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ADB:Jung, Alexander

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Artikel „Jung, Alexander“ von Alexander Reifferscheid in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 717–722, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Jung,_Alexander&oldid=- (Version vom 17. November 2024, 09:36 Uhr UTC)
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Jung: Jacob Friedrich Alexander J., Publicist, Dichter, Litterarhistoriker und Kritiker von allgemein anerkannter Bedeutung, geboren am 28. März 1799 zu Rastenburg in Ostpreußen, † zu Königsberg i. Pr. am 20. August 1884. Der Vater, ein Magdeburger, war Doctor der Medicin und Regimentsarzt im Regiment von Dierke, das später nach Braunschweig verlegt wurde. Er war ein Mann von hellem Verstande und trotz aller Weichheit seines Gemüthes eine durchaus realistische Persönlichkeit, seiner religiösen Auffassung nach ein Deist und voll Enthusiasmus für den Freimaurerorden, dem er angehörte. Er sammelte mit Verständniß Gemälde, Bücher und Kleinodien. Die Mutter, eine geborene Lieders, stammte aus Potsdam, sie war ein ätherisches Wesen, ausgezeichnet durch Schönheit und Liebenswürdigkeit. Unter den Herrnhutern erzogen, lebte sie in inniger Frömmigkeit ausschließlich ihrer Pflicht, beschäftigte sich gerne mit Musik und Poesie und dichtete fromme Lieder. Sie starb aus Anlaß einer Zwillingsgeburt, bei der Alexander der ältere war, der jüngere Bruder folgte gleich nach der Geburt der Mutter. Die Eigenart der Eltern lebte im Sohne fort. Vom Vater erbte er die Entschiedenheit und Hartnäckigkeit, mit der er was er wollte, erfaßte und durchführte, von der Mutter die Zartheit und Weichheit der Empfindung und die Liebe den Menschen gegenüber. Hätte er nur einen kräftigeren, widerstandsfähigeren Körper erhalten! Bis in sein achtes Jahr mit der englischen Krankheit [718] behaftet, entwickelte er sich physisch recht langsam. Seine ganze Kindheit hindurch war er leidend und bildete schon früh in sich das Talent aus, durch trübe Vorstellungen sich Seelenqualen zu bereiten. Bis in sein zwölftes Jahr wurde er zu Hause unterrichtet, zu Braunsberg besuchte er die Elementarschule und darauf das katholsche Gymnasium, obgleich er evangelischer Confession war. Der Schulbesuch wurde durch häufige Krankheiten, besonders durch ein früh sich einstellendes Augenübel unterbrochen. Da der Vater des Krieges wegen meistens abwesend war, wuchs der Sohn in fast klösterlicher Einsamkeit auf, die reichen Sammlungen seines Vaters entzündeten früh seine Phantasie. Auf dem Gymnasium verdankte er das meiste dem Leiter der Anstalt, dem Geistlichen Schmülling, der nicht blos ausgezeichneten Unterricht in Mathematik und in den classischen Sprachen ertheilte, sondern dem jungen Grübler, der sich früh mit religiösen Zweifeln plagte, ein einsichtsvoller Seelenleiter wurde. Durch ihn lernte J. die Wissenschaft um ihrer selbst willen lieben und seinem Leben durch die Beschäftigung mit der schönen deutschen Litteratur eine höhere Weihe geben. J. feierte ihn später im „Rosmarin“ als Cölestin und in dem unten aufgeführten Aufsatze. Da J. sich in seiner übergroßen Gewissenhaftigkeit noch nicht für reif hielt, verließ er die Oberprima, ohne sich der Abgangsprüfung zu unterziehen. Da das Augenleiden sich verschlimmerte, steigerte sich auch seine Hypochondrie. Der Selbstmord eines überaus begabten Freundes, Hermann Jannert, † am 1. September 1822, der auf seine geistige Entwicklung den günstigsten Einfluß geübt, versenkte seinen Geist in trübe Melancholie, und warf ihn in immer stärkere religiöse Zweifel, aus denen er sich nur mit Schmülling’s Hülfe herausarbeiten konnte. Als er um den Freund trauerte, lernte er seine spätere Braut, Johanna Heubach, unter recht traurigen Umständen kennen, gerade als man ihren Bruder, der beim Baden vom Schlage betroffen worden, todt in ihr elterliches Haus trug. Jung’s Vater war unterdessen heimgekehrt, nahm seinen Wohnsitz in Danzig und hoffte, daß der Sohn sich der Landwirtschaft widmen und eine reiche Erbin, die er ihm schon ausgesucht hatte, heirathen werde. Er war wenig zufrieden, als er hörte, daß sein Sohn nur an Johanna dachte und Theologie studiren wollte. So verlebte J. einige sehr trübe Jahre, von seelischen und körperlichen Leiden gequält, in Danzig. Dann übernahm er eine Hauslehrerstelle auf dem Lande in der vortrefflichen Familie des Gutsbesitzers, Oberamtmanns Siegfried, dessen Frau, „eine der hervorragendsten Erscheinungen ihres Geschlechtes“, ihm eine wahre Mutter wurde, der er außerordentliches verdankte.

