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RE:Daphnis 1

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Sikelischer Hirt, 'Erfinder' d. Bukolik
Band IV,2 (1901) S. 21412146
Daphnis (Sohn des Hermes) in der Wikipedia
GND: 118975021
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Daphnis. 1) Nach der gewöhnlichen Annahme sikelischer Hirt, ,Erfinder‘ der Bukolik. Litteratur: Welcker Kl. Schriften I 188–202 (grundlegend in der Analyse der Sagenformen). K. Fr. Hermann De Daphnide Theocriti, Göttingen 1853 (Festschr. z. Rectoratswechsel, wirft das von Welcker Geschiedene wieder zusammen und fördert nur in Einzelheiten). Klausen Aeneas u. die Penaten I 518–534 (ausführliche Zusammenstellung und Beurteilung der Zeugnisse, aber in einer wunderlichen Theologie befangen). Reitzenstein Epigramm u. Skolion (Giessen 1893) 197–202. 243–263 (geistreiche, aber von einer falschen Grundanschauung ausgehende Combinationen), dagegen u. a. Legrand Étude sur Théocrite (Paris 1898) 144ff. Helm Philol. LVIII 11 1ff. (nicht überzeugend). Wendel De nominibus bucolicis (Lpz. 1900) 23f. 35ff.; Stellensammlung bei Stoll in Roschers Lex. I 955–961.

Die älteste Form der Sage lässt sich nur durch Combinationen erschliessen und bleibt in allen Einzelheiten völlig unklar. Wir finden D. auf Euboia gepaart mit dem später bei den Bukolikern allmählich zu einem schattenhaften Figuranten herabgesunkenen Menalkas; beide Gestalten der Volkspoesie, für uns nur durch die leider sehr kurzen Notizen aus Hermesianax ([Leontion] frg. 2 = Schol. Theokr. VIII 53 = Argum. Theokr. IX) einigermassen kenntlich (unrichtig Rohde Rom.² 83, 1). D. ist hier der Geliebte des Chalkidiers Menalkas. Nach dem Liede des Tityros-Alexandros bei Theokr. VII 73ff. (vgl. den Artikel Bukolik Bd. III S. 1003) beklagen die Eichen am Flusse Himeras den um die Liebe zu Xenea dahinschmachtenden D.; das setzt also Localisierung der Sage an der Nordküste Siciliens voraus. Himera ist eine Colonie des chalkidischen Zankle, bei der Gründung nahmen zahlreiche Chalkidier (doch wohl aus der Heimat) neben verbannten Syrakusanern teil (Thukyd. VI 5); die Sprache war ein Mischdialekt zwischen Ionisch und Dorisch, dagegen überwogen die chalkidischen Gesetze und Einrichtungen. Stesichoros von Himera aber hat zuerst den D. besungen (Aelian. v. h. X 18); da liegt der Schluss nahe, dass diese Gestalt aus der einheimischen Sage von ihm entnommen und dass in den leider allzu kurzen Andeutungen Theokrits noch ein Nachhall seiner Dichtung zu erkennen ist (den Fluss Himeras erwähnte Stesichoros [frg. 65]). Dass Tityros-Alexandros auch sonst dem Stesichoros gefolgt ist, lehren Frg. 2 und 3 Mein.; vgl. Bukolik. In dem Verse ὥς ποκα τᾶς Ξενέας ἠράσσατο Δάφνις ὁ βούτας ist der Beginn eines neuen Liebesverhältnisses ausgesprochen (K. Fr. Hermann p. 5); diese unglückliche Liebe aber setzt, wie Welcker [2142] treffend bemerkt (S. 195), ein vorhergehendes Verhältnis voraus, worin D. den Eros hartnäckig zurückgewiesen hatte. Ergänzend tritt der Bericht des Klearchos (FHG II 315 ἐν πρώτῳ Ἐρωτικῶν, Athen. XIV 619 c) ein: Eriphanis ἡ μελοποιός, in unglücklicher Liebe zum spröden Jäger Menalkas entbrannt und von Menschen und Tieren bemitleidet, irrt in den Bergwäldern umher, indem sie ihr Leid im Liede [μακραὶ δρύες, ὦ Μενάλκα) klagt; der chalkidische Menalkas stürzt sich, da er die Liebe der Kenaierin Euippe nicht gewinnen kann, vom Felsen hinab (Hermesianax frg. 3). Beides schliesst sich eng aneinander; der Bericht des