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ADB:Olearius, Adam

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Artikel „Olearius, Adam“ von Friedrich Ratzel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 269–276, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Olearius,_Adam&oldid=- (Version vom 8. Dezember 2024, 12:57 Uhr UTC)
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Band 24 (1887), S. 269–276 (Quelle).
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Olearius: Adam O. (vern. nom. Oelschläger: Moller), Reisebeschreiber und Sprachgelehrter, geb. zu Aschersleben („umb Magdeburg und Aschersleben, in meinem Vaterland“, sagt O. in der Gottorffischen Kunstkammer), um 1599[1], † in „seinem Hause vor (Schloß) Gottorp“ am 22. Febr. 1671. Es ist zweifelhaft, ob er jenem an Theologen und Dichtern geistlicher Lieder reichen obersächsischen Geschlechte der Olearius angehört, dessen Stammvater der unten (S. 278) besprochene Hallische Superintendent Joh. O. († 1623) ist. Es war wol dieser selbe Joh. O., der ein zu Magdeburg erschienenes Büchlein „Vom türkischen Reich Bericht etc.“, welches öfters dem Adam O. zugeschrieben wird, mit einer Vorrede d. Halle 1594 versah. Unseres O. Vater war ein in engen Verhältnissen lebender Schneider zu Aschersleben, der schon frühe seinen Kindern entrissen worden zu sein scheint, da Gräfius angibt, der junge O. habe vom Ertrage der Wollspinnerei seiner Mutter und seiner Schwestern die Kosten seiner ersten Studien bestritten und nur durch deren unermüdeten Fleiß sei es ihm möglich geworden, die Universität Leipzig zu beziehen, wo er 1627 Magister der Philosophie, dann Assessor der philosophischen Facultät und Collegiat der kleineren Fürstenstiftung, nicht wie Einige wollen, ordentlicher Professor, wurde. Von 1630 bis 1633 versah er die Stelle eines Conrectors des Nicolaigymnasiums. Von seinen innigen Beziehungen zu Leipzig legt das Abschiedswort Zeugniß ab, welches beim Antritt der persischen Reise Leipziger Freunde und Professoren ihm sandten. Dasselbe ist 1633 zu Hamburg gedruckt. Leipziger Beziehungen dankte es wohl O., daß er schon 1633 zu einer der hervorragendsten politischen und wissenschaftlichen Unternehmungen dieser Zeit hinzugezogen ward und vielleicht gab dann O. seinerseits wieder den jüngeren Leipziger Freunden Paul Fleming und Hermann Grahmann den Anstoß, sich in die Dienste des gleichen Unternehmens zu stellen. Als im J. 1633 Herzog Friedrich III. von Schleswig-Holstein-Gottorp (A. D. B. VIII, 15), einer der gebildetsten und geistig regsten Fürsten seiner Zeit, seine Räthe Philipp Crusius aus Eisleben (später als v. Krusenstern geadelt, A. D. B. IV, 634) und Otto Brugmann oder Brüggemann (A. D. B. III, 407) aus Hamburg mit großem Gefolge an den russischen Großfürsten Michael Feodorowitsch und den persischen Schah Sefi sandte, wurde O. dieser Gesandtschaft als Secretarius und Rath, hauptsächlich aber wol als Sprachkundiger beigegeben. Die Gesandtschaft, an welche in dieser trüben Zeit nicht nur Herzog Friedrich, sondern auch viele gute Deutsche patriotische Hoffnungen auf politischen und wirthschaftlichen Aufschwung des deutschen Nordens knüpften, die sich leider nur zum geringsten Theil erfüllen sollten, verließ den 6. Novbr. 1633 Hamburg, und ging über Lübeck, Riga, Reval, Groß-Nowgorod und Twer nach Moskau, wo am 14. August 1634 der feierliche Einzug stattfand. Nach längeren Verhandlungen wurde die erbetene Erlaubniß ertheilt, daß eine andere holsteinische Gesandtschaft durch Rußland ihren Weg nach Persien und zurück sollte nehmen können und am 24. Decbr. ward die Rückreise zu Land nach Gottorp angetreten, wo die Gesandtschaft am 6. April 1635 eintraf. Während die Vorbereitungen zur persischen Reise im Gange waren, ging O. im Auftrage seines Herzogs in Mission an den Cardinal Infanten von Brabant, kam krank nach Hamburg zurück und lag hier längere Zeit darnieder, schloß sich aber wiedergenesen, [270] der am 22. Octbr. 