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RE:Grillius

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Verfasser einer nur auf Vergil bezogenen Akzentlehre
Band VII,2 (1912) S. 18761879
GND: 102394342
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Grillius, Verfasser einer lediglich auf Vergil bezüglichen Akzentlehre, die Priscian I 47 p. 35, 27. 36, 1f. (Grillius [Gryllius H(alberstadiensis)] ... ad Vergilium de accentibus scribens) zitiert und Joh. Tortellius, ein italienischer Gelehrter des 15. Jhdts., als eine seiner Quellen genannt hat (ex unico Grylli de accentibus ad Vergilium, cuius parva fragmenta comperimus, zitiert von Suringar Hist. crit. scholiastarum lat. II 1834, 230f.; Graefenhan Gesch. d. klass. Philol. IV 1850, 131 hielt G. für einen Lehrer Vergils!). Nach Priscian nannte G. den sog. Spiritus lenis levem, den asper flatilem. Dieser vor Priscian, also wohl vor 500, lebende Grammatiker wird identifiziert (s. Hertz zur Priscianstelle) mit einem gleichnamigen rhetorischen Schriftsteller. Rhetorica Grilli hat Fr. Dionysius de Burgo nach der Vorrede seiner hsl. erhaltenen Expositio in Valerium (nach Endlicher Catal. codd. Lat. bibl. Palat. Vindobonensis 1836, nr. CLXXVII p. 86). Diese Rhetorica wird wohl identisch sein mit den von Halm Rhet. Lat. min. 596–606 publizierten Excerpta ex Grillii commento in primum Ciceronis librum de inventione, erhalten in einem Bambergensis saec. XI, der aber auch nur einen geringen Teil des ganzen Werkes bietet, falls dieses, wie doch anzunehmen, die ganze Ciceroschrift kommentierte, da das Erhaltene nur bis Cic. inv. I 22 reicht; allerdings ist es auch möglich, daß G. sein breit angelegtes Werk überhaupt nicht vollendet hat. Ein Stück davon enthält der nach Halms Urteil (p. XV) ältere Frisingensis nr. 206, jetzt Monacensis lat. nr. 6406, ohne Autornamen; ein Faszikel von 16 Seiten dieses aus verschiedenen Libelli verschiedener Zeit zusammengestellten Codex gibt soviel wie Bambergensis p. 1–29 (für den letzten Teil ist dieser also die alleinige Überlieferung). 45 Zeilen mehr als der Bambergensis enthält am Schluß der von Halm nicht benützte Monacensis 3565 saec. XIV (s. Schepss Rh. Mus. XLVIII 1893, 482ff.). Ein geringer Teil ist auch erhalten im Bruxellensis 5350; der Anfang daraus abgedruckt im Inventaire des Manuscripts de l’ancienne bibl. royale des ducs de Bourgogne p. 107. Den Anfang des G.-Textes setzen mehrere Hss. als Einleitung dem Boethiuskommentar zu Ciceros Topik voran (Schepss a. a. 0). Manitius hat Rh. Mus. XLVII 1892, Ergänz.-Heft S. 109, die Erwähnung von vier Hss. von G.s Rhetorik aus alten Bibliothekskatalogen nachgewiesen, deren eine wahrscheinlich identisch ist mit Halms Bambergensis. [1877] Wegen G.s Geschwätzigkeit und seiner Vorliebe für Abschweifungen hat Halm auch vom Erhaltenen nur ihm wichtig scheinende Abschnitte publiziert, vor allem den letzten über das Exordium, der eine Menge Cicerozitate auch aus nicht erhaltenen Reden enthält, so daß Halm den berechtigten Wunsch aussprach, es möchte von G. ein vollständiges Exemplar gefunden werden. Nur noch eine mittelalterliche Erwähnung des G. im I. Buche Benzonis episcopi Albensis ad Heinricum IV (Pertz Script. rer. Germ. XI 599) hat M. Haupt Herm. I 47f. (= Opusc. III 339f.) nachgewiesen. G. zitiert 598, 18 Quintilian (doch läßt sich seine Anführung in der erhaltenen Institutio nicht nachweisen) und 598, 20 einen Rhetor Eusebius. Diesen hat man mit Wahrscheinlichkeit identifiziert mit dem von Rufinus p. 581, 18 Halm genannten lateinischen Autor de numeris, s. o. Bd. VI S. 1445, 38. Völlig unsicher aber ist die Gleichstellung