Hermesianax ist die Fortsetzung Klearchs und ergänzt die bei diesem fehlende Localangabe. Aus dieser vervollständigten Geschichte dürfen wir nun wohl einen Rückschluss auf das der Liebe des D. zu Xenea vorherliegende Verhältnis bei Theokrit wagen, natürlich ohne Gewähr für die Gestaltung im einzelnen. Wie die Klage der wilden Tiere um die unglückliche Eriphanis in der Klage der unbelebten Natur um den dahinschmachtenden D. wiederklingt – ein genau entsprechender Zug findet sich in dem ersten Idyll Theokrits (s. u.) – so hat vielleicht Ähnliches auch in dem stesichoreischen Gedichte gestanden. Nymphodoros (Schol. Theokr. I 65. Aelian. de nat. an. XI 13) wusste in den ,Wundern Siciliens‘ von dem Grabe der fünf Hunde des D. zu erzählen, deren Namen auf dem Denkmal zu lesen waren: unter lautem Geheul seien sie dem Leichnam ihres Herrn gefolgt und freiwillig aus dem Leben geschieden; leider fehlt die Localangabe. Welcker 190, offenbar in Erinnerung an die von Stesichoros behandelte Aktaionsage (frg. 68, vgl. frg. adesp. 69, Bergk PLG III 699), will die Namen der fünf Hunde auf Stesichoros zurückführen, was natürlich ganz unsicher ist. Dagegen klingt diese ältere Version wohl in dem ovidischen Distichon (ars am. I 731): pallidus in Side silvis errabat Orion, pallidus in lenta naide Daphnis erat noch wieder; Nonnus (Dion. XV 307) fügt (doch wohl nach älterer Überlieferung) den Zug hinzu, dass das Mädchen vor dem Liede des D. fliehend sich in den unzugänglichen Bergschluchten verbirgt.

Von dieser nur wenig erkennbaren Fassung der Sage an der Nordküste Siciliens ist die durch Timaios (bei Parthen. erot. 29 und Diod. IV 84. Geffcken Timaios Geogr. d. Westens, Philol. Unters. XIII 118) verbreitete, seit Welcker mit der ersteren zusammengeworfene Version zu scheiden; die genaue Localangabe verdanken wir einer glänzenden Verbesserung Useners (Rh. Mus. XXXIV 434, 4) im Schol. Theokr. VII 79 τοῦτον (D.) γὰρ ἡ μήτηρ ἐξέθηκε τὸν πατέρα ἄνακτα εὐλαβουμένη, εἰδυῖα ὅτι οὐ πείσει ὑπὸ τοῦ Χρύσου (Χρυσοῦ) überl., corr. Usener, seit Lennep wird Ἑρμοῦ gelesen) διακορηθῆναι λέγουσα; das ist der Gott des durch die Feldmark von Assoros strömenden Flusses, der einen prächtigen von Verres ausgeplünderten Tempel auf dem Wege von Assoros nach Henna besass (Cic. in Verr. IV 96) und dessen Bild die Assoriner auf ihren Münzen führten (Head HN 111). Wir werden also in dieser Gegend das Local der Sage zu suchen haben; dazu stimmt gut, dass nach Timaios (bei Diod.) D. in den heraeischen Bergen zur Welt kam, die [2143] sich ,von der nebrodisch-maronischen Hauptkette in südöstlicher Richtung abzweigen und nach mächtiger Abzweigung schliesslich in das flache und niedrige Gelände von Südost-Sicilien übergehen‘ (Freeman-Lupus Geschichte Siciliens I 59). Auch der ,Hirte vom Aetna‘, wie D. bei Timaios und Theokr. I heisst, findet nach dieser Localsage hinreichende Erklärung. Sie hilft ferner ein wohlbegründetes Bedenken Welckers 192 beseitigen: aus der Ehe zwischen Hermes und einer Nymphe (Diod. Ael. v. h. X 18. Philargyr. Verg. Ecl. V 20) würde nicht ein Hirt, sondern irgend ein Daemon hervorgegangen sein. Darum wird man die Königstochter (und auch den Flussgott Chrysas) als das Ursprüngliche ansetzen müssen, zumal da die Nachrichten über Hermes Verhältnis zu D. schwanken (οἱ μὲν ἐρώμενον Ἑρμοῦ, οἱ δὲ υἱόν Aelian); noch Theokrit lässt den Gott nur als Freund des ersten der Hirten in seiner Sterbestunde erscheinen, I 77, wie schon der Schol. z. d. St. richtig bemerkt. Aus Scham hat