Durch Schleiermacher’s Monologe aufs lebhafteste für diesen eingenommen, begab J. sich Michaelis 1826 nach Berlin. Er brauchte noch einige Zeit, sich auf die Abiturientenprüfung vorzubereiten, er bestand sie dort Michaelis 1827 mit dem Zeugniß Nr. 2. Darauf ließ er sich in Berlin immatriculiren, um Theologie und Philosophie zu studiren, hörte u. a. bei Marheineke, Neander, Schleiermacher, Lachmann, Boeckh, Ritter, Al. v. Humboldt, Hegel. Der letzte machte den tiefsten und nachhaltigsten Eindruck auf ihn. Ostern 1828 ging J. nach Königsberg, wo er noch acht Semester unter der Leitung von Lehnerdt, Olshausen und Herbart seine Studien fortsetzte und zum Abschluß brachte. Erhaltene Zeugnisse rühmen seine große Pflichttreue und seinen außerordentlichen Fleiß im Besuch der Vorlesungen.

Nachdem J. seine theologischen Prüfungen glücklich bestanden, predigte er mehrere Mal mit großem Erfolg. Er kannte damals nichts höheres, als an heiliger Stätte der Gemeinde das Heil zu verkünden. Er predigte beredt, warm und überzeugend. Einmal versagte ihm aber die Sprache so völlig, daß er auf den Rath des Arztes, zu seinem Leidwesen, der Kanzel entsagen mußte. [719] Es war in Wirklichkeit ein Glück für ihn: das Predigtamt hätte ihn in kürzester Zeit, besonders damals, zu argen Conflicten geführt, da er sich bei seiner wirklichen Freisinnigkeit nicht an die herrschenden Formen halten konnte, sondern eine immer größere Verinnerlichung und Vertiefung in den wahren Geist des Christenthums anstrebte. Das war J. selbst klar, wie sich aus dem Gespräche Rosmarin’s mit dem Prediger Wilmsen im vierten Bande des „Rosmarin“ ergibt. – J. nahm nun wieder einen längeren Aufenthalt in Danzig. Sobald er sich einigermaßen erholt hatte, kehrte er nach Königsberg zurück, wo er im Herbst 1833 Karl Rosenkranz kennen lernte, der damals gerade als Nachfolger Herbart’s dorthin gekommen. Die beiden so verschiedenen und doch so geistesverwandten Männer, verband bald die innigste Freundschaft, die ohne jede Trübung bis zum Tode von Rosenkranz fortdauerte und beide über alle Maßen beglückte. Ueber den Lebenscultus der beiden, ihre regelmäßigen Sonnabendspaziergänge hat J. ausführlich in dem unten angeführten Aufsatze über Rosenkranz berichtet. Ebenso begeistert spricht sich Rosenkranz in seinen Briefen an J. über diesen aus. So am 30. Januar 1836: „Wir sind nur zu Zweien ganz für uns; ein Dritter ist ein Mißton, weil wir zu harmonisch sind, uns zu schnell verstehen und nur sprechen, was uns interessirt, nicht die Welt. Ich habe vor Ihnen eine ungeheure Activität voraus, Sie haben vor mir den Zaubergarten einer still schaffenden Phantasie voraus, die Ihnen zum Dämon geworden.“ Im J. 1838 machten die Beiden eine größere Reise nach Dresden, Prag, Wien, Salzburg, München und Nürnberg, die bei J. unvergeßliche Eindrücke hinterließ. Sie brachte ihn mit einer Menge bedeutender Menschen zusammen, in Dresden mit L. Tieck und J. Grimm, in Wien mit L. Uhland, Ferd. Wolf, Endlicher, J. E. Veith, in München mit v. Schelling, v. Baader, J. Görres, Schubert, in Leipzig mit H. Marggraff, in Berlin mit Bettina von Arnim und Varnhagen von Ense. Der beste Freund blieb Rosenkranz. Als dieser in den vierziger Jahren ins Ministerium nach Berlin berufen worden, war es für ihn „der härteste Verlust, der herbste Schmerz seines Scheidens von Königsberg“, mit J. nicht mehr allwöchentlich verkehren zu können. Er fühlte dort die innigste, schmerzlichste Sehnsucht nach dem Freunde. Er freute sich darauf, wieder mit ihm zusammen zu sein, „um das Füllhorn seiner Blumen und Früchte“, die er in Berlin sammle, auszuschütten, dann werde auch J. einen großen Gewinn haben, tausend Dinge anders verstehen lernen und seine Phantasie, seine Vernunft mit neuen Anschauungen befruchten. Gerade J. werde ihm dann Dank wissen für sein Märtyrerthum in Berlin. Am 3. Mai 1849 schrieb er: „Wenn Gott mir die Wohlthat erzeigte, einst, recht bald, mit Ihnen alles, was ich seit dem 11. Juli 1848 erlebt, im Spiegel der Idee durchzudenken und recht zu erkennen, welche Wonne würde mir das sein!“ Auch später bewährte sich Rosenkranz J. gegenüber als wahrer Freund. Er verwandte sich 1859 mit bestem Erfolge für ihn bei dem Comité der Schillerstiftung zu Dresden. Er glaubte damit eine Pflicht gegen die Humanität und Litteratur, eine Pflicht gegen die Manen Schiller’s zu erfüllen, der für J. gewiß eine besondere Sympathie gefühlt haben würde. Dieser verdienstvolle und merkwürdige Mann habe eine Reihe von Jahren durch vielfaches Mißgeschick in einer äußerst kümmerlichen Lage verbracht. Die Stadt Königsberg wie die Provinz habe zeitweise versucht, sie ihm zu erleichtern, allein die Länge der Dauer und das Maß des Leidens habe es unmöglich gemacht, ein für allemal zu helfen. Das Schiller-Comité werde durch Gewährung einer Unterstützung an J. seine Gunst gewiß einem der Würdigsten unter den deutschen Schriftstellern zuwenden. Eine solche Unterstützung sei nicht bloß ein Act der Wohlthätigkeit, sondern nicht minder eine Auszeichnung für den [720] Empfangenden. J. erhielt infolge dessen die erbetene Unterstützung bis an sein Lebensende. Kehren wir zu den Lebensereignissen Jung’s zurück.

