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ADB:Martius, Carl Ritter von

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Artikel „Martius, Karl von“ von Ernst Wunschmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 20 (1884), S. 517–527, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Martius,_Carl_Ritter_von&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 19:04 Uhr UTC)
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Band 20 (1884), S. 517–527 (Quelle).
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Martius: Karl Friedrich Philipp v. M., Botaniker, geb. am 17. April 1794 zu Erlangen, † am 13. December 1868 zu München. Schon in der Wiege akademischer Bürger durch die von einem Taufpathen als Geschenk dargebrachte [518] akademische Matrikel, und im elterlichen Hause mit Liebe und weiser Sorgfalt erzogen, entfaltete M. frühzeitig die glücklichsten Anlagen und die entschiedene Absicht zum wissenschaftlichen Studium. Die Richtung desselben wurde bestimmt durch die vom Vater, der Hofapotheker und professor honorarius der Pharmacie war, geerbte und ermunterte Vorliebe für Naturwissenschaften, während der tiefe, sittliche Ernst und das Streben nach allseitiger harmonischer Geistesbildung, das ihm eigen war, genährt wurden durch einen trefflichen Unterricht auf dem Gymnasium seiner Vaterstadt, dem er eine gründliche Kenntniß des klassischen Alterthums verdankte. Die Latinität seiner späteren Schriften war durch ihre Eleganz berühmt und bis an sein Ende bildete die Lectüre griechischer und römischer Dichter und Philosophen seine Lieblingserholung. Kaum 16 Jahre alt, bezog M. Ostern 1810 die Universität Erlangen, um sich dem Studium der Medicin zu widmen. Von seinen akademischen Lehrern war es weniger der zwar gelehrte, aber einseitig-pedantische Botaniker Schreber, der ihn geistig anzog, wiewohl er gerade Botanik mit Vorliebe trieb, als vielmehr der Philologe Harleß, der Philosoph Vogel, der Chemiker Hildebrandt, der Zoolog Goldfuß und der Kliniker Wendt. Auch verdankte M. der praktischen Pflanzenkenntniß des Universitätsgärtners Rumelein vielfache Belehrung. Vor allem aber trug sein Umgang mit seinen reichbegabten Commilitonen, den Gebrüdern Christian Gottfried und Theod. Friedrich Nees v. Esenbeck dazu bei, daß er mit jugendlicher Begeisterung sich in naturwissenschaftliche Studien vertiefte. Am 30. März 1814 wurde M. zum Dr. med. promovirt auf Grund einer ziemlich umfangreichen Inaugural-Dissertation: „Plantarum horti academici Erlangensis enumeratio“, welche, noch ganz nach Linnéischer Methode gearbeitet, einem modernen wissenschaftlichen Gartenkataloge entspricht. Schon vor Beendigung dieser Arbeit war M. ganz zur Botanik übergetreten.

Nachdem nämlich nach Schrebers Tode im J. 1812, behufs Ankaufes der Sammlungen dieses Botanikers die Münchener Akademiker Schranck und Spix nach Erlangen gekommen und hier mit dem jungen M. bekannt geworden waren, regten sie in diesem den Gedanken an, in das damals bestehende Institut der Eleven der Akademie einzutreten, welches, eine Art höchster Schule, den Zöglingen manchen Vortheil im Interesse ihrer wissenschaftlichen Ausbildung bot. M. sagte zu und wurde nach Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen am 13. Mai 1814 unter die Eleven der Akademie aufgenommen und dem schon bejahrten Schranck bei der Leitung des neugegründeten botanischen Gartens als Gehülfe unterstellt. Zwei Jahre später trat er, als Adjunkt der Akademie, in den eigentlichen Staatsdienst ein. Mit freudigem Eifer und reichem wissenschaftlichen Erfolge widmete sich M. den ihm in dieser Stellung obliegenden Pflichten, welche zunächst in der systematischen Bestimmung und Anordnung der Pflanzen des botanischen Gartens bestanden. Ebenso bestrebte er sich durch vielfache, auch über die Grenzen Baierns hinaus nach Salzburg und Kärnthen hin ausgedehnte Excursionen die Landesflora kennen zu lernen. Eine litterarische Frucht dieser Thätigkeit war die schon in Erlangen vorbereitete „Flora cryptogamica Erlangensis“ 1814, welche M.’s ersten ganz selbständige Forschungen enthält und durch ihre Gründlichkeit ihm die Anerkennung der Fachgenossen erwarb. Auch seines Königs Max Joseph I. huldreiches Wohlwollen wußte sich M. zu gewinnen, der den königlichen Pflanzenfreund bei seinen häufigen Besuchen des botanischen Gartens stets führen mußte. Dieser Umstand wurde für M.’s späteres Lebensglück von einschneidendster Bedeutung. König Max Joseph war es nämlich, auf dessen Veranlassung der österreichischen Expedition, welche im Frühling 1816 die neuvermählte Erzherzogin Leopoldina von Oesterreich ihrem Gatten, dem späteren Kaiser Dom Pedro I. nach Brasilien zuführen sollte, auch bairische Gelehrte sich [519] anschließen durften. Außer M. als Botaniker wurde dazu der Akademiker und Zoologe Spix erwählt. Beide Gelehrte verließen, nachdem ihnen zu ihrer Ausrüstung und wissenschaftlichen Vorbereitung nur eine ganze kurze Frist gewährt werden konnte, am 2. April 1817 mit der österreichischen Fregatte Austria Triest und betraten am 15. Juli in Rio de Janeiro brasilianischen Boden. Bis zum December verblieben sie in der Hauptstadt, um dann, getrennt von den Gelehrten der österreichischen Expedition, das ungeheure Land vom Wendekreise des Steinbocks bis zum Aequator sammelnd und forschend zu durchziehen.