die Mutter den Neugeborenen im Lorbeergebüsch ausgesetzt (Aelian Schol. Verg. Ecl. V 20), Hirten finden ihn und geben ihm deswegen den Namen D. Er wächst, von Nymphen auferzogen (Diod.), zum schönen blühenden Jüngling heran, den Pan in der Musik unterweist (Schol. Verg.). Am Aetna, fern vom Gewühl der Welt (Parthen.), weidet er im Sommer und Winter seine Herden, erfindet das bukolische Lied (vgl. Diomed. G. L. III 487. Sacerdos ebd. VI 506 K.) und erfreut damit seine Jagdgefährtin Artemis (Diod.). Alle Nymphen verlieben sich in ihn, endlich fesselt ihn eine (Echenais .Haltenix‘ Parthen., Lyca Philargyr. zu Verg. Ecl. V 20) und schenkt ihm ihre Gunst; sie nimmt ihm den Schwur ab, keinem Weibe zu nahen, und droht ihm, wenn er ihn bricht, mit dem Verlust seiner Augen (Parthen. Diod. Aelian. Schol. und Philargyr. Schol. Theokr. VIII 93, stark gekürzt, aber aus derselben Überlieferung, wie das Citat aus Sositheos zeigt, der Schol. Verg. Ecl. VIII 68 benützt ist). Lange Zeit hält er ihr die Treue (καίπερ οὐκ ὀλίγων ἐπιμαινομένων αὐτῷ Parthen.); als er aber einmal seinen (verirrten?) Rindern nachgeht, kommt er zur Königsburg und wird von der Königstochter mit süssem Wein berauscht und verführt (vgl. ausser den Angeführten noch Schol. Theokr. I 85). Im einzelnen mag diese Sagengestalt, welche wir als die Vulgata bezeichnen dürfen, mannigfach variiert gewesen sein; die Hauptsache steht fest, ,dass der Göttinnen Gunst streng bindet und dass ein einziger schuldiger Augenblick den Sterblichen aus seinem Himmel zurückwerfen kann‘ (Welcker 192). Das geht durch die Poesie aller Völker und Zeiten hindurch: von dem alten Lampsakener Charon (Schol. Apollon. II 477 = Schol. Theokr. III 13) bis auf H. Seidel (,Waldfräulein Hechta‘ Ges. Werke IX 209ff.). Wie beliebt diese Sagenform gewesen ist, zeigen die verschiedenen Angaben über das Lebensende des D.: blind in der Irre umherschweifend stürzt er vom Felsen (Schol. Theokr. VIII 93), oder er tröstet sich in seinem Leid mit der Musenkunst nec tamen diu vixit (Philargyr., vgl. Aelian und besonders Parthen. [Vergleich mit Thamyras]) oder endlich sein Vater Hermes hebt ihn auf sein Flehen zum Himmel empor (danach Verg. Ecl. V 43ff.) und [2144] lässt auf Erden eine Quelle, Daphnis genannt, zurück, an welcher die Sicilier jährlich Opfer darbringen (Schol. Verg. V 20, leider ohne genauere Localangabe). Eine Mittelstellung zwischen diesen beiden Hauptversionen nimmt die Localtradition von Kephaloidion (also wieder an der Nordküste Siciliens, nicht allzuweit von Himera entfernt) ein: die Nymphe Nomia liebt den schönen D., er aber verschmäht sie und verfolgt die Chimaira. Die Zurückgewiesene beraubt ihn im Zorn seiner Augen und verwandelt ihn dann in einen Stein, der in der Nähe der Stadt zu sehen war und die Gestalt eines Menschen zeigte. Die Ähnlichkeit mit der oben erschlossenen himeraeischen Version springt in die Augen, die Blendung stammt aus der Vulgata – sie ist eigentlich überflüssig, da die Volkssage offenbar an einen wunderlich gestalteten Felsen anknüpfte. Diese Version hat wahrscheinlich Dosiades (s. d.) in seinem Gegenstück zu dem Liede des Tityros-Alexandros befolgt, indem er in freier Erfindung D. nach Kreta versetzt und ihn durch den Zorn der Nymphe über ihre Nebenbuhlerin in einen Fels verwandeln lässt (Ovid. met. IV 276; eine Ahnung der Sachverhalte noch bei dem Schol. Theokr. VII 73 p. 262 Ahr.), vgl. Reitzenstein 255f. Nichts Näheres wissen wir über die agrigentiner Localsage (Isid. orig. III 20, 