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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Taylor erzählt, daß Fritz Reuter sich durch seine literarischen Arbeiten ein recht comfortables Leben zu bereiten im Stande ist, und knüpft hieran eine Reihe interessanter, wenn auch nicht immer zutreffender Bemerkungen über die deutsche Journalistik überhaupt, von denen wir nur folgende hervorheben wollen: „Reuter’s Erfolge als Schriftsteller lassen sich mit dem, was englische, französische und nordamerikanische Autoren erreicht haben, kaum vergleichen. In Deutschland wird eben das Schriftstellerthum – trotz der großen intellectuellen Bildung und trotz des wissenschaftlichen Strebens im deutschen Volke – sehr kläglich honorirt. Ich vermuthe, daß der Grund dieser bedauernswerthen Erscheinung vorzüglich darin liegt, daß so wenige Menschen aus dem Mittelstände daran denken, sich eine eigene leidliche Bibliothek anzuschaffen. Die Leihbibliotheken liefern dem Volke den billigsten Lesestoff, und nur von wenigen Werken, welche eine ganz besondere Popularität, errangen, ist eine starke Anzahl verkauft worden. In diesen Leihbibliotheken gibt es nicht blos Bücher, sondern auch periodische Zeitschriften. Letztere müssen hierdurch an Circulation verlieren und sind, wenn sie überhaupt Privatsubscriptionen haben wollen gezwungen, zu einem höchst niedrigen Preise zu erscheinen. Wenige von den vielen periodischen Zeitschriften Deutschlands erreichen eine Ausgabe von zehntausend Exemplaren; daher sind die Honorare für die Mitarbeiter selbstverständlich sehr gering. Keil’s ‚Gartenlaube‘ macht hiervon eine Ausnahme; ihre Auflage beträgt mehr als einhundert und fünfzigtausend Exemplare und sie bezahlt, wie man mir gesagt, fünfzig Thaler für den Bogen, der ungefähr so viel Lesestoff bietet, wie vier oder fünf Spalten der ‚New-York Tribune‘ liefern. Diese Bezahlung gilt für ungewöhnlich hoch, und man nennt sie thatsächlich noch immer Honorar, als wenn die Entschädigung der Schriftsteller für ihre Arbeiten nicht etwas sei, wozu, sie in jeder Beziehung, berechtigt wären.“

Wir dürfen hier übrigens die Bemerkung nicht zurückhalten, daß Herr Bayard Taylor hinsichtlich der „Gartenlaube“ irrt. Alle, welche mit der „Gartenlaube“ längere Zeiten Verbindung standen, wissen, daß sowohl ihre Auflage als das Honorar, welches sie zahlt, höher sind, als wie Taylor angiebt. Ihre Auflage beträgt jetzt mehr als 250 000 Exemplare, und fünfzig Thaler pro Bogen ist der niedrigste Honorarsatz, den sie kennt und der höchstens einmal bei Bearbeitungen aus fremden Sprachen angewandt wird. Sie zahlt vielen ihrer Mitarbeiter den Bogen mit hundert und mehr Thalern.

