ADB:Celtis, Konrad
[83] er auch genannt wird, Celtes und da, wie er sagt, ein Dichter drei Namen haben müsse, gräcisirte er weiter seinen Namen durch den Beinamen Protucius. Von seiner ersten Ausbildung erzählt die unvollständige Vita der Sodalitas litteraria Rhenana wenig, nur daß er von seinem älteren Bruder, einem Geistlichen, den ersten Unterricht in der lateinischen Sprache erhalten habe. Bald erwachte in ihm die Liebe zu den classischen Studien und zur Dichtkunst. Zum Jüngling herangereift, sollte C. nach dem Willen des Vaters Winzer werden, aber der damals achtzehnjährige Sohn, der bereits einige dichterische Versuche gemacht hatte, entzog sich, einem besseren Drange folgend, dem Willen des Vaters, entfloh auf einem Mainflosse nach Köln und ließ sich am 9. Okt. 1477 unter die Zahl der Studirenden aufnehmen. Hier betrieb er zuerst Studien in den freien Künsten und in scholastischer Philosophie, dann gab er diese auf, um sich den Lieblingsstudien Poetik und Rhetorik zu widmen. Im J. 1484 treffen wir C. in Heidelberg, wohin ihn der Ruf der beiden Humanisten Johann v. Dalberg und Rudolf Agricola gezogen hatte. C. fand in Dalberg einen Mäcenas, in Agricola einen vortrefflichen Lehrer und Führer, der ihm das Griechische und Hebräische zu lernen empfahl und ihm dabei auch behülflich war. Nach dem Tode seines großen Lehrers und Freundes Agricola setzte C. seine Wanderung fort. Er ging nach Erfurt, Rostock, Leipzig, indem er in diesen Städten als fahrender Humanist Vorträge über platonische Philosophie, ciceronianische Rhetorik, horazische Verskunst und antiken Versbau hielt. Eine große Zuhörerschaft sammelte sich um ihn und trug ihm Lehrgeld zu. In Leipzig veröffentlichte er (1486) seine erste Schrift die „Ars versificandi et carminum“ und widmete sie dem Herzog Friedrich von Sachsen, dem er durch seinen Ruf schon bekannt geworden war. In dieser in Versen abgefaßten Schrift behandelte C. in der ars metrica die Versfüße und Dichtungsarten, in der ars poetica hauptsächlich die Prosodie. In beigefügten Gedichten verherrlichte er einflußreiche Personen und erwarb sie zu Freunden, wie den Leibarzt des Kurfürsten von Sachsen Martin Pollich von Mellrichstadt, den Italiener Fridianus Pighinucius von Lucca, der in Diensten des Magdeburger Erzbischofs Ernst stand. Auch besorgte er in Leipzig eine Ausgabe von Seneca’s „Hercules furens“ und der „Coena Thyestis“ mit einer Vorrede an den Fürsten von Anhalt. Wie es scheint, wollte er der Ausgabe auch einen Commentar beifügen. Nach der erwähnten Vita ist C. auch der erste, der den Versuch machte in Deutschland römische Dramen zur Aufführung zu bringen. Abermals erwachte in C. die Wanderlust, zumal ihm der Aufenthalt in Sachsen schon verleidet worden war. Sein Reiseziel war diesmal Italien, die Heimath der classischen Wissenschaften, für deren Verbreitung in seinem Vaterlande er rastlos thätig war. Noch im J. 1486 trat er die Reise an; zunächst eilte er nach Rom. Doch Wehmuth ergreift den Bewundrer des augusteischen Roms beim Anblick der verfallenden Stadt, daß er ausruft:
Celtis: Konrad C., der erste deutsche gekrönte Dichter und berühmteste Verbreiter des Humanismus in Deutschland, geb. 1. Febr. 1459 zu Wipfeld, einem am Main in Franken zwischen Schweinfurt und Würzburg gelegenen Dorfe, † 4. Februar 1508. Sein Vater war Weinbauer und führte den Namen Pickel, gleichbedeutend mit dem Namen Meißel (nicht Schäfer oder Scheffer, wie Erhard meint). Der gelehrte Sohn latinisirte den Namen in Celtis oder wieQuid superest, o Roma, tuae nisi fama ruinae,
De tot consulibus Caesaribusque simul?
