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BLKÖ:Škoda, Joseph

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Škoda, Johann Karl
Band: 35 (1877), ab Seite: 66. (Quelle)
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Škoda, Joseph (Arzt, geb. in Pilsen in Böhmen am 10. December 1805). Sein Vater betrieb das Schlosserhandwerk, ließ aber seinen Sohn sich der wissenschaftlichen Laufbahn widmen. Dieser beendete nun in seiner Vaterstadt das Gymnasium und die philosophischen Studien und bezog im Jahre 1825 die Wiener Hochschule, wo er das Studium der Arzneiwissenschaft zu seinem Lebensberufe erwählte. Im Jahre 1831 erlangte er die medicinische Doctorwürde und trat sofort als Cholera-Bezirksarzt in Böhmen in die Praxis. Im Jahre 1833 trat er als Secundar-Arzt in das Allgemeine Krankenhaus in Wien ein und blieb bis zum Jahre 1838 in dieser Stellung. Im Jahre 1839 diente er drei Vierteljahre als Bezirksarmenarzt, wurde 1840 ordinirender Arzt der neugeschaffenen Abtheilung für Brustkranke im Allgemeinen Krankenhause, 1841 Primar-Arzt, in welcher Eigenschaft er nebst der schon erwähnten Abtheilung für Brustkranke noch eine Abtheilung für interne Kranke und die Abtheilung für Hautkrankheiten zu versehen hatte. Im Jahre 1847 erfolgte seine Ernennung zum Professor der medicinischen Klinik, in welcher Eigenschaft er bis zu seiner über sein Ansuchen erfolgten Pensionirung in den letzten Tagen des Monats Jänner 1871 thätig war. Seit seiner Thätigkeit im Allgemeinen Krankenhause richtete sich seine Aufmerksamkeit auf eine bereits von dem französischen Arzte Laennec angewendete Untersuchungsmethode bei inneren Krankheiten, in welcher er mit deren Vervollkommnung und den aus den genauesten Beobachtungen gezogenen scharfsinnigsten Consequenzen als ihr zweiter Begründer angesehen werden kann. Zum Verständniß einige wenige Worte. Wenn man auf ein hohles, d. i. nur mit Luft gefülltes Gefäß klopft, so erhält man bekanntlich einen ganz anderen Ton, als wenn man ein mit flüssigen oder festen Stoffen ganz oder halb gefülltes Gefäß beklopft. Ebenso verschiedene Töne (Percussions-Erscheinungen) erhält man beim Pochen auf verschiedene Körpertheile, je nachdem diese Luft, Flüssigkeit oder feste Stoffe enthalten, z. B. beim Klopfen auf die Brust des Menschen an Stellen, wo die lufthaltige Lunge liegt, und an Stellen, unter denen sich ein festeres, nicht Luft haltendes Organ, z. B. das Herz, die Leber, befindet, oder wo die Lunge in krankhafter Weise mit stockendem Blut, mit Eiter oder mit den die Schwindsucht bedingenden Knötchen erfüllt ist. So kann man Lage, Form und Beschaffenheit gesunder und kranker Organe im Innern des lebenden Körpers genau erkennen. Und in ähnlicher Weise, wie man durch das Beklopfen die Beschaffenheit der Organe ermittelt, erhält man auch Kenntniß über die regelmäßige oder abgeänderte Thätigkeit derselben durch Ansetzen des Ohres unmittelbar auf den Körper oder unter Beihilfe eines Hörrohrs (Stethoskop), indem z. B. die athmende und ihre Zellen gehörig erweiternde Lunge andere Geräusche vernehmen [67] läßt, als der Lungentheil, dessen Athmungsthätigkeit durch Anfüllung mit geronnenem Blute oder durch Verstopfung der Luftröhre mit Schleim gestört ist; ebenso läßt das gesund pulsirende Herz bestimmte Töne vernehmen, die im kranken Herzen durch eigenthümliche Geräusche ersetzt werden. Auf den Werth dieser