Sie besuchten die Provinzen S. Paulo, Minas Geraës, Goyaz, Bahia, Pernambuco, Piauhy und Maranhào, erforschten von Pará an der Mündung des Amazonenstromes aus die Küstenstriche dieses Stromes aufwärts bis an die Grenze von Peru, sowie diejenigen seiner großen Nebenflüsse Rio Negro und Rio Madeira bis in die Indianerdistrikte und trafen endlich, nach Pará am 16. April 1820 zurückgekehrt, von dort aus nach fast vierjähriger Abwesenheit am 8. December 1820 wieder in München ein. So umfaßte diese Reise, die trotz vieler Mühseligkeiten, ja Lebensgefahren für die Reisenden von seltenem Glücke gekrönt war, eine Strecke von nahezu 1400 geographischen Meilen. Sie steht unter allen Erforschungsreisen des südamerikanischen Continents, sowohl an räumlichem Umfange, wie an Masse und Wichtigkeit der gewonnenen Ergebnisse obenan. – Mit der brasilianischen Reise war über Martius’ ferneren Lebensgang entschieden und zugleich zu seinem Glücke der feste Grund gelegt. Bald nach seiner Rückkehr wurde er von der Akademie der Wissenschaften zu ihrem ordentlichen Mitgliede ernannt und mit dem Amte des zweiten Conservators des botanischen Gartens betraut.

Eine Aenderung seiner äußeren Stellung trat im J. 1826 ein, als, nach der Thronbesteigung des Königs Ludwig’s I., die Universität von Landshut nach München verlegt und M. im 32. Lebensjahre zum ordentlichen Professor der Botanik bei derselben ernannt wurde. Sechs Jahre später, nach erfolgter Pensionirung des greisen Schranck, erhielt M. auch dessen Amt als erster Conservator der botanischen Anstalten, des Gartens und der botanischen Sammlungen. Mit gleicher Sorgfalt und gleichem Erfolge lag M. sowohl seiner Berufspflicht als akademischer Lehrer, wie auch seinen amtlichen Geschäften ob, welche letzteren, namentlich nachdem er im J. 1840 von der Akademie der Wissenschafften zum Secretär ihrer mathematisch-physikalischen Klasse erwählt worden war, einen großen Theil seiner Thätigkeit in Anspruch nahmen. So hatte er in dieser Eigenschaft auch das Ehrenamt, über jedes verstorbene Mitglied der Klasse eine Gedächtnißrede zu verfassen und es ist bewundernswerth, in welcher meisterhaften Weise er es verstand, in denselben eine, in den edelsten Formen entworfene, lichtvolle Charakterisirung seiner Collegen zu geben, mochte sie Männer aus den Reihen seiner speciellen Fachgenossen betreffen, oder Gelehrte aus den verschiedensten anderen Disciplinen. M. hat später diese Reden gesammelt und unter dem Titel: „Akademische Denkreden“ 1866 besonders herausgegeben. Die später noch von ihm verfaßten Reden auf Faraday, Brewster, Flourens u. a. sind in den Sitzungsberichten der Akademie der Wissenschaften vom J. 1868 erschienen. Im Uebrigen bietet die ganze Periode von M.’s amtlicher Thätigkeit nur wenig Abwechslung und keine hervorragenden Ereignisse dar. Seine Arbeiten beschäftigten ihn so vollständig, daß er sich nur spärlich eine Erholung oder eine größere Reise gönnte, deren er nur wenige über die Grenzen des Vaterlandes hinaus, nach Frankreich, Belgien, Holland, England und der Schweiz ausgedehnt hat. Durch ein unerwartet eingetretenes Ereigniß erreichte indessen schon im J. 1854 M.’s Amtsthätigkeit ein vorzeitiges Ende. Nachdem eben mit großem Aufwande [520] an Zeit und Mühe eine zweckmäßigere Umgestaltung des Gartens vorgenommen worden, wurde gegen Martius’ eindringliche Gegenvorstellungen höheren Orts bestimmt, daß der Industrie-Ausstellungs-Palast auf dem Areal des Gartens erbaut werde. Dadurch verstimmt und entmuthigt, bat M. um seine Entlassung als Professor und Gartenconservator, die ihm denn auch in ehrenvollster Weise gewährt wurde. Aber nicht in müssiger Ruhe brachte der in seinen Sechszigern noch körperlich und geistig durchaus frische Mann seinen Ruhestand zu. Vielmehr widmete er sich von da an mit ungebrochenem Muthe ganz seinen Pflichten gegen die Akademie und seinen eigenen Arbeiten. Mit außerordentlicher Betriebsamkeit und beträchtlichem Geldaufwande war er außerdem bis an sein Ende bemüht, die ihm für seine Arbeiten nothwendigen botanischen Sammlungen zu bereichern und zu ordnen. So hat er in seinem Hause ein Material an Pflanzen und botanischen Werken zusammengebracht, wie es sich nur selten im Privatbesitz vereinigt findet. Außerdem legten ihm seine Stellung als Klassensecretär der Akademie, sein über alle Welttheile sich erstreckender wissenschaftlicher Verkehr, seine zahlreichen persönlichen Bekanntschaften, eine ungewöhnlich ausgedehnte Correspondenz auf, deren Pflichten er mit einer seltenen Pünktlichkeit nachkam, wobei ihm allerdings auch die ihm eigene Leichtigkeit und Gewandtheit des Ausdrucks sehr zu statten kam. Martius’ hohe wissenschaftliche Verdienste wurden