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RE:Gad

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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syrischer Glücksgott
Band VII,1 (1910) S. 433435
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Gad (גָּד‎) ist der syrische Glücksgott. Über seine Geschichte in voralexandrinischer Zeit wird es genügen, hier zu bemerken, daß eine babylonisch-assyrische Gottheit dieses Namens unbekannt ist, daß aber der Kult von G. schon im Alten Testament ausdrücklich bei Jesaia (65, 11) erwähnt wird. Außerdem erscheint G. in einer Reihe von semitischen zusammengesetzten Orts- und Personennamen bei den Israeliten, Aramäern, Phönikiern und Arabern (am vollständigsten bei Baudissin 329ff.), aber es ist meistens schwer zu entscheiden, ob es sich um theophore Bildungen handelt, oder ob G. in diesen Komposita einfach durch ,Glück‘ zu übersetzen ist. [434]

Der Dienst des G. hat sich wohl erst, parallel mit dem der griechischen Tyche (s. d.), im seleukidischen Reiche unter dem Einfluß der Astrologie entwickelt. Die Gleichsetzung G. = Τύχη ist inschriftlich bezeugt (s. u.). Die zwei Begriffe decken sich zwar nicht genau (Baudissin 333): der Hauptunterschied ist, daß G. männlich, Tyche weiblich ist – obwohl sie merkwürdigerweise in Syrien zuweilen männlich als Agathodaimon dargestellt wird (Clermont-Ganneau Recueil d'archéologie orientale VIII 48). Diese Abstraktion hat tatsächlich kein Geschlecht und wird als neutral aufgefaßt. Sie scheint von dem allgemeinen Begriff Glück erst durch die Astrologie zu einer persönlichen Gottheit erhoben worden zu sein. Gaddē im Plural wird technisch von den zwei günstigen Planeten gebraucht (Payne-Smith Thes. syriac. I 649), und der Zusammenhang der verschiedenen Bedeutungen von G., was man bis jetzt nicht eingesehen hat, läßt sich nur durch die astrologischen Lehren begreifen.

G. ist erstens das durch die Geburtsstunde bestimmte Glück des einzelnen Menschen oder eines Geschlechtes. In der Bilinguis von Palmyra (Mordtmann ZDMG XXXI 100; vgl. Clermont-Ganneau a. a. O. II 1) ist Τύχη Θαιμεῖος = Gad Taïmi, als das Glück des Taïm oder des Geschlechtes Taïm zu erklären. In einer Inschrift von Kanatha wird ,das Geschlecht der Bene-Uitro, das den G. liebt‘, erwähnt (Clermont-Ganneau III 77). Von besonderer Bedeutung und Tragweite war das Glück des Königs, das seinem Volke Heil oder Unheil bringt. Die altpersische Vorstellung des ,Hvareno‘ (Glorie) hat sich hier mit dem chaldäischen Begriffe des göttlichen Herrscherloses verschmolzen (Hoffmann ZDMG XXXII (1878), 742, 1. Cumont Mon. mystères Mithra I 285). In den sassanidischen Ländern wird bei dem ,G. des Königs der Könige‘ (Assemani Acta Mart. orient. I 217. 220) oder bei dem ,G. des Schapur‘ (ebd. 186 = 192) geschworen, ganz wie in den griechischen Städten bei der Τύχη τοῦ βασιλέως Σελεύκονυ (Michel Recueil 19, 61 = Dittenberger Orient. Inscr. 229, 61; vgl. Mon. myst. Mithra a. a. O. Anm. 6). In den syrischen Acta Mamantis (Excerpt. Annal. Bollandiana IX 15, 10) wird die Fortuna Caesaris durch ,Gadeh de Qêsar‘ übersetzt und im Talmud von Jerusalem (Aboda Zara I 4 (39 b) wird von dem ,Gad‘ des Herculius (Maximian) gesprochen (vgl. Is. Lévy Cultes Syriens [Rev. études juives XLIII] 14).