physikalischen Hilfsmittel (Percussion und Auscultation) hatten schon vor Škoda die Franzosen Laennec und Piorry aufmerksam gemacht, aber S. hat die von beiden gemachten Beobachtungen, als in manchen Fällen theils irrthümlich, theils unvollkommen, berichtigt und wesentlich ergänzt, und die durch die oberwähnten Untersuchungen zu ermittelnden Erscheinungen in einer so vollkommenen Weise erklärt, daß seine Lehrsätze in Deutschland fast allgemein als unwandelbar angenommen werden. An Laennec’s Eintheilung der Respirationsgeräusche ist die Škoda’sche getreten; die schwer faßlichen und subjectiven Laennec’schen Analogien in den Bezeichnungen wurden[WS 1] durch die wahrhaft physikalisch genetischen und objectiven Škoda’s ersetzt; seine Untersuchungen über den Herzstoß, die Pulsationen der Arterien, den Rhythmus der Herzbewegungen sind für die Physiologie feststehend geworden und haben eine ganze Reihe neuer Forschungen zur Folge gehabt. Es handelte sich dabei zunächst meist um rein akustische Fragen, indem die dem Tone oder dem Schalle zu Grunde liegenden Schallwellen der schwingenden Luft unter den mannigfaltigsten, mitunter schwer aufzufindenden mechanischen Verhältnissen Abänderungen erleiden. Dazu kam, daß viele dieser mechanischen Verhältnisse erst jetzt durch die in Folge der wichtigsten Erforschungen der neueren Anatomie des kranken Körpers gewonnenen Aufschlüsse offenbar wurden und daß erst Škoda in gemeinsamen Arbeiten mit dem die junge Wiener anatomische Schule begründenden Rokitansky [Bd. XXVI, S. 288] viele Räthsel erschließen konnte. So wurde denn S. für Deutschland der eigentliche Begründer jener Methode, die Krankheit zu erkennen (Diagnostik), welche sich nur auf die unmittelbare Sinneswahrnehmung verläßt und die man vorzugsweise die exacte nennt. Es mögen immerhin andere Erklärungen, andere Folgerungen gegen Škoda auftreten, er hat doch die Bahn ein für allemal festgestellt, auf der die Untersuchung vorzugehen hat. Frei von aller Ideologie, prosaisch nüchtern, fast trocken, wie es der Forscher im Realen, und gar, wo es sich um Fragen des kranken oder gesunden Leibes handelt, sein muß, vorsichtig im Schluß aus Induction und sicher und ruhig im Experiment, hat S. auf diesem speciellen Gebiete Unvergängliches geleistet, und sind es hauptsächlich er und Rokitansky, welche der neuen Zeit den Weg des Experiments und der objectiven Untersuchung gezeigt haben. Sie sind beide die Vorkämpfer einer neuen Aera in der Geschichte der Heilkunde, mit welcher eine großartige, von Einzelnen schon längst ersehnte Wendung in der Heilkunde eintrat, die bis dahin viel zu großen Werth auf unwesentliche, noch dazu gar nicht charakteristische Zeichen im Aeußeren des Kranken gelegt hatte. Aber diese neue, durch Škoda’s scharfsinnige Berichtigungen und Ergänzungen folgenreiche Lehre fand in den Fachkreisen keineswegs so rasch Eingang, als man hätte erwarten sollen. Ja, als Škoda’s erste Arbeit über Auscultation und Percussion im Jahre 1839 erschien, in welcher er seine physikalisch-diagnostischen Grundsätze [68] vorläufig darlegte und der französischen diagnostischen Schule ganz entschieden entgegentrat, blieb im Anbeginne fast ganz unbeachtet und zunächst durch mündlichen Vortrag und praktische Uebungen am Krankenbette, bildete Škoda zuerst in aller Stille eine kleine Gemeinde von Schülern aus, welche später als vielgenannte Aerzte auf