C. stellte sich dem Papst Innocenz VIII. vor und küßte ihm nach herrschender Sitte den Pantoffel. Am anziehendsten in Rom war für ihn der Verkehr mit den gelehrten Humanisten, vorzüglich mit Julius Pomponius Laetus, dem Stifter der platonischen Akademie. Bald verließ C. die ewige Stadt, um zu den Lehrkanzeln berühmter Gelehrter auf Italiens Boden zu eilen. Er ging nach Florenz zum Platoniker Marsilius Ficinus, den er später auch seinen Schülern empfiehlt; in Bologna verkehrte er mit Philipp Beroaldus, in Ferrara mit Johann Baptista Guarinus, den Leonardo Aretino einen der größten Lehrer seiner Zeit nennt, in Padua fesselten ihn die Vorlesungen des Johannes Calphurnius aus Brescia und Marcus Musurus aus Kreta. In Venedig lernte er den [84] berühmten Redner und Historiker Marcus Antonius Sabellicus und den gelehrten Buchdrucker Aldus Manutius kennen. Durch diesen Verkehr mit Gelehrten ist die italienische Reise für die Ausbildung des Dichters, der sich als höhere Aufgabe gestellt hatte, Deutschland von der Barbarei zu befreien und zur Pflege der Wissenschaften zu führen, von größter Bedeutung; auch läßt sich vermuthen, daß er durch Sammlung von Schriftdenkmälern neue Schätze der Wissenschaft in die Heimath gebracht habe. Im Frühjahr 1487 ist er bereits in Nürnberg. Hier erwartete den über die kühle Aufnahme von Seite der Italiener noch Gekränkten eine besondere Auszeichnung. Kurfürst Friedrich von Sachsen hatte den Kaiser Friedrich III. bestimmt, den Dichter und Philosophen C. zum Dichter zu krönen und ihm den Doctorhut zu übertragen. Solche Ehre war einem Deutschen bis dahin nicht zu Theil geworden. Bei Gelegenheit der auf den April jenes Jahres nach Nürnberg berufenen Fürstenversammlung mußte C. zunächst ein Bittgesuch einreichen; es ist die Schrift „Proseuticon ad divum Fridericum tertium pro laurea Apollinari“ (Norimb. 1487 gedruckt); beigefügt sind einige andere auf Dichterkrönung bezügliche Briefe und Schriftstücke. Für den Festtag des 18. April arbeitete C. eine Ode aus, welche eine Lobpreisung des Kaisers enthielt. Nachdem der Dichter sie vorgetragen hatte, empfing er auf der Burg zu Nürnberg den Lorberkranz und den Doctorhut unter feierlichen Ceremonien; dem Gekrönten gab der Kaiser einen Kuß auf die Wange. Das Krönungsjahr 1487 (nicht 1491 wie Andere angenommen haben) ist bestimmt durch die Beischrift einer Zeichnung der Constellation bei der Dichterkrönung am Schluße des Proseuticon. C. pflegt aber die Krönung vom J. 1491 an zu rechnen, wo ihn die Mitglieder der rheinischen gelehrten Sodalität als ihren gekrönten Dichter proclamirten. Vom Kaiser zum Doctor creirt, dachte C. daran, sich das für ein Magisterium nöthige Gesammtwissen zu verschaffen, namentlich Mathematik, Physik und Astronomie zu studiren. Es war die Universität Krakau, wo damals das Studium dieser Wissenschaften besonders blühte. Zudem trug C. das Verlangen, Deutschland bis an die äußersten Grenzen kennen zu lernen, um