1635 von Hamburg abgehenden Gesandtschaft an und erlebte mit ihr von Travemünde ab jene Stürme und endlich den Schiffbruch an der Küste von Hochland, welche Paul Fleming in einem berühmten Gedicht („Mich dünkt, ich höre noch den Zorn der tollen Wellen etc.“) besungen hat. Am 29. März zog die Gesandtschaft in Moskau ein, das sie nach vielen Festen erst am 16. Juni wieder verließ, um über Nowgorod und Kasan nach Astrachan zu reisen, das am 15. Septbr. erreicht ward. Von Nischni Nowgorod aus ging die Reise auf der Wolga in einem Boot, das von dem eigens zu diesem Zwecke mitgenommenen Lübeck’schen Schiffer Cordes gebaut war. O. machte während der Reise die astronomischen und magnetischen Bestimmungen, welche seiner großen Wolgakarte zu Grunde liegen. Am 10. Octbr. stach die Gesandtschaft auf ihrem eigenen Schiffe in See, um Derbent, damals persische Grenzstadt, zu erreichen, war aber nach heftigem Sturme gezwungen, das Schiff bei Nisawai auf den Strand laufen zu lassen. Als Schiffbrüchige lebten sie fünf Wochen unter Zelten, um erst am 22. Decbr. die Reise nach Schamachi fortzusetzen. Hier mußte auf die Einladung des Schahs nach der Hauptstadt zu kommen, drei Monate gewartet werden. Endlich konnte am 28. März 1637 die Reise über Ardebil, wo neuerdings ein Aufenthalt von zwei Monaten nöthig wurde, Sultanie, Kaswin und Kaschan nach Ispahan fortgesetzt werden, wo die Gesandtschaft am 3. August 1637 einzog, um nach festlichem Empfange schon wenige Tage darauf ein blutiges Gefecht ihres Trosses mit der usbekischen Bedeckung einer Gesandtschaft des Großmoguls zu erleben, in welchem von den Holsteinischen 5 getödtet und 10 verwundet wurden. O. hat die wenigen Monate bis zur Abreise, welche am 21. Decbr. desselben Jahres über Kaschan, Kilan, Rescht und Astrachan stattfand, fleißig ausgenutzt, wie man sowohl aus der Reisebeschreibung als auch aus seinen späteren Schriften über persische Sprache und Litteratur erkennt. Leider störten ihn wie die anderen Reisegefährten des Gesandten Brüggemann Tollheiten und Ausschweifungen, die das Ansehen der ganzen Gesandtschaft heruntersetzten. O., der es übernahm im Namen der Gefährten dem Gesandten Vorstellungen zu machen, mußte sich vor der Wuth des letzteren einige Zeit bei den spanischen Augustinern verbergen und entsagte nur ungern dem Plan, allein über Babylon und Aleppo zurückzukehren. Er versäumte trotzdem nicht Ortsbestimmungen und magnetische Beobachtungen anzustellen und andere Materialien für seine Karten zu sammeln, Bücher und Handschriften zu erwerben und zugleich das persische Leben kennen zu lernen. Seinen Freund v. Mandelslo (A. D. B. XX, 173), dessen indische Reise O. später herausgab, ließ er mit einigen anderen Mitgliedern der Gesandtschaft in Ispahan zurück. In Astrachan blieb die Gesandtschaft, welche auf dem Wege Gefahren und Mühseligkeiten aller Art erfahren hatte, vom 14. Juni bis 7. September und reiste dann wolgaaufwärts, um am 2. Januar 1639 neuerdings in Moskau anzulangen. Am 1. August traf sie in Gottorp wieder ein, begleitet von einer persischen und russischen Gesandtschaft. O., auf welchen Brüggemann’s Gewaltthätigkeit es offenbar am meisten abgesehen hatte, war ihr von Reval vorausgeeilt, vorzüglich wol, um dem Herzog Bericht über die schweren Unordnungen und Ungerechtigkeiten zu erstatten, welche dem Gesandten Brüggemann zur Last gelegt wurden und nach dessen Rückkehr zu einem peinlichen Proceß führten, dessen Ergebniß die Verurtheilung dieses Mannes zum Tode war. Die bald darauf zu Gottorp vorgenommene Enthauptung Brüggemann’s ist ein trüber nicht ganz aufgeklärter Punkt in