gebührend anerkannt. Zahlreiche Werke sind ihm gewidmet, viele Arten von Pflanzen und Thieren, sogar ein Berg – Mount Martius in Neuseeland – nach ihm benannt worden. Fast jede gelehrte Körperschaft beehrte ihn und sich selbst durch seine Aufnahme in die Zahl ihrer Mitglieder. Den beredtesten Ausdruck aber gewann die hohe Verehrung, deren er sich erfreute in den Huldigungen, die ihm aus Anlaß der Feier seines fünfzigjährigen Doctorjubiläums am 30. März 1864 von allen Seiten dargebracht wurden. Frisch an Körper und Geist, durfte er an dieser Feier theilnehmen. Denn ungeachtet seiner rastlosen Thätigkeit erlitt seine physisch wie geistig zähe Constitution bis ins Greisenalter hinein keine merkliche Abnahme. Noch vier Jahre nach seinem Jubiläum, im Herbste 1868, besuchte er seinen Sohn und seine Freunde in Berlin, hatte auch seinem Freunde Ehrenberg zu dessen fünfzigjährigem Doctorjubiläum das Festdiplom der Münchener Akademie überbracht. Doch bald nach seiner Rückkehr überfiel ihn ein heftiges Unwohlsein, welches, rasch zunehmend, sich zu einer gefährlichen Lungenentzündung entwickelte. Nach nur neuntägigem Krankenlager raffte ihn der Tod hinweg im 75. Jahre seines Lebens, welches, von seltenem Glücke begünstigt, von der Wiege bis zum Grabe ein fast dornenloses für ihn gewesen war.

In M. war ein hervorragender Vertreter der botanischen Wissenschaft dahingeschieden. Der Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Thätigkeit liegt in seiner brasilianischen Reise. Was er vor derselben veröffentlicht, ist bereits kurz angedeutet worden. Die Reise selbst erst eröffnete ihm das Feld der fruchtbringendsten schriftstellerischen Thätigkeit. Abgesehen von den großartigen Eindrücken, welche das zwar schon mehrfach durchforschte, immerhin aber in seinem größeren Theile bis dahin noch wenig bekannte Wunderland Brasilien auf den jugendlich empfänglichen Geist v. M. ausgeübt hatte, so war allein das mitgebrachte naturhistorische Material so reichhaltig, daß zu seiner Bearbeitung selbst ein Zeitraum von mehr als einem halben Jahrhundert nicht ausreichte. Außer werthvollen Mineralien und Gebirgsarten enthielten die auf der ganzen Reise gesammelten, nach München gelangten Naturalien an Säugethieren 85 Arten, Vögeln 350, Amphibien 130, Fischen 116, Insekten 2700, Arachniden und Crustaceen je 80 und an Pflanzen circa 6500 Arten, welche letzteren größtentheils in mehrfachen Exemplaren und sorgfältigst eingelegt, den werthvollsten [521] Theil des Münchener Herbariums bilden. Auch der botanische Garten empfing einen großen Theil an der Ausbeute, theils an lebend mitgebrachten, theils an den aus den gesammelten Sämereien aufgezogenen Pflanzen. Das erste größere Werk, welches, als Frucht der Reise, veröffentlicht wurde, war eine mit Spix gemeinsam verfaßte Beschreibung derselben, welche unter dem Titel: „Reise in Brasilien auf Befehl S. M. Maximilian Joseph’s I. von Baiern von 1817–1820 unternommen“ in den Jahren 1823–1830 erschien. Von den drei Bänden, die es enthält, rühren die beiden letzten, da Spix schon 1826 starb, fast allein von M. her. Für die Kenntniß Brasiliens ist dieses Werk von derselben Bedeutung gewesen, wie A. v. Humboldt’s Schriften für die übrigen Länder des tropischen Amerikas. Denn wiewohl die eigentliche Erzählung des Verlaufs der Reise durch specielle wissenschaftliche Erörterungen, die nur anhangsweise beigefügt sind, nicht unterbrochen ist, so enthält sie doch eine solche Fülle geographischen, ethnographischen, statistischen und naturhistorischen Materials, daß sie für alle Zeit den Werth eines Quellenwerkes behalten wird. Auch durch die stilistisch vollendete Form der Schreibweise, welcher auch Goethe wiederholentlich hohes Lob gespendet, gebührt dem Werke einer der ersten Plätze in der in- und ausländischen Reiselitteratur. Gleichzeitig mit dieser Reisebeschreibung wurde auch die specielle Bearbeitung der naturhistorischen Ausbeute begonnen. Von dem botanischen Theile derselben veröffentlichte M. zunächst eine bloße Auswahl; die Phanerogamen unter dem Titel: „Nova genera et species plantarum etc.“ in 3 Bänden (1824–32) mit je 100 colorirten Abbildungen; die Kryptogamen in den: „Icones plantarum cryptogamicarum etc.