den Lehrstühlen verschiedener Hochschulen und als Vorsteher mehrerer Kliniken der neuen Errungenschaft überall Bahn brachen und den Lehren Škoda’s Geltung verschafften. Nun begann allmälig die Umwälzung in der medicinischen Wissenschaft und Kunst. Der von Škoda in Wien geleitete Unterricht in der praktischen Benützung jener Grundsätze zog aus allen Gegenden jüngere und ältere Aerzte nach Wien, die sich als Schüler um ihren Meister schaarten, andererseits aber pilgerten Škoda’s tüchtigste Schüler, wie: Dittrich, Hamernjk [Band VII, S. 262], Jaksch, Oppolzer [Bd. XXI, S. 76] und [Bd. XXVIII, S. 368][WS 2] u. A. von Wien aus zuerst nach Prag, dann auf andere Universitäten, und halfen die theoretische Errungenschaft überall in Deutschland ausbreiten und die von Škoda angegebene diagnostische Technik benützen und weiter ausbilden. So wuchs Škoda’s Ruf von Jahr zu Jahr, nicht blos unter den Laien, die von weit her kamen, bei ihm Hilfe zu suchen und namentlich ihn im Fache der Brustkrankheiten zu consultiren, sondern auch unter den Aerzten, die unter seiner unmittelbaren Leitung sich mit den Grundsätzen seiner Lehre und ihren Erscheinungen bekannt machten. Auf beide aber, den Laien und den Arzt, macht es einen ebenso überraschenden als eigenthümlichen Eindruck, wenn er nach sorgfältigem Behorchen und Beklopfen die Krankheit nennt, die störend oder zerstörend den Organismus unterwühlt. Diese Erforschungen Škoda’s in seiner anatomisch-physikalischen Richtung erweckten aber in ihm nachgerade und nicht völlig ungegründete Zweifel auf einen Einfluß der Heilmittel auf die Krankheitsvorgänge und machten ihn zuletzt zum Feinde und Verächter aller traditionell in der Heilkunde cursirenden Heilmethoden; dieser aber sind so viele und auf der anderen Seite der vor einer ungläubigen Kritik sich haltenden so wenige, daß alte Aerzte, die noch mit großer Vorliebe an ihrer angelernten allopathischen Behandlungsweise hängen, in Škoda nicht den Reformer, sondern vielmehr den Revolutionär sehen. [Vergleiche über diesen Punct die Quellen: „Zur Charakteristik des Menschen und Gelehrten Škoda“.] Die Lehrthätigkeit und der Zuspruch der bei S. Rath und Hilfe Suchenden ließen dem Meister wenig Zeit zu schriftstellerischer Thätigkeit. Diese beschränkte sich demnach auf ein Hauptwerk: „Abhandlung über Percussion und Auscultation“ (Wien 1839, 5. Aufl. 1854, 8°., sechste, theilweise umgearbeitete und vermehrte Aufl. 1864) und auf einige in den medicinischen Jahrbüchern des österreichischen Kaiserstaates und in den Sitzungsberichten mathem.-naturw. Classe der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien abgedruckten Abhandlungen und Aufsätze, u. z. in den medicinischen Jahrbüchern: „Ueber den Herzstoß und die durch die Herzbewegung verursachten Töne“ [Neueste Flg., Bd. XIII]; – „Anwendung der Percussion bei Untersuchung der Organe des Unterleibes“ [N. F., Bd. XIV]; – „Ueber Abdominaltyphus und dessen Behandlung mit Alaun, gemeinschaftlich mit Dobler“ [N. F., Bd. XV]; – „Untersuchungsmethode zur Bestimmung [69] des Zustandes des Herzens“ [N. F., Bd. XVIII]; – „Ueber Perikarditis in pathologischer und diagnostischer Beziehung, gemeinschaftlich mit Dr. Kolletschka [Bd. XIX], und in den Sitzungsberichten: „Ueber die von Dr. Semmelweiß entdeckte wahre Ursache der in der Wiener Gebäranstalt ungewöhnlich häufig vorkommenden Erkrankungen der Wöchnerinen