der Geschichte dieser merkwürdigen Gesandtschaftsreise. Als O. auf dem Rückwege aus Persien Moskau zum zweiten Male berührte, hatte der Großfürst, dem besonders seine Karte des Wolgagebietes und des persischen Reiches gefielen, bereits den Versuch gemacht, ihn als Astronom an seinen Hof zu fesseln, und berief ihn später förmlich in diese Stellung. O. [271] jedoch fand dieselbe um so weniger befriedigend, als er von Vielen in Rußland für einen Zauberer und Sterndeuter gehalten worden war, hatte wol auch andere Gründe abzulehnen, nachdem der von Leipzig her ihm befreundete Johann Adolf Kielmann (A. D. B. XV, 719) zum herzoglichen Rathe befördert worden war und ihm die Aussicht eröffnete, an diesem damals glänzenden Hofe eine dauernde Stellung zu finden. O. blieb in Gottorp, wo er dem Herzog Friedrich und dessen Nachfolger Christian Albrecht ein treuer Diener bis an sein Ende war. Herzog Friedrich machte ihn zu seinem Mathematicus und Antiquarius und nahm ihn unter die Zahl seiner Räthe auf. 1650 wurde ihm auch die Verwaltung der Bibliothek und der sog. Kunstkammer (s. u.) übertragen, wie O. in der Widmung des Persianischen Rosenthals selbst meldet. Mit Eifer widmete er sich in diesen Jahren der Arbeit, die Schätze dieser damals hervorragenden Bibliothek zu ordnen, in welcher die von O. selbst von der orientalischen Reise mitgebrachten arabischen, persischen und türkischen Manuscripte, die er genau katalogisirte, eine hervorragende Stelle einnahmen. Manche größere Arbeiten, die er hier unternahm, sind im Manuscript geblieben, so ein arabisch-persisch-türkisches Glossar. Andere hat er mitgefördert. Nicht weniger war O. bemüht, die Naturalien-, Kunst- und Raritätensammlungen seines Herrn zu ordnen und zu mehren, für welche er 1651 die damals berühmte Paludan’sche Sammlung in Enkhuizen ankaufte. Im letztgenannten Jahre wurde er unter Herzog Wilhelms von Sachsen-Weimar Präsidium in die fruchtbringende Gesellschaft aufgenommen, die ihre Ziele durch die Abfassung der Reisebeschreibung des Olearius in deutscher statt in lateinischer Sprache gefördert sah und O. zu ihren thätigsten Mitgliedern zählte. Als Mathematiker, Physiker, Historiker, orientalischer Philolog, der nicht blos nach dem Zeugniß seines holländischen Freundes Jacob Golius (A. D. B. IX. 343) der beste Kenner des Persischen in Europa war, endlich als Dichter erfreute sich O. hohen Ruhmes. Zeitgenossen geben ihm den Namen „holsteinischer Plinius“ und „gottorffischer Ulysses“. Aus manchen Bemerkungen in seinen Werken entnehmen wir, wie er den Mittelpunkt eines reichen litterarischen Verkehrs bildete. Unter den gelehrten und poetischen Freunden und Correspondenten des O. sind außer den mit ihm am Hofe zu Gottorp angestellten Crusius, Kielmann, Uechtritz, dann Fleming, Harsdörffer in Nürnberg, der berühmte Orientalist Professor Jacob Golius in Leyden, der Handelsherr Jens Martens in Friedrichstadt, Inhaber eines berühmten Conchyliencabinets, Claus Christoph v. Lützow, Hofmarschall der Königin von Schweden, zu nennen. Gleich Crusius, Grahmann und Fleming hatte er sich eine Tochter Livlands zum Weibe erkoren, des Revalschen Senators Möller Tochter Katharina. Sein Leben wird als ein in Thätigkeit glückliches bezeichnet, wiewol die Wirren der Zeit nicht ganz spurlos an demselben vorübergehen konnten. So wurde am 30. Octbr. 1658 im dänisch-schleswig’schen Kriege das nahe bei Gottorp gelegene Haus des O. durch kaiserliche Truppen geplündert. Als der Tod der bis zuletzt regen Thätigkeit des kräftigen und heitern Greises im 72. Lebensjahr ein Ziel gesetzt hatte, fand der Leichnam im Dom zu Schleswig seine letzte Stätte; das von seinem Schwiegersohn L. Burchard gesetzte Epitaph zeigt neben einer langen Inschrift auch sein Bildniß (Sach, Gesch. der Stadt Schleswig S. 187).