ein vollständiges geschichtliches und beschreibendes Werk über ganz Deutschland, eine „Germania illustrata“ zu verfassen; doch ist dieses Werk nie erschienen. Ueber Sachsen und Schlesien kam er im Frühjahr (wahrscheinlich 1488) nach Krakau. Unter der Leitung des berühmten Astronomen Albert de Brudzewo betrieb er nun eifrig Mathematik und Astronomie. Als Lehrer wirkte er nur durch Gastvorträge über Poetik und Rhetorik, nachdem er sich unter Leitung des gelehrten Polen Bernhard Viliscus Roxolanus die polnische und die böhmische Sprache angeeignet hatte. In Krakau gewann er zwei nachmals berühmte Männer als Schüler: Lorenz Rab (Laurentius Corvinus) aus Neumark in Schlesien und Johann Rak (Joannes Rhagius Aesticampianus, Sommerfeld) und als Freunde besonders Andreas Pegasus und den aus Italien flüchtigen Philipp Bonacursius mit dem Beinamen Callimachus, der als Erzieher der Söhne Casimirs IV. am Hofe in Krakau lebte. Die Gelehrten in der Weichselgegend vereinigte C. zu einer Genossenschaft, der Sodalitas litteraria Vistulana, einer der römischen Akademie des Pomp. Laetus ähnlichen Einrichtung, deren Aufgabe die Pflege und Verbreitung des Humanismus war. Von Krakau machte er weitere Ausflüge nördlich (von der unwahrscheinlichen Reise nach Livland und Lappland abgesehen) nach Danzig, südlich ins Karpathengebirg, das er beschreibt, wie die Lage von Krakau, die Weichselgegenden, die Salinen von Wieliczka u. a. Die Bekanntschaft mit einer edlen Polin Hasilina von Rzytonicz war Veranlassung zu einer Reihe der feurigsten Liebeslieder, ihr widmete C. auch das erste Buch seiner Reisebilder oder Liebeslieder („Libri amorum“). Nach zweijährigem Aufenthalt in Krakau griff C. wieder zum Wanderstab, um die mittleren Donaugegenden zu besuchen. [85] Ueber Prag (wo er den vielgereisten Edelmann Bohuslav von Hassenstein kennen lernte) und Olmütz (wo er bei dem Humanisten, Platoniker und Dichter Propst Augustinus [Moravus genannt] verweilte) kam er durch die nach dem Tode des Mathias Corvinus beunruhigten Donauländer von Preßburg nach Ofen, um einerseits befreundete Gelehrte persönlich kennen zu lernen, anderseits die Schätze der königlichen Bibliothek in Augenschein zu nehmen. Auch hier vereinigte er die Gelehrten zu einer Genossenschaft der Sodalitas litteraria Hungarorum die wahrscheinlich bei der Verlegung des Hauptsitzes nach Wien 1494 den Namen Sodalitas litteraria Danubiana erhielt. Auf der Rückreise hielt sich C. in Wien auf, um die dortigen Universitätslehrer für den Humanismus und zum Beitritt zur Sodalitas Danubiana zu gewinnen. Hier fand er bereits einen dem Humanismus günstigen Boden; denn nach dem Vorgange der großen Mathematiker Peuerbach und Regiomontanus hatten unter andern Bernhard Perger, Briccius Preprost, Johann Tichtel (vgl. A. Horawitz, Johannes Tichtel), Bartholomäus Steber, Johann Purger für Erklärung und Verbreitung des litterarischen Vermächtnisses des Alterthums gesorgt. Nach kurzem