und des Mittels zur Verminderung dieser Erkrankungen bis auf die gewöhnliche Zahl“ [1849, October-Heft]; – „Ueber die Bewegungen des Herzens bei einem Kinde, dem das Brustbein fehlte“ [1850, Februar-Heft]; – „Ueber die Erscheinungen, aus denen sich die Verwachsung des Herzens mit dem Herzbeutel am lebenden Menschen erkennen läßt“ [Bd. VII, S. 453 und 784]; – „Geschichte einer durch mehrere Monate anhaltenden Katalepsis“ [Bd. IX, S. 515]; – „Ueber die Function der Vorkammern des Herzens und über den Einfluß der Contractionskraft der Lunge und der Respirationsbewegung auf die Blutcirculation“ [Band IX, S. 788]. – „Referat über den Inhalt der Berichte, welche über den Cretinismus in der österreichischen Monarchie eingelangt sind“. Die vorbenannten Abhandlungen der Sitzungsberichte sind auch in Sonderabdrücken ausgegeben worden und fast alle vergriffen. Im Jahre 1846 hatte Škoda, am 15. October von dem damaligen Vice-Director Dr. Edler von Well feierlichst inaugurirt, mit einer Festrede in lateinischer Sprache seine Lehrthätigkeit an der Wiener Hochschule begonnen. Ende December 1870 hatte er – damals bereits 65 Jahre alt – seines Alters wegen den Entschluß gefaßt, sich von der Lehrthätigkeit zurückzuziehen und sich für den Rest seines Lebens Ruhe zu gönnen. Er trat nun auch in den Ruhestand über und wurde bei dieser Gelegenheit, nachdem er schon im Jahre 1861 den Orden der eisernen Krone 3. Classe und dann den Hofrathstitel erhalten hatte, mit dem Comthurkreuze des Franz Joseph-Ordens ausgezeichnet. Sein Rücktritt in den Ruhestand bot überdieß Anlaß zu Huldigungen, die dem Manne der Wissenschaft von allen Seiten dargebracht wurden. Die Studirenden der Medicin ließen den Gelehrten porträtiren und darauf wurde sein Bildniß in feierlicher Weise in seinem Hörsaale aufgehängt. Auch wurde am 14. März ein feierlicher Fackelzug veranstaltet, von dessen Kosten der Ueberschuß dem Studenten-Krankenverein und dem medicinischen Unterstützungsverein zugeführt wurde. Diesem letzteren hatte Škoda selbst die Einkünfte der letzten Auflage seines Werkes über Auscultation und Percussion zugewendet. Wenngleich längere Zeit hindurch S. mit Widersachern zu kämpfen hatte und ob seiner damals für excentrisch gehaltenen Anschauungen über Medicin von seinen Collegen und Vorgesetzten anfangs fast mehr bemitleidet als anerkannt wurde, so hatte sich doch bald die Meinung geändert und war das Mitleid in – Neid und Mißgunst und endlich in – Bewunderung und Anerkennung umgeschlagen. Diese letzteren sprachen sich in verschiedenen Kundgebungen wissenschaftlicher Corporationen aus. So erwählte die kaiserliche Akademie der Wissenschaften S. im Jahre 1848 zu ihrem Mitgliede mathematisch-naturwissenschaftlicher Classe, welcher Wahl am 17. Juli g. J. die kaiserliche Ernennung folgte, die Leopold-Karolingische Akademie, welche ihn unter dem Namen „Maior“ zu ihrem Mitglied wählte, und dann schickten zahlreiche Vereine und gelehrte Akademien, [70] vornehmlich ärztliche und naturwissenschaftliche, so aus München, St. Petersburg, Warschau, Paris, Stockholm u. s. w., Škoda ihre Diplome. Wenn der Akademiker Ritter von Arneth in seiner anläßlich der Škoda-Feier gehaltenen Rede es aussprach, daß Oesterreich allen Grund habe, auf den Mann stolz zu sein, der seinem Vaterlande so viel Ruhm und Ehre bereitet hat, so hatte er damit einfach der Wahrheit die Ehre gegeben.