“ (1828–34). Zu letzterem Werke lieferte Hugo v. Mohl eine treffliche Abhandlung über den Bau des Stammes der baumartigen Farne und beim ersten Bande der Nova genera hatte M. seinen Collegen Zuccarini zum Mitarbeiter; alles übrige ist ausschließlich seine eigene Arbeit. Beide Werke enthalten ausführliche, mit musterhaften Abbildungen der ganzen Pflanze wie der analytischen Details begleitete Beschreibungen theils einzelner, für die Flora Brasiliens charakteristischer Gewächse, theils auch ganzer Reihen und Gruppen verwandter Gattungen, wodurch für die genauere Kenntniß der betreffenden Gewächse der erste feste Grund gelegt worden ist. Auch die kürzeren, aber präcisen Beschreibungen der übrigen abgehandelten Pflanzen, deren Gesammtzahl über 400 Arten in mehr als 70 Gattungen beträgt, enthalten über verwandtschaftliche, geographische, medicinische und technische Beziehungen derselben sehr viele wichtige Angaben, die nicht nur von der umfassenden Kenntniß der einschlägigen Litteratur, sondern auch von der glücklichen Beobachtungsgabe, dem feinen Takt und kritischen Scharfsinn des Verfassers ein rühmliches Zeugniß ablegen. Die künstlerische Behandlung der Abbildungen steht einzig in seiner Art da. Noch ein drittes Werk begann M. fast gleichzeitig mit seiner Reisebeschreibung, ein Werk, das in jeder Beziehung sein magnum opus genannt werden kann, da es seinen Namen in die weitesten Kreise getragen hat. Es ist das die dreibändige, 1823–50 erschienene „Historia naturalis Palmarum etc.“ Es erscheint natürlich, daß der lange Aufenthalt in dem Palmenlande κατ’ ἐξοχήν in M. den Gedanken erweckte, die Naturgeschichte dieser erhabenen Formen des Gewächsreiches zum Gegenstand seiner besonderen wissenschaftlichen Thätigkeit zu machen. Zu diesem Behufe nun studirte er einerseits die ihm auf seiner Reise begegnenden zahlreichen Palmenarten nach dem Leben und sammelte ein reiches Material derselben zu weiterer Untersuchung, andererseits aber suchte er nach seiner Heimkehr auch von den Palmen der übrigen Erdtheile soviel als möglich zusammenzubringen, um sich in den Stand zu setzen, die Gruppen im Ganzen, selbst in ihren vorweltlichen Arten aufs genauste kennen zu lernen. Seinem beharrlichen [522] Fleiße ist es so gelungen, eine Monographie von epochemachender Bedeutung zu liefern, deren Werth noch dadurch gewinnt, daß sie auch über die Grenzen des behandelten Gegenstandes hinaus, auf andere Gebiete der Pflanzenkunde belehrend und anregend gewirkt hat. Mit Recht durfte daher A. v. Humboldt sagen: „So lange man Palmen nennt und Palmen kennt, wird auch der Name M. mit Ruhm genannt werden.“ Bei dem ersten Bande des Werkes, der nach dem zweiten erschien, wurde M. in der Bearbeitung der ihm weniger geläufigen anatomischen und paläontologischen Seite durch fremde Kräfte unterstützt. H. v. Mohl lieferte die Anatomie in einem höchst bedeutsamen Capitel, während Unger die Bearbeitung der fossilen Palmen und Al. Braun und O. Sendtner einen Theil der Morphologie übernahmen. Der bei weitem umfangreichste systematische Theil dagegen, von welchem die Monographie der brasilianischen Palmen den zweiten, das System der gesammten Palmen den dritten Band umfaßt, ist durchaus Martius’ eigene Arbeit. Hierin sind enthalten die auf die Ergebnisse der morphologischen Untersuchung fußenden Abgrenzungen und die Diagnosen der Gruppen, sowie die speciellen Beschreibungen der Gattungen und Arten, nebst zahlreichen, gründlichen Erörterungen über Geschichte, Verbreitung, technische, medicinische und culturgeschichtliche Beziehungen der behandelten Formen. In dem ersten Theile dagegen ist das von M. ebenfalls verfaßte Capitel über die geographischen Verhältnisse der gesammten Palmenfamilie von besonderer Bedeutung, da hier des Verfassers allgemeinen pflanzengeographischen Ideen niedergelegt sind. Ueber den künstlerischen Werth der Abbildungen fällt Goethe ein günstiges Urtheil in der Recension, welche er in seiner „Bildung und Umbildung organischer Naturen“ den ersten beiden Fascikeln des zweiten Bandes angedeihen läßt. Noch während die bisher angeführten Werke im Entstehen und Fortschreiten waren, hatte M. abermals ein neues in Angriff genommen, ein Riesenwerk, das ihn bis an sein Lebensende beschäftigte und nichts geringeres bezweckte, als die systematische Aufzählung und Beschreibung der gesammten brasilianischen Pflanzenwelt. Schon anfangs der dreißiger Jahre hatte er in Verbindung mit Chr. G. Nees v. Esenbeck in kleinerer Form hierzu einen Anfang gemacht und eine „Flora Brasiliensis, seu enumeratio plantarum in Brasilia provenientium“ veröffentlicht, von deren zwei Bänden den ersten, Algen, Flechte und Lebermoose enthaltend, Martius, Eschweiler und Nees v. Esenbeck, den zweiten, die brasilianischen Gräser, Nees allein verfaßt haben. Allein diese Form der Bearbeitung wurde, als zu unzureichend von M. bald verworfen und in Verbindung mit Stephan Endlicher auf Anregung des Fürsten Metternich ein bei weitem großartigerer Plan entworfen, der sich auch der werkthätigen Unterstützung des Kaisers Ferdinand I. von Oesterreich und des Königs Ludwig I. von Baiern erfreute. Die Flora brasiliensis hatte sich die Aufgabe gestellt, auf Grundlage