Aufenthalt kam C. über Passau nach Regensburg und Nürnberg, wo er überall Freunde zählte, so in Regensburg den berühmten Dichter und Mathematiker Janus Tolophus. Unablässig sehen wir ihn bemüht, die in ganz Deutschland zerstreuten Freunde des Humanismus in Gesellschaften zu vereinen und durch seinen Namen als Gründer unter einander zu verbinden. Von Regensburg aus durchwanderte er Baiern, theils um Land und Leute kennen zu lernen, theils um in Klöstern nach unter Staub und Motten verborgenen handschriftlichen Schätzen zu suchen. Seine freundliche Hauswirthin in Regensburg, Elsula, besingt er in ihren guten wie schlimmen Eigenschaften und nennt nach ihr das zweite Buch der Liebeslieder. Von Baiern kam C. auf seiner Wanderung, nur von einem Diener begleitet, nach Schwaben, zunächst nach Tübingen, wo die angesehenen Humanisten Johann Reuchlin und Heinrich Bebel lehrten. Dann durchwanderte er das rebenreiche Neckargebiet, besucht die Salinen in Hall, eilt Heidelberg zu, das durch Johann v. Dalberg, Kanzler des Pfalzgrafen Philipp, Hauptsitz der humanistischen Studien in Deutschland war. Diese Stadt wurde zum Sitze der Sodalität ersehen, welche die rheinischen Humanisten umfassen sollte, der Sodalitas litteraria Rhenana, nach ihrem Gründer auch Celtica genannt. Die Constituirung und feierliche Eröffnung fand in Mainz statt, wohin C. gekommen war, und wurde mit des Dichters 32jähriger Geburtsfeier in Verbindung gebracht. Als Vertreter und Leiter der Sodalität bestimmte C. den Wormser Bischof Joh. v. Dalberg, der dieses Amt 12 Jahre ausübte. Die Sodalität zählte die angesehensten Gelehrten aus allen Zweigen der Wissenschaft zu ihren Mitgliedern. Unter Aufsicht und Leitung der Sodalität wurden Werke (auch des C.) publicirt, die eine eingesetzte Commission, die censores, nach genauer Prüfung der Veröffentlichung würdig befunden hatte. C. verblieb bis April 1491 in Mainz, das er als Wiege der Buchdruckerkunst besingt, sucht und beschreibt die daselbst befindlichen Reste römischer Alterthümer. Zu Liebesgedichten begeisterte ihn damals eine gefallsüchtige Mainzerin, Ursula, auch Ursa genannt; er widmet ihr das 3. Buch seiner Liebesgedichte. Der Tod der Geliebten trieb den Dichter wieder auf die Wanderung, diesmal in die niederdeutschen Länder. Damit sollte die dichterische Beschreibung seiner Wanderung, als deren Endpunkte er Krakau, Regensburg, Mainz, Lübeck ansetzte, zum Abschluß gebracht werden. Auf mannigfachen Umwegen, um die wichtigsten Städte zu sehen, kam er im Juli 1491 nach Lübeck. Auch im nördlichen Deutschland wollte C. eine Sodalität, Sodalitas Baltica oder Codanea gründen. Aber die reiche Handelsstadt Lübeck war seinen Bestrebungen nicht günstig. Die Sodalität trat nicht ins Leben. Auch eine Krankheit störte seine Thätigkeit, doch wurde [86] er durch die sorgsame Pflege niederdeutscher Wirthsleute bald wieder hergestellt. Dieser cimbrischen oder sächsischen Pflegerin als einer fingirten