Zur Charakteristik des Menschen und Gelehrten Škoda. Das reservirte kühle Wesen Škoda’s gegen Andere, die geringe Dosis persönlicher Liebenswürdigkeit, der sich in Wort und Haltung kundgebende kalte Forschergeist, der nichts kennt und schätzt als den Verstand und den heiligen Geist der Wahrheit, haben S. nie zum Lieblinge der Gesellschaft gemacht, die er überhaupt selber auch nicht suchte. Man erzählt sich nach dieser Seite Manches, was den Gelehrten trefflich charakterisirt. Derselbe wurde eines Tages zur Hoftafel geladen. Am selben Tage erschien er in seinem gewöhnlichen, nicht eben sehr modernen Costüm im Collegium, es war ein langer schwarzer, etwas abgenützter Rock und eine gleichfarbige schwarze Hose mit dem böhmischen „Latz“. Nach der Vorlesung fuhr er zu seinen Patienten was einige Stunden in Anspruch nahm, und von da – es war gerade Zeit – zur Hoftafel. Der mit dem Empfange der geladenen Gäste beauftragte Hofbeamte erschrak nicht wenig beim Anblicke des eben eintretenden Gelehrten, und rief ihm zu: „Aber Herr Professor hätten doch wenigstens einen Frack nehmen sollen“. – „I nun ja“, erwiederte Škoda, „ich werde nach Hause fahren und meinen Frack zur Hoftafel schicken“. – Wie hier in einer unwesentlichen Etiquettenangelegenheit ist er aber auch in ernsten Dingen, wenn er sie besser versteht, kurz angebunden. Zur Zeit des Bürgerministeriums hatte eine ärztliche Deputation in einer rein medicinischen Angelegenheit bei dem Bürgerminister Giskra zu thun. An der Spitze der Deputation stand Dr. Škoda, der, als langjähriger Professor an den mündlichen Vortrag gewöhnt, redegewandt war. Škoda erklärte dem Bürger-Minister, wie die von Letzterem getroffene Entscheidung dem eigentlichen Bedürfnisse entgegenstehe. Es sollte nämlich nach der Verfügung des Ministers die durch den Tod eines Professors einstweilen erledigte Abtheilung für Demonstrationen mit dem Kehlkopfspiegel im Allgemeinen Krankenhause mit innerlich Kranken belegt werden. Nachdem Škoda das Unzweckmäßige dieser Verfügung dargestellt, entgegnete der Bürgerminister, daß die Regierung dennoch bei ihrem ersten Beschlusse verharren werde, weil sie es für viel nothwendiger erachte, eine zweite Abtheilung für innerlich Kranke zu errichten. „I nun nein, Excellenz“, entgegnete Škoda kurz, „das verstehen wir besser“. Als nun der Bürgerminister über solchen sachgemäßen Bescheid heftig wurde und meinte, daß die Regierung das Geld dazu hergebe und also auch das alleinige Recht über dessen Verfügung habe, erwiederte Škoda rundweg, „daß die Regierung eben so wenig wie das Professoren-Collegium das Geld hergeben, sondern das steuerzahlende Volk und daß man nothwendigerweise das Urtheil der competentesten Persönlichkeiten über die Verwendung dieses Geldes hören müsse“. Daß solcher Freimuth den Mann in Kreisen, wo diese Waare wenig gesucht und beliebt ist, nicht eben gern gesehen sein ließ, bedarf keiner besonderen Versicherung. – Dabei hatte man nicht unterlassen, das Gemüth des Gelehrten anzuzweifeln und sich die Beweise dafür aus seinem Verhalten am Krankenbette zu holen gesucht. Im Gegensatze zu Oppolzer [Bd. XXI, S. 76], in dessen regster Theilnahme an Allem, was dem Menschen wohl und wehe thut, ein inniges Verflechten der Medicin mit jeglichen Interessen unseres Daseins sich kundgab und von vornherein für diesen liebenswürdigen Repräsentanten des Humanismus einnahm, ließ die kalte, durch nichts zu erschütternde Ruhe Škoda’s nicht ahnen, was in seinem Innern vorging, während er die Erscheinungen darlegte. Ein Fachgenoß schildert: „Die