Das Verhältnis zwischen den Schriftstellern und Buchhändlern ist, wie Taylor meint, in Deutschland nicht so gut geregelt, wie in England und Nordamerika. Selbst Dichter, wie z. B. F. Freiligrath, können von dem Ertrage ihrer werthvollen und sehr populären Werke nicht leben. Eine große Anzahl deutscher Autoren sucht, sobald ihre Schriften irgendwie reussirt haben, eine Anstellung bei einer größern öffentlichen Bibliothek, bei einem Theater oder einem Museum zu erhalten, um sich eine sichere Einnahme zu verschaffen. Taylor nennt hier zum Belege seiner Behauptung: Bodenstedt, Geibel, Dingelstedt, Halm u. A. Der Preis eines Buches hängt von dem Grade der Berühmtheit des Autors ab. Jüngere Kräfte müssen mit dem zufrieden sein, was man ihnen bietet, wenn man ihnen überhaupt etwas bietet. Die Einnahmen, welche Schiller’s Werke geliefert, stehen nach Taylor’s Ansicht in gar keinem Verhältnisse zu dem, was Washington Irving oder Dickens aus ihren Werken zogen. Dazu kommt, daß ein amerikanischer Schriftsteller viel mehr aus seinen Vorlesungen einnimmt, als wie dies bei deutschen Autoren durchschnittlich der Fall ist. „Während Emerson,“ sagt Taylor, „nach Iowa und Minnesota zu Vorlesungen eingeladen wird, würde es sehr zweifelhaft gewesen sein, ob Hegel oder Fichte anderswo Zuhörer gefunden hätten, als in Hauptstädten und Universitäten.“ (Emerson ist auch weder ein Fichte noch ein Hegel; diese würden in Amerika vielleicht nirgends Zuhörer gefunden haben. Auch scheint Taylor von den Vorlesungen Karl Vogt’s Nichts zu wissen, welche diesem während des Winters allein sechs- bis achttausend Thaler Reingewinn bringen. D. Red.)

Schließlich gesteht Taylor zu, daß in den Vereinigten Staaten noch keine wirkliche Geschichte der nordamerikanischen Literatur erschienen sei. Er beklagt, daß er hierin Herrn K. F. Neumann Recht geben müsse, und spricht dabei die Ansicht aus, es würde ein verdienstliches Werk sein, wenn Jemand eine Geschichte der nordamerikanischen und europäisch-englischen Literatur herausgäbe, worin die Unterschiede des Mutter- und des Tochterlandes hervorgehoben seien. Auch leugnet er nicht, daß Amerika, wenn es der Zahl nach auch mehr Leser besitze, hinsichtlich der Fähigkeit und tiefern Bildung derselben weit hinter Deutschland zurückstehen müsse. Mit großer Freude begrüßt er die Thatsache, daß man gegenwärtig häufig das amerikanische Leben als ein Element des Contrastes und der Illustration in die deutsche Literatur einzuführen beginne. Er erwähnt hier als ein nachahmungswürdiges Beispiel Herman[WS 1] Grimm’s „Unüberwindliche Mächte“ (Unconquerable Powers), denen er einen guten englischen Uebersetzer wünscht. In dem Haupthelden dieser Dichtung, Mr. Wilson, will er den geistreichen Emerson wiedererkennen, dessen erster Uebersetzer H. Grimm ist.

Rudolph Döhn.




Blätter und Blüthen.


