BLKÖ:Zierotin, Karl von (Landeshauptmann)
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Zierotin, Karl von (1509–1560) |
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Band: 60 (1891), ab Seite: 87. (Quelle) | |||
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Johann von Zierotin aus dessen Ehe mit Marianne von Boskowitz, erhielt er eine sehr gediegene Erziehung und trefflichen Unterricht in Eibenschitz unter C. Rüdiger, in Straßburg, wo damals berühmte Lehrer Humanitäts- und Naturwissenschaften vortrugen, zuletzt in Genf, wohin ihn der große Ruf eines Theodor von Beza zog. An den genannten Orten lernte er bedeutende geistige Größen seiner Zeit kennen und befreundete sich mit ihnen. Dann unternahm er, um seine Bildung zu vollenden, eine größere Reise, auf welcher er Italien, Frankreich und die Niederlande besuchte. Zurückgekehrt, trat er sein väterliches Erbe an und war nach Friedrichs von Zierotin Tode 1598 das Haupt der Familie. Er wohnte auf seinem stattlichen Schlosse in Namiest und machte sich bald im öffentlichen Leben durch sein diplomatisches Talent in Führung der politischen Angelegenheiten seines Landes und den energischen [88] Schutz, den er der Brüdergemeinde, welcher er selbst angehört zu haben scheint, gewährte, vortheilhaft bemerkbar, mußte aber auch die Anklage der Häresie und Ketzerei über sich ergehen lassen und Verfolgungen und Verdächtigungen schlimmster Art erdulden. Das Leben Karls hat einen so reichen Inhalt, daß in folgender Skizze nur Hauptmomente in Umrissen gezeichnet werden können, übrigens hat er an Herrn von Chlumecky einen Biographen gefunden, welcher der Bewältigung eines ebenso reichhaltigen als schwierigen Stoffes völlig gewachsen war. Alle ihm angebotenen staatlichen Bedienstungen schlug Zierotin aus und widmete sich, dem Beispiele seines Vaters folgend, vorerst dem Kriegsdienste. Er kämpfte in Ungarn gegen die Türken, bis 1606 die Feindseligkeiten durch einen Frieden geschlossen wurden. Nicht minder schwere Zeiten folgten, als die Wirren durch den Zwist der beiden kaiserlichen Brüder Rudolf und Matthias die einzelnen Länder des Staates arg schädigten. Karl trat auf die Seite des Letzteren und beobachtete gegen den Kaiser eine solche Haltung, daß die Anschläge desselben gegen Matthias ihre Wirkung verfehlten. Den Grund des Widerstandes, den er gegen den Kaiser Rudolf bethätigte, erzählt er in einem seiner Briefe, worin er sich beklagt, daß er von demselben ohne alles Verschulden eines seiner Ehrenämter entsetzt worden sei. Als die Wirren im Lande immer bedrohlicher wurden, trat er mit seinem Widerstande gegen Rudolf ganz offen auf, er veranlaßte die Mährer, dem Beispiele der Ungarn und Oesterreicher zu folgen und dem Erzherzog Matthias den Eid der Treue zu leisten. Er begleitete Letzteren auch auf dessen Heerzuge nach Böhmen; er übernahm dann die Gesandtschaft an den Kaiser, und er vermochte denselben, seinem Bruder die Länder Ungarn und Oesterreich abzutreten. Als nun 1610 die sogenannten Passauer Truppen eine drohende Haltung gegen Mähren und Oesterreich annahmen, besetzte er unter Befehl Albrechts von Waldstein, nachmaligen Herzogs von Friedland, die Grenzen der ihm anvertrauten Länder, und einige Jahre später, nach Ausbruch der Rebellion in Böhmen, sammelte er in aller Eile ein Heer und traf alle Anstalten, um zu verhüten, daß Mähren in dieses allgemeine Unglück verwickelt würde. Als ihn dann die mährischen Stände, auf seine Umsicht und Beredtsamkeit alles Vertrauen setzend, nach Prag schickten, so blieb seine unwiderstehliche Beredtsamkeit nicht ohne Einfluß auf den erbitterten böhmischen Adel, den er zur Einigkeit und zur Treue gegen den Kaiser zu bereden versuchte. Aber Graf Thurn und mit ihm noch einige Malcontenten des böhmischen Adels vereitelten alle Bemühungen Zierotin’s. Nach dem Tode des Kaisers Matthias ergriff Karl mit gleichem Eifer die Partei dessen Nachfolgers, des Kaisers Ferdinand II. Obgleich selbst kein Katholik, ließ er sich doch in keiner Weise bewegen, seine Einwilligung zu den aufrührerischen Bewegungen der protestantischen Landstände in Mähren zu geben, die sich ebenfalls der