicht erwähnt sind) gehören wahrscheinlich in die zweite Hälfte des 7. Jhdts. d. St. Festus ep. 54 verbietet es, die Stiftung vor das J. 513 = 241 v. Chr. zu setzen; die nahe Verwandtschaft mit den quaestiones publicae, welche seit 605 = 149 v. Chr. eingerichtet sind, empfiehlt die Annahme derselben Entstehungszeit für die C. (so Mommsen R. Gesch. II⁷ 359; St.-R. I³ 275, 4. II 231, 1. 590f.; Abriss 249). Zur Bestätigung dient Pomp. Dig. I 2, 2, 28–30, der zwischen 512 und 630 d. St. (s. Mommsen St.-R. II³ 196. 595, 2f.) die Einsetzung der decemriri stlitibus iudicandis berichtet (s. Wlassak R. Processgesetze I 139–151) und so begründet: cum esset necessarius magistratus qui hastae (d. h. den C.) praeesse[n]t. Die Beweiskraft der für das hohe Alter der C. angeführten Gründe bekämpft Wlassak a. O. I 131–138. Das Stiftungsgesetz, welches Cicero de lege agr. II 44 andeutet, ist unbekannt; Gell. XVI 10, 8 beweist nicht, dass es einen Teil der Lex Aebutia ausmachte; doch steht dieser Vermutung nichts im Wege. Der Name centumvirale iudicium giebt die Zahl der wohl in einer besonderen Liste verzeichneten Richter nicht genau an (Varro r. r. II 1, 26: non est ut sit ad amussim); ursprünglich waren es (Fest. ep. 54) 105, [1936] unter Traian mindestens 180 (Plin. ep. VI 33, 3). Von dem Wahrzeichen, der aufgepflanzten Lanze (Gai. IV 16; vgl. Paneg. in Pis. 41f., Baehrens PLM I 227. Mart. VII 63, 7. Stat. silv. IV 4, 43. CIL X 8260) ist der Name hasta hergenommen, der wie dem Gericht im ganzen (Suet. Aug. 36. Pomp. a. O.), so den einzelnen Kammern (iudicia Quintil. XII 5, 6; tribunalia Papin. Dig. XXXI 76 pr.; consilia Val. Max. VII 7. 1. Plin. ep. VI 33, 3. 5) zukommt (Quintil. instit. V 2, 1), in die es geteilt war.
Die C. haben gleich dem privatus iudex nur Iudication in Privatsachen (Civilprocessen), nicht Iurisdiction; sie können nur Urteile fällen in Rechtshändeln römischer Bürger, die durch den Urban- oder (in der Kaiserzeit: Gai. IV 31, dazu Wlassak a. O. I 202–204. II 185, 5. 200f.) den Peregrinenpraetor einer Vorprüfung unterzogen, durch Litiscontestation festgestellt, endlich vor ihr Gericht durch einen der genannten Magistrate gewiesen sind. Dessenungeachtet werden sie in den Quellen (Cic. de orat. I 173. 177f. Quintil. inst. V 10, 115. Plin. ep. VI 33, 9; vgl. Ovid. trist. II 93–95) niemals den privati iudices zugerechnet, sondern scharf von ihnen unterschieden. Die letzteren haben ihre Vollmacht von den Parteien, deren Handlung die Obrigkeit gestattet und bekräftigt (Wlassak a. O. II 197, 18 und o. Bd. II S. 410), jene aber sind lediglich von Staatswegen eingesetzte und beauftragte Richter, zwar nicht selbst Magistrate, weil nicht vom Volke gewählt, doch von Beamten zur Iudication im einzelnen Fall berufen und wie die Geschworenen der Quaestionen der Leitung von Magistraten oder Quasimagistraten unterstellt, deren consilium (Val. Max. Plin. ep. aa. OO.) sie bilden und auf deren Tribunal sie (in der Kaiserzeit) ihren Sitz haben (Plin. ep. IV 16, 1. Pernice Ztschr. f. Rechtsgesch. Rom. Abt. XXVII 136, 5. 138. 141). Daraus ergiebt sich am sichersten, wie verkehrt es ist, die Entstehung des vom privatus iudex, dessen Uralter feststeht, so wesentlich verschiedenen Gerichtes der C. früher anzusetzen oder doch derselben Epoche zuzuweisen wie den Ursprung des Privatgerichtes. Ferner erklärt sich daraus die Fortdauer der Legisactio mit Sacrament für alle Centumviralsachen noch unter dem Principat (Gai. IV 31. 95). Ist die Schriftformel eine Urkunde, in der die Parteien einem Privaten Richtermacht verleihen, so war sie unanwendbar, wo die Obrigkeit allein die für den einzelnen Process bestimmte Geschworenenkammer zur Iudication anweist.
Die Zusammenstellung der Centumviralliste erfolgte anfänglich durch magistratische, vermutlich dem Stadtpraetor zustehende lectio (wider Mommsen St.-R. II³ 231, 2; Abriss 249 s. Hartmann-Ubbelohde Ordo I 307–310) von je 3 Bürgern aus jeder der 35 Tribus (Fest. ep. 54). Ob diese Wahlart noch unter der Republik geändert wurde, als an die Stelle der Senatorenliste die der Ritter und später ein besonderes Geschworenenverzeichnis trat, und ob aus dem letzteren auch die Mitglieder der Hasta hervorgingen, das liegt im Dunkel. Für die Kaiserzeit ist die Auslosung der [1937] C. gut bezeugt (Dio LIV 26); dabei kann wohl nur die Urliste der ,gesetzlich Richtenden‘ (Wlassak a. O. II 194–204) zu Grunde gelegt sein (Hartmann-Ubbelohde a. O. I 310f. 564–568, anders Mommsen St.-R. II³ 231. III 530, 4, vgl. aber 897, 3). So wird es begreiflich, dass (nach Ausweis der bis 1895 vorliegenden Indices des CIL) die Inschriften keinen C. nennen, während die Zugehörigkeit zu den Richterdecurien überaus häufig unter den Ehrentiteln begegnet. Wer die Auslosung vornahm, und für welche Zeit sie gelten sollte, darüber sind wir ohne Nachricht.