Geliebten Barbara widmete er das 4. Buch der Liebesgedichte. Im Anschluß an die Lübeckerreise schildert der Dichter eine Fahrt in die Region des nördlichen Oceans bis zur Insel Thule, die nach seiner Vorstellung zwischen den Orcaden und Island liegt: wie er bei einem Sturme mit seiner Freundin Barbara in Todesgefahr war, wie ihm weiter eine Vision zu Theil geworden von seiner künftigen Lebensstellung; plötzlich findet er sich nach Tirol an die Etsch versetzt, wo sich die Vision verwirklicht. Offenbar aber ist diese ganze Nordfahrt nur eine poetische Fiction; es findet sich gar keine Zeit für eine solche Reise, und die Schilderungen entbehren jeder bestimmten örtlichen Anschauung. Außerdem äußert er später den Wunsch, den hohen Norden, den er noch nie gesehen habe, zu bereisen. Anfang September ist er bereits in Prag, von wo er jedoch bald fliehen mußte, da er auf die czechische Nation, die Utraquisten und einen ihrer Bischöfe Spottgedichte gemacht hatte. Mitte September finden wir in Nürnberg bei seinen Freunden. Von einer weitern Reise nach Frankreich und England hielt ihn die Berufung (an die Lehrkanzel für Rhetorik und Poetik) nach Ingolstadt ab, die nach vielen Hindernissen hauptsächlich Sixtus Tucher und Hieronymus Croarius erwirkten 1492. Damit war noch keine feste Anstellung im Lehramte verbunden. Für seine Hörer gab er hier eine „Epitoma in utramque Ciceronis Rhetoricam cum arte memorativa et modo epistolandi utilissimo“ heraus. Erst im Sommer des gen. Jahres hielt er die feierliche Antrittsvorlesung, in der er ein Bild der traurigen litterarischen Zustände in Deutschland entwarf und die Ursachen derselben geißelte; den Begünstiger der Wissenschaften, Herzog Georg, preist er in einem panegyrischen Gedicht zum Lobe der bairischen Herzöge („C. C. panegyris ad duces Bavariae“), das stark rhetorisirend ist. Unzufrieden mit den Verhältnissen in Ingolstadt ging er im Herbst des Jahres nach Wien, sammelte sich eine Hörerschaft und stellte die Verlegung seines Aufenthalts nach Wien in Aussicht; dieses Versprechen hielt er jedoch, nach Ingolstadt zurückgekehrt, nicht. Aber auch hier verblieb er nicht länger, sondern ging nach Regensburg – einer freundlichen Einladung seines Freundes Tolophus folgend, – wo er als Lehrer wirkte. Wahrscheinlich um diese Zeit entdeckte er im Kloster St. Emmeran in Regensburg die Werke der sächsischen Nonne Roswitha von Gandersheim aus der Mitte des 10. Jahrhunderts. C. legte die Handschrift dem Kurfürsten Friedrich von Sachsen vor. Dieser genehmigte Druck und Dedication und erwirkte ein Privilegium gegen Nachdruck auf 10 Jahre. Das Werk erschien 1501 zu Nürnberg unter dem Titel: „Opera Roswithae illustris virginis et monialis germanae, gente Saxonica ortae, nuper a Conrado Celte inventa“. Die Hypothese Aschbach’s, als läge hier eine litterarische Fälschung des C. vor, ist von Köpke (Otton. Stud. II), weil positiver Argumente entbehrend, als unhaltbar erwiesen worden.