Rebellion in Böhmen anschlossen. Als die Rebellen festen Fuß gefaßt, die kaiserlichen Beamten vertrieben und ihre eigenen Creaturen in Aemter und Würden gestellt hatten, blieb er doch unentwegt der treue Unterthan seines Kaisers, wenn es gleich noch immer auch von dieser Seite an heimlichen Machinationen nicht fehlte, die ihn zu verderben suchten. Zunächst aber hatte er die Unbilden derjenigen zu erdulden, die ihn als den Abtrünnigen ihrer Partei ansahen, der seine Macht und seinen Einfluß anwenden konnte und anwendete, um ihren hochverrätherischen Plänen Widerstand zu leisten. Diese seine Standhaftigkeit war auch Ursache, daß er nebst dem Cardinal Dietrichstein, dem Fürsten Karl Liechtenstein und Ladislaw von Lobkowitz von den böhmischen Rebellen nach Brünn in Verwahrung gebracht wurde. Friedrich von der Pfalz, der, zum Könige von Böhmen ausgerufen, nach Mähren zog, wo ihm, nachdem die Rebellen auch in diesem Lande die Macht an sich gerissen hatten, 1620 öffentlich gehuldigt wurde, versuchte persönlich wie durch seine Anhänger Zierotin für seine Sache zu gewinnen. Aber ebenso wenig die größten Ehrenstellen und Belohnungen, die ihm angeboten wurden, konnten Karl in der Treue gegen seinen Kaiser und Herrn wankend machen, als die Androhungen von Elend, Verbannung, ja selbst des Todes. Er erwiderte auf Alles mit unerschütterlicher Ergebenheit in sein Geschick, „daß er sein Leben und sein Glück gern hingeben werde, um dadurch die Schande des Meineids und der Untreue von sich abzuwenden, welche nicht nur sein Andenken, sondern auch seine ganze Nachkommenschaft beflecken würde“. Von solcher Seelengröße und Charakterfestigkeit [89] blieb selbst Pfalzgraf Friedrich nicht unberührt. Er ließ Zierotin vor sich bescheiden, besprach sich mit ihm in seinem Gemache, forderte ihn auf, bei der Erfahrung, die er sich durch so viele Jahre erworben, bei seiner bekannten Klugheit und erprobten Rechtlichkeit ihm offen seine Ansichten zu sagen, und beschwor ihn, ihm seine Meinung über die zweifelhafte Lage der damaligen Umstände nicht zu verhehlen. Man will an dem Pfalzgrafen nach dieser Unterredung nicht mehr die vorige Heiterkeit wahrgenommen haben, und derselbe soll nach der seine gänzliche Niederlage besiegelnden Schlacht am Weißen Berge (8. November 1620) auf der Flucht seinen Höflingen mit Wehmuth erzählt haben, daß nunmehr Alles so eingetroffen sei, wie es ihm damals Zierotin in Brünn vorhergesagt habe. Als nach dieser Schlacht auch die Mährer bedenklich ihrem Geschicke entgegensahen, erkannten sie bald, daß Niemand geeigneter sei, des Kaisers Gnade für das irregeführte Land zu erflehen, als eben Karl von Zierotin. Dieser übernahm in Liebe für sein Vaterland die heikliche Sendung, und auf sein Fürwort geschah es auch, daß der Kaiser mit Mähren milder verfuhr als mit Böhmen. Aber wenn Zierotin für sein treues Verhalten Rücksichten – an Lohn dachte er ja nicht – erwartete, so sah er sich sehr getäuscht. Der allerorten wüthende religiöse Zelotismus jener Zeit verschonte auch den nicht, der, obgleich anderen religiösen Bekenntnisses, doch ein treuer Paladin seines Monarchen in den schwersten Tagen, die über dessen Reich hereingebrochen, ihm treu zur Seite geblieben. Es ist nicht genau ermittelt, an welches Bekenntniß Zierotin sich hielt, ob an jenes der Calviner oder der sogenannten mährischen Brüder; gewiß ist es, daß er Letztere, vornehmlich ihre geistlichen Vorsteher hoch schätzte, daß er die Ausbreitung ihrer Grundsätze auf alle mögliche Weise beförderte und die Brüder, nachdem dieselben auf Befehl des Kaisers aus Böhmen und Mähren verbannt worden, auf seinen Gütern aufnahm und ihnen Schutz gewährte. Aber auch seine Güter blieben nicht verschont, auch auf diesen suchte man die Verfolgten und zog ihn dafür, daß er ihnen Schutz gewährte, zur Verantwortung. Man ging so weit, ihm, als er bat, ihm einen einzigen Prediger in seinem Hause zu belassen, diese Bitte abzuschlagen. Solches Gebaren ging ihm denn doch zu weit. Dazu gesellten sich die Racheacte – denn es war nicht immer Gerechtigkeit, mit welcher man gegen die Verführten vorging, oft mischte sich persönliche Feindseligkeit