Die Organisation des Centumviralgerichts hat gewechselt. Der Erhöhung der Mitgliederzahl ist oben schon gedacht. Manches (Gai. IV 30f. Suet. Aug. 36. Wlassak a. O. I 177–179. 207) spricht dafür, diese und andere Änderungen auf Augustus, und zwar auf das nach seinem Hauptinhalt de iudiciis privatis benannte iulische Gesetz von 737 = 17 v. Chr. zurückzuführen. Ursprünglich (so Pompon. a. O., dem Mommsen St.-R. II³ 608, 2 u. a. den Glauben versagen) standen dem Centumviralgericht die Xviri stlit. iudicandis vor. Augustus (Suet. a. O.) hat den Zehnmännern neuerdings (vgl. Mon. Ancyr. II 12f. Suet. Aug. 89) diese Aufgabe zugewiesen und sie darauf beschränkt, während in der Zwischenzeit die Leitung auf die gewesenen Quaestoren übergegangen war. Den Decemvirn übergeordnet ist ein Praetor (Plin. ep. V 9 [21], 5: qui centumviralibus praesidebat), der sich inschriftlich (CIL XIV 3602, dazu Plin. n. h. XIV 144) zuerst unter Tiberius nachweisen lässt als [pr.] ad hast[am] (vgl. CIL X 8260. Mommsen St.-R. II³ 225, 2: hast[as]) und (CIL VI 1365) pr. hastar[ius]. Über die Bildung des consilium oder iudicium aus den C., die als solche kein Gericht, sondern eine Richterliste darstellen, haben wir nur ungenügende Kunde. Die übliche Annahme (Bethmann-Hollweg Civilprocess d. gem. Rechts I 60), dass die C. in der Republik vollzählig als Spruchgericht thätig waren, ist ohne Beleg (Ciceros apud centumviros und ähnliches beweist nichts; s. Stat. silv. IV 9, 16. Plin. ep. II 14, 10f. IX 23, 1) und schon deswegen unhaltbar, weil die Pflicht der Parteien zur Anzeige der zu ihnen in näherer Beziehung stehenden Personen behufs Ausscheidung (vgl. L. repetund. CIL I¹ 198, 20–26) und, wenn nicht die Pflicht, so das Recht des Gegners zur Verwerfung solcher ungeeigneten Richter (trotz Cic. p. Planc. 41) nicht wohl gefehlt haben kann (O. E. Hartmann-Ubbelohde Ordo I 313f.). Quintil. inst. XII 5, 6 und Plin. ep. VI 33, 3 erzählen von vier Centumviralkammern, die, ut moris est, zu ihrer Zeit zusammengestellt wurden, um neben einander in verschiedenen Processen zu judicieren. Die Zahl der Abteilungen oder ihre Besetzung mit Richtern mag vor Augustus geringer gewesen sein; unglaubwürdig ist es nicht (dagegen Keller Röm. Civilprocess⁶ § 6, 80), wenn Val. Max. VII 7, 1 bei der Entscheidung eines Rechtshandels, der noch ins 7. Jhdt. d. St. gehört (Cic. de orat. I 175. 245), mehrere Consilien mitwirken lässt. Als ständig (so Bethmann-Hollweg a. O. II 55, 12) haben wir uns diese Abteilungen ebensowenig zu denken wie die C. in der Vollzahl jemals ein [1938] ,ständiges Gericht‘ (Keller a. O. §§ 4. 6) ausgemacht haben. Die Überlieferung (Quintil. inst. XII 5, 6. Plin. ep. VI 33, 3. Suet. Aug. 36) kennt neben dem praeesse (Pompon. a. O. Dessau Inscr. I 1911, dazu Mommsen St.-R. II³ 606, 3) ein von Sueton den Decemvirn wie den Quaestoriern zugeschriebenes cogere oder colligere, was sicher zunächst von der ,Versammlung‘ der Richter, d. h. von der Bildung (aus einer durch den Hastarpraetor zugelosten Gruppe von C?) der für den Einzelfall bestimmten Kammer zu verstehen ist (vgl. Kal. Praen. CIL I² p. 231. Mommsen St.-R. III 915; verfehlt Padelletti Archivio giuridico XV 536. 540). Wie der Gebrauch derselben Worte (z. B. Val. Max. VIII 3, 1. Quintil. inst. VII 2, 19: cogere; Marcian Dig. XLVIII 8, 1, pr.: praeesse) für die Thätigkeit der Vorsteher in den Criminalquaestionen lehrt, wird die Aufgabe der mit der Gerichtsleitung betrauten Beamten oder Quasibeamten hier und dort im wesentlichen gleichartig gewesen sein. Unsicher ist die Verteilung der Geschäfte, namentlich des Praesidiums unter den Decemvirn und zwischen diesen und dem praetor hastarius. Die Wahrscheinlichkeit spricht gegen ein praesidierendes Collegium von mehreren Zehnmännern für jede Kammer, und das bezeugte Nebeneinander von Verhandlungen vor mehreren Tribunalen (Quintil. inst. XII 5, 6. Plin. ep. II 14, 4. 10f. VI 33, 3. 5) bedingt die Entbehrlichkeit des praetorischen Vorsitzes. Nahe liegt es, dem Praetor ad hastam neben der Zuweisung der Rechtssachen an die einzelnen Decemvirn, der Ansetzung der Termine und dergleichen Verfügungen das Praesidium vorzubehalten, wo ausnahmsweise in Processen mit gemeinsamer Grundlage wider mehrere Beklagte mehrere Consilien (bei Plin. ep. VI 33, 3: alle vier; fraglich, ob auch V 9 [21], 2 hieher zu ziehen) sich vereinigten, um zusammen die Vorträge der Parteien und Anwälte anzuhören und die Beweise entgegenzunehmen. Auf diese Weise mochte man Zeit und Kosten sparen und hinwirken auf eine möglichst gleichförmige Beurteilung zusammenhängender Klagen. Der jüngere Plinius (ep. I 18, 3. IV 24, 1. VI 33, 2) hat wiederholt in einem ,vierfachen Processe‘ (quadruplex iudicium; mitgedacht ist wohl überall die Vereinigung der vier Sektionen) plaidiert; Quintilian (XI 1, 78; vgl. V 2, 1) erwähnt ,zweifache Centumviralprocesse‘, setzt aber getrennte Verhandlung voraus. Die Digesten (Marcell. V 2, 10 pr. Pap. V 2, 15, 2. XXXI 76 pr. XLIV 2, 29 pr. Ulp. V 2, 24) bieten Beispiele von Pflichtteilsklagen (querella inofficiosi testamenti; dieser Klage bedient sich auch Attia Viriola bei Plin. ep. VI 33) gegen mehrere im Testament eingesetzte Erben mit verschiedenem Erfolg gegen den einen und anderen Beklagten (Attia Viriola besiegt die noverca und den Suberinus, unterliegt gegen die zwei andern nicht genannten Testamentserben). Bei Val. Max. VII 7, 1 klagt der praeterierte Noterbe (militans) als filius suus mit hereditatis vindicatio gegen mehrere Erbschaftsbesitzer (Cic. de orat. I 175. 245 kennt nur einen Gegner des miles; vgl. Ad. Schmidt Form. Recht d. Noterben 17, 41. 57f. 61. Karlowa Röm. Rechtsgeschichte II 889f). In allen diesen Fällen konnte der Praetor, wenn es ihm zweckmässig schien, eine Mehrzahl von Processen [1939] in einer Verhandlung zusammenfassen; zur Urteilsfällung aber waren nicht die blos zur cognitio Vereinigten berufen, sondern die einzelnen Kammern für je einen von vornherein ihnen zugewiesenen Process (so nach Zimmern Keller-Wach a. O. § 6, 81–86. Bethmann-Hollweg a. O. II 54–56 wider C. G. Zumpt, Huschke u. a.; abweichend auch Chénon Le tribunal des centumvirs 36–38. 87f.). Wie die Abteilungen der C. vorwurfsfrei in una atque eadem causa (Quintil. V 2, 1: de eadem causa), d. h. in zusammenhängenden Sachen, namentlich bei Inofficiositätsquerellen wider dasselbe Testament, den einen Beklagten verurteilen, den zweiten freisprechen konnten, das erläutert Ulp. Dig. V 2, 24 (vgl. Quintil. inst. VIII 10, 2). Auf die Behandlung der unteilbaren Verfügungen eines Testaments, das die eine Hasta (pars iudicantium) für inofficios erklärt, während die andere es aufrecht erhält, bezieht sich Marcell. Dig. V 2, 10 pr. (interpol. Lenel Pal. I 592); vgl. Pap. Dig. XXXI 76 pr. XLIV 2, 29 pr. Gord. Cod. Iust. III 28, 13. Augenscheinlich war man bestrebt, den Urteilen der Centumviralkammern ihre Geltung zu wahren, soweit es irgend anging. Andrerseits musste sich ein Cassierungsrecht des Hastarpraetors als unentbehrlich erweisen, wo die in einer Rechtssache gefällten Sentenzen zweier Kammern in solchem Widerspruch standen, dass sie neben einander unausführbar waren. Hierher gehört Minicius-Iul. Dig. XL 12, 30 (anders Keller a. O. § 68, 808). In dem vorausgesetzten Fall sollten die Mitglieder beider Sectionen – ich füge hinzu: vom Praetor – zu gemeinsamer Beratung, wohl nach nochmaliger Verhandlung, so lange versammelt werden, bis sich zusammenstimmende Urteile ergaben (eo usque cogi iudices, donec consentiant). Zur Bildung eines zusammengesetzten Spruchgerichts kam es auch hier nicht, die Stimmen der Richter wurden nicht zusammengezählt. Beharrte jede Kammer bei dem ersten Urteil, so musste schliesslich in anderer Weise geholfen werden. Sonstige Spuren, die auf das Eingreifen des Hastarpraetors führen, sind nicht aufgefunden. Regelmässig haben sicher auch nach Augustus die Decemvirn das Praesidium in den Verhandlungen geführt, nicht, wie Zimmern (Gesch. d. Röm. Privatrechts III 44f.) meint, blos untergeordnete Dienste geleistet. Sollten die oben angeführten Zeugnisse über das ihnen zugeschriebene cogere und praeesse nicht genügen, so zeigt doch das Lobgedicht in Pis. 41 f. (Baehrens PLM I 227) die Zehnmänner als Leiter der Verhandlung, und der alte Name, den noch zahlreiche Inschriften der Kaiserzeit aufweisen: decemvir stlitibus iudicandis (einmal CIL X 8260: Xvir ad hastam) wäre ganz unpassend, wenn sie nicht nach der Abstimmung der C. das Urteil verkündigt hätten.