Des O. dauerndster Ruhm wird seine Reisebeschreibung sein, welche in der Geschichte dieses Litteraturzweiges in Deutschland einen wichtigen Abschnitt bildet. Es ist das erste litterarisch vollendete und zugleich mit dem ganzen Bildungsgehalt seiner Zeit getränkte Werk dieser Art, das wir aufzuweisen haben. Goethe rühmt es als „höchst erfreulich und belehrend“. Es erschien im J. 1647 zu Schleswig unter dem Titel: „Offt begehrte Beschreibung der Newen Orientalischen Reise, so durch Gelegenheit einer hollsteinischen Legation an den König in Persien geschehen“. Dieselbe enthielt zugleich ein bereits [272] 1645 gedrucktes Schreiben des J. A. v. Mandelslo über seine Weiterreise in Indien und Afrika, einen kurzen Abriß der politischen Geographie von China und einen Nachruf nebst poetischer Grabschrift auf Mandelslo. Neue Ausgaben, von O. selbst besorgt, erschienen 1656 und 1663 zu Schleswig ohne die Anhänge, französische Uebersetzungen nach der ersten Ausgabe des Olearius’schen Werkes 1659, 1666 und 1679; eine niederländische erschien 1651, eine englische 1666. Die Reise Mandelslo’s gab O. selbständig mit Unterstützung von dessen Schwester, verw. v. Schulenburg nach dem Wunsche Mandelslo’s 1658 heraus. Ebenso gab er der Welt Jürgen Andersen’s aus Schleswig (A. D. B. I[WS 1], 429) orientalische Reisebeschreibung, deren Manuscript er mit einer Niederschrift vergleichen konnte, die er im Auftrag des Herzogs Friedrich von Gottorp nach den mündlichen Erzählungen Andersen’s ohne dessen Wissen verfaßt hatte. Gleichzeitig edirte er Volquart Iversen’s von Husum ostindische Reise. Er stattete alle diese Werke, von denen man wol sagen kann, daß sie ohne seine Hülfe überhaupt nicht erschienen sein würden, mit gelehrten Anmerkungen aus und Stil und Rechtschreibung haben offenbar in allen dreien ihm viel zu danken. Beide sind in posthumen Ausgaben öfters mit des O. Reise zusammengedruckt worden. Auch den kurzen flugschriftartigen Bericht des Heinrich v. Uechtritz über sein Sklavenleben auf Barbados stattete der stets bereite O. mit einem Lobgedicht und gelehrten Anmerkungen aus.

Des Olearius Reisebeschreibung ist gleichzeitig Bericht, Chronik, Länder- und Völkerbeschreibung. Der ganze Verlauf der Reise ist Tag für Tag genau verzeichnet, zahlreiche Personalien eingestreut, Schriftstücke mitgetheilt. Ausführliche Länder- und Völkerschilderungen unterbrechen den Gang der Erzählung. Unter diesen ist besonders die Schilderung Moskaus und jener Theile von Rußland, die die Gesandtschaft durchreiste (sie gehören [sagt Adelung] zu den tüchtigsten, bis auf den heutigen Tag geschätzesten Documenten über das damalige Rußland), ferner des Wolgalandes nennenswerth. Die politisch-geographische Charakteristik tritt überall in den Vordergrund. Die Weitschweifigkeit der Rede, welche dieser Zeit angehört, war trotz des in der Widmung an den Herzog Friedrich von Gottorp kundgegebenen Entschlusses „die bloße Wahrheit schlecht, ohne weitläufftige hohe Reden, welche die Perser leere Pauken nennen“, zu sagen, nicht zu vermeiden. Ebensowenig der gelehrte Ballast, welcher übrigens manche werthvolle Notiz der Vergessenheit entreißt. Die Hülfe des später in Schleswig zum Christenthum übergetretenen Persers Hakovirdi ist in den persischen Abschnitten besonders allem Sprachlichen zu Gute gekommen, wie denn O. der Rechtschreibung geographischer Namen eine für seine Zeit seltene Aufmerksamkeit geschenkt hat. Von seiner Gründlichkeit in historisch-geographischen Dingen geben die im Text zerstreuten Bemerkungen über Oertlichkeiten, die die Alten genannt haben, vollgültigen Beweis. Er reiste mit einer beträchtlichen Handbibliothek. In der Vorrede zur selbständigen Ausgabe der Mandelslo’schen Reise betont er selbst den Nutzen, den das genaue Studium des Qu. Curtius ihm auf der persischen Reise gebracht. Die Karte Persiens, welche dem Werke beigegeben, ist durch seine eigenen Breiten- und