tiefste Stille herrschte im Saale, während er mit einer gleichmäßigen, durch nichts in Affect zu versetzenden Stimme seinen Vortrag hielt. Nur das Stöhnen und Aechzen eines Schwerkranken oder der mit der Unterdrückung kämpfende Husten eines Tuberkulosen unterbrachen zuweilen die einförmigen Ruhe. Škoda sitzt am Bette eines Herzkranken, er spricht mit der unumstößlichen Logik des Weisen [71] und Forschers über die Nothwendigkeit und Folgen der verschiedenen Herzbildungen, er beweist, wie vor ihm noch Keiner, daß man aus den Tönen und Geräuschen, die dem horchenden Ohre des Arztes entgegenhallen, alle Veränderungen des erkrankten Herzens so genau erkennen kann, wie der Anatom, der das Herz mit dem Secirmesser zerlegt, und nachdem er während einer Stunde die scharfsinnigsten Beweise geführt und die richtigsten Schlüsse gezogen, wendet er sich an den Patienten und fährt also fort: „Was diesen Kranken anbelangt, so ist sein Puls sehr klein, dünn, fadenförmig, kaum fühlbar, kalter, klebriger Schweiß tritt auf seine Stirne, die Augen werden verglast, der Athem unmerklich – – – der Patient hat aufgehört zu leben“. Und so war es. Dieser unerwartete Schluß seiner Rede machte auf die Zuhörer, die nur auf den Vortrag gelauscht und den Patienten gänzlich vergessen hatten, einen erschütternden Eindruck. Die gleichmäßige Ruhe, mit welcher Škoda gesprochen, die er bei seinen Volträgen, und sei es am Bette eines Sterbenden, immer bewahrte, verschafften ihm bei dem großen Publikum den Ruf der Gleichgiltigkeit, der Theilnahmslosigkeit. Und doch war es nicht ganz so. – So trug er denn seit langer Zeit, seit er Student und ehe er noch einer der hervorragendsten Begründer der Wiener medicinischen Schule geworden, „Unaussprechliche“ von jenem Schnitte eines noch unaussprechlicheren Bestandtheils, wie sie unsere Vorfahren trugen. Doctor Škoda wurde ein berühmter Mann, ein Jahrzehend nach dem anderen verfloß, aber während sich Alles änderte, die „Unaussprechlichen“ mit dem noch unaussprechlicheren[WS 3] altmodischen Bestandtheile Škoda’s blieben unverändert. Die Collegen des Meisters der Auscultation und Percussion neckten ihn ab und zu ob der „Unaussprechlichen“ u. s. w., aber Dr. Škoda ließ sich necken und sein Kleid nicht modernisiren. Man glaubte, es sei dieß Haß gegen neue Moden, als plötzlich eines Tages der berühmte Kliniker in einer ganz eleganten „Unaussprechlichen“ erschien. Allgemeines Erstaunen, Lächeln, Fragen, und endlich erwiederte der Gelehrte: „Ich wohnte als Student und später bei einem Schneider, der mir viele Gefälligkeiten erwies, der mich unterstützte. Ich blieb deßhalb sein Kunde, und da der alte Mann die Beinkleider nur auf seine Art machte, so trug ich sie, wie er sie mir brachte, so lange er lebte. Jetzt ist der brave Mann gestorben und ich trage – moderne Beinkleider“. Wohl ist dieser Zug genügend, um die dem berühmten Manne angeredete Gemüthlosigkeit in entsprechender Weise zu illustriren. – Und noch nach einer Seite griff man in das Seelenleben des Gelehrten, und das geschah nicht von den Laien, sondern von seinen Collagen selbst. Doctor Bernhard Hirschel in seinem Compendium der Geschichte der Medicin schreibt im Namen dieser Partei ausdrücklich: „An die Lichtseiten der Škoda’schen Methode heftet sich ein großer Schatten. Škoda ist es, welcher im Zusammenhange mit seiner anatomisch-physikalischen Richtung an einem Einfluß der Heilmittel auf die Krankheitsvorgänge verzweifelt. Seine Nüchternheit in dieser Beziehung nahm große Dimensionen an und wurde zum Unglauben, Sein