6), zumal da der Name des D. an dieser Stelle nur auf Conjectur beruht. Eine besondere Stellung zur Sage nimmt das vielbesprochene erste Idyll Theokrits ein; auch hier hat Welckers intuitiver Scharfblick gegenüber den unsicher tastenden Versuchen der Neueren im wesentlichen das Richtige getroffen. Das Lied von den Leiden des D. ist von dem Dichter einem Ziegenhirten Thyrsis in den Mund gelegt (Θύρσις ὅδ’ ὡξ Αἴτνας 65), der es einst im Wettstreit mit dem Libyer Chromis vorgetragen und den Preis errungen hat (vgl. über diese durchsichtige Fiction den Art. Bukolik); er setzt die Sage als bekannt voraus und ist deshalb für uns in Einzelheiten nicht immer gleich verständlich. D. der Hirt vom Aetna verzehrt sich in unglücklicher Liebe, gegen die er vergeblich ringt (97f.), beklagt von den Tieren des Waldes und seiner Herde, vergeblich getröstet von Hermes, den Hirten und Priapos, auf deren Worte er nichts entgegnet. Erst gegen die über ihn triumphierende Aphrodite findet er die Sprache wieder, heftig fährt er die Verhasste an, nimmt Abschied von der Welt und ruft Pan herbei, damit dieser aus seiner Hand die Syrinx empfange. Dann verstummt er, Kypris will ihn aufrichten, aber sein Los ist erfüllt, der Strom (der Unterwelt, vgl. 130) umrauscht ihn. Entscheidend für die Frage, welche Sagengestalt der Dichter befolgt hat, sind nicht die Verse 102 und 103, aus denen Reitzenstein auf das Prototyp eines sacralen Bakchen geschlossen hat, sondern die Worte des Priapos 82f.: ,Das Mädchen sucht Dich an jedem Quell und in jedem Wald‘ – sie ist also ,als eine bestimmte und bekannte bezeichnet, die dem D. nachgeht, die also von ihm geflohen wurde‘, allerdings nun nicht die ihn zum Manne genommen hatte (Welcker 197), sondern die Nymphe, deren Liebe er einst verschmäht hat. In vermessenem Trotz hat er sich gerühmt, den Eros niederringen zu können (97), jetzt ist er selbst [2145] bezwungen, d. h. er liebt unglücklich eine andere, obwohl er sich gegen die Allgewalt des Gottes mit allen Kräften sträubt; den Namen der beiden anzugeben hat der Dichter für überflüssig befunden, da der Stoff allgemein bekannt war. Mit dieser Einschränkung dürfen Welckers Worte hierhergezogen werden (198): ,Das naive Missverständnis des Priapos unterbricht den Trauerton des Liedes, und es ist diesem Gott vollkommen angemessen, dass er nur das Sinnliche, nicht den Eigensinn der Liebe begreift und mit der Empfindsamkeit des D. im vollkommensten Contrast steht‘. Ist diese Annahme richtig, so haben wir, abgesehen von der Localisierung am Aetna, wieder ein Zurückgreifen auf die älteste Sagengestalt zu constatieren; vielleicht war der Dichter durch das Lied seines Freundes Alexandros von Pleuron unmittelbar beeinflusst, jedenfalls darf das Motiv der gebrochenen Treue, welches in der zweiten Version stets mit der Blendung verbunden auftritt, in die theokriteische Darstellung nicht hineingetragen werden. Pan empfängt die Syrinx, weil er der Lehrer des D. gewesen, das war gegeben (s. o. Schol. Verg. Ecl. V 20); eine Polemik gegen die arkadischen Ansprüche auf die Priorität der Erfindung der Syrinx wird man schwerlich mit Reitzenstein (244ff.) herauslesen dürfen. Wenn hier das Verhältnis des D. zu Pan nur angedeutet ist, so erscheint es ganz deutlich bei Glaukos (Anthol. Pal. IX 341), Meleager (VII 535. XII 128), Diodoros, Zonaras (IX 556, Nachbildung von IV 341), die das erotische Element hervorkehren (daher der Scherz Suet. gramm. 