dieses Eusebius mit dem Praefectus praetorio Italiae vom J. 395 (s. o. Bd. VI S. 1369, 15), die Teuffel-Schwabe Röm. Litt. G. S. 1086, 3 vermutungsweise vorschlug, oder die von Jan Praef. Macrobii I 1848 p. XXX angedeutete mit dem im J. 354 auf Gallus’ Befehl getöteten Rhetor Eusebios Pittakas aus Emesa (nicht Alexandreia, wie Jan angibt; s. o. Bd. VI S. 1445, 37. Seeck Briefe des Libanios 1906, 140, VII); gibt es doch im 4. Jhdt. eine solche Fülle von Trägern des Namens Eusebios (s. Seeck a. a. O. 137ff.), deren noch mehrere als Sophisten oder Rhetoren bezeichnet werden, daß solche Gleichsetzungen reine Willkür bleiben. Größere Wahrscheinlichkeit kann man nur der Annahme beimessen, an der Cybulla De Rufini Antioch. commentariis, Königsberg 1907, 40f. und L. Jeep Philol. LXVII 1908, 16 festhalten, der Eusebius bei G. und Rufinus sei eine Person mit dem Gesprächsteilnehmer in Macrobius’ Saturnalien, der darin mehrfach als berühmter Rhetor genannt wird (sat. I 2, 7. 6, 2. 24, 14. VII 9, 25): von diesem ist intensivere Beschäftigung mit Vergil anzunehmen, erwartet man doch sat. I 24, 14 von ihm einen de oratoria apud Maronem arte tractatus: das paßt zu der Schrift ad Vergilium de accentibus. Ist diese Identifikation richtig, so werden Rufinus und G. ins 5. Jhdt. gehören.

Den Anfang des Grillianischen Kommentars macht ein Abschnitt, betitelt argumentum artis rhetoricae; von einem Vergilvers (Georg. IV 3) ausgehend zeigt er, der Redner müsse im Anfang seiner Rede die entgegenstehenden gravia beseitigen, was an Ciceros Rede de domo sua erläutert wird. Bei dem Versuche, eine Rhetorik zu schreiben, habe Cicero gleichfalls gravia zu überwinden gehabt, nämlich Platons Ansicht (nach dem Gorgias), die Rhetorik sei keine ars, und Aristoteles’, sie sei zwar eine Kunst, aber eine schlechte. Darum gab Aristoteles argumenta et exempla verissima, nicht prooemia, epilogos oder locos communes, weil auf dem Areopag Herolde derartiges Gerede verhinderten (vgl. Aristot. rhet. I 1 p. 1354 a 23). Zu Cic. inv. I 3: Die incommoda der Rhetorik werden statu remotivo (vgl. z. B. Fortunatian. p. 93, 11. Sulp. Vict. p. 347, 14 u. a.) den imperiti homines zugeschoben, die keine wirklichen Redner sind: virtus autem doctrina dicitur, quae virtus in homine non nascitur, sed discendo [1878] adquiritur; das wird durch die Anekdote von Polemon und Xenokrates (s. Diog. Laert. IV 16) bewiesen und durch den Hinweis auf die nova progenies (Solianum 598, 10 hält Halm für Verschreibung aus Pollionem) in Vergils, divini poetae, 4. Ekloge. Dann eine Untersuchung des Begriffs: commoditas, in der die oben genannten Ausführungen Quintilians und des Eusebius sich finden. Zu inv. I 5 wird das Dilemma erörtert, warum Cicero hier die Gracchen lobe, sonst den Optimaten zuliebe tadele; es ruht auf der richtigen Beobachtung, daß Cicero, wie in seinen philosophischen und rhetorischen Schriften späterer Zeit (de orat. I 38; leg. III 20; fin. IV 65), ebenso in seinen Senatsreden (Catil. I 28; har. resp. 41) die Gracchen verurteilt; günstig, wie inv. I 5, beurteilt er sie nur in seinen Reden vor dem Volke (Rab. perd. 12 u. 15; leg. agr. II 10). Marx (Praef. Auct. ad Herennium 79) meint, Cicero stand zur Zeit der Abfassung und Edition von de inventione der Volkspartei nahe, G. urteilt: Cicero ergo, quod in quibusdam orationibus illos reprehendit, non verum iudicat, sed blanditur nobilitati. Zur Thesis verine sint sensus, inv. I 8, wird der Unterschied der erkenntnistheoretischen Anschauungen der älteren und jüngeren Akademie kurz erläutert; zu inv. I 9 bez. der corporis moderatio auf Hortensius (nach Cic. div. in