Im Frühjahr 1834 führte er seine Johanna heim, sie brachte ihm unsagbares Glück und Freude, aber auch schwere Krankheit ins Haus. Sie verstand ihn durchaus und würdigte sein Denken und Wirken in der rechten Weise. Fünf Kinder schenkte sie ihm, 1835 Ottilie, 1836 Arthur (später Lieblingsschüler von K. Lehrs, als Gymnasialoberlehrer 1890 gestorben), 1838 Elvira, 1842 Ida (nach fast lebenslangem schweren Leiden 1889 gestorben). Die Mutter selbst mußte oft und lange krank liegen, † 1868 ebenfalls nach schweren Leiden. Die älteste Tochter, die zur Lehrerin ausgebildet worden, mußte das Unterrichten infolge eines Halsleidens einstellen, das sie sich in der Schule und als Vorleserin ihres Vaters, dem die Augen oft den Dienst versagten, zugezogen hatte. Sie war der Engel des Hauses, pflegte mit unermüdlicher Geduld Mutter und Schwester, sowie den Vater, der oft durch Kränklichkeit aller Art niedergedrückt wurde.

Am 21. März 1836 erhielt J. von Jena den philosophischen Doctor, etwas später wurde er auf den Vorschlag des Regierungsschulrathes Dr. Lucas Mitglied der Deutschen Gesellschaft zu Königsberg. Er trat in eine Lehrerstelle an der französischen höheren Töchterschule, die unter der Leitung des Predigers Detroit stand, ertheilte Privatunterricht in deutscher Litteraturgeschichte und hielt häufig mit reichem Beifall öffentliche Vorlesungen, die sich eines zahlreichen Besuches erfreuten. So entdeckte er allmählich seinen Beruf als Schriftsteller. Rosenkranz hatte ihn auf seine zweifelloseste Anlage zur Ironie, zur Satire, zum Humor und zum schärfsten Sarkasmus aufmerksam gemacht. Mit glühendem Eifer und höchster Begeisterung wirkte J. bis zu seinem Lebensende, trotz innerer und äußerer Bedrängnisse, unentwegt in diesem Berufe, der ihm bei seiner echten Religiosität als ein heiliger erschien, als ein Priesterthum ohne gleichen.