3 Πανὸς ἀγάπημα über Lutatius D.), und auf einer Anzahl bildlicher Gruppen, über die Sauer Excurs IV im Buche Reitzensteins handelt (vgl. noch Amelung Führer durch die Antiken in Florenz 40); IX 338 in einem angeblich theokriteischen Epigramm belauschen Pan und Priapos den schlummernden D. In ganz eigentümlicher Weise ist die D.-Sage von Sositheos (FTG 821 N.²; vgl. Welcker Gr. Trag. III 1252ff. Mannhardt Mythol. Forsch. 1ff.) behandelt worden; er stellte dem guten Hirten D. den Unhold Lityerses gegenüber. Für die Versetzung nach Phrygien kommt bereits Alexandros von Pleuron in Betracht (falls dieser nicht durch Sositheos beeinflusst ist), nach welchem Marsyas von D. die Auletik erlernte (Meineke Anal. Alex. 250). Der Dramatiker griff wieder auf das alte Paar Menalkas und D. zurück, liess in einem Wettstreit zwischen ihnen Pan zu Gunsten des D. entscheiden und diesem die Thaleia (oder Pimpleia [Schol. Verg. Ecl. VIII 68], Θάλεια Πιμπληΐα stand wohl in der Vorlage) zusprechen. Räuber entführen die Geliebte, D. sucht sie in der ganzen Welt und findet sie endlich als Magd bei dem bösen König Lityerses, aus dessen Gewalt er sie nach harten Prüfungen durch die Hülfe des Herakles befreit. Nach dem Tode des Unholds nimmt er den Thron ein. Dieses merkwürdige Stück, wahrscheinlich ein Satyrdrama, hat weiter gewirkt. Der Verfasser der unechten Βουκολιασταί α' (Theokr. VIII) hat es vor Augen (ὡς φαντί v. 2), wenn er die hier (wie in IX Βουκολιασταί β') freilich zu Schemen herabgesunkenen Hirtenjünglinge D. und Menalkas einen dichterischen Wettgesang anstimmen lässt, aus dem D. nach dem Richterspruch eines αἰπόλος [2146] (der also für Pan eintritt) als Sieger hervorgeht. Ziemlich unvermittelt heisst es zum Schluss nach der Erwähnung, dass D. seit der Zeit der erste unter den Hirten gewesen: καὶ νύμφην ἄκρηβος ἐὼν ἔτι Ναΐδα [Ἐχεναΐδα] γῆμεν, das kann Reminiscenz aus der Vulgata sein. Viele Züge der Sositheosfabel kehren, wie Reitzenstein 260, 1 fein bemerkt hat, in dem Hirtenroman des Longus wieder: der Wettstreit des D. mit Dorkon, das verdoppelte Motiv der Entführung des D. (I 28), der Chloe (II 20); der fröhliche Ausgang erinnert an den Schluss des sositheischen Dramas. Daneben erscheinen völlig unmotiviert Züge aus den andern Sagenversionen; die D.-Quelle (IV 4), der Selbstmordversuch, sich vom Felsen zu stürzen (IV 22), so dass man wohl annehmen darf, dem Romanschriftsteller habe eine mit Varianten ausgestattete Quelle, etwa ein mythologisches Handbuch, vorgelegen. Vielleicht ist Longus auch durch die Ὀαριστύς angeregt, deren D. mit dem Helden der Sage allerdings kaum mehr als den Namen gemein hat. Dunkel an diesen erinnern noch der Name seiner Mutter (Νομαία) und der Vater des Mädchens Menalkas. Freie Erdichtung endlich sind Verg. Ecl. V (s. o. und Ribbeck Gesch. d. röm. Dichtung II 18) und Silius XIV 466: Phoibos lauscht, ins Gras gestreckt, den zauberischen Gesängen des D.

Was die Deutung des Namens anlangt, so sind alle Versuche, einen ursprünglichen Gott in ihm wiederzuerkennen, von vornherein abzulehnen. ,Denn menschlich bleibt die Natur des D. immer, wenn er auch den Hirtengott zum Vater hat‘ (Welcker 192; nicht einmal das ist das Ursprüngliche, s. o.). Dem widerspricht nicht, dass ihm zu Ehren nach dem einen Bericht an der gleichnamigen Quelle geopfert wird. Vielmehr ist dies ,Lorbeerkind‘ eine echte Schöpfung der Volkssage, von einer gewaltigen Dichterpersönlichkeit hervorgezogen und im Laufe einer für uns noch unkenntlichen Entwicklung zum Archegeten einer neuen Dichtungsart erhoben.

[Knaack. ]