Das Centumviralgericht, für römische Bürger das einzige seiner Art im ganzen Reich (wegen des problematischen Siebenmännergerichts Dig. V 2, 7. 28. 31 s. Art. Septemviri) hatte seinen Sitz in Rom (Varro r. r. II 1, 26); die Verhandlungen waren öffentlich. Cic. de orat. I 173 unterstützt die Annahme, dass sie auf dem Forum stattfanden; für die Kaiserzeit ist als Schauplatz [1940] der Centumviralprocesse die Basilica Iulia vielfach bezeugt (Quintil. inst. XII 5, 6. Mart. VI 38, 5f. Plin. ep. II 14, 4. 8. V 9 [21], 1. VI 33, 4). Die Einrichtung im Innern dieser Halle mochte wechseln. Für Verhandlungen vor den vereinigten Kammern war ein grosses Tribunal erforderlich (Plin. ep. VI 33, 3f.); gewöhnlich aber standen mehrere Bühnen (nach Quintil. inst. XII 5, 6 vier) in der Basilica, da die Abteilungen der C. gleichzeitig zu Gericht sassen. Getrennt waren die Räume für die einzelnen Kammern kaum anders als durch Vorhänge (vela), da man Redner mit kräftiger Stimme auf allen Gerichtsbühnen hören und verstehen konnte (Quintil. a. O. Plin. ep. II 14, 9–11). Über die Zeit, in der die C. tagten, galt sicherlich nichts besonderes. Ihre Ferien werden dieselben gewesen sein wie die der gesetzlichen Privat- und Criminalgeschworenen (s. Stat. silv. IV 4, 39–43; vgl. Bd. I S. 332ff.). Auf eine zu Ende gehende Sitzungszeit der C. beziehen sich die Worte Senecas controv. VII praef. 7: rebus iam ultimis (anders G. Demelius Schiedseid 114).
Dass den C. nur spruchrichterliche Function zukommt, ist oben unter II bemerkt. Vielfach nimmt man eine örtliche Competenz, einen ,Sprengel‘ der C. an und schliesst dabei die Provinzen aus. Allein es giebt keinen Sprengel der C., weil die Würdigung der örtlichen Beziehungen einer Streitsache blos dem Beamten zusteht, der das Vorverfahren handhabt. Das richtige ist folgendes. An die C. können nur die beiden hauptstädtischen Gerichtsherren (Gai. IV 31), nicht auch die Statthalter Processe weisen. Soweit aber die ersteren unter Umständen auch Rechtshändel von Provincialrömern annehmen (Mommsen Abriss 239; St.-R. II³ 267f.), stand der Iudication der C. gewiss nichts im Wege. Eine Sonderbestimmung für die querella inofficiosi testamenti überliefert Ulp. Dig. V 2, 29, 4. Über die sog. sachliche Competenz, d. h. über die Frage, für Processe welcher Art von seiten des Praetors das Gericht der C. zuzulassen war, findet sich nirgends in den Quellen ein allgemeiner Ausspruch. Auch Cic. de orat. I 173 giebt nicht die gesuchte Antwort; er zählt nur Rechtsfragen auf, die in Centumviralprocessen gewöhnlich erörtert werden (Wlassak a. O. I 87f.). Trotzdem sind aus den zahlreichen Äusserungen über Centumviralprocesse die leitenden Gedanken unschwer zu ermitteln (grundlegend Bethmann-Hollweg Ztschr. f. geschichtl. Rechtswissensch. V 358–400, in den Noten die wichtigsten Belege). Einmal gehören vor die C. nur Privat-, nicht Criminalsachen. Dem widerspricht eine einzige Nachricht bei Phaedr. III 10, 35, die kein Gewicht hat. Der Dichter verwechselt das Iudicium der C. mit einer Quaestio publica (s. Geib Röm. Criminalprocess 233–237). Genaueres erfahren wir von Gaius (IV 16), demzufolge der Speer, das Wahrzeichen der C. (oben S. 1936) entlehnt ist dem Gebrauch der die hasta vertretenden festuca bei der alten mündlichen Vindication des gesetzlichen Eigentums (iustum dominium). Der hieraus gezogene Wahrscheinlichkeitschluss, dass die C. nur über civilrechtliche Vindicationen (s. Art. Vindicatio) zu sprechen hatten, findet vollauf Bestätigung durch [1941] die sonstige Überlieferung. Auch Ciceros a. O. nexorum ... iura darf man gewiss nicht entgegenhalten (s. M. Voigt Die XII Tafeln II 485). Gedacht ist wohl, wie Cic. p. Mur. 3; de har. resp. 14 zeigt, an das vom Mancipatar bei der Vindication (Cic. p. Mur. 26) geltend zu machende Recht auf auctoritas, d. h. auf Beistandschaft im Eigentumsstreit (anders Jhering Entwicklungsgeschichte d. röm. Rechts 121–123). Die Frage endlich, ob alle civilen Vindicationen Centumviralsachen waren, dürfte zu bejahen sein. Besondere Zeugnisse liegen vor für die Vindication des Sacheigentums (rei Cic. de orat. I 173. Gai. IV 16. 95; vgl. dazu IV 88–94), der Realservituten und der Eigentumsfreiheit (Cic. a. O., vgl. Keller a. O. § 15), des civilen Erbrechts (hereditatis Cic. de orat. I 175. 245 = Val. Max. VII 7, 1. Cic. de orat. I 180 causa Curiana; s. Karlowa Röm. Rechtsgesch. II 878 und die Stellensammlung von M. Voigt Jus naturale I 49, 18. Quintil. inst. IV 2, 5. Sev. Cod. Iust. VIII 2, 1 (?). Iust. Cod. III 31, 12 pr. VI 28, 4, 2; vermutlich gehört hieher auch der Fall der Erben der Urbinia, Quintil. inst IV 1, 11. VII 2, 4f.: petebat bona, VII 2, 26. Tac. dial. 38), des Herrenrechts am Sclaven (gegenüber dem Assertor) wie der persönlichen Freiheit, mindestens der mit dem römischen Bürgerrecht zusammenfallenden libertas ex iure Quiritium (Cic. de orat. I 181 mit I 238. J. E. Kuntze Excurse über Röm. Recht² 116f. Minicius-Iul. Dig. XL 12, 30; s. o. S. 1939, 31), endlich ein unsicheres (Cic. de. orat. I 173: tutelarum iura) für die Vindication des ius tutelae (vgl. Gai. I 168. Ulp. Fragm. XI 6. Scheurl Beiträge z. Bearbeit. des Röm. Rechts II 1 S. 1–15; anders Hruza Lege agere p. tut. 76f. C. Fadda L’azione popolare I 44f.). Wahrscheinlich umfasste aber der Geschäftskreis der C. auch noch die in unseren Quellen fast verschollene Vindication der übrigen Gewaltverhältnisse, so der patria potestas, der manus, des Rechtes am Knecht in mancipio, des Patronats (Karlowa Röm. Civilprocess 89f. Ad. Schmidt Das Hauskind in mancipio 14. 15, 58). Mithin stand wie die bürgerliche Freiheit so alles, was der Römer als ,sein Eigen nach Quiritenrecht‘ ansprechen konnte, namentlich sein Vermögen, wie es unter Ausschluss der Forderungen (Mommsen St.-R. II³ 393–395) beim Census anzugeben war, unter dem Schutze des collegialisch urteilenden, staatlichen Gerichtes der C. Damit war indes die altnationale Iudication des privaten Einzelrichters im Bereich der Centumviralsachen keineswegs aufgehoben. Zu belegen ist das Vorkommen des Privatgeschworenen bei Vindicationen sowohl für die Zeit der Republik wie der Kaiser. In den klassischen Juristenschriften sind so wenig Spuren zu finden von der Gerichtsbarkeit der C., dass man vielfach auf den Untergang oder die Einschränkung ihrer Competenz in Vindicationssachen schliessen wollte. Sehr verbreitet ist insbesondere die Behauptung, dass die C. unter dem Principat nur ,Erbschaftsrichter‘ gewesen seien; andererseits werden sie in dieser Eigenschaft zuweilen für ausschliessend zuständig erklärt. Allein die Quellen rechtfertigen keine dieser Aufstellungen, auch nicht die Annahme eines Competenzwechsels auf Grund des iulischen Iudiciargesetzes. Vgl. hierüber Wlassak [1942] a. O. I 109–121. 