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ADB:Stange, Bernhard

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Artikel „Stange, Bernhard“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 439–444, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stange,_Bernhard&oldid=- (Version vom 18. November 2024, 11:46 Uhr UTC)
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Stange: Bernhard St., Landschaftsmaler, wurde am 24. Juli 1807 zu Dresden geboren. Sein Vater, der rechtskundige Magistratsactuar Christoph Friedrich Stange, machte sich vielfach um die Stadt verdient; er resultirte durch einen längeren Vortrag, daß bei der Befestigung Dresdens durch Napoleon die Elbbrücke nicht durch Pioniere aufwärts, wie Napoleon zuerst wollte, sondern durch Freiberger Knappen abwärts gesprengt wurde. Die Kriegsdrangsale, sowie die Anstrengungen im Dienste, untergruben frühzeitig seine Gesundheit, so daß er am 12. October 1813, im Alter von fünfundvierzig Jahren, dem damals grassirenden Typhus erlag. Bernhard St. kam 1817 nach Leipzig zu dem Färbermeister Jäger (Vater des nachmaligen Historienmalers Gustav Jäger), welcher den Knaben wie seinen eigenen Sohn hielt. An der Färberei fand St. anfänglich große Freude, erklärte sich aber entschieden dagegen, selbe zum künftigen Handwerkerberuf zu erlernen. Sein Wunsch, Kunstmaler zu werden, scheiterte an dem Willen des Vormunds, welcher lieber für einen Anstreicher und Zimmermaler gestimmt hätte. Doch erwirkte er ihm ein Stipendium und so ging Bernhard St. nach Zwickau, um an der dortigen Schule auf Theologie sich vorzubereiten. [440] Zu seinen Mitschülern gehörten Albert und Max Zimmermann und ein träumerischer, aber schon als hochtalentirt bekannter Knabe, Robert Schumann! – Mit der besten Note das Gymnasium absolvirend, ging St. 1827 auf die hohe Schule nach Leipzig, wo ihm aber seine Abneigung vor der hebräischen Sprache die Theologie verleidete. Da der Vormund gegen das Studium der Medicin sich sperrte, ergab sich die Jurisprudenz als Ausweg. Vier Jahre lang oblag St. derselben fleißig, während er durch Instructionen mühselig seinen Unterhalt erwarb, und bestand glänzend seine Prüfung. Dann aber zog es ihn unwiderstehlich zur Kunst. Auf kleinen Reisen und Ausflügen war ihm sein Auge aufgegangen für die freie, große, schöne Welt und ihre Pracht. Auch die Bilder des ihm so vielfach geistverwandten Kaspar David Friedrich mit ihrer poetischen Stimmung, mit den wehenden Wolkenschleiern und den silbernen Mondscheineffecten, weckten ähnliches Ahnen, Hoffen und Empfinden; der längst geplante Wunsch reifte beim Anblick einer Landschaft von Karl Rottmann. Also auf und nach München! Mit gleichen Erwartungen gab ihm Gustav Jäger das Geleite. Da St. mit geringen Mitteln versehen war und ihm zu seinem künftigen Berufe noch alle Vorkenntnisse fehlten, so war der angehende Künstler ganz auf sich angewiesen, um so mehr, als die von seinem älteren Bruder, Friedrich Waldemar St., der sich dem Kaufmannsstande gewidmet hatte, in Aussicht gestellten Unterstützungen ausblieben, da das Haus, in dessen Diensten er stand, fallirte. Während Waldemar sein Glück in der neuen Welt suchte und wirklich fand, aber nur um schließlich alles wieder zu verlieren, wäre unser Maler ohne die thatkräftige und mitleidige Hülfe des braven Hutmachers Wetzel, bei welchem sich St. in der nach Sendling führenden Landstraße in einem hochgiebeligen Hause eingemiethet hatte, ganz verlassen gewesen. Die damals noch den weitesten Ausblick in die Berge gewährende Lage des Hauses war für die Wahl seiner Wohnung maßgebend gewesen; St. zog, je nachdem ein Zimmer in einem höheren Stockwerke frei wurde, immer mit der Parole „noch mehr Alpen!