sämmtlichen Materials, welches überhaupt aus Brasilien zusammengebracht und für die Botaniker zugänglich ist, die gesammte Flora des Landes, mit alleinigem Ausschluß der niedersten Kryptogamen, in ausführlicher, dem wissenschaftlichen Standpunkt der Gegenwart entsprechender Weise zu beschreiben und durch Abbildungen zu erläutern. Selbstverständlich ließ sich die Lösung dieser Aufgabe nur ermöglichen durch die Vereinigung einer größeren Zahl von Gelehrten. Diese hatten die von ihnen übernommenen Pflanzenfamilien, unter Innehaltung gewisser allgemeiner vorher festgestellter Normen für die Behandlung des Stoffes, in Form einzelner Monographien zu bearbeiten, die, in lateinischer Sprache verfaßt, möglichst in der Reihenfolge des natürlichen Systems zu Bänden vereinigt werden sollten. M. hatte das Glück, eine Reihe der hervorragendsten Botaniker des In- und Auslandes für die thätige Theilnahme an dem Werke zu gewinnen, von denen nur einzelne, wie Hornschuch, Nees v. Esenbeck, Grisebach, [523] Hanstein, Miquel, Tulasne hier genannt seien. So erwuchs denn das Werk unter dem Titel: „Flora Brasiliensis, sive enumeratio plantarum in Brasilia hactenus detectarum etc. etc.“ durch die nie ermüdende energische Oberleitung seines Herausgebers zu einem Prachtwerke, das an Umfang und Gediegenheit in der botanischen Litteratur aller Nationen nirgends seines Gleichen findet. Mit verhältnißmäßig großer Schnelligkeit folgten vom J. 1840 an die ersten Lieferungen auf einander und als 1852 auch der Kaiser Dom Pedro II. von Brasilien dem Unternehmen seine liberale Fürsorge zuwandte, nahm dasselbe einen um so kräftigeren Aufschwung, als die bald darauf erfolgte Pensionirung M. in den Stand setzte, seine ganze Muße dem Werke zu widmen. An Stelle des ersten Mitherausgebers Endlicher war schon 1848 nach dessen Tode sein Amtsnachfolger Ed. Fenzl getreten und 1861 wurde A. W. Eichler als Gehülfe bei der Redaction und als ständiger Mitarbeiter von M. herangezogen. Die Monographien, für die anfänglich nur das Material der Wiener und Münchener Staatsherbarien, sowie die M.’sche Privatsammlung zur Verfügung standen, konnten nach und nach mit reicheren Mitteln ausgeführt werden. So kamen hinzu die Sammlungen des Berliner Herbars, des botanischen Gartens zu St. Petersburg, die großen Privatherbarien von A. De Candolle, des Grafen Franqueville, Boissiers, sowie viele kleinere Herbarien. In einzelnen Fällen konnten auch noch die Museen zu Kew und Paris benutzt werden, so daß mit der Zeit Alles, was an Pflanzen von Brasilien nach Europa gebracht ist, in der Flora Brasiliensis Bearbeitung fand. Dadurch wurde es oft nothwendig, daß von spätern Bearbeitern die politischen Grenzen Brasiliens überschritten und benachbarte Gebiete verwandten Florencharakters mit in den Rahmen des Werkes hineingezogen wurden, wodurch die Bedeutung des letzteren für die Kenntnis der südamerikanischen Pflanzenwelt wesentlich erhöht wurde. Die systematische Disposition und Beschreibung in der Flora Brasiliensis ist die für größere descriptive Werke übliche. Ueberall sind dem beschreibenden Theile Capitel über die geographische Verbreitung und wo es angemessen schien, über die medicinische, technische, commerzielle und ökonomische Anwendbarkeit der Gewächse beigegeben. In dieser Beziehung hat M. selbst viele Beiträge geliefert, die den Monographien eingeschaltet wurden. Die Familien der Anonaceae und Agaveae hat er selbst bearbeitet. Auch die eine besondere Beilage bildenden tabulae physiognomicae, eine Reihe Landschaftsbilder mit besonders charakteristischer Vegetation, die nach guten, an Ort und Stelle entworfenen Originalzeichnungen ausgeführt sind, hat M. mit einem beschreibenden Text im elegantesten Latein begleitet. Sie bilden einen besonderen Supplementband. Endlich enthält das Werk noch zwei Karten, von denen die erste eine Uebersicht der wichtigsten botanischen Reisen in Brasilien und den Nachbarländern gewährt, die zweite die verschiedenen Florengebiete anschaulich macht, welche sich nach M. in Brasilien unterscheiden lassen. So waren denn bis zum J. 1869 in der Flora bras. in 46 Lieferungen mehr als 8000 Arten in fast 850 Gattungen bearbeitet worden, von denen ungefähr 1400 Species auf 1071 lithographirten Tafeln abgebildet wurden. Von den tabulae physiognomicae waren 55 erschienen. Da starb M. Es war eine seiner letzten Sorgen gewesen, für die ununterbrochene Fortführung des großartigen Unternehmens Vorkehrungen zu treffen. Sein Nachfolger in der Herausgabe wurde A. W. Eichler, gegenwärtig Professor der Botanik und Director des botanischen Gartens in Berlin. So ist denn das Werk auch jetzt noch im Erscheinen begriffen und hat bis zur Zeit in 91 Fascikeln 169 