Längenbestimmungen und durch solche verbessert, die er von Persern und Arabern empfangen. Durch die, wie alle Karten des Werkes, von Rotgiter und Rothgießer in Husum hübsch ausgeführte große Wolgakarte von Nischni-Nowgorod bis Astrachan, welcher Adelung „vorzüglichen Werth zuschreibt“, hat O. das noch immer in mancher Gelehrtenstube lauernde Vorurtheil der strabonischen Meerenge zwischen Kaspisee und Nordmeer endgültig besiegt und theilt in dieser Hinsicht das Verdienst früherer Geographen, vor allem Herberstein’s (A. D. B. XII, 35), dessen er bei Erwähnung der Wolgaquelle gedenkt und dessen Werk das seinige vervollständigt. Vom oberen Theile des Stromes spricht O. nicht weiter: „Weil ich selbigen Strich nicht bewandert, werd [273] ich diesen Theil der Wolga unbeschrieben lassen“ (RB. 177). Hier ist Beschreibung im Sinne von Kartenzeichnung aufzufassen, denn eine eingehendere geographische Beschreibung hat O. leider von der Wolga, die er zweimal zwischen Nischni Nowgorod und Astrachan befuhr, nicht gegeben. Er hat ebensowenig die Gebirge beschrieben, die er sah oder sogar durchzog, so besonders den Kaukasus. Philologische und antiquarische Interessen hüllen die Bilder der Natur so dicht mit ihrem krausen Citatenwerk ein, daß hinter diesem alles andere zurücktreten, ja oft ganz verschwinden muß. Um so erfreulicher wirken eben die sorgfältigen Karten. Die Kupfer hat O. gemeinsam mit dem Reisegefährten Grahman aus Ilmen gezeichnet, dann von John in Leipzig umzeichnen und unter seinen Augen von drei Kupferstechern aufs Erz übertragen lassen. Nicht zu vergessen sind P. Fleming’s poetische Beiträge, denen auch ein Ungenannter, wol O. selbst, mehrere Gedichte anfügte. Dieselben unterbrechen an zahlreichen Stellen, besonders wo erschütternde Ereignisse oder eindrucksvolle Naturbilder geschildert werden sollen, die Reiseerzählung, die allein dadurch schon zu einem Werk der Nationallitteratur gestempelt wird. In der zweiten Auflage (1656) sind die Mittheilungen, besonders über Persien, noch ausführlicher geworden, ein werthvolles Quellenregister und ein Ortsverzeichnis beigegeben. Dagegen fehlt hier die der 1. Auflage beigedruckte Mandelslo’sche Reise, welche 1658 als selbständiges Werk mit einer interessanten Einleitung des O. erschienen war, und wofür vielen Exemplaren der 1654 zu Schleswig erschienene „Persianischer Rosenthal durch Schich Saadi“ beigefügt ist, welches O. ebenso wie Lokman’s Fabeln, mit Hülfe Hakovirdi’s übersetzt hat. Als Hakovirdi, der fünf Jahre im Hause Olearius’ gelebt, 1650 gestorben war, vollendete O. selbst die Arbeit. Die nach Larson gearbeitete: „Des itzigen Persischen Hofs Staats- und Regierungsbeschreibung[WS 2]“ ist erst in die posthume Ausgabe eingeschoben worden, wo sie täuschender Weise unmittelbar hinter der Reisebeschreibung steht. Sie hat mit O. nichts zu thun. Die Reisebeschreibung hat 8 deutsche Ausgaben, die letzte 1696, erlebt und erschien zuletzt 1727 im Haag als Titelausgabe einer 1719 in Amsterdam verlegten französischen Uebersetzung.

Von hohem Interesse ist eine Anzahl selbständiger Abhandlungen, welche in dem Werke als Schaltcapitel eine Stelle gefunden haben. Für die Beweglichkeit und Klarheit des Geistes Olearius’ legen diese Einschiebungen späterer Entstehung in der Reisebeschreibung vielleicht das beredteste Zeugniß ab. Voll von Gelehrsamkeit, glänzen sie noch mehr durch den gesunden Verstand und die wohlgeschulte Beobachtungsgabe, welche in ihnen sich bekunden. Ein Capitel wie das 4. des 3. Buches, in welchem O. das ihm sonst fremde Gebiet der Geschichte der nordischen Entdeckungen und der Geographie der Hyperboräer betritt, ist eine ansehnliche und werthvolle Leistung für sich, welche unverdientermaßen in Vergessenheit gerathen ist. O. knüpft an die von ihm in Moskau gesehenen Samojeden an, um von Grönländern zu erzählen, welche 1654 durch ein dänisches Schiff nach Flensburg gebracht worden waren. Seine