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BLKÖ:Waldstein, Ferdinand Ernst Graf

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Band: 52 (1885), ab Seite: 231. (Quelle)
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Waldstein, Ferdinand Ernst Graf (k. großbritannischer Oberst, geb. 24. März 1762, gest. 26. Mai 1823), von der Duxer-Linie. Der viertgeborene Sohn des Grafen Emanuel Philipp, aus dessen Ehe mit Maria Anna Theresia Prinzessin von Liechtenstein, trat er als Comthur der deutschen Ritter zu Virnsberg (Ballei Franken) sehr früh in günstige Verhältnisse zu dem Hoch- und Deutschmeister Erzherzog Maximilian III. von Oesterreich, damaligem Kurfürsten von Cöln, bei welchem er in der Eigenschaft eines Conferenzrathes seines Ordens als eine der am kurfürstlichen Hofe beliebtesten und einflußreichsten Persönlichkeiten galt. Aber das politische Verhalten des sonderbarer Weise anti-österreichisch gesinnten Kurfürsten machte dem Grafen Waldstein, einem österreichischen Patrioten von reinstem Wasser, den Aufenthalt am kurfürstlichen Hofe bald sehr unbehaglich. [232] Ueber die, gelinde gesagt, ganz eigentümliche Haltung, welche Kurfürst Maximilian (geb. 8. December 1756, vom Jahre 1784 Kurfürst, gest. zu Hetzendorf bei Wien am 27. Juli 1803) während der französischen Revolutionskriege seinem Neffen, Kaiser Franz II., dem Chef des Hauses, gegenüber an den Tag legte, geben Vivenot’s Werke: „Herzog Albrecht von Sachsen-Teschen“ und „Vertrauliche Briefe des Freiherrn von Thugut“ (Wien 1872) nähere Aufschlüsse. Der Kurfürst suchte nun auch den Grafen von Waldstein für seine politischen Ansichten zu gewinnen; aber seine Bemühungen waren erfolglos, und endlich fand sich Letzterer am Cölner Hofe so wenig an seinem Platze, daß er um jeden Preis seine Stellung daselbst aufgeben wollte. In der österreichischen Armee, welche damals theils mit überzähligen, theils mit fremden Officieren überfüllt war, gab es für den Grafen, der doch nur einen höheren Officiersposten beanspruchen konnte, keine Aussichten. Er besprach sich mit Baron Thugut deshalb und wendete sich mit dessen Vorwissen im December 1704 an seinen Freund, den Fürsten Starhemberg [Bd. XXXVII, S. 209], Botschafter am großbritannischen Hofe, mit der Bitte, ihm den Eintritt in die englische Armee und die Bewilligung zur Errichtung eines deutschen Regiments in britischen Diensten zu vermitteln. Sollte dies jedoch nicht gelingen, so wünschte Graf Waldstein, die englische Regierung möge ihm die Bewilligung zum Anbau eines uncultivirten Landstriches in den Antillen, in Bahama oder dem englischen Antheil von St. Domingo gewähren. Als nun der Kurfürst von des Grafen energischen Bemühungen, in englische Dienste zu treten, hörte und demselben darüber Vorstellungen machte, kam es zum offenen Bruche. Maximilian fand die Inhaberschaft eines englischen Regiments unvereinbar mit der Stellung des Grafen als deutscher Ordensritter; Letzterer dagegen meinte: die politische Haltung des Kurfürsten sei ebenso unvereinbar mit seiner eigenen als Oesterreicher. Und so schieden sie. Starhemberg aber setzte es kraft seines Einflusses durch, daß Waldstein die Bewilligung zur Errichtung eines Regiments im englischen Dienste erhielt, zu welchem Zwecke derselbe eine Convention unter ziemlich befriedigenden Bedingungen mit dem britischen Obersten Nesbitt abschloß. Als aber der Graf für das in Deutschland anzuwerbende Regiment Depôts in Haarburg, Stade und Bremerlohe errichten wollte, bereitete ihm die hannover’sche Regierung nicht geringe Schwierigkeiten. Wohl waren die Minister Beulwitz und Arnswald geneigt, seinen dringlichen Vorstellungen nachzugeben, aber an dem Starrsinn des Grafen Kielmannsegge und den demokratischen Gesinnungen des Geheimsecretärs Rudloff scheiterte Alles. Als Hauptursache der ihm entgegengestellten Hindernisse gibt Graf Waldstein den Haß des hannover’schen Ministeriums gegen das englische an. Unter solchen Umständen ging die Aufstellung des Regiments nur sehr langsam von Statten. Sie fand zu Pyrmont statt, wo der Fürst von Waldeck das Unternehmen sehr unterstützte. Ende October 1795 erfolgte die Ueberschiffung des Regiments nach England. Obwohl dasselbe erst 200 Mann zählte, so hegte Graf Waldstein doch große Hoffnungen hinsichtlich der Kriegstüchtigkeit seiner Truppe und scheute keine Kosten für die Werbung – er zahlte sogar bis zehn Guineen per Kopf – jagte alle schlecht [233] Conduisirten weg, schickte die Zweifelhaften und Unzufriedenen auf Urlaub und verkaufte keine Officiersstellen. Im December wünschte er die Zutheilung zum Condé’schen Corps oder zur Armee in Italien. In den Briefen an seinen Freund Starhemberg nennt sich der Graf scherzweise: „Par la Grâce de Dieu et du Comte Starhemberg Colonel propriétaire au Service de S. M. britan.