127. 206–235. II 17, 19 und teilweise dawider Eisele Abh. z. röm. Civilprocess 105–109; Ztschr. f. Rechtsgesch. Rom. Abt. XXVIII 269, 1. Den Beweisstellen für die Fortdauer des alten Geschäftskreises der C. in der Kaiserzeit (Gai. IV 95. 88–94) ist Paul. Dig. XXXIV 3, 30 beizufügen. Die Concurrenz des Privatrichters ergiebt sich z. B. aus Gai. IV 41. 45. Dig. V 3. VI 1 und wird ausdrücklich bestätigt durch Quintil. inst. V 10, 115: alia apud centumviros alia apud privatum iudicem in iisdem quaestionibus ratio. Bei der Auslegung von Gai. IV 31 (permissum est) darf diese unbestreitbare Thatsache nicht ausser acht bleiben. Weit auffallender als die sehr begreifliche Concurrenz mit dem Privatrichter ist das gegen das Ende der Republik neben dem centumviralen stehende, erst durch Augustus beseitigte Spruchgericht der decemviri stlitibus iudicandis in Freiheitssachen. Doch hüte man sich, mit J. E. Kuntze a. O. u. a. das gut Überlieferte wegzudeuten! In nachhadrianischer Zeit sind erweislich als Spruchrichter in Freiheitsprocessen neben einander thätig: der Iudex, Recuperatoren, die Consuln und der Praetor de liberalibus causis (s. Jörs Untersuchungen z. Gerichtsverfassung 11–15. 43–50). In der Wahl, die offen stand zwischen den C. und anderen Gerichten, finden wir die Erklärung für die ohne Änderung der Rechtsgrundlage bald erhebliche, bald geringe Rolle, welche zu verschiedenen Zeiten der Hasta zu spielen vergönnt war. Kurz vor Ciceros Auftreten (Cic. pro Caec. 53) der Schauplatz berühmter Redetourniere, wo Rechtsfragen von grosser Wichtigkeit (wie in der Causa Curiana) zur Entscheidung kamen, ist ihr Ansehen und sicher auch ihre Wirksamkeit in den letzten Jahrzehnten der Republik so tief gesunken, dass, wie Tacitus dial. 38 meldet, nullius magni oratoris liber apud centumviros dictus legatur (s. Jörs R. Rechtswissenschaft I 190, 3). Dagegen wächst die Thätigkeit der C. seit der Wiederherstellung geordneter Zustände unter Augustus. Vespasian (Suet. Vesp. 10) findet bei ihnen so viele unerledigte Processe vor, dass er durch ausserordentliche Gerichte nachhilft. Auch Domitians (Suet. Dom. 8; s. Pernice Festgabe f. Beseler 60) Einschreiten gegen ,ambitiöse Sentenzen‘, d. h. gegen Urteile, die anmassliche Willkür in der Rechtsanwendung zeigten, lässt schliessen auf das erhöhte Machtbewusstsein der C. Ungefähr um dieselbe Zeit erkennt Tacitus (a. O.) den causae centumvirales den ,ersten Platz‘ zu, und die Briefe des jüngeren Plinius bekräftigen diesen Ausspruch. Freilich ist nicht zu vergessen, dass jene Rangzuteilung von Gerichtsrednern herrührt, die nach der Einschränkung der quaestiones publicae nirgends auf so dankbare Aufgaben und so zahlreiche Zuhörer zählen konnten als im Bereich der Hasta. Dass die Anrufung der C. nur facultativ war, daraus erklärt sich endlich das Auseinanderfallen des gesetzlichen und des thatsächlichen Geschäftskreises. Schon in republicanischer Zeit hat man anscheinend vornehmlich Erbschaftssachen den C. vorgelegt. Unter dem Principat sind sie der Regel nach blos mit Processen aus diesem Rechtsgebiet befasst; zahlreiche Berichte stellen dies ausser Zweifel (s. Paul. sent. V 16, 2). Doch gehört [1943] auch von den Erbschaftssachen nur eine zu den gewöhnlich centumviralen: die querella inofficiosi testamenti, während Erbrechtsvindicationen zumeist vor den Privatrichter gelangen. Die Beschwerde gegen lieblose Testamente ist ein selbständiges Rechtsmittel, nicht identisch mit der hereditates vindicatio, wahrscheinlich abgestellt auf testamentum L. Titii inofficiosum esse und ein daraus gefolgertes hereditatem q. d. a. ex iure Quirit. meam esse (Huschke, Gust. Hartmann Über die quer. inoff. test. 7, 3; anders Bekker Aktionen I 272–283. Fitting Castrense peculium 233f. Eisele Ztschr. f. Rechtsgesch. Rom. Abt. XVIII 256–306, wo kühne Aufstellungen lediglich aus den juristischen Quellen und gegen sie verteidigt werden). Den Centumviralsachen ist die Querella vermutlich hinzugefügt, indem man sie auffasste als bedingungsweise zugelassene Erbrechtsvindication, wofür sich die teilweise Gleichheit der Klagebehauptung anführen liess. In Wahrheit darf sie überhaupt nicht als actio in rem = vindicatio (o. Bd. I S. 314f.) gelten, da sie in wichtigen Punkten abweichenden Grundsätzen unterliegt. Trotz der einmal (Dig. V 2, 4) erwähnten Lex Glitia (Falcidia? vgl. C. G. Zumpt Abh. Akad. Berl. 1837, 131, 2) ist der Ursprung der Querella sicher in keinem Gesetze zu suchen (s. Dig. V 2). Demnach kann es auch keine die Inofficiosität behauptende Legisactio gegeben haben (o. Bd. I S. 304f.). Doch war es möglich, auf einem Umweg eine gesetzliche Spruchformel zu erreichen: durch Vermittlung einer Sponsion (Wette) über die Pflichtwidrigkeit des Testaments und das klägerische Erbrecht. Die Wettsumme konnte der Querellkläger mit Legisactio (sacramento), in der für Centumviralsachen vorgeschriebenen Processform, in Anspruch nehmen (s. Art. Legisactio, Sponsio). Zu belegen ist diese Gestaltung des Verfahrens zwar nicht für die letzten Jahrzehnte des Freistaats, in die man die Entstehung der Querella wird setzen müssen – nach der vielfach, ohne durchschlagenden Grund angezweifelten Erzählung des Val. Max. VII 7, 2 –, wohl aber für die Epoche nach der iulischen Gerichtsordnung, durch Gai. IV 95. Eine Sponsion war möglich wie über das Dasein gesetzlichen, so auch über die Gewährung praetorischen Erbrechts ex edicto (der bonorum possessio litis ordinandae gratia; Pap. Ulp. Dig. V 2. 6, 2. V 2, 8 pr. Sev. Cod. Iust. III 28, 2). Im letzteren Fall hatten die C. ausnahmsweise über eine Berechtigung zu urteilen, die nicht auf ius Quiritium beruhte, der Form nach freilich zunächst über die Forderung aus der Sponsion und das Sacrament (grundlos widersprechend Eisele a. O. 267. 284, der Val. Max. VII 7, 2 nicht beachtet; zum Process des jüngeren M. Anneius vgl. Gai. III 31. Ulp. Dig. XXXVIII 8. 1, 4. Iust. Cod. VIII 48 [Kr. 47], 10 pr. Schulting Commentationes academicae [1770] I 277–284; auf eine etwas andere Erklärung führt die Ansicht von Leist in Glücks Pandecten Ser. d. Bücher 37f. I 480. 