“ weiter hinauf, bis er endlich die oberste Stube mit der reizendsten Aussicht innehatte. Der wackere Hausherr merkte bald, wo seinen Insassen der Schuh drückte; er half mit Rath und That, bis St. im Stande war, Alles zu vergüten. Es ist nicht genug zu rühmen, was die alten Münchener Bürger in dieser Weise an den Fremden gethan, desgleichen aber steht auch fest, daß ihr Vorbild bei dem jungen Nachwuchs unvergessen ist und vielfach noch Nachahmung findet. – Eine kleine Malercolonie (darunter Kauffmann, Vollmer, Ziegler u. a.) that sich zusammen; Rottmann stand ihnen wohlwollend bei. Bald gelangte St. zum Durchbruch und hatte die Freude, daß auf Stieler’s Fürwort der Graf Arco-Stepperg das erste Bild erstand. Schon 1831 kaufte der Kunstverein einen „Gebirgssee“ bei nebeligem Wetter mit durchbrechender Sonne; seine folgenden Gemälde fanden schnell weitere Theilnahme. So erwarb 1834 der sächsische Kunstverein in Dresden eine „Gegend aus dem baierischen Hochlande“ (ein von schroffen Bergen umschlossener See; das Motiv könnte wohl von dem hinter der Zugspitze gelegenen Eibsee stammen, wo St. mit Daniel Fohr damals längere Zeit Studien malte und sich an den urweltlichen Zuständen der dortigen Bergbewohner ergötzte), ein treffliches Stimmungsbild, welches von Pescheck gestochen wurde. Eine kleine Tiroler „Alpenlandschaft in Abendbeleuchtung“ (angekauft vom Münchener Kunstverein) erhob das Stuttgarter Kunstblatt (1835, Nr. 22) mit ausgezeichnetem Lobe: Zwischen Matten schlängelt sich der Weg nach einigen Bauernhäusern hinab, aus deren Schornsteinen gemüthliche Rauchsäulen aufsteigen; dunkle Waldhöhen begrenzen von beiden Seiten die Aussicht in die Ferne, aus welcher ein von der untergehenden Sonne sanft angestrahltes Felsgebirge emporragt. Große Ruhe und Lieblichkeit [441] im Ton, äußerst wahre und sehr fleißige und gewandte Färbung werden gerühmt. Noch größeren Erfolgs erfreute sich Stange’s „Morgenglocke“. Das einfache Motiv dazu fand er in Frauen-Chiemsee: Es ist nur das Innere einer Glockenstube auf einem Thurme, mit der Aussicht durch das offene Schallfenster nach der im frühesten Dämmerlicht aufglimmenden, im Hintergrunde von einer leichten Bergkette umsäumten Wasserfläche. Daß die kleine Glocke gerade geläutet wird, sagt uns beiläufig die Stimmung und der Titel des Bildes; sie könnte ebensowohl unbeweglich in derselben Lage eingerostet sein. Aber eine solche Poesie schwebt über der klaren Landschaft, daß man unwillkürlich an die schönen Eingangsstrophen von Uhland’s Waller gemahnt wird. Das Bild, welches noch als „Abendgruß“ – übrigens bald unter den verschiedensten Benennungen – cursirte, gewann zuerst in Hannover großen Beifall und zog dem Maler eine Menge von Bestellungen zu, so daß St., mit verschiedenen Varianten von großen und kleinen Glockenstühlen, dasselbe Bild achtundzwanzig Mal wiederholen mußte. Eins derselben, unter dem Titel „ein Thurmfenster“, erwarb 1843 König Ludwig I. für die neue Pinakothek (in Lithographie und Photographie von Piloty und Löhle). Im J. 1840 war Stange’s Name schon begründet, so daß Graf Raczynski ihm eine schöne Stelle in seiner Kunstgeschichte (II, 384) einräumte. Beim großen Albrecht Dürer-Feste des genannten Jahres fungirte St. als Waffenschmiedgeselle; das von Eugen Neureuther gezeichnete Costümporträt läßt ein feingeschnittenes, zartes Gesicht erkennen; ein von Hanfstängl 1853 photographirtes Bildniß erinnert an de Wette’s milde Züge. Es hätte der Namenszug eines gelehrten Pastors oder Exegeten darunter gepaßt. Eine Büste modellirte Joh. Halbig. – Fast ausnahmslos bewegten sich Stange’s Bilder auf dem Gebiete der Alpenwelt Baierns und Tirols, sogar die harmlose