Geleitet von einem unwiderstehlichen Rechtlichkeitsgefühl trat er offen und entschieden auf gegen jedweden Zwang in Staat und in Kirche. Er war ein erklärter Gegner des Preßzwangs, des Pfaffenthums und des litterarischen Parteiwesens, ein unermüdlicher Vorkämpfer für Denk- und Gewissensfreiheit und der eifrigste Vertreter schriftstellerischer Originalität. So bekämpfte er unerschrocken die Verirrungen des Pietismus und deckte schonungslos verschiedene sociale Schäden und Mißbräuche auf. Mit Einsicht und Verständniß trat er als einer der ersten für K. Gutzkow und für Ch. Sealsfield auf. Seine zahlreichen Schriften athmen sämmtlich, von der ersten bis zur letzten, einen Idealismus, der keine Schranken kannte, den Rosenkranz passend als gigantisch bezeichnete, wie er auch Jung’s Sprache ekstatisch nannte. Leider gestattete J. den Freunden keinerlei Einwirkung auf seine Schriftstellerei. Er wollte lieber auf eigene Weise geistlos sein, als sich mit fremden Federn schmücken. Besonders zu beklagen ist, daß er ihnen kein Gehör schenkte, wenn sie ihn immer aufs neue mahnten, seine Bücher mehr für die größere Lesewelt einzurichten, den Vortrag leutseliger und allgemeinverständlicher zu gestalten, knapp und präcise zu schreiben. Er ließ sich weder durch die Mahnungen der Freunde bestimmen, noch durch die Wahrnehmung, daß selbst seine besten Bücher geringen Absatz fanden, und mehrere Verleger, die früher seinen Wünschen aufs liebenswürdigste entgegengekommen waren, seine neuen Verlagsanträge entschieden ablehnten. Es mag eine Folge der häufigen öffentlichen Vorlesungen gewesen sein, daß J. über das Erlaubte hinaus in der Fülle des Ausdrucks, in einer wahren Fluth von Pleonasmen, allen möglichen Zwischenschiebungen, Berichtigungen, Beschränkungen und Erweiterungen in derselben [721] Periode schwelgte. Er fühlte sich mit Recht als Meister der Sprache, aber er kannte kein Maß, keine Beschränkung. Seine kleineren Aufsätze, die sich in bestimmten Schranken halten mußten, sind meist vorzüglich. Mit liebevoller Hand und feinstem Verständniß schrieb er seine zahllosen litterarischen Kritiken, immer vom Einzelnen ins Ganze gehend. Nach Verdienst lobt Rosenkranz die Briefe Jung’s, die ihm das glänzendste Denkmal setzen würden. Ein andres Mal redet er von den geistberauschenden Briefen Jung’s.