63–76). Eine zweite Anomalie betrifft das in Querellsachen mit den C. concurrierende Gericht. Iustinians Pandecten erwähnen wiederholt (s. Wlassak a. O. I 215) einen iudex. Damit dürfte in keinem der hergehörigen Fragmente der Privatrichter gemeint sein (so nach [1944] Mommsen St.-R. II³ 981, 1. Eisele a. O. 277–279 gegen Wlassak a. O. I 214–220). Vielmehr geht hier jener Ausdruck bald (Ulp. Dig. V 2, 6) auf die selbsturteilende Obrigkeit, deren Name vielleicht von den Compilatoren getilgt ist (s. aber Wlassak a. O. II 63), bald (Ulp. Dig. V 2, 8, 16) auf den vom Beamten bestellten Unterrichter (s. o. Bd. II S. 410f.). Mithin stand wohl bei der Querella neben der Iudication der C. die Cognition des Beamtengerichtes. Zwar wissen wir weder die Entstehungszeit dieses Verfahrens, noch die stadtrömischen Beamten, die es handhabten, zu bestimmen. Wesentlich unterstützt aber wird das, was die Pandecten anscheinend ergeben, durch Val. Max. VII 7, 3. 4, der zwei (anders Jörs R. Rechtswissensch. I 191, 3) vor das Kaisergericht des Augustus gebrachte Querellprocesse anführt. Darnach liegt es nahe, kaiserliche Delegation dieser Gerichtsbarkeit anzunehmen. Auch die Frage wäre zu erwägen, ob das Pflichtteilsrecht seinen Ursprung nicht eher in ausserordentlichen Eingriffen der Beamten hat (vgl. noch Val. Max. VII 7, 5. Leist a. O. I 71–76), als – wie allgemein gelehrt wird – in der Praxis der Hasta. Nur die Durchbildung im einzelnen wird man wesentlich den C. zuschreiben dürfen. Übrigens mögen ihre Sprüche starke Schwankungen gezeigt haben; denn unfertig ist noch das Querellrecht der letzten Klassiker, und Ulp. Dig. V 2, 1 bekundet deutlich, dass selbst der Kreis der Pflichtteilsberechtigten erst seit kurzem feststeht. Immerhin wird das hohe Ansehen, dessen sich die C. erfreuten (s. Tac. a. O. Iust. Cod. III 31, 12 pr.), hauptsächlich aus der Iudication über Testamente zu erklären sein: die Zuständigkeit in Querellsachen gab der Hasta eine Art Toten- und Sittengerichtsbarkeit (vgl. Gai. Dig. V 2, 4. Quintil. inst. III 10, 3). Schliesslich sei noch eines erwähnt. Der Inofficiositätsbeschwerde nahe verwandt sind die Feststellungsprocesse (Bekker Aktionen I 285. 281, 19) über Echtheit oder aus anderen Gründen fragliche Gültigkeit der Testamente (falsum, non iure factum, irritum, ruptum testamentum; vgl. besonders Ulp. Dig. V 2, 8, 12. Mod. Dig. V 3, 47). Ob es zulässig war, solche Klagen durch Vermittlung einer Sponsio und Legisactio den C. vorzulegen, darüber ist den Quellen nichts zu entnehmen; Cic. de orat. I 173 eignet sich nicht dazu, den Zweifel zu lösen.
A. In iure. Über das Verfahren in iure, das der Centumviralverhandlung vorhergehen muss, vgl. o. Bd. I S. 303–305 und die Art. Legis actio, Sacramentum. Hier ist nur hervorzuheben, was zum Verständnis der Eigentümlichkeiten des Centumviralprocesses nötig scheint. Die Streitbefestigung erfolgt unseres Wissens in Sachen, wo die C. angerufen sind, zu allen Zeiten in den Formen der Legisactio mit Sacrament. Allein die wortreichen symbolischen Acte, welche die alte Vindication nach Cic. Mur. 26 und Gai. IV 16 ausmachten, sind trotz Gell. XX 10, 1 durch die iulische Gerichtsordnung von 737= 17 beseitigt (Wlassak Z. Gesch. d. Cognitur 39, 8). Durch dieses Gesetz ist die mindestens in Querellsachen schon früher gebräuchliche Sponsio (ex lege Crepereia[?] auf 125 Sesterzen lautend) für alle [1945] Fälle, wo die C. urteilen sollen, zum wesentlichen und notwendigen Processmittel erhoben, die darauf folgende Legisactio (in personam) mit dem geringen Sacrament von 50 Assen zur decorativen Zuthat geworden (Gai. IV 95. Dernburg Heidelb. Krit. Ztschr. f. ges. Rechtswissensch. I 264–269. Ad. Schmidt Ztschr. f. Rechtsgesch. Rom. Abt. XV 152–154, 2). Unsicher ist es, ob die von der Streitbefestigung ab laufende Frist des pinarischen Gesetzes (Gai. IV 15f.), das älter sein dürfte, als die Hasta, in Centumviralsachen Anwendung fand. Jedenfalls gehört jene Frist dem Recht der Kaiserzeit nicht mehr an, wie auch Gaius a. O. bezeugt. Seit der Lex Iulia mussten sich in dem Augenblick, wo lege agiert wurde, schon alle Beteiligten über die Anrufung der C. geeinigt haben (arg. Gai. IV 31), da die Bestellung eines Iudex jetzt schlechterdings den Gebrauch einer Schriftformel voraussetzte. Ob um deswillen die Legisactio und die förmliche Einsetzung des Gerichts den Platz tauschten, das mag unentschieden bleiben. Unabweislich war die Änderung nicht. Wichtiger ist es, deutlichere Vorstellungen zu gewinnen über die Art, wie die Auswahl des Spruchgerichtes stattfand. Dabei ist die querella inofficiosi auszuscheiden, weil bei ihr vermutlich schon durch die Anrufung des einen oder anderen Beamten und die Annahme der Sache die Frage erledigt war, wer das Urteil zu sprechen hat. Wie aber ist das Verfahren zu denken, wenn z. B. eine Erbrechtsvindication vor dem Stadtpraetor verhandelt wird? Keinem Zweifel unterliegt die Befugnis des Beamten, den Parteien gegenüber wie den Privatrichter so die Iudication der C. zu gewähren (dare), zuzulassen (anders Jörs Röm. Rechtswissensch. I 183, 4; wegen der Intercession gegen diesen Beschluss s. Kipp oben Bd. II S. 195). Ebenso sicher möchte der praetorische Bescheid sein an das erwählte Gericht, gleichviel welches es sei, des Inhalts, sich der Iudication zu unterziehen (s. Wlassak R. Processges. II 56, 10). Bis zur Kaiserzeit haben die C. Vorsteher, die dem Stadtpraetor untergeordnet sind. Als die Leitung einem Beamten gleicher Gewalt, dem Hastarpraetor, zufiel, wird die daraus erwachsene Schwierigkeit wohl durch das Gründungsgesetz der neuen Magistratur beseitigt sein. Wer aber schlägt das Gericht vor, das judicieren soll? Auch ohne Zeugnis darf die Antwort lauten: die Parteien. Fraglich nur, ob der Praetor verpflichtet war, das Hastagericht zuzulassen, wenn es beide, oder gar, wenn es blos eine Partei erwählt hatte. Sind die C. eingesetzt, um für wichtige Sachen ein Gericht zu haben, von dem man ein gerechtes Urteil mit grösserer Zuversicht erwarten durfte als vom Iudex, so spricht die Wahrscheinlichkeit für jene Verpflichtung des Magistrats. Thatsächlich wird der letztere, auch wenn ihm ein Gebot die Hände band und das Gesetz nicht im Laufe der Zeit die Kraft verlor, immer massgebenden Einfluss geübt und dafür gesorgt haben, dass die