Skepticismus der Meinung führte zu einem Nihilismus der That. Die in solchem Mißtrauen unternommenen Versuche, welche schon von vornherein nichts Lebensfähiges prophezeiten, wurden um so resultatloser, als Škoda’s Methode zu experimentiren, der ersten Voraussetzungen in der Therapie, nämlich der Kenntniß der Heilmittel und des Individualisirens, entbehrte. Der Aderlaß, der Tarsarus stibiatus, das Opium, das Nitrum, die Tisanen – so ohne Princip und ohne Differenz schablonenartig verwendet, mußten zu gleichtristen Resultaten führen, von denen man ja im voraus überzeugt war. So ward Škoda der wissenschaftliche und „geflissentliche“ Urheber des Nichtsthuns, welches sich als expectative oder physiatrische oder diätetische, ja gar als physiologische Methode geberdet (weil es den Gang der Krankheit unverändert läßt), und welches von dem großen Haufen seichter und bequemer Nachfolger so willig acceptirt wird. Die Unwissenheit principiell beschönigt und die Uebertreibung der Polypharmakosterei in das Extrem des die Hände in den Schooßlegens verwandelt – das sind traurige Auswüchse am Baume der Medicin, welche in dem Boden dieser sonst so tüchtigen Wiener Schule keimten“. Gegen diese Anschuldigung des Dresdener Arztes traten selbstverständlich Škoda’s Schüler entschieden auf. Sie berichten von ihrem Lehrer, wie er mit unbezwingbarer Logik seine Hörer gefangen nahm, sie nach einer anregenden Exposition in die schwierigsten Probleme einführte, bis entweder die Lösung gefunden oder die Grenze [72] erreicht ward, bei welcher dann Škoda ohne beschönigende Floskeln unumwunden erklärte; „Bis hieher und nicht weiter, so weit haben wir auf Grund des Thatsächlichen Positives, jetzt fängt die Hypothese oder die Vermuthung an“. Hart neben der Absolutheit seiner Auseinandersetzung lauerte die Skepsis und diese traf zumeist die Therapie, aber nicht so weit, daß er seine Schule, wie man ihn fälschlich beschuldigte, zu Nihilisten heranbildete. In seinem Auftreten den Kranken gegenüber hob sich der ganze Positivismus seines Wesens und nicht zum Nachtheile des Patienten zu erkennen. Der Kranke empfing den vollen Eindruck, daß er sich in Händen eines Mannes befinde, der seinem Leiden gewachsen sei.
Enthüllung des Bildnisses Škoda’s. Wie oben in der Lebensskizze mitgetheilt worden, ließen die Mediciner der Wiener Hochschule ihren Lehrer malen. Im März 1871 wurde nun im Hörsaale der ersten medicinischen Klinik im Allgemeinen Krankenhause die feierliche Einhüllung dieses Bildes vorgenommen. Von der Tribüne hielt Professor Dlauhy vor seiner Versammlung von Professoren und Docenten der Hochschule, der Primarärzte und Directoren der Spitäler, der Vertreter des Wiener Doctoren-Collegiums und der anderen ärztlichen Corporationen die Festrede, zu deren Ende das wohlgetroffene Bildniß enthüllt wurde. Alsdann verfügten sich die Festgäste in die Wohnung Škoda’s und dort hielt zuerst Professor Hebra eine Ansprache an Škoda, worauf die Vorstellung der einzelnen Deputationen Statt fand, und zwar die der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften durch Dr. Rokitansky, des Professoren-Collegiums durch den Decan Dr. Karl Braun, des Doctoren-Collegiums durch Dr. Schlesinger, der Gesellschaft der Aerzte durch deren Präsidenten Dr. Rokitansky, dessen ärztlichen Vereins durch dessen Vorstand Dr. Lampe, des Allgemeinen Krankenhauses durch Director Doctor Hoffmann, des Krankenhauses Wieden durch Dr. Dienstl, der Rudolph-Stiftung durch Dr. Böhm. An diese schlossen sich noch Deputationen aus Pesth, Innsbruck und Franzensbad.