Als C. 1494 eine ordentliche Professur erhielt, kehrte er nach Ingolstadt zurück und nahm seine Vorlesungen über Rhetorik und Poetik wieder auf. Doch unterbrach er diese oft durch kleine Reisen, daher er in den Ruf eines wenig gewissenhaften Lehrers kam. In Spanheim besuchte er seinen Freund, den berühmten Abt Johann Trithemius, in Basel Hartmann v. Eptingen. Ueber Freiburg kam er nach Heidelberg zu Joh. v. Dalberg u. Reuchlin. Nach einer Krankheit wallfahrtete er nach Alt-Oetting, dann entschuldigte er sich bei seinen Hörern, daß er der Einladung eines österreichischen Freundes zur Zeit der Weinlese Folge leisten müsse. Einige Zeit nachher erhielt er durch zwei seiner Heidelberger Freunde die Nachricht, daß der neuerwählte Bischof von Freising, Sohn des Kurfürsten Philipp von der Pfalz, bei seiner Durchreise in Ingolstadt bei ihm Absteigequartier nehmen wolle. C. verherrlichte den ehrenvollen Besuch durch [87] eine Ode. Als im J. 1496 in den meisten Städten Baierns, auch in Ingolstadt die Pest wüthete, verließen Lehrer wie Schüler die Stadt. C. ging nach Heidelberg und unterrichtete daselbst die Söhne des Kurfürsten Philipp in lateinischer und griechischer Sprache. In der Eigenschaft als Prinzenerzieher erwarb er sich so sehr den Beifall des Kurfürsten, daß dieser für ihn um einen Urlaub bei den Vorstehern der Universität Ingolstadt einschritt. Nur für kurze Zeit kehrte C. nach Ingolstadt zurück; denn Freunde und Gelehrte in Wien drängten ihn, sein längst gegebenes Versprechen, nach Wien zu kommen, zu erfüllen. Der damalige Rector der Universität, Johann v. Eggenberg, der vom Lehrstuhl für Beredsamkeit und Dichtkunst abtretende Hieronymus Balbus, des Kaisers Secretär Pierius Gracchus forderten ihn unter Versprechungen auf nach Wien zu kommen, bis endlich Maximilian I. C. feierlich berief. Der kaiserlichen Auszeichnung, in der C. als der würdigste und geschickteste genannt wurde, der das Studium der freien Künste, besonders der Beredsamkeit und Dichtkunst, heben könnte, folgte C. In Wien entfaltete er sofort eine großartige Thätigkeit. Gemäß der kaiserlichen Weisung, römische Beredsamkeit und alte Philosophie zu lesen, begann er mit der Erklärung von Apulejus’ Werk De mundo, das er auch in Wien edirte, und der Geographie des Claudius Ptolomäus, wobei er den Unterricht durch Landkarten und Himmelskugeln anschaulich machte. Auch die Weltgeschichte trug er vor von Ninus bis Maximilian. Im Anschluß an Tacitus Germania (ed. 1500 „Cornelii Taciti de origine et situ Germanorum liber incipit“) lehrte er die älteste Geschichte Deutschlands.
Einer andern Vorlesung legte er das historische Gedicht Ligurinus sive de rebus gestis Friderici I. imperatoris libri X (von C. herausgegeben Augsburg 1507) zu Grunde, das er, wie er angibt, im Kloster Ebrach in Franken aufgefunden habe. Ob das Gedicht echt, oder C. oder einer seiner Freunde als Verfasser zu gelten habe, darüber waren die Ansichten lange getheilt; in neuester Zeit aber und nach Pannenborg’s überzeugender Untersuchung (Forschungen 1871) ist G. Ligurinus wieder als echte Quelle zu Ehren gekommen. Beredsamkeit lehrte C. an Cicero, Dichtkunst an Horaz und Terenz, dessen Komödien er aufführen ließ. Seinen Versuch in der Komoedie, den „Ludus Dianae“, ließ C. 1501 in Linz vor dem Kaiser zur Aufführung bringen. Von diesem wurde er auch beauftragt, die kaiserliche Bibliothek in Wien zu ordnen und besonders im Fache der Mathematik zu vervollständigen. Doch zu noch größeren Ehren hatte ihn der Kaiser ersehen. Es war am 31. October 1501 als Maximilian I., um das Studium der Dichtkunst und Mathematik auf der Wiener Universität zu heben, das poetische Collegium, das erste in der Art in Deutschland, einsetzte. C. wurde vom Kaiser als Vorsteher dieses Collegiums bestimmt und erhielt das Recht Gelehrte, welche sich an der Universität Wien dem Studium der Dichtkunst und Beredsamkeit gewidmet, nach abgelegter strenger Prüfung zu Dichtern zu krönen. Die feierliche Einweihung des Collegiums war am 1. Februar 1502, wobei Vincentius Longinus aus Freistadt in Schlesien die Lobrede auf den Kaiser hielt. Des Wanderns wurde unser Dichter zeitlebens nicht müde. Von Wien aus machte er nicht nur verschiedene Ausflüge in die nächst angrenzenden Länder, wahrscheinlich auch in Sachen der Sodalitas Danubiana, und nach Baiern, sondern dachte sogar noch daran, eine Reise in den hohen Norden zu unternehmen. Die vielen damals mit großen Anstrengungen verbundenen Reisen hatten gewiß zur Erschütterung seiner Gesundheit, Schwinden der Kräfte, frühem Altern beigetragen, worüber er vielfach in seinen Gedichten klagt. Als er den Tod herannahen fühlte, ließ er ein Abbild von sich machen und schrieb sich folgendes Epitaphium:
[88] Flete pii vates et tundite pectora palmis:
Vester enim hic Celtis fata suprema tulit.