Bedeutung des Rechtshandels in einem angemessenen Verhältnis stehe zu dem Aufgebot von Richtern und zu den Kosten (vgl. Paul. Dig. XXXIV 3, 30), die der Centumviralprocess mit sich brachte. Zuletzt ist noch zu erwägen, ob das vom Praetor angeordnete Centumviralgericht von beiden Parteien angenommen [1946] werden musste, ob also der Widerspruch des einen Litiganten den beabsichtigten Process verhinderte (vgl. darüber Defensio im Civilprocess)? Aus der Natur der Hasta (o. S. 1936, vgl. 1950) liesse sich leicht die verneinende Antwort ableiten, da sie als reines Staatsgericht den quaestiones publicae nahesteht, und eine Unterwerfung unter ihre Iudication keinesfalls wie beim Privatgeschworenen die Bedeutung haben kann, ihr Richtermacht erst beizulegen. Andrerseits ist bei der Gemeinsamkeit der Litiscontestatio ein so wesentlicher Unterschied zwischen den zur Wahl gestellten Processarten wenig wahrscheinlich und eher zu vermuten, dass der Verzicht auf das Privatgericht seinen Ausdruck fand in der erklärten Unterwerfung unter die Hasta. Den Entscheid giebt Plin. ep. V 1, 6. 10, der dem Recht seiner Zeit, welches wohl auf einer neuen Vorschrift der Lex Iulia beruhte, zweimal ein subscribere centumvirale iudicium cum ⟨adversario⟩ zuschreibt. Für diese subscriptio liegt keine andere Deutung (s. die Litteratur bei Hruza Über das lege, agere pro tutela 57, 10) so nahe, als die auf die Erklärung der Parteien, dass ihnen die Hasta als Spruchgericht genehm sei. Nicht zu verwechseln ist das plinianische subscribere mit dem gleichnamigen Act im Strafprocess. Jenes ist zweiseitig (Plin. cum ceteris ... mecum subscripsit; insoweit richtig Hartmann-Ubbelohde a. O. I 439–441 in einer sonst widerspruchsvollen Darstellung), dieser dagegen einseitig: der Ankläger subscribiert in oder adversus reum (Cic. p. Cluent. 127. 131. Macer Dig. XLVIII 2, 8). Auf welches Schriftstück die Parteien im Centumviralprocess die subscriptio setzten (vgl. im allgemeinen Bruns Abh. Akad. Berl. 1876, 41–138 = Kl. Schriften II 37–118), das steht dahin. Man könnte etwa an die kaum entbehrliche amtliche Aufzeichnung der Sponsio und Legisactio denken, wovon vielleicht der Stadtpraetor dem Vorstand der C. zugleich mit der Iudicationsanweisung eine Abschrift zusandte; doch ist anderes ebensogut möglich. Nicht minder unbekannt ist die Einrichtung, an deren Stelle seit der Lex Iulia die subscriptio treten mochte.
B. Vor den Centumvirn. Der Vorbereitung und Begründung des Processes in iure folgt als zweiter Abschnitt des Verfahrens die Verhandlung und Beweisaufnahme vor dem Spruchgericht. Das erste ist (wenn es keine ständigen Kammern gab) die Beschaffung des judicierenden Consiliums durch den vorsitzenden Beamten unter Mitwirkung der Parteien; s. o. S. 1937f. Die letzteren hatten sicher, indem sie schlechtweg das Centumviralgericht subscribierten, zugleich die weiterhin zu bildende Kammer angenommen, nur mit dem Vorbehalt der gesetzlich geordneten Ablehnung einzelner Personen. Darnach bedurfte es keiner nochmaligen Einlassungserklärung; der Widerspruch eines Litiganten wäre nun wirkungslos gewesen. Gewiss hätte auch das unentschuldigte Ausbleiben einer Partei den Fortgang des Processes nicht mehr gehindert; man behauptet sogar allgemein nach Plin. ep. I 18, 6 – schwerlich mit Recht –, dass selbst aus guten Gründen eine Verschiebung des einmal angesetzten Centumviraltermins nicht zu erreichen war. Indes weiss doch gerade Plin. ep. V 9 [21], 2–5 von einer [1947] Verlegung zu erzählen; allerdings erfolgte diese von Amtswegen und im öffentlichen Interesse. Genaueres ist übrigens über die Folgen der Abwesenheit einer Partei nicht zu ermitteln; nur so viel steht fest (Ulp. Dig. V 2, 8, 14), dass der ausbleibende Beklagte verurteilt werden konnte. An die Zusammenstellung des Consiliums schloss sich die Beeidigung der berufenen Richter an (anders Bethmann-Hollweg Civilprocess d. gem. Rechts I 60). Verdient auch Phaedr. III 10, 40 als Zeuge hiefür kein Vertrauen (s. o. S. 1940), so unterliegt doch die von ihm angedeutete Thatsache keinem Zweifel; vgl. Iustinian. Cod. III 1, 14 pr. Über die Verhandlungen und die Beweisführung vor den C. sind wir weit weniger unterrichtet als über das Verfahren vor den Privatrichtern. Was von dem einen gilt, darf man nicht ohne weiteres als beiden Processen gemeinsam ansehen. Die C. stehen, wenigstens in der Kaiserzeit, unter der Leitung eines mit vollem Befehls- und Zwangsrecht ausgerüsteten Beamten, und den Decemvirn sind scribae nebst einer Decurie von Viatoren zugeteilt (Belege bei Mommsen St.-R. I³ 345, 3f., vgl. 352. 362. II³ 606, 3); dagegen entbehrt der Privatrichter aller obrigkeitlichen Gewalt. Wenn z. B. nach Paul. sent. V 16, 2 die centumviri, d. h. mit ihrer Zustimmung der Vorsitzende, Erbschaftssclaven nötigenfalls foltern darf, so war die Wirksamkeit dieser Verfügung völlig gesichert, während der Privatrichter, wo dieselbe Anordnung ausnahmsweise statthaft ist (nach einem Kaisererlass, Ulp. Dig. XXVII 3,1, 3), ihr schwerlich anders Nachdruck geben konnte als durch Vermittlung des Praetors, unter dessen Autorität er bestellt war. Einzelheiten, von denen wir Kunde haben, sind folgende. Vor der Hasta wie vor allen Gerichten wird mündlich verhandelt. Dass Aufzeichnungen vorkamen, darf man vermuten: die scribae der Decemvirn weisen darauf hin. Den Parteien stehen in aller Regel redegewandte Sachwalter (patroni, advocati) zur Seite. Obwohl sich kein gesetzlicher Zwang nachweisen lässt, solche Beistände anzunehmen, mochten sie kaum jemals fehlen, am wenigsten im Streit über Inofficiosität von Testamenten, wo es galt, das moralische Urteil der Richter über die Persönlichkeit der Parteien zu beeinflussen. Gerade dieser Umstand sowie die Aussicht auf zahlreiche Zuhörer, die angelockt wurden durch die Eigenart der Rechtshändel, durch die Grösse und das Ansehen des Gerichtes, musste den Centumviralprocess in der Schätzung der Redner weit emporheben über den schlichteren Privatprocess (vgl. Cic. orat. 71f. Quintil. inst. IV 2, 61. VIII 3, 14. Plin. ep. VI 33, 2. 