Todesfälle in der vornehmen Welt. In Berlin ist die Todtenliste vorigen Jahres mit vielen vornehmen Namen angefüllt. Graf Lüttichau, Graf Brühl, Graf Blankensee und Graf Krockow sind gestorben. Erste beiden Herren waren Generale a.D., wie es in Berlin so viele giebt, aber sie machten „ein Haus", was in Berlin nicht so häufig ist, wie man vielleicht glaubt. Beide hatten sich in spätem Alter mit Damen verheirathet, die ihnen für ihre Titel viel Geld und viel Geist zubrachten, also die nothwendigen Ingredienzien zu einem Salon lieferten, der ohne die ominösen Reime „Titel und Mittel" leider heutzutage nicht bestehen zu können scheint. Bei der Gräfin Brühl versammelte sich der Hofcirkel, bei der Gräfin Lüttichau die Gelehrtenwelt; beide Damen haben als Wittwen ihre Salons geschlossen, und Berlin wird diese Lücken tief empfinden. Der Graf Krockow kann, nur als Vater des bekannten Afrika-Reisenden und des talentvollen Thiermalers auf einige öffentliche Anerkennung, Anspruch machen Graf Blankensee hingegen ist als Schriftsteller mehrfach in die Oeffentlichkeit getreten und gehörte als Zeitgenosse Fouqué’s, Hoffmann’s, Heinrich’s, Immermann’s gewissermaßen der berühmten Vergangenheit unserer Literatur an. Er kommt in den Memoiren der Schriftstellerinnen jener Zeit, der Baronin von Hohenhausen, geborenen von Ochs, der als fahrenden Minnesängerin bekannt gewordenen Helmina von Chezy, geborenen von Klencke, öfter vor als schöner Geist und noch schönerer Mann, was seine Bekannten der letzten Lebensjahre nicht glaubhaft finden, denn er war in Berlin fast nur noch als seltsames Original anerkannt, obgleich er bis zuletzt viel Aeußeres und namhafte Talente besaß. Er schrieb noch eine Tragödien-Trilogie „Moritz von Sachsen“ in seinem siebenzigsten Lebensjahre und trug wenige Stunden vor seinem Tode die schwierigsten Passagen auf der Geige in zahlreicher Gesellschaft vor. Der Erbe seines sehr großen Vermögens ist der Neffe seiner Gattin, einer geborenen Prinzessin von Schöneich-Karolath, Baron Firks, der als Gemahl von des Grafen einziger Tochter den Namen Blankensee. fortführen wird. — Auch eine schöne junge Frau der vornehmsten Kreise ist auf die Todtenliste zu setzen, die Fürstin, von Putbus geborene Freiin von Beltheim; sie war an Eleganz, Lebenslust, Glück und Liebenswürdigkeit ganz dasselbe für Berlin, was die Fürstin Metternich für Paris ist, Sie war eine kühne Reiterin und Jägerin, das Vorbild aller Toilettenkünste und Moden. In ihrem Hause fanden die glänzendsten Feste statt; ihre orangegelbe Equipage fehlte auf keinem Corso und ihre stets durch Neuheit und Reichthum auffallenden Toiletten konnte man auf der Alltagspromenade des Thiergartens bewundern. Dabei war sie trotz der Weltlust eine menschenfreundliche Wohlthäterin der Armen und trat auch als Beschützerin der vornehmen Armuth auf, die von den Geldsäcken der Berliner Salons oft schonungslos genug behandelt wird.



Albrecht Dürer’s sogenannte kleine Passion, das hochgeschätzte Werk von 1510, aus der schönsten Zeit des Altmeisters deutscher Kunst, welches seiner Seltenheit und Kostbarkeit wegen bisher nur in wenigen Kunstsammlungen zu finden war, ist von C. Deis in Stuttgart mit einer Treue und Künstlerschaft dem Originale in Holz nachgeschnitten worden , daß es nur dem eingeweihten Kenner Vorbehalten bleibt, das Original von der Copie zu unterscheiden. Bei dem steigenden Interesse für altdeutsche und christliche Kunst wird hiermit die Möglichkeit geboten, diese berühmten Blätter als ein Gemeingut des Volkes in den Besitz Aller zu bringen, der sich an echt deutscher Kunstschöpfung erfreuen und erbauen wollen. Der Götter Liebling, Rafael, sagte bekanntlich von Dürer: „Er würde uns Alle übertreffen, wenn er die Vorbilder des Alterthums so vor Augen, gehabt hatte, wie wir." Mit diesem eminenten Lobspruch auf den schöpferischen Genius Dürer’s wollen wir die zugleich ausgesprochene, sich auf die Kunstform beziehende Beschränkung, gern hinnehmen und unter allen Umständen uns des reichen Segens erfreuen, neben einem Rafael unsern ureignen deutschen Dürer zu haben.

Die vorliegenden siebenunddreißig vortrefflichen Blätter enthalten den Sündenfall, Darstellungen aus dem Leben und Leiden Jesu und das letzte Gericht, sind in der Krüll’schen Buchhandlung in Eichstätt und Stuttgart erschienen und kosten in eleganter Mappe sechs Gulden.




O. L. B. Wolff’s Verdienste um unsere schöne' Literatur beginnen endlich auch für seine hinterlassenen Lieben nachträgliche Früchte zu tragen. Trotzdem die „Gartenlaube“ seinen Aufruf, keine Bitte für dieselben erlassen, sondern nur des seltenen Mannes Wirken und Leiden der Gegenwart vor Augen gestellt hat, so sandte dennoch „ein alter Freund Wolff’s"

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Hermann
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_111.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)