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ADB:Wolf, Luise

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Artikel „Wolf, Louise“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 779–781, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wolf,_Luise&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 09:08 Uhr UTC)
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Wolf: Louise W., Malerin. Geboren am 10. Februar 1798 zu Leipzig, kam sie mit ihrem Vater, dem nachmaligen Hofrath und Akademiker Peter Philipp W. (1758–1808), dem Begründer der heute noch florirenden und seinem Namen zur hohen Ehre gereichenden Buchdruckerei, nach München, widmete sich frühzeitig der Malerei unter Leitung der beiden Johann Peter und Robert v. Langer, verließ aber bald wieder diese einem bloßen Formalismus huldigende Richtung, um dem durch Cornelius, Overbeck, Schnorr, Heß und Andere angebahnten Umschwunge zu folgen. Ihr strebsamer, energischer Sinn nahm an der neuen geistigen Bewegung den lebhaftesten Antheil. „Da ihr die Gabe anzuziehen und anzuregen in hohem Grade eigen war, da Nachdenken und Beobachtung ihrem kritischen Urtheil einen besonderen Grad von Schärfe und Sicherheit verliehen und ihre Bildung überhaupt eine seltene und umfassende war, so kam es daß sie längere Zeit der belebende Mittelpunkt eines gleichgesinnten Kreises von jüngeren und älteren Künstlern, Kunstfreunden und Gelehrten wurde, der sich in ihrem gastlichen Hause zu geselligen Abenden einzufinden pflegte. Hier begann ein reger Austausch der Ansichten und Ideen; es wechselten musikalische Vorträge und Lectüre, wozu vorzugsweise die Schriften der Romantiker, Tieck, Schlegel, Novalis, Wackenroder gewählt wurden; aber auch Goethe’s Dichtungen und Prosawerke übten nicht minder ihre mächtige Wirkung.“ Zu den treuesten Freunden gehörte der tiefsinnige Theologe Julius Hamberger (1801, † 1885), Friedrich Hoffstadt, der, obwol seines Zeichens Jurist, doch die Gesetze des Spitzbogenstiles wie kein Anderer erforschte und neu begründete, der gemüthvolle Lyriker Fr. Beck (1806–1888), und der als Zeichner, Poet und Componist so vielseitig begabte Franz Graf v. Pocci; dazu der durch rechtsgeschichtliche und publicistische Schriften bekannt gewordene Freiherr v. Bernhard, ebenso Hans Freiherr v. Aufseß, Dr. L. Schöberlein und [780] viele Andere, mit denen sie zeitlebens in Fühlung blieb und ihren ausgebreiteten, nicht selten die wichtigsten Fragen des Lebens berührenden Briefwechsel führte. Wie heute für die großen Maler der Renaissance und ihre Kleinmeister, so schwärmte man damals für das Mittelalter, für die Brüder van Eyck, Memling, Schoreel und ihre italischen Zeitgenossen, wobei die Schätze der durch König Ludwig I. für die Pinakothek erworbenen berühmten Boisseréesammlung als mustergültige Vorbilder zur Nacheiferung reizten. So trugen die meist im religiösen Genre sich bewegenden Compositionen der Louise W. ähnliche Signatur; sie zeichneten sich aus durch Innigkeit der Empfindung, durch liebevolle, gewissenhafte Ausführung des coloristischen Details, eben so sehr aber durch eine gewisse absichtliche und kindliche Unbehülflichkeit der Form, wodurch ihre Schöpfungen eine primitive Naivetät und archaistische Manier erhielten. Es war eine liebenswürdige Verirrung, welche neuerdings in den belgischen und englischen Praerafaeliten und in der deutschen Schule zu Beuron wie in dem Wiener Johannes Klein (1823–1883) ihre nicht unanfechtbaren Nachtreter findet. Die Gemälde des Frl. Louise W. gingen größtentheils in Privatbesitz über; ein Madonnen-Bildchen erreichte durch einen Farbendruck (welchen ihr Neffe, der schon am 3. Februar 1870 verstorbene treffliche Lithograph Friedrich Wolf zur Ausführung brachte) weitere Verbreitung. Ebenso verschlupften