9; dazu aber Plin. ep. II 14, 1). Darnach kann es nicht befremden, wenn andrerseits die C., gleich den Richtern in Capitalsachen, von den Anwälten sorgfältig gearbeitete Reden beanspruchten, und Quintilian (inst. IV 1, 57) davor warnt, sie durch schlechte Darbietungen in üble Laune zu versetzen. Auch das galt für verträglich mit dem Ernst der Rechtspflege, dass die Richter der Hasta nach einer wohlgelungenen Rede sich erhoben, um ihrem Beifall Ausdruck zu geben (Plin. ep. IX 23, 1). Die Einführung einer bezahlten Claque schildert der jüngere Plinius (ep. II 14) als einen erst neuerdings eingerissenen Unfug. Wie er weiter [1948] behauptet, seien jetzt unter den Anwälten, die vor der Hasta plaidieren, viele junge Anfänger, namenlose und doch dreiste Leute, während die Centumviralpraxis in der guten alten Zeit selbst Männern vornehmster Herkunft nur durch die Empfehlung eines Consulars zugänglich wurde. Darf man Plinius beim Worte nehmen – was nicht ohne Bedenken ist – so wäre an eine Liste der beim Centumviralgericht zugelassenen Sachwalter zu denken (vgl. Hruza a. O. 58). Der Hastarpraetor hätte nicht blos in Anlehnung an die Edicte, welche die Postulation in iure beschränken, aus feststehenden Gründen gewisse Personen ausgeschlossen, er hätte vielmehr nach freiestem Ermessen über die Zulassung entschieden; nur wäre zur Zeit des Plinius die frühere Strenge bei der Annahme ins Gegenteil umgeschlagen. Eine Übertreibung enthält jedenfalls die im selben Briefe mitgeteilte Äusserung des Atilius (Crescens, o. Bd. II S. 2082 Nr. 38): sic in foro pueros a centumviralibus causis auspicari ut ab Homero in scholis (vgl. Sen. contr. IX 5, 15). Für das Auftreten in den Quaestionen und im Senate mochte immerhin das Plaidieren vor den C. die Vorschule bilden; für die Thätigkeit in den Privatgerichten aber sollte das nämliche schwerlich behauptet werden. Unter den Kaisern ist den Vorträgen der Gerichtsredner ein bestimmtes Zeitmass gesetzt; im Centumviralgericht kann dies durch die öfter erwähnte Lex Iulia zur Geltung gekommen sein (vgl. Tac. dial. 38. Plin. ep. I 23, 2. VI 2, 5–8). Aus der bekannten Erzählung von dem Missgeschick des Rhetors C. Albucius Silus (Sen. contr. VII praef. 6f. Quintil. inst. IX 2, 95. Suet. rhet. 6; o. Bd. I S. 1331) ersehen wir die Verwendung des richterlich angeordneten Eides als Beweismittel vor der Hasta (Demelius a. O. 92. 104, 5. 113f.). Seneca und Sueton lassen die C. selbst die Ausschwörung des Eides verfügen, wie Paul. a. O. die Folterung. Demnach war der praesidierende Beamte wenigstens bei wichtigeren processleitenden Verfügungen an die Zustimmung der Spruchrichter gebunden. Wenn Quintilian die Eidesverfügung einem iudex zuschreibt, so verzichtet er entweder in seinem Bericht auf Genauigkeit im Detail oder er nennt so den Vorsitzenden (man denke an den iudex quaestionis und vgl. L. rep. Z. 19 CIL I 198), der ja gewiss der Form nach als Verkündiger des von den C. gefassten Beschlusses der Anordnende war. Über die Abstimmung in Gerichtscollegien zum Zweck der Bildung des Urteils handeln mehrere Fragmente der iustinianischen Pandekten: XLII 1, 36–38. XL 1, 24 pr., die man allgemein auf Recuperatoren bezieht, was jedoch keineswegs bei allen feststeht. Marcellus im frg. 37 (s. Lenel Pal. I 592) hat wahrscheinlich die C. im Auge, und die Lex Iunia Petronia vom J. 772 = 19 n. Chr. (frg. 24 cit.) betrifft sicher auch den Freiheitsprocess vor der Hasta. Übrigens galten vermutlich für die Recuperatoren und die Centumviralkammern im wesentlichen dieselben Grundsätze. Anwesenheit aller zum Spruch Berufenen ist zur Gültigkeit des Urteils erforderlich wie genügend; es kann zu stande kommen trotz des non liquet eines oder mehrerer Richter. Die Mehrheit der Stimmen entscheidet; sind sie gleich geteilt, so ist zu Gunsten des Beklagten zu sprechen [1949] (unhaltbar Bethmann-Hollweg Civilpr. II 58), nur in der liberalis causa nach dem iunischen Gesetze immer zu Gunsten der Freiheit. Das vom Vorsitzenden verkündigte Urteil, das blos feststellt, niemals condemniert, geht von jeher ausdrücklich auf den eigentlichen Streitpunkt ein (arg. Gai. IV 166. Minic. Dig. XL 12, 30. Marcell. Dig. V 2, 10 pr.). Unbegründet ist die verbreitete Meinung (z. B. Karlowa Röm. Rechtsgesch. II 440), dass die Sentenz die Entscheidung der Hauptsache nur erraten liess, indem sie das Sacrament der einen Partei für rechtmässig, das der anderen für unrechtmässig erklärt (s. Artikel Sacramentum). Allerdings erging ein besonderer Spruch auch über diesen Nebenpunkt und, wo sponsione agiert war, vorher noch über Gewinn oder Verlust der Wette. Keinem Zweifel unterliegt die volle, legitime Geltung des centumviralen Urteils (Wlassak a. O. II 201f.); nur im Freiheitsprocess entbehrt es unter Umständen überhaupt der Rechtskraft (Bethmann-Hollweg a. O. II 337). Um so schwieriger ist es, Klarheit zu erlangen über das mindestens nach voriulischer Ordnung zuweilen erforderliche, der Sentenz nachfolgende arbitrium litis aestimandae (o. Bd. I S. 688f. II S. 410). Gehörte es mit zur Aufgabe der C., etwa derselben ganzen Kammer, die judiciert hatte, oder einer kleineren Abteilung? Analogieschlüsse vom Repetundenprocess her sind kaum statthaft; die Zwölftafeln (XII 4. Fest. p. 376) berufen Privatrichter zur ,Schätzung‘; dessen ungeachtet könnte bei der Jahrhunderte späteren Errichtung der Hasta dieser auch die Aestimation übertragen sein; aus Plin. ep. VI 33, 9 endlich ist selbst für die Kaiserzeit keine sichere Entscheidung zu gewinnen. Von den neueren Gelehrten wird das arbitrium litis aestimandae den C. meist abgesprochen (M. Voigt Das ius naturale III 707. Lammfromm Z. Gesch. der Erbschaftsklage 6, 2) und wohl mit Recht: Keller (Civilpr.⁶ § 16, 225) lässt die Frage offen. Für die Zulässigkeit der reformatorischen Appellation (o. Bd. II S. 196ff.) gegen die Urteile der C. giebt es keinen Beleg. Der nach Stat. silv. I 4, 23–25 angenommene Fall einer Appellation an den praefectus urbi dürfte durch O. Hirschfelds Vorschlag, statt centum ,certum‘ zu lesen (Wiener Studien III 273) beseitigt sein, und Suet. Domit. 8 (vgl. Vesp. 10) ist von ausserordentlicher Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu verstehen (Bethmann-Hollweg a. O. II 58, 32. Mommsen St.-R. II³ 981, 1). Trotzdem wird überwiegend die Appellabilität der C. gelehrt (o. Bd. II S. 199), nach meinem Ermessen ohne ausreichenden Grund. Im praetorischen und – seit der Lex Iulia – im gesetzlichen Formularprocess kann das zwischen den Parteien begründete Processverhältnis ohne Urteil durch Zeitablauf erlöschen; dagegen findet keine Processverjährung statt, wo die C. als Spruchrichter angenommen sind (Gai. IV 104f. Suet. Vesp. 10. Wlassak a. O. I 54–56. II 28f.).