Waldheim’s illustrirte Zeitung (Wien, kl. Fol.) 1862, S 209. – Oesterreichische illustrirte Zeitung (Wien, 4°.) III. Jahrg. (1853), Nr. 150; „Doctor Joseph Škoda“ [mit Bildniß im Holzschnitte]. – Ueber Land und Meer (Stuttgart, Hallberger, kl. Fol.) XIX. Band (1868), S. 291. – Presse (Wiener polit. Blatt) 1871, Nr. 74, im Feuilleton: „Joseph Škoda“. – Der mährische Correspondent (Brünner polit. Blatt) 1870, Nr. 55 und 56, im Feuilleton: „Die moderne Medicin und die neue Wiener Schule“. – Illustrirtes Wiener Extrablatt (Wien, kl. Fol) 1872, Nr. 250, im Feuilleton: „Wanderungen durch das Allgemeine Krankenhaus“. – Fremden-Blatt. Von Gustav Heine (Wien, 4°.), 1869, Nr. 8, in den „Tages-Notizen“. – Neue freie Presse vom 25. Jänner 1871, Nr. 2304: „Von der Wiener Universität“. – Pilsener Reform (Localblatt) 1871, Nr. 26, im Feuilleton: „Škoda-Feier in Wien“. – Hirschel (Bernhard Dr.), Compendium der Geschichte der Medicin von den Urzeiten bis auf die Gegenwart. Mit besonderer Berücksichtigung der Neuzeit und der Wiener Schule (Wien 1862, Braumüller, gr. 8°.). Zweite verm. Aufl., S. 395, 401 u. f.
Porträte. 1) Unterschrift: Facsimile des Namenzuges Jos. Škoda, dann folgt darunter: „Professor der medicin. Klinik für Aerzte in Wien“. Prinzhofer (lith.) 1847 (8°.). [Treffliches und sehr ähnliches – nicht häufiges – Blatt] – 2) Unterschrift: „Dr. Joseph Škoda“. Gezeichnet von K. Maixner, in der čechischen illustr. Zeitschrift: „Květy“ 1871, Nr. 17. – 3) Unterschrift: „Professor Josef Škoda“. Nach einer Photographie von F. Schulz. Holzschnitt, ohne Angabe des Zeichners und Xylographen, in Waldheim’s „Illustrirter Zeitung“ 1862, Nr. 25. – 4) Unterschrift: Facsimile des Namenzuges Prof. Jos. Škoda. Dauthage (lith.) 1862 (kl. Fol.). – 5) Ueberschrift: „Professor Škoda“. Kollarz (gez.), im Witzblatt: „Die Bombe“ vom 19. März 1871, Nr. 11. – 6) Ueberschrift: „Professor Škoda. Zum siebenzigsten Geburtstage“. Klič (gez.), in dessen „Humoristische Blätter“ vom 19. December 1875, Nr. 51 (Fol.). – 7) Unterschrift: Facsimile des Namenzuges Dr. Joseph Škoda. Decker (lith.) 1841 (Fol.).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: wurde.
  2. Vorlage: [Bd. XXI, S. 76], Oppolzer [Bd. XXVIII, S. 368] (Fundstellen korrekt zugeordnet).
  3. Vorlage: unaußsprechlicheren.