Beschreibung ist so vollständig wie möglich, gründet sich zum Theil auf die Aussagen des pommerschen Feldscheer Reinhold Horn, der die Reise mitgemacht und u. a. das Vocabular eines Eskimodialektes verfaßt hatte, welches als erstes in Deutschland veröffentlichtes, O. seiner Beschreibung beigab. Es ist hoch anzuschlagen, wenn in der Discussion der Körperfarbe dieser Völker O. die Lehre von dem Einfluß der Nähe beim Aequator auf die Färbung der Völker abweist oder entgegen des Grotius Meinung von der Bevölkerung Grönlands und Nordamerikas durch Normannen sich mit trefflich gewählten Gründen auf die Seite des Laetius und Hornius stellt. Wo in der gebildeten Welt wäre allerdings zu dieser Zeit Gelegenheit gewesen wie am Gottorp’schen Hofe Eskimo, Abessinier [274] und Perser lebendig, redend und handelnd zu vergleichen? Es ist nicht des O. Schuld, wenn sein Verdienst als Förderer der Ethnographie nicht auf gleicher Höhe von der Nachwelt erblickt ward, wie diejenigen, welche er sich um Geographie und orientalische Philologie erwarb. Unter den monographischen Einschaltungen des Reiseberichtes sind dann besonders noch zu nennen die Capitel über Gothland und die Gothen, die unteutschen oder alten lieffländischen Einwohner (mit Sprachproben), die Beschreibung von Reval, die kurze Geographie von Rußland, welche das 3. Buch eröffnet, die Capitel über die Nordländer und Samojeden, die sehr ausführlichen über die Russen, welche das ganze 3. Buch füllen, über den Kaspisee im 4. Buche, die Beschreibung Persiens, welche 38 Capitel des 5. Buches einnimmt, die sich daran anschließenden Capitel über die neueste Geschichte Persiens. Einschaltungen minder nothwendiger Art scheut er nicht. Indem er (Bd. V, C. 29) erzählt, daß die Perser keine Globen haben, schiebt er eine kurze Beschreibung der berühmten kupfernen Riesengloben ein, die er selbst ersonnen und seinem Herzog hatte anfertigen lassen. Dieselbe Beschreibung kehrt auch in der holsteinischen Chronik wieder. Naturgeschichtliche Fragen hat O. im Geiste seiner Zeit, die den Höhepunkt der Skepsis noch nicht erstiegen hatte, manchmal kritisch, manchmal auch leichtgläubig behandelt. So registrirt er den Aberglauben, daß der Fang oder die Strandung großer Walfische entweder Friede oder Krieg bedeute, ohne demselben entgegen zu treten. Von den Vorbereitungen, Zauberkräften etc., die Olaus Wormius in übermäßiger Zahl den Naturkörpern und Naturerscheinungen beilegt, nimmt O. ohne Widerspruch Notiz. Eine Bemerkung in der von ihm herausgegebenen Geschichte des Heinrich v. Uechtritz läßt vermuthen, daß O. auch dem Hexenglauben seiner Zeit gehuldigt habe. War er in dieser Beziehung ein Kind seines Jahrhunderts, so ist es andererseits tröstlich, daß er durch die Fürsorge, welche er den Sammlungen zu Gottorp (auch ein Thiergarten befand sich darunter, den er mit besonderer Liebe gepflegt zu haben scheint) widmete, das seinige that, um die Pflege der Naturwissenschaften zu fördern. In erster Linie steht hier die jedenfalls unter seiner Leitung geschehene Construction zweier riesigen Globen aus Kupfer, „Automata Astronomico-Cosmograhica“, deren einer, der Erd- und Himmelskugel zugleich darstellte, um die 11 F. lange Axe drehbar war, während der andere bedeutend kleinere ein Bild des copernicanischen Planetensystems gewährte. Als Gehilfen standen ihm bei dieser Arbeit der Mechaniker Busch oder Bösch aus Limburg, sowie, für die Inschriften, die Brüder Rothgiser von Husum zur Seite. Der große Globus ward 1714 durch Peter d. Gr. nach Petersburg entführt, wo noch heute Fragmente desselben bewahrt werden. Auch die Anlegung einer mathematischen und physikalischen Sammlung lag ihm ob. O. war geübt im Gebrauche des astronomischen Apparates jener Zeit; er erzählt selber in seiner Einleitung zur Reise des Herrn v. Mandelslo, wie er diesen im Gebrauch des Astrolabium unterrichtet habe, so daß er Polhöhen zu nehmen im Stande war.