Die jüngsten sicheren Zeugnisse für das Bestehen des Centumviralgerichts finden sich in den Schriften von Ulpian (ad edict. Dig. V 2, 8, 14) und Paulus (quaest. Dig. V 2, 17, pr. XXXIV 3, 30), die nach 211 n. Chr. veröffentlicht sind. Bis in den Anfang des 3. Jhdts. [1950] reichen auch die Belege für den Decemvirat (Mommsen St.-R. II³ 594, 1; vgl. 608, 3). Andrerseits kennt die iustinianische Gerichtsverfassung die C. nicht. Dies steht fest, auch wenn es im Cod. Iust. III 31, 12 pr. nicht besonders gesagt sein sollte. Sind die C. aus der allgemeinen Liste der gesetzlich Judicierenden genommen (o. S. 1937), so empfiehlt sich die Annahme, dass die Hasta zugleich mit den anderen ,Schwurgerichten‘ in der grossen Krise nach Severus Alexanders Tod (235 n. Chr.) untergegangen ist, als die Aufstellung des Richterverzeichnisses durch den Kaiser aufhörte. Erwähnungen der C. aus späterer Zeit fallen dagegen nicht ins Gewicht, weder Hieronym. epist. 50, 2 (ad Domnionem) aus dem letzten Decennium des 4. Jhdts., noch der westgothische Paulus (sent. V 16, 2) aus dem J. 506 (vgl. noch Syr.-röm. Rechtsbuch L. § 57. Bruns-Sachau S. 18. 225). Klar ist es, dass die centumviri in Alarichs Gesetzbuch nicht mehr bedeuten als in Iustinians Pandekten. Ebenso konnte auch der gelehrte Kirchenvater für Rechtssachen, die früher gewöhnlich vor die Hasta kamen, den Ausdruck centumvirales causae gebrauchen. Übrigens ist der überlieferte Hieronymustext an der in Betracht kommenden Stelle sehr verdächtig. Wer den ganzen Brief liest, wird schwerlich anders urteilen. Schon Vallarsi (Hier. Opp. I p. 237, Venedig 1766) macht aufmerksam auf einen Fehler, den er in dem Worte hereditariae sucht. So dürfte es ratsam sein, auf die Hieronymusstelle keine Schlüsse zu bauen.
Die Hasta wird von namhaften Forschern (von Keller, Bethmann-Hollweg u. a.) als ,Volksgericht‘ bezeichnet. Was soll und was kann dies bedeuten? Huschke behauptet, neuestens unter Zustimmung von Schulin (Geschichte d. Röm. Rechts 506. 509), dass die ursprünglich auch in Civilsachen richtende Volksversammlung später durch die C. ersetzt sei. Diese Vermutung bedarf wohl keiner Widerlegung. Weiter aber schliesst man aus der Art, wie die Richterliste nach Fest. ep. 54 zu stande kam, auf eine Repräsentation der ,Tribusversammlung‘ oder des ,Volkes‘ durch die C. Allein der uns heute so naheliegende Vertretungsgedanke ist keineswegs selbstverständlich; als erwiesen könnte er nur gelten, wenn er durch die Überlieferung besonders unterstützt wäre. Im ,Abriss des römischen Staatsrechts‘ (249; vgl. St.-R. II³ 231, 2) erklärt sich jetzt Mommsen geneigt, für die Wahl der C. durch die einzelnen Tribus zu stimmen. Diese Ansicht ist schon oben (S. 1936) zurückgewiesen. Dass für sie aus dem Namen centumviri kein genügendes Argument zu gewinnen ist, zeigt die Lex repet. Z. 18. 21 CIL I 198 (eos in Z. 18 ist durch eis in Z. 21 bestätigt, daher nicht zu tilgen). Darnach wird man von einem ,Volksgericht‘ der Hundert wohl nur sprechen können im Gegensatz zum Privatgericht, insofern die C., wie die Quaestionen, vom Staat allein zur Iudication bestellt sind. Klarer würde dies ausgedrückt durch das Wort ,Staatsgericht‘. Übrigens erscheint die Hasta ihrer ursprünglichen Besetzung nach allerdings als eine ,populäre‘ Einrichtung. Mit Recht betont Jobbé-Duval den Umstand, dass das Gründungsgesetz allem Anschein nach zum Geschworenendienst auch nichtsenatorische [1951] Bürger beruft, während bis auf C. Gracchus in den Privatgerichten die Senatoren überwogen (vgl. aber Wlassak a. O. II 196, 16. 216, 68). Wie in der grösseren Zahl der Spruchrichter, so mochte der Stifter auch in der Bildung der Centumviralliste aus der Gesamtheit der (vermögenden) Bürgerschaft eine höhere Gewähr erblicken für den Schutz derjenigen Rechte, durch die das bürgerliche Dasein hauptsächlich bedingt ist (vgl. Puchta Institutionen10 I § 153 a. E. Jhering Geist³ I § 15, 115). In letzterer Beziehung musste freilich die Hasta ihre Eigenart einbüssen, als die Geschworenenstellen in allen Gerichten Gemeingut der oberen Bürgerklassen wurden, im übrigen aber ist sie eine Anomalie in der römischen Gerichtsverfassung geblieben vom Anfang bis zum Ende. Unseres Wissens lässt sich das Spruchgericht der Hundert weder anknüpfen an Einrichtungen der frühen Republik – falls nicht eine der Quaestionen älter sein sollte –, noch hat der Gedanke des Collegialgerichts für Civilsachen unter magistratischer Leitung zum zweitenmal auf römischem Boden Wurzel gefasst. Die Entwicklung führt ohne Mittelglieder vom privaten zum reinen Beamtengericht; die C. stehen allezeit abseits und erlangen auch auf beschränktem Gebiet nirgends die Alleinherrschaft. So legt sich die Frage nahe, die zur Zeit kaum zu beantworten ist: ob etwa ein fremdländisches Vorbild eingewirkt hat bei der Stiftung und Gestaltung des Centumviralgerichts.
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