bearbeitete Pflanzenfamilien, die weit über 10 000 Arten repräsentiren, geliefert. Zu den früheren Materialien, die den Mitarbeitern zur Verfügung standen, sind noch einige weitere durch Vermittlung der Botaniker Hooker, Oliver [524] und Warming hinzugetreten und im Kreise der Bearbeiter aus der Gegenwart finden sich viele der berufensten Vertreter der botanischen Wissenschaft, wie Baker, Bennett, Warming, Eichler, Engler, Rohrbach, Kanitz, Solms-Laubach, Peyritsch u. a. m. Von noch zu bearbeitenden größeren Familien sind die wichtigsten die Orchidaceae, eine Hälfte der Rubiaceae, die Sapindaceae, Malvacea, Büttneriacea, Sterculiaceae, der größte Theil der Melastomaceae, die Guttiferen, Bignomoniaceae und außerdem noch einige kleinere Familien. Nach ungefährer Schätzung dürfte das Gesammtwerk sich schließlich aus 22-24 Bände belaufen. Die Zahl der tabulae physiognomicae ist auf 60 festgestellt. Dem Namen M. ist in der Flora brasiliensis ein unvergängliches Denkmal gesetzt. Die fundamentale Bedeutung des Werkes liegt wesentlich in Folgendem. Einmal erschließt es die Kenntniß der Pflanzenwelt nahezu des ganzen tropischen Amerikas durch den Umfang des behandelten Florengebietes, wie durch die Ausführlichkeit der Stofferschöpfung und die große Zahl der Abbildungen in einer Weise, wie sie vollständiger überhaupt nicht zu erreichen ist, sodann aber liefert es in nicht wenigen der in ihm enthaltenen Monographien einen Schatz von Meisterwerken, die auch in morphologischer und phytotomischer Hinsicht für die von der Systematik abseits liegenden Gebiete der botanischen Wissenschaft epochemachend geworden sind. Sind sie doch meist von Männern verfaßt, welche dem Studium der bezüglichen Pflanzengruppen ihr ganzes Leben gewidmet haben. – Im engen Anschluß an das eben behandelte Hauptwerk publicirte M. noch ein: „Herbarium Florae brasiliensis“. Aus den Beiblättetn zur Regensburger Flora (1837) besonders abgedruckt, erschien 1837–40 ein kritischer, mit zahlreichen Diagnosen und litterarischen Nachweisen versehener Katalog zu einer auf Martius’ Betrieb in Brasilien zusammengebrachten, durch ihn herausgegebenen Pflanzensammlung, eingeleitet durch eine vorzügliche Uebersicht sämmtlicher bis dahin in Brasilien veranstalteter botanischen Forschungsreisen und eine Charakteristik der daselbst unterscheidbaren Florengebiete. Ferner erschien 1843: „Systema materiae medicae vegetabilis Brasiliensis“, eine systematische Aufzählung der Gewächse, welche von den Einwohnern Brasiliens als Heilmittel angewendet werden mit Bezugnahme auf ihre Zubereitungs- resp. Anwendungsweise und ihre Wirkung. Aehnlichen Inhaltes sind: „specimen materiae medicae Brasiliensis“, im neunten Bande der Denkschriften der Münchener Akademie 1824 erschienen, sowie eine Reihe von Abhandlungen in Buchner’s Repertorium der Pharmacie, von denen die über die Bereitung des Pfeilgiftes Urari hervorgehoben sein möge. Auch erschien 1831 als besonderer Abdruck ein Naturgemälde: „Die Pflanzen und Thiere des tropischen Amerika’s“. Ausschließlich botanischer Natur dagegen ist die schöne Rede über: „Die Physiognomie des Pflanzenreiches in Brasilien“ (Abhandlungen der bairischen Akademie der Wissenschaften 1824). Aber nicht allein das naturhistorische Interesse hat M. in Brasilien verfolgt. Naturforscher im umfassenden Sinne, hat er, wo immer auf dem vielgestaltigen Gebiete ihm neue und wichtige Erscheinungen entgegentraten, sie mit Eifer studirt und so auch für die Geographie, Ethnographie und Linguistik Brasiliens schätzenswerthe Beiträge geliefert. Das bedeutendste Zeugniß dafür legt das noch im letzten Lebensjahre vollendete zweibändige Werk ab: „Beiträge zur Ethnographie und Sprachenkunde Amerika’s“. Aehnliche Gebiete behandelte er in geistreicher Weise in den Schriften: „Abhandlungen über den Rechtszustand der Ureinwohner Brasiliens“ – „Ueber Pflanzen- und Thiernamen der Tupisprache“ – „Ueber das Naturell, die Krankheiten, das Arztthum und die Heilmittel der Ureinwohner Brasiliens“ – „Ueber Vergangenheit und Zukunft der amerikanischen Menschheit“. Endlich ist als zu dieser Kategorie gehörig zu nennen: „Versuch eines Commentars über die Pflanzen in den [525] Werken von Marcgrav und Piso“ (Abhandlungen der bairischen Akademie der Wissenschaften Band 7. 1853). Es hatten die im Titel genannten beiden Reisenden 1648 eine historia naturalis Brasiliae von besonderer Treue und Lebenswahrheit veröffentlicht, deren zahlreiche Holzschnitte, sowie die von Marcgrav in Oel auf Papier gemalten Originalgemälde in den Besitz der Berliner königlichen Bibliothek übergingen. Durch letztere erhielt M. eine Sammlung von Copien dieser Malereien, die er der genannten Schrift zu Grunde legte.