“ Er stand längere Zeit in englischen Diensten. Auch sonst noch spielte er in jenen bewegten Tagen eine große Rolle. Wohl versuchte es der Kurfürst, sich dem Grafen wieder zu nähern, er lud ihn zur Rückkehr an seinen Hof ein unter den früheren Verhältnissen; aber so lange Maximilian sein Verhalten gegen den Wiener Hof nicht änderte, wollte auch Waldstein von einer Rückkehr nichts wissen. Derselbe blieb als englischer Oberst immer in wichtigen Verbindungen, wurde im denkwürdigen Jahre 1809 bei Aspern und Wagram als großbritannischer Oberst und englischer Commissär im österreichischen Hauptquartier zugetheilt und agitirte mit großer Kühnheit gegen Frankreich selbst noch nach dem Frieden in Tirol. Der zweite Band der Hormayr’schen „Lebensbilder aus den Befreiungskriegen“ bringt mehrere Actenstücke, welche Waldstein’s Einfluß in der damaligen Zeit beweisen, so enthält derselbe auf S. 28, Nr. 4: „Actenstücke über die letzten Tage Schill’s und seiner Gefährten, eingesendet aus dem deutschen Norden von dem Grafen Ferdinand Ernst von Waldstein-Dux, ehemals kurcölnischer und deutschnordischer Geheimrath, Stralsund 30. Mai 1809 u. s. w.“, dann S. 36, Nr. 5: „Der Generalissimus Erzherzog Karl und der Minister des Aeußern Philipp Graf v. Stadion an den Grafen Waldstein über eine englische Landung und gleichzeitige Insurrection in dem deutschen Norden, Wagram 1809“ und S. 55, Nr. 7: „Der Graf von Waldstein über dasselbe durch Oesterreichs Waffenstillstand verspätete Project an das englische Ministerium ddo. London 16. October 1809“. Man sieht, daß der Graf in jenen denkwürdigen Jahren eine einflußreiche politische Rolle spielte. Auch war er ein Freund und Beschützer Beethoven’s, der ihm die Sonate C-dur (Op. 53) dedicirte. Im Jahre 1812 legte er die Comthurwürde des deutschen Ordens nieder und verheiratete sich mit Isabella Gräfin Rzewuska. Aus dieser Ehe ging eine Tochter Ludmilla hervor, welche sich mit dem Grafen Deym vermälte. Andreas Graf Thürheim, der Geschichtschreiber und Verherrlicher der österreichischen Armee, dem wir so viele interessante biographische und kriegsgeschichtliche Werke verdanken, theilt dem Verfasser dieses Lexikons aus dem Tagebuch seines Großvaters, des Fürsten Ludwig Joseph Max Starhemberg, eine Charakteristik des Grafen Waldstein mit, aus welcher wir das Nachstehende entnehmen: „Graf Ferdinand Waldstein“, schreibt der Fürst, „ist von meinem Alter, wohlgestaltet, doch etwas zu beleibt und dick. Er besitzt viel Geist und eine sehr ausgedehnte wissenschaftliche Bildung; er spricht mit Leichtigkeit französisch, deutsch, italienisch und englisch, versteht auch gut lateinisch. Die englische Sprache machte er sich während seines Aufenthaltes in London eigen und kennt sie gründlich, obgleich man an seiner Aussprache den Fremden erkennt; er macht auch ganz nette Verse in dieser Sprache; hat aber den Fehler, diese selbst sehr zu bewundern [234] und dies auch zu viel zu zeigen. Er spielt ganz gut in französischen Komödien mit viel Natürlichkeit, aber declamirt französische Verse mit deutschem Accent. Er liebt große Abhandlungen, wissenschaftlicher oder politischer Art, oft mit zu viel Pedanterie. Er ist Lebemann – obgleich ich ihn in der Liebe eher kühlen Temperaments halte – weiß auch eine gute Tafel zu schätzen. Vorzüglicher Musiker, improvisirt er am Clavier in wahrhaft entzückender Weise; er ist ferner ein trefflicher Gesellschafter, zuverlässiger und aufopfernder Freund, theilnehmend, gemüthvoll, in seinem Urtheil milde und nachsichtig, hinsichtlich der Politik ist es kaum möglich, besser gesinnt zu sein. Das war es auch, was ihn bewog, den Kurfürsten von Cöln zu verlassen, an dessen Hof er über Alles verfügte. Ich war so glücklich, ihm einige nützliche Dienste leisten zu können, und er beweist mir tagtäglich seine lebhafte Erkenntlichkeit. Ich liebe ihn wie einen Bruder, und er gehört zu jener kleinen Zahl wahrhafter Freunde, welche ich zu besitzen glaube und auf welche ich am meisten zähle. Alles, was ich besitze, werde ich stets gerne mit ihm theilen. Es ist unmöglich, einen besseren und ehrenhafteren Charakter zu finden, und ich kenne keinen anderen Fehler an ihm, als daß er sich zu leicht für Etwas einnehmen läßt und ein zu großer Freund jedes Wechsels und alles Neuen ist; so spricht er viel über Finanzwesen und entwirft Systeme, die in der praktischen Ausführung unhaltbar wären“.