Große Sorgfalt verwendete O. auf Herstellung des illustrirten Kataloges der von ihm auf seines Herzogs Kosten 1651 aus Holland nach Gottorp übertragenen Naturalien- und Raritätensammlung, deren Grund der vielgereiste Arzt Paludanus zu Enkhuizen gelegt hatte und welche durch die aus Rußland und Persien mitgebrachten Merkwürdigkeiten, durch die unter Olearius’ Leitung hergestellten Globen und „Sphaera Coperniciana“ und endlich eine reiche Münzsammlung vervollständigt wurde. O. sammelte bis zu seinem Tod mit Eifer für dieses Museum, welches eines der hervorragendsten jener Zeit war. Von fernher kamen ihm Curiositäten zu, so brachte ihm sein Schwiegersohn, wie er selbst erzählt, Nummuliten aus Malta, es steuerte der große Kurfürst seltene Muscheln u. dgl. bei. Eifrig wie die Bibliothek leitete O. auch diese [275] Sammlungen, von denen allen Beschreibungen zu liefern er sich vorgesetzt hatte. Leider erschien blos die „Gottorffische Kunst-Cammer“ (1666), in welcher O. ein ebenso erstaunliches Wissen auf dem Gebiete der naturwissenschaftlichen Litteratur, wie früher auf anderen darlegt. Die Beschreibung des Einhorn, des Rhinoceros, des Bernstein, des Lignum fossile u. a. erweitern sich zu gelehrten Abhandlungen, deren zahlreiche Citate für die Kenntniß der Litteratur und Forschungsweise der Zeit von hohem Interesse sind. An der Fortsetzung dieses Kataloges, welche beabsichtigt war, hinderte O. das Alter. 1654 erschien eine unveränderte Ausgabe in hoch 4°, welcher die holsteinische Chronica beigedruckt ist. Die Gottorpische Bibliothek selbst ward 1749, die Kunstkammer 1751 nach Kopenhagen gebracht.

Das zweite große Verdienst des O. suchten schon seine Zeitgenossen mit Recht in seinen Verdeutschungen persischer Dichter. Als 1651 O. als der Vielbemühte mit dem Gewächszeichen der „moskowitischen Pomerantzen“ und dem Kennspruche „In der Fremde“ in die Fruchtbringende Gesellschaft aufgenommen worden war, hatte er sich wol nicht so sehr durch die fast sicherlich ihm zuzuschreibende Ausgabe der Fleming’schen Gedichte, als durch seinen Sadi und Lokman diesen Ruhm erworben. Neumark wenigstens führt ihn im Neusprossenden Palmenbaum nur als Verfasser der Reisebeschreibung und Uebersetzer des Sadi an. Das „Persianische Rosenthal“ erschien zuerst 1654 und im Anhang dazu Fabeln des Lokman und vermischte arabische Sprüchwörter. Die ganze Sammlung wurde öfters aufgelegt und übte einen erfrischenden, wohlthätig anregenden Einfluß auf die deutsche Litteratur dieser Zeit. Die Uebersetzung ist für moderne Anforderungen zu frei, aber des O. kräftiger Stil eignete sich vortrefflich zur Gewandung der prägnanten Weisheitssätze der Orientalen. Und wir können Ramler’s Urtheil (in der 1780er Ausgabe von Wernike’s Ueberschriften) wiederholen: Die Sittensprüche, die er aus dem Persischen und Arabischen in deutsche Reime gebracht hat, machen sein poetisches Verdienst aus. Eine „Holsteinische Chronica“, bestehend aus einem Auszuge der Solin’schen Chronologie und einer ausführlichen Darstellung der Ereignisse seit König Christian I. fortgeführt bis Februar 1662, ließ O. 1674 unter den Initialen A. O. erscheinen. Sie wurde von fremder Hand später bis 1702 fortgesetzt. Unter denselben Initialen oder pseudonym erschienen zahlreiche kleinere Schriften, Flugblätter u. dgl., darunter die öfter aufgelegte „Lustige Historia vom Tabakstrinken des Ascanius d’Oliva“. Unter den kleineren Schriften, welche O. vor der persischen Reise veröffentlichte, heben wir nur die 1632 erschienene Abhandlung über das Astrolabium und ein wie es scheint verlorenes Lobgedicht auf Gustav Adolf hervor.