War nun so Brasilien für M. das Land gewesen, in dem die Wurzeln seiner litterarischen Kraft ruhten, so hat er doch auch außerdem eine ganze Reihe bedeutender Arbeiten geliefert, welche sich nicht speciell auf jenes Land beziehen. Aus der großen Zahl seiner sonstigen Arbeiten botanischen Inhalts seien nur folgende monographische Abhandlungen erwähnt: „Beitrag zur Kenntniß der natürlichen Familie der Amarantaceae“ (Abhandlungen der Acad. Leop. Carol. Vol. XIV. 1825). – „Die Eriocauleen als selbständige Pflanzenfamilie aufgestellt und erläutert“ (ibid. Vol. XVII. 1833). – „Beiträge zur Kenntniß der Gattung Erythroxylon“ (Abhandlungen der bairischen Akademie der Wissenschaften Vol. III. 1840). – „Palmetum Orbignianum. Descriptio Pamarum in Paraguaria et Bolivia crescentium“, eine Abhandlung, die einen Theil von A. d’Orbigny’s: „Voyage dans l’Amérique meridionale“ (Paris 1847) darstellt. Besondere Beachtung verdient noch die kleine 1835 erschienene Schrift: „Conspectus regni vegetabilis“, welche M. als Leitfaden bei seinen Vorlesungen diente und worin er die Grundzüge eines neuen, hauptsächlich auf den Bau und die Verwachsungsverhältnisse des Fruchtknotens gegründeten Pflanzensystems entwickelte. Es sollte durch dasselbe die organische Gliederung des natürlichen Systems zugleich mit der Schärfe und Bestimmtheit des künstlichen verschmolzen werden. Weitere Verbreitung hat das System später nicht gefunden. Ein 1852 erschienener: „Syllabus praelectionum de botanica pharmaceutico-medica“ diente gleichfalls didaktischen Zwecken. Auch Martius’ praktische Thätigkeit als Director des botanischen Gartens zeitigte mehrere nennenswerthe Schriften. In dem „Hortus botanicus Regiae Academicae Monacensis“ (1825) wird neben der Darstellung der klimatologischen und geologischen Verhältnisse der Münchener Gegend, eine Geschichte des Gartens, eine Aufzählung der in ihm enthaltenen Pflanzen des freien Landes und der Gewächshäuser, sowie zum Schluß eine Schilderung des durch den Garten bereits gebotenen oder zu erwartenden Nutzens gegeben. Ein „Wegweiser für die Besucher des Königl. botanischen Gartens in München“ erschien erst 1852, zwei Jahre vor seiner Amtsniederlegung. Ueberhaupt widmete M. dem botanischen Garten große Sorgfalt, wobei ihm der treffliche Obergärtner Weinkauff treu zur Seite stand. Trotz eines nur geringen jährlichen Etats war er in vorzüglicher Ordnung gehalten und enthielt eine nur von wenigen gleichartigen Anstalten übertroffene Sammlung wohl bestimmter lebender Pflanzen aus fast allen Familien des Gewächsreiches. Die aus eingesandten Samen cultivirten neuen Pflanzenarten wurden beschrieben und diese Beschreibungen theils in den: „Amoenitates botanicae Monacenses“ (1829–31), theils, mit P. v. Schranck zusammen, im „Hortus regius Monacensis“ (1829) publicirt. Sein Interesse für Gartenbau und rationelle Landwirthschaft documentirte M. auch durch seine Thätigkeit, die er für die Gartenbaugesellschaft in München, deren Vorsitzender er bis zu seinem Tode gewesen war, entwickelte. In den Jahresberichten dieses Vereins erschienen mehrere seiner Vorträge, von denen die „Vorträge über die Florenreiche“ (1865) besonders beachtenswerth sind. Auch die Krankheit der Kartoffel hat ihn eingehend beschäftigt. Er veröffentlichte darüber 1842 einen Aufsatz in den Abhandlungen der bairischen Akademie der Wissenschaften: „Die Kartoffel-Epidemie der letzten Jahre, oder die [526] Stockfäule und Räude der Kartoffeln“ und 1845 im Centralblatt des landwirthschaftlichen Vereins in Baiern: „Sendschreiben über die Kartoffelkrankheit.