Caec. 46) verwiesen; zu inv. I 10 die Statuslehre, zu I 20–22 die Lehre vom exordium eingehend erörtert. Dabei stimmt die Dreiteilung des genus obscurum (bei Cicero zweiteilig) überein mit Mar. Victorin. p. 196, 37f. Hervorzuheben ist noch G.s Zweiteilung der insinuatio (p. 601, 31) nach Cicero, während Fortunatian. p. 110, 16 sie nach drei modi scheidet, wie G.s weitere Spaltung der dissimulatio in zwei Arten. Zu inv. I 21 erläutert G. die Anwendung der einzelnen Arten der Exordien auf die verschiedenen Genera mit Beispielen aus Ciceronischen Reden; besonders wird auch die Frage erörtert, ob und wann das Exordium ganz fehlen darf (p. 604, 1ff.), sowie der Unterschied vom genus obscurum und anceps dargelegt (p. 604, 28f.). Aus dem zu inv. I 22 Gesagten ist etwa die Definition von arrogantia hervorzuheben. Trotz seiner schwatzhaften Breite zeigt G. eine gewisse Selbständigkeit. Mehrfach tritt ein gewisses Interesse für Philosophie hervor, er liebt Begriffsdefinitionen. In Cicero und Vergil ist er gut zu Hause. Was sein Verhältnis zur sonstigen rhetorischen Literatur anbelangt, so ist ohne weiteres klar, daß der ausführliche Kommentar zu de inventione von Marius Victorinus ihm unbekannt ist; die oben hervorgehobene Übereinstimmung in einer Einzelheit widerspricht dem keineswegs. Halm hat p. XV erklärt, man könne des G. rhetorische Quellen nicht feststellen, nur meinte er, G. habe Fortunatians Rhetorik vor Augen gehabt. Dem kann ich nicht beipflichten. Die Übereinstimmungen gehen nicht weiter, als sie bei der Einheit der rhetorischen Schultradition der nachchristlichen Jahrhunderte, die meist auf Quintilian bezw. Cicero im letzten Grunde zurückgeht, natürlich ist. Auf eine kleine Verschiedenheit wurde schon oben hingewiesen; daß aber Fortunatian nicht G.s Vorlage ist, läßt sich durch Vergleichung der beiderseitigen Angaben über die Statuslehre dartun. Die Lehre vom Zustandekommen [1879] des Status selbst stimmt bei beiden nicht überein: Fortunatian (p. 82, 1f.; vgl. Fortunatianus o. Bd. VII) läßt die controversia entstehen aus intentio und depulsio, die auf aetion und synechon zurückgehen; diese vereint geben das crinomenon. G. läßt die controversia durch Dreierlei entstehen (p. 599, 17f.): si habuerit quod accusator obiciat, quod defensor purget, quod iudex iudicet. Fehlt eines dieser drei, so wird das thema asystaton, deren es demgemäß drei gibt. Fortunatian dagegen (p. 82, 12ff.) läßt die asystatae controversiae durch Fehlen der depulsio oder durch impudens seu turpis intentio entstehen, gibt dann die vier Hermagoreischen asystatae an (ἐλλείπουσα, ἰσάζουοα, μονομερής, ἄπορος), denen er noch andere anderer Rhetoren anschließt. Von den drei Grillianischen asystata entspricht das erste, a parte accusatoris mangelhafte, der Hermagoreischen ellipusa (Fortunatian. p. 82, 17), das zweite, a parte rei, der controversia achromos (Fortunatian. p. 83, 20, wo dasselbe Beispiel wie bei G.), das dritte, a parte iudicis, der Hermagoreischen aporos (Fortunatian. p. 83, 5, wieder gleiche Beispiele). G. läßt dann p. 600, 3 cacosyntheta folgen, quae stant quidem, sed male', denen entspricht das ungeschickte Einschiebsel bei Fortunatian über cacosystatae p. 83, 34. Fortunatian bietet also im ganzen betrachtet bezüglich der Status Hermagoreische Lehre aus andern Rhetoren ergänzt, G. ein völlig anders aufgebautes, in sich geschlossenes System. Von G. ist also Fortunatian nicht benützt, der überhaupt nachweisbar nur Cassiodorius, der ihn nennt, als Vorlage gedient hat. Teuffel-Schwabe Röm. Lit.-G.5 1890 § 445, 7. Ein paar Bemerkungen zum Text von Th. Stangl Philol. LIV 1895, 354.