O. gehört zu den Erscheinungen unserer Litteratur, welche man nicht blos nach ihren gedruckten Werken, sondern auch nach den Wirkungen ihrer Persönlichkeit beurtheilen muß. So wie O. auf den verschiedenen Bildern, die uns von ihm erhalten sind, als eine kraftvolle, körperlich wohlgebildete, später zur Behäbigkeit neigende Gestalt erscheint, so war er auch von Geist und Charakter kräftig angelegt. Er war in erster Linie vielseitig und rastlos thätig. Er verstand es, in vierzigjährigem Hofleben seinem herzoglichen Herrn mit Offenheit zu dienen und scheint bei Vater und Sohn gleich wohlgelitten gewesen zu sein. Die enge Freundschaft Paul Fleming’s und Mandelslo’s beleuchtet freundlich das Bild, welches wir uns von des O. Charakter nach seine Schriften machen. Die ungewöhnlichen Schwierigkeiten, unter welchen die Gesandtschaftsreise sich vollzog, scheinen wesentlich mit durch Olearius’ Eingreifen geebnet worden zu sein. Ihm scheint wenigstens von den Gliedern der Gesandtschaft ebensoviel Vertrauen geschenkt worden zu sein, wie dem Führer derselben, Brüggemann, dem Feinde des O., Mißtrauen entgegengebracht ward. Von seiner Bescheidenheit [276] gibt die Art, wie er sich in der Reisebeschreibung und der Holsteinischen Chronica zurücktreten läßt, einen guten Begriff. Und es ist wol etwas mehr als poetische Uebertreibung, wenn Paul Fleming in einem seiner Gedichte an O. diesen folgendermaßen anredet: Du bist die rechte Hand der Edeln Abgesandten, Ihr Willen | und Ihr Sinn | den sie in Dir erkannten. Du hältst das hohe Werk | das auf zwo Schultern ruht | Und sprichst der deutschen Welt ein | einen sichern Muth Auff alles gutes Heyl …. O. besaß einen Geist von großer Aufnahmsfähigkeit, dessen eigenartige schöpferische Kraft vor allem in der Handhabung der deutschen Sprache und der Unabhängigkeit des Urtheils sich kundgibt, und in dem außerordentlich ausgedehnten Wissen, in welchem des Olearius Zeitgenossen wenig ihm zu Vergleichende kennen mochten, nicht unterging. Seine Gelehrsamkeit in Sprachen und Geschichte des Alterthums und Orients, in Mathematik und Geographie vermochte seinen Schriften einen krausen, schnörkeligen Charakter zu verleihen, der im Sinne der Zeit für unentbehrlich galt, aber sie hinderte ihn nicht, im Denken frisch, wahr, eigenthümlich zu sein. Wo er warm für eine Sache wird, da fällt der faltenreiche Gelehrtenmantel und wir erstaunen dann vielleicht ebenso über die Geradheit und Derbheit als an anderen Stellen über die Umschweife und Ueberladung der Rede. O. verfaßte viele Gedichte, ohne ein großer Dichter zu sein. Indessen sagt von seinen orientalischen Sprüchen und Sinngedichten Wilhelm Müller „die Freiheit und Leichtigkeit der Behandlung machen diese Sinngedichte zu deutschen Originalen“. Und daß Paul Fleming seinen Freund 1636 in Astrachan als „hochgeschickten Dichter ansang“, soll nicht verschwiegen sein. Uebrigens dichtete eine ganze Anzahl der Gesandtschaftsmitglieder (Bibl. d. Dichter des 17. Jh., Leipz. 1826, IX).

Moller, Cimbria litterata, T. II. – Jöcher (Schriftenverzeichniß). – Die Reisebeschreibung. Vorbericht zur Mandelslo’schen Reise. – Varnhagen von Ense, Biographische Denkmale, 4. Theil: Paul Flemming. – Programm des Nicolaigymnasiums zu Leipzig 1868 (Rob. Naumanni de Adamo Oleario narratio).Idea historiae Ascaniensis A. Reimanni, 1708. – Lappenberg’s Ausgabe der Flemming’schen Gedichte in der Bibl. d. Litt. Vereins, Stuttgart, Bd. 82, 83. – A. Bornemann, Die Ueberlieferung der deutschen Gedichte Flemming’s, 1882. – A. O. Holsteinische Chronica. – Koberstein, Gesch. der deutschen Nationallitteratur I. – Gervinus, Geschichte der deutschen Dichtung III. – Adelung, Uebersicht der Reisenden in Rußland bis 1700, II. – Bildnisse des O. aus verschiedenen Lebensaltern sind allen Ausgaben der Reisebeschreibung seit 1647 beigegeben.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 269. Z. 11 v. o.: Adam Olearius ist als am 16. August 1603 getauft im St. Stephanikirchenbuch zu Aschersleben eingetragen. Trotzdem seine Hinterlassenen 1599 als Geburtsjahr auf seinem Grabdenkmale angeben ließen, ist demnach fast zweifellos, daß als Geburtsjahr 1603 anzunehmen sei. Vgl. Dr. Eduard Grosse, Adam O. Leben und Schriften. Realsch.-Programm Aschersleben 1867. [Bd. 25, S. 797]


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: XV
  2. Vorlage: Regiegierungsbeschreibung