Menterschwaige, damals der Haupttummelplatz der Münchener Künstler und der gebildeten Welt, zog er in seinen Kreis; ein Bildchen dieser Art hat E. Schleich 1845 durch Stich vervielfältigt. Bisweilen streifte seine Erinnerung auch nach den verwandten Partien der sächsischen Schweiz. Insgemein aber liebte er, reines Sonnenlicht mit spielenden Schatten, schwermüthige Wolkenzüge oder eine Mondbeleuchtung mit magischen Lichtreflexen darüber zu gießen; solche Stimmungsbilder wurden damals durch Knud Baade, Morgenstern und Schleich beliebt und St. excellirte darin, namentlich in seiner gleich zu besprechenden zweiten Periode, mit eminenter Virtuosität. Vorerst schuf er aber noch 1848 das (auch durch Steindruck verbreitete) schöne Stimmungsbild, wie junge Männer auf hoher Bergesspitze in frühester Morgenstunde das mit Eichenlaubkränzen geschmückte deutsche Banner aufpflanzen, indessen von den benachbarten Höhen lodernde Freudenfeuer antworten; Ludwig Schwanthaler soll dazu die Idee mit einer Figurenskizze gegeben haben. Im folgenden Jahre (1849) ging er zum ersten Male über die Alpen nach dem Wunderlande Italien, welches ihn, absonderlich das schöne Venedig, vollständig mit seinem Zauber umfing und bestrickte, so zwar, daß wir Stange’s Namen fast nur in Verbindung mit einer venetianischen Mondnacht zu denken vermögen. In diesen Schöpfungen ist St. ein wahrer Dichter, wie Joseph v. Eichendorff: Den ganzen wollüstigen Zauber nachtstiller Gärten, in welchen die Brunnen verschlafen rauschen, die duftschwüle Einsamkeit mit hohen Marmorbildern, Paläste im silberumflossenen Mondenglanz, welcher hinter hohen Pinien, über Lorbeer, Aloën, Cypressen und verschwiegenen Lauben hinspielt – das weiß St. mit packendster Wahrheit wiederzugeben. Zwei Perlen dieser Art besitzt die neue Pinakothek: Eine „Landschaft bei Mondlicht“ (vgl. Beil. 27, Neue Münchener Zeitung 1857) und „Schiffe im Golf von Venedig“ mit S. Maria della Salute im Hintergrunde und dem Doppeleffect von Mond und Schifflaternenlicht (in lithographischem Farbendruck von J. Wölffle). St. [442] wiederholte dergleichen vielfach, immer mit Glück, originell und frisch bleibend. Indem er sich bei öfterem Aufenthalte zu Venedig auch mit der Geschichte dieser Lagunenstadt befaßte, beschloß er die vier Tageszeiten mit Bildern aus der venetianischen Historie zu staffiren. Als „Morgen“ wählte er die „Verlegung des Dogensitzes nach der Insel Riva alta“, welche 809 den Angriffen des fränkischen Pipin Widerstand leistete (vgl. Eggers, Deutsches Kunstblatt 1858, S. 122). Im vollen Glanze des „Mittags“ zeigte er die unter Veniero „von der Seeschlacht bei Lepanto siegreich rückkehrende Flotte“; „das Begräbniß des letzten Dogen“ (ebendas. 1854, S. 124) gab das Motiv zum „Abend“, während die „Nacht“ mit dem „letzten Gondolier“ staffirt ist, welcher am Sockel einer der beiden Piazzettasäulen sitzend, den Untergang der alten Herrlichkeit auf seiner Laute besingt. Der um 1854 vollendete Cyclus (nach den Cartons photographirt bei Hanfstängl) stand fast gleichzeitig mit Teichlein’s „Rattenfänger von Hameln“ lange Zeit bei einem Münchener Kunsthändler (Beil. 249, Neue Münchener Zeitung vom 19. October 1859). Nachdem das Project, das Ganze in größeren Dimensionen für den König von Preußen auszuführen, sich zerschlagen hatte, wurde das Werk zertheilt, d. h. zwei Bilder davon erwarb Graf Palffy, während das 1854 gemalte, von König Ludwig I. angekaufte Dogenbegräbniß in die neue Pinakothek gelangte (im lithographischen Farbendruck von J. Wölffle), wo das äußerst pastos aufgetragene und von St. vielfach mit Asphalt übermalte Bild bald zu reißen und rinnen begann, und nur durch gründliche Restauration wieder in Stand gesetzt werden konnte. Das Technische galt überhaupt für die schwache Seite Stange’s, welcher es zeitlebens bitter zu fühlen hatte, daß seine künstlerische Ausbildung eine rein autodidaktische war. Immer blieb er im Kampfe mit den Mitteln, die seinen Ideen zum Ausdrucke dienten; bei seinen Figuren war Freundeshülfe unentbehrlich, welche auch seine, mit wahrer Passion immerdar schief gemalten Thürme regelmäßig senkrecht repariren mußte. – In Venedig war St. neuerdings mit Karl Rahl zusammengetroffen, welcher auf ihn großen coloristischen Einfluß übte. Der gesuchte, aber gegenseitig sich abschwächende Effect von Abendsonnengluth und Fackelbeleuchtung beim „Dogenbegräbniß“ wäre auf Rahl’s Rechnung zu setzen. Nach Rahl’s Ordination und Recept copirte St. auch Tizian’s „Assunta“ und die schöne „heilige Barbara“ von Palma Vecchio in S. Maria Formosa. Der jedem Künstler daraus erwachsende Nutzen ergiebt sich von selbst. Vorübergehend tauchte wol auch einmal bei St. der Einfall auf, sich mehr an das Figürliche zu halten; die schönen Venetianerinnen hätten ihm, wie er glaubte, wol genügend Stoff und Ideen geboten. So hatte er sich einen ehrenvollen, ruhmreichen Namen errungen, seine Bilder wurden gesucht und gingen in die Welt, nach England und Amerika. St. lebte mit seiner zärtlich geliebten Mutter, welche er baldmöglichst zu sich genommen hatte und mit der zartesten Aufmerksamkeit pflegte. Nach ihrem 1852 erfolgten Ableben heirathete St., übersiedelte aber plötzlich 1858, in demselben Jahre wo er als Anerkennung seiner künstlerischen Leistungen von König Maximilian II. mit dem Ritterkreuz des Verdienstordens vom heiligen Michael ausgezeichnet wurde, zur Ueberraschung seiner Freunde, nach dem zwischen dem Starnberger- und Kochelsee gelegenen Sindelsdorf, wo er ein Bauerngut kaufte und als – Landwirth idyllisch zu leben wähnte. Er vergaß dabei nur die goldene Wirthschaftsregel Goethe’s, daß Keiner sich mit der Erde einlassen sollte, der nicht von der Scholle stamme. Das Gütchen war gering, der Boden theils Moor- und Haideland, wenig rentirlich und noch dazu mit Hypotheken belastet. Aber es schien so reizend auf eigenem Grund und Boden zu sitzen und Morgens der Oekonomie und Nachmittags der Malerei zu obliegen, dazu noch in der Nähe der geliebten Berge; und dann erst die Nebel- und Mondscheinnächte über [443] den benachbarten Seen! Nur zu bald erfolgte die Enttäuschung. Zwar cultivirte er wacker und mit wahrer Herzensfreude, wobei ihm später sein zu Schleißheim und Weihenstephan gründlich gebildeter Sohn beistand; mit industriösem Blicke die Sachlage überschauend, stiftete er in der ihm anfänglich mit bäuerlichem Mißtrauen gegenüberstehenden Gemeinde allerlei Nützliches, brachte die Milchwirthschaft in Flor, gründete eine Käserei u. s. w. Darunter aber litt doch der Künstler, welcher, losgeschält vom belebenden Wechselverkehr mit gleichstrebenden Kräften, nur zu schnell zurückging. Zwar sendete er anfangs noch viele Bilder an die Kunstvereine; zu München wurde 1864 ein „Venedig“, 1867 ein „Kirchweihmorgen aus den Lagunen in Venedig“ und 1868 eine „Mondnacht“ angekauft; seine Münchener Freunde, insbesondere Spitzweg und Fr. Voltz, halfen mit Rath und That nach; so gelangte noch 1873 eine „Partie aus Venedig“ zur Ausstellung. Dann aber verzweifelten auch diese Getreuen seine Bilder kunstgerecht zu machen und einzurichten. Auge und Hand wurden unsicher; da traf ihn zu Pfingsten 1876 ein Schlag, welcher die ganze rechte Seite und eine Zeit lang auch die Zunge lähmte. Zwar erholte er sich wieder insoweit, daß er im Februar des nächsten Jahres, wenn er mit der linken die rechte Hand unterstützte, mühevoll mit schrecklich entstellten Schriftzügen