Wie das Geschick der Könige und ihres Staates von der Stunde ihrer Geburt abhängt, so wird auch nach der astrologischen Lehre das Schicksal der einzelnen Städte durch den Zeitpunkt ihrer Gründung bestimmt (Lobeck Aglaophamus 595ff. Bouché Leclercq Astrol. grecque 368), und es wurden die Chaldäer befragt, um den günstigsten Tag zu erfahren (so für Seleukia Appian. Syriac. 58, vgl. Cat. codd. astrol. gr. V p. 1, S. 148, 2). Dementsprechend wurde, wie der G. des Individuums und besonders des Königs, so auch ein G. der Städte in Syrien verehrt, welcher der griechischen Τύχη πόλεως entspricht (Mordtmann ZDMG XXXI [1877] 99. XXXIX [1885] 44ff.). Die allgemeine Verbreitung des Kultes dieser Tyche in Syrien bezeugen Inschriften [435] und Münzen (Bäthgen 77). Die Vermutung von Baudissin (a. a. O. 335), daß sie kaum den G., sondern vielmehr die Atargatis vertritt, scheint mir unannehmbar, aber in späterer Zeit hat eine Verschmelzung der beiden Gottheiten stattgefunden und der Name Atargatis ist sogar als athar gadê = Stelle der G. erklärt worden (vgl. Dea Syria o. Bd. IV S. 2240ff.). Das munizipale Τυχεῖον wird syrisch beth Gadá genannt (so in Samosata, Assemani a. a. O. II 124).

Nun wird die Tyche des Volkes oder der Stadt öfters als ihr δαίμων oder genius betrachtet (z. B. δαίμων Καρχηδονίων Polyb. VII 9, 2f., vgl. genius Carthaginis CIL III 993),[1] und die Römer schwören bei dem genius des Kaisers vielmehr als bei ihrer Fortuna. So hat sich die Bedeutung des G. bald erweitert und verflacht. Schon die Septuaginta (Jesaia 65, 11) gibt גָּד‎ durch τὸ δαιμόνιον wieder. Das Wort wird im allgemeinen in den verschiedenen Bedeutungen von δαίμων gebraucht und bezeichnet besonders den Schutzgeist eines bestimmten Ortes: so wird dem G. einer heiligen Quelle in Palmyra eine Widmung gestiftet (Clermont-Ganneau Recueil II p. 1ff., vgl. jedoch Lévy Rev. archéol. 1900 I 126), und Jakob von Sarug (ZDMG XXIX 138. vgl. 133) nennt beith gadde die Heiligtümer, die auf den hohen Bergen standen und durch die Christen in Kirchen verwandelt worden waren: Gaddē ist hier einfach δαίμονες. Ebenso wird auch das syrische Wort G. durch die Lexikographen erklärt (Payne-Smith Thesaurus I 650).

Über den Kult des G. finden wir eine merkwürdige Nachricht bei einem Schriftsteller des 5. Jhdts., Isaak von Antiochien (ed. Bickell II 210). Es wurden damals noch auf den Dächern zur Ehre des G. Tische mit Speisen hergerichtet. Diesen Gott so zu verehren ist eine alte semitische Sitte, die schon durch Jesaia (65, 11) und sonst mehrfach bezeugt wird (Baudissin 330. 386. Lagrange Etudes sur les relig. sémitiques2 709). Daß diese Lectisternien auf den flachen Dächern stattfanden, ist wohl dadurch zu erklären, daß man dabei die das Glück bestimmenden Gestirne anblicken mußte. Der Gebrauch, auf den Terrassen der Häuser zu opfern, wird auch sonst öfters erwähnt (Strab. XVI 784 c. Epiphan. adv. haeres. LXVI, 3; vgl. Clermont-Ganneau Recueil II 372 IV 338, s. o. Adonis Bd. I S. 385). Literatur: Bäthgen Beiträge zur semit. Religionsgeschichte 1888 p. 76ff. Baudissin Herzog-Haucks Realencycl. f. prot. Theol. VI3 328ff.

[Cumont. ]

Anmerkungen (Wikisource)

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  1. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 993.