Mortuus ille quidem, sed longum vivus in aevum
Colloquitur doctis per sua scripta viris.
Er starb zu Wien. Die Universität veranstaltete eine großartige Leichenfeier, und ganz Deutschland betrauerte den Tod des berühmten Mannes.
C. genoß, obwol von Vielen auch angefeindet, unter seinen Zeitgenossen ein ungewöhnliches Ansehen, so daß man seinen Geburtstag als natalem renascentium in Germania litterarum bezeichnete. Seinen Ruhm begründete er als Lehrer, in welcher Eigenschaft er neue Zweige des menschlichen Wissens auf den deutschen Universitäten einführte, eine bessere Lehrmethode herrschend machte, die lateinische Sprache als Sprache der Gelehrten von der Rohheit im Ausdrucke befreite und das Studium der griechischen Sprache (er wollte auch eine griechische Grammatik herausgeben) und der classischen Schriftsteller und Dichter förderte. Als Dichter übertraf er an Fruchtbarkeit und Mannigfaltigkeit seine Vorgänger und hat das Verdienst, die damals in seinem Vaterlande verachtete Kunst zu Ruhm und Ansehen gebracht zu haben. Seine Oden, 4 Bücher, wurden von den Zeitgenossen höchst beifällig aufgenommen und Philipp Gundelius beglückwünscht Deutschland ob eines solchen Dichters:
Nam si Smyrna suo, si Mantua vate tumescit,
Si Calaber Flacci lande superbit ager,
Nostra suo merito gaudet Germania Celte,
Qui fecit[1] hanc Thebas inter habere locum.
Geringeren poetischen Werth haben seine Elegien („IV libri amorum“) und Epigramme, 5 Bücher, in denen er oft nur als Versemacher erscheint. Sein Epos „Theodoriceis“ blieb unvollendet. In Betreff des Inhalts mancher Gedichte konnte er dem herben Vorwurfe der Frechheit und Schamlosigkeit nicht entgehen. Als historischer Forscher hat er auch die berühmte Reisekarte des römischen Reichs ans Licht gezogen, die er seinem Freunde Konrad Peutinger bei seinem Tode vermachte, daher der Name Tabula Peutingeriana. Als historisch geographische Werke, die wie Vorarbeiten zur beabsichtigten „Germania illustrata“ erscheinen, sind zu nennen: die „Germania generalis“ und die zu Ehren der Stadt Nürnberg in Prosa verfaßte Schrift: „De origine situ moribus et institutis Norimbergae libellus“ (vgl. K. Hegel in der Ausgabe der Nürnberger Städtechroniken, Bd. I. S. 3). Das vollständigste Verzeichniß der Schriften des C. findet sich bei Engelbert Klüpfel „De vita et scriptis Conr. C.“, herausgegeben von Ruef und nach dessen Tode von K. Zell, Freiburg 1827, 2 Bde.
- H. A. Erhard, Gesch. des Wiederaufblühens u. s. w. II. B.; Joh. Aschbach, Die früheren Wanderjahre des Conrad C. Wien 1869.
[Zusätze und Berichtigungen]
- ↑ S. 88. Z. 23 v. o. l.: facit (st. fecit). [Bd. 5, S. 795]