Drei Jahre redigirte J. das Königsberger Literaturblatt, unterstützt von seinen Freunden, besonders von Rosenkranz, der ihm gleich anfangs strenges Maßhalten zur Pflicht gemacht hatte mit den Worten: „freimüthig muß man sein, aber Maß halten, nicht im Verletzen ein point d’honneur, einen unzeitigen Heroismus suchen“. Varnhagen von Ense erkannte, „ungeachtet der sichtbar ungünstigen Umstände“, mit denen J. zu kämpfen hatte, „den unzweifelhaft edlen und hohen Sinn“, der seine „Zeitschrift im Gewühl der Zeitschriften unterschied“. Später, 25. März 1845, freute er sich, daß J. die Qual des Litteraturblattes los wurde. Er rieth ihm, das Blatt getrost aufzugeben, und fuhr fort: „Daß wir in Deutschland keines haben, das demselben an reinem Eifer, an edler Haltung und Gewissenhaftigkeit gleichzusetzen wäre, muß Ihnen zum Trost gereichen. Ich glaube, in unsern aufgelösten, verwirrten Zuständen wird noch lange der Boden fehlen, auf dem eine Zeitschrift für ehrliche, gediegene und dabei doch lebhafte Kritik gedeihen könnte“. Schon vorher hatte J. für die Königsberger Zeitungen, für die Blätter für literarische Unterhaltung, für das Magazin für die Literatur des Auslandes u. a. geschrieben, was er bis in sein hohes Alter mit seltener Geistesfrische fortsetzte. Für seine Gedichte, weder für die lyrischen, unter denen viele von schönstem poetischen Gehalte sind, noch für sein Epos „Don Alonso“, konnte er trotz der eifrigsten Bemühungen seiner Freunde einen Verleger finden. Seine Novelle „Der Bettler von James Park“, 1850, las Varnhagen von Ense mit wärmstem Antheil. Er schloß eine längere Beurtheilung im Briefe vom 2. October 1850 mit den Worten: „Ihr erster Versuch ist in jedem Fall ein höchst werthvoller, prächtiger, in jedem Fall eines der edelsten und gediegensten Erzeugnisse der heutigen Litteratur!“ Ohne Grund nannte J. Romane seinen „Rosmarin oder Die Schule des Lebens. Roman in fünf Theilen“, 1862, der als Autobiographie ausgezeichnet ist, und seinen „Darwin. Ein komisch-tragischer Roman in Briefen an einen Pessimisten. In drei Bänden“, 1873, der besser den ursprünglichen Titel: „Rücksichtslose Briefe“ behalten hätte. Die litterarhistorischen Werke sind die besten Arbeiten Jung’s, sie zeugen für die wissenschaftlichen Fortschritte ihres Urhebers: 1837 „Briefe über die neueste Literatur“, 1842 „Vorlesungen über die moderne Literatur der Deutschen“, 1848 „Charaktere, Charakteristiken und vermischte Schriften“, zwei Bände, „Friedrich Hölderlin und seine Werke. Mit besonderer Beziehung auf die Gegenwart“, 1854 „Goethes Wanderjahre und die wichtigsten Fragen des 19. Jahrhunderts“, 1856 „Briefe über Gutzkow’s Ritter vom Geiste“, 1864 „Fr. W. Joseph von Schelling und eine Unterredung mit demselben zu München“. Von seinen übrigen Werken, die mit Vorliebe sociale Fragen behandeln, verdienen noch heute besondere Beachtung: 1840 „Königsberg in Preußen und die Extreme des dortigen Pietismus“, 1844 „Vorlesungen über sociales Leben und höhere Geselligkeit“, 1845 „Ueber Freisinnigkeit innerhalb des Gesetzes, 1846 „Königsberg und die Königsberger“, 1847 „Frauen und Männer oder über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der beiden Geschlechter, ein Seitenstück zu den Vorlesungen über sociales Leben und höhere [722] Geselligkeit“, 1858 „Das Geheimniß der Lebenskunst. Ein Wanderbuch für alle Freunde des Nachdenkens und der Erhebung“, zwei Theile, 1875 „Panacee und Theodicee. Illustrationen, Caricaturen der Gegenwart und Grundlinien einer neuen Weltanschauung“, zwei Theile, 1880 „Moderne Zustände“.

Das Aeußere Jung’s beschreibt Rosenkranz am Ende des Manuscriptes seiner Charakteristik Jung’s, von der die Illustrirte Zeitung nur einen Auszug gebracht: „In seinem Gesicht spiegeln Nase, Mund und Kinn die Güte, Milde Weichheit seiner Seele. Seine Augen haben etwas Schwimmendes, wie in eine unermeßliche Ferne Versinkendes. Seine Stirn aber ist ein riesiges Gewölbe, in welcher die machtvollste Gedankenarbeit ausreichendsten Raum findet; und sein Scheitel, dem des Paracelsus ähnlich, zeigt die Tendenz zur Andacht, zum Enthusiasmus.“

Reiche Mittheilungen aus Jung’s litterarischem Nachlaß durch die Güte des Fräulein Ottilie Jung zu Königsberg, u. A. Briefe von H. Brockhaus, B. Goltz, K. Gutzkow, Fr. Hebbel, K. Rosenkranz, Varnhagen von Ense. – Selbstbiographie in N. Pr. Prov.-Bll. XII, 2. u. 3. Heft. – (Marggraff) Unsere Zeit VIII, 652–654. – (K. Rosenkranz) Illustrirte Zeitung, 1872, Nr. 1497 (Geillustreerde Nieuws, 1872, Nr. 31) mit Porträt. Das ausführliche Manuscript dieses Artikels von der Hand K. Rosenkranz’. – (R. v. Gottschall) Blätter f. literar. Unterhaltg., 1884, Nr. 36. – Reiches biographisches Detail in den Nachrufen, die Jung geschrieben: Schmülling, Pastoralblatt für die Diöcese Ermland 1877, IX, 79–82. – K. Rosenkranz, Gegenwart 1879, XVI, 53–56, 72–76, vor allem in dem autobiographischen Werke: „Rosmarin“ (Coelestin = Schmülling, Abelard = Schleiermacher, Parmenides = Hegel, Mörike = Marheinecke, Bernhard = Neander, Ernestine = Frau Oberamtmann Siegfried, Armin = H. Jannert u. s. w.)