“ M. war der erste, der in den kranken Knollen einen mikroskopischen Pilz beobachtete, den er Fusisporium Solani nannte; er leitete die feuchenähnliche Verbreitung der Krankheit von der Uebertragung der Sporen dieses Pilzes auf die gesunden Pflanzen her. Daß M. auch philologische Studien mit Vorliebe pflegte und in seinen Schriften selbst Meister der Rede, sowol der lateinischen, wie der deutschen war, ist bereits mehrfach hervorgehoben worden. Auf historisch-philologischem Gebiete bewegt sich auch die zu David Heinrich Hoppe’s Jubelfeier 1845 erschienene kleine Abhandlung: „Quaedam de priscorum epistolis in Bibliotheca Universitatis Erlangensis asservatis.“ Am Schlusse sei auch noch erwähnt, daß M., in früherer Zeit leidenschaftlicher Violinspieler, auch über die Geigenfabrication eine Abhandlung geschrieben und Untersuchungen angestellt hat über die zweckmäßigsten Formen dieses Instruments, über die Beschaffenheit, welche das Holz haben müsse u. s. w. Noch heute liest man auf Mittenwalder Geigen häufig den Spruch von ihm: In silvis silui, nunc mortua cano. – Diese Vielseitigkeit der Begabung, die in M. zu Tage tritt, sie ist mit eines derjenigen Momente, die ihn zu einem bedeutenden Manne, nicht seiner Zeit allein gemacht haben. Seine Verdienste als Naturforscher reichen in ihren Wirkungen bis in die Gegenwart. Gleich einem Cuvier, Jussieu, De Candolle, Rob. Brown und andern hervorragenden Geistern, hat er es verstanden, die Vorzüge der Gelehrsamkeit des verflossenen, mit denen des gegenwärtigen Jahrhunderts in glücklichem Ebenmaße in sich zu vereinigen. Neben der classischen und universellen Bildung, der Bündigkeit und Klarheit des Ausdrucks, die den großen Naturforschern des vorigen Säculums eigen waren, besaß M. auch die genauere Kenntniß derjenigen Disciplinen, die erst seine Zeitgenossen geschaffen oder höher ausgebildet haben. Speciell für die Botanik liegt sein großes Verdienst in der glücklichen Vermittlung zwischen der Linnéischen Periode, in die noch der Anfang seiner Laufbahn gefallen war und der neueren Zeit, welche in Folge des mächtigen Aufschwunges, den Morphologie, Anatomie und Physiologie in der Botanik genommen, auch für die Systematik eine vertieftere geistige Auffassung und umfassendere Behandlung der Pflanzenwelt fordert. M. hat mit dazu beigetragen, daß die descriptive Botanik noch heute ein lebensfähiges Glied im Kreise der botanischen Disciplinen darstellt. Ebenso hoch ist ihm auch anzurechnen, daß er es trefflich verstand, tüchtige Kräfte aufzuspüren und im Dienste der Wissenschaft an richtiger Stelle zu verwenden. Al. Braun, H. v. Mohl, Karl Schimper, Sendtner, Eichler und andere Koryphäen der botanischen Wissenschaft haben zu seinen Füßen gesessen. Er besaß aber auch eine eminente Lehrbefähigung, welche nicht nur vom Katheder herab wirkte, sondern auch im persönlichen Umgange Geist und Herzen seiner Zuhörer fesselte. Das schöne Verhältniß, das zwischen Lehrer und Schüler obwaltete, trat am besten hervor in den seiner Zeit hochbeliebten Linnäusfesten. An Linné’s Geburtstag, dem 24. Mai, zog M. mit seinen Schülern von München aus botanisirend an der Isar aufwärts nach dem Dörfchen Ebenhausen, wo bei der Linnäus-Eiche ein einfaches Mahl gehalten wurde, begleitet von Reden, sinnigen Trinksprüchen und poetischen Ergüssen. Freund der Poesie, hat M. selbst auch diese Seite geistiger Ausbildung gepflegt. Seinen Palmen hat er mehrere Lieder gewidmet und mehrere Gesänge seines größeren Gedichtes: „Suitrams Fahrten“ in der „Charitas“ von Schenk und Fernau publicirt. Harmonisch wie sein äußeres Leben, war auch sein geistiges und sein Charakter. Heiteren Temperaments, für alles Gute und Schöne empfänglich, freundlich und dienstfertig gegen Jedermann und von [527] echter, edler Humanität, hat er sich in den Herzen Aller, die ihn kannten, ein bleibendes Denkmal gesetzt.

C. F. Meißner: Denkschrift auf C. F. Ph. v. Martius. München 1869 und: A. W. Eichler: C. F. Ph. v. M., biogr. Skizze. Flora 1869.