ihre zahlreichen Bleistift- und Kreidezeichnungen, Aquarelle und Miniaturbilder; auch viele Porträts hatte sie gemalt. Nur ein Theil ihrer religiösen Compositionen wurde unter dem Titel „Hauscapelle zur Feier des Kirchenjahrs, mit Schrifttexten und Gebeten des XV. Jahrhunderts durch Consistorialrath Dr. L. Schöberlein (Göttingen 1874, 12 Lfgn.) herausgegeben. Darinnen stammen von der Hand der Louise W. vierzig Blätter (in Kupferstich von P. Barfus, H. Walde und R. Petzsch), welche alle Vorzüge aber auch die oben berührten Schwächen zeigen. Da sie sich vielfach an ältere Vorbilder anlehnte, so stört es durchaus nicht, daß die fehlenden Scenen oder wo ihre Kraft nicht ausreichte, durch Darstellungen italischer Künstler ausgefüllt wurden, also daß wir ein Blatt nach Fra Bartolomeo, sechs Stiche nach Giotto, zwölf Compositionen nach Fra Angelico da Fiesole und eine Zeichnung der Marie von Arnswald finden. Das Ganze, hauptsächlich für erbauliche Zwecke bestimmt, entzieht sich einer weiteren Kritik, insofern sie etwa an solche Erzeugnisse einen strengeren Maßstab als den allgemeinen der Kunsthistorie überhaupt anlegen wollte. In ihrer schlichten Einfalt, ungekünstelten und fleckenlosen Demüthigkeit verdient Louise W. eben so gut wie Angelica Kaufmann, Maria Ellenrieder und Louise Seidler eine bleibende Erinnerung. Louise W. verzichtete auf das höchste Glück des Lebens, um mit freigebiger Hand Andere glücklich zu machen. Meist waren es arme, verwaiste Mädchen, welche sie, Mutterstelle an ihnen vertretend, in ihr Haus aufnahm und ebenso durch ihren sittlichen Ernst wie durch die Ausdauer und Hingebung ihrer Liebe an sich zu fesseln wußte. Mehrere derselben wurden auf diesem Wege zum häuslichen Berufe mustergültig herangebildet, fanden als Gattinnen und Mütter ihr dauerndes Lebensglück und bewährten über das Grab hinaus ihrer Wohlthäterin ein bleibendes Andenken. Unermüdlich thätig, schaffend, lehrend und bildend ging sie mit dem besten Beispiel in Wort und That voran. Obwol mit beschränkten Mitteln ausgestattet, wußte sie doch ausgiebigen Gebrauch davon zu machen. In allen ihren Briefen sind Goldkörner der eigenen Erfahrung und Betrachtung niedergelegt. Ihr Geist erging sich leicht mit der Feder; manch congenialer Persönlichkeit flocht sie einen schönen Kranz der Erinnerung (z. B. für den Landschaftsmaler Jos. Anton Koch in Beilage 11 der „Münchener Politischen Zeitung“ vom 24. Jan. 1839), oft auch in gebundener Rede. Dessenungeachtet war ihr doch als Hausfrau, gleich Ottilie Wildermuth, [781] keine Arbeit zu schwer, wie denn z. B. die Waschtage ziemlich regelmäßig durch ihre Correspondenz laufen. Wenige ihres Geschlechts haben so eingehend und beharrlich, mit so viel Geist und Gemüth und unter so schweren inneren Kämpfen, mit den Zielen und Schranken des weiblichen Berufes, mit der jetzt sogenannten Frauenemancipation sich beschäftigt. Hätte sie sich entschließen können ihre Ansichten in Schriftwerken niederzulegen, denn wie sie die Feder zu führen wußte, beweisen ihre zahlreichen Briefe, so würde sie gewiß auch in der litterarischen Welt einen geachteten Namen erworben haben. Ihrem Verstande blieb nicht verborgen, daß diese von ihr schon klar gefaßte Controverse nicht lediglich auf theoretischem, vielmehr auf praktischem Wege sich lösen müsse. So legte sie denn, in einem freilich nur engen Kreis und nach ihren bescheidenen materiellen Verhältnissen, entschlossen die Hand ans Werk und pflanzte und befestigte in empfänglichen Gemüthern die durch eigene Erfahrung als heilbringend erkannten Grundsätze. Unvermählt schloß sie ihr reiches Leben am 4. Juli 1859 zu Bogenhausen bei München.

Vgl. Nagler 1852, XXII, 54. – Fr. Beck in dem biogr. Vorwort zu der vorgen. „Hauscapelle“ und Allgem. Zeitung v. 5. Januar 1878.