zu schreiben vermochte. Eine kleine Staatspension der Akademie, welche später noch etwas erhöht wurde, schützte ihn vor den drohendsten Sorgen. Die Pflege seiner Frau und seines Sohnes, welcher nach Ableistung seiner Militärzeit herbeieilte, waren trefflich. Im Früjahre 1880 streifte ihn ein neuer Anfall, welcher die linke Seite theilweise lähmte. Als der vielgeprüfte Dulder am 9. October 1880 Abends von einem Ausgang in sein Heim zurückkehrte, begrüßte er eintretend noch seine Gattin und sank dann stumm in ihre Arme: Er hatte lautlos und plötzlich überstanden. – St. war ohne Arg und Falsch, von einer außerordentlichen Güte des Herzens, so was man sagt „ein seelenguter Mensch“; nicht absonderlich praktisch und ohne Menschenkenntniß. Als schöner Zug seiner Seele muß gerühmt werden die Innigkeit, welche ihn an seine Mutter fesselte: er war der Trost, der Stolz, die Stütze ihres Alters. Für jung aufstrebende oder unverschuldet in Noth gekommene Kunstgenossen hatte St. in seinen guten Tagen immer eine offene Hand, ließ von solchen seine Bilder copiren oder untermalen und belohnte selbe dankbar und freigebig, selbst wenn er ihre Arbeit gar nicht gebrauchen, sondern gänzlich abschleifen mußte. Die besten Skizzen und Studien verschenkte er aufs geradewohl an Bekannte, sogar an seinen Barbier, der daran besondere Freude gezeigt und sogar deren Nachbildung versucht hatte. St. war, wo er auch weilte, der wahre Armenvater der ganzen Nachbarschaft. Er übte noch die gastliche Nächstenliebe als sein Stern auch schon im Sinken war. Auch in Rechtssachen wurde er vielfach in Anspruch genommen; wenige seiner Nachbarn werden zu Gericht gegangen sein, ohne seine Ansicht und Meinung erst abgehört zu haben. Mit großer Treue und Anhänglichkeit blieb er seinen Freunden zugethan und wäre jeglichen Opfers für sie fähig gewesen. Bemerkenswerth war auch seine fast unverwüstliche, überall durchbrechende Heiterkeit; mit liebenswürdigem Humor machte er sich gern zur Zielscheibe des eigenen Witzes und schonte seine Person nicht, wozu er von seinem ersten Auftreten in München bereitwillig Stoff bot. Mit großer Emphase für alles Edle, Schöne und Große, für classische Dichter und Tonsetzer redete und schrieb er sich oft in eine Begeisterung oder umgekehrt in eine Entrüstung hinein, aus welcher schließlich wieder der heiterste Komiker hervorlugte. Dazu kommt noch, daß St. ein Talent hatte, sich als Bonvivant und Feinschmecker, freilich in aller Einfachheit und Mäßigkeit, aufzuspielen; er verstand die Kochkunst trotz einem Herrn v. Rumohr. Ungemein spaßhaft berührt es, plötzlich in einem Briefe an einen entfernten kranken [444] Freund unserem St. auf diesem Gebiete zu begegnen, wie er den Reconvalescenten einweiht in alle Geheimnisse der Bereitung eines echten Hamburger Beefsteaks. Das gourmandliche Vergnügen lacht zugleich mit dem Schalk aus den Augen, wenn er zum Gelingen des Werkes den Gebrauch gewärmter Zinnteller verlangt und ausdrücklich beisetzt: Zinnteller müßten es durchaus sein, sonst ginge es nicht, „obwohl es andere Teller ebenso gut zu leisten vermögen!“ Später kühlten sich alle diese heiteren Eigenschaften zu einem tristen Pessimistenthum ab, als das Leben mit den bittersten Prüfungen an den Künstler trat und mit ihm heimtückisch rang. Er unterlag dem harten Geschick. Deßungeachtet bleibt sein Name mit seinen besten Werken stets unvergessen. Ein echter St. gereicht einer jeden Galerie zu Schmuck und Zier immerdar!

Vgl. Nagler 1847. XVII, 216. – Regnet, Münchener Künstlerbilder 1871. II, 277 ff. – Lützow’s Zeitschrift für bildende Kunst XVI, 166 ff. – Beilage 18 Allg. Zeitung 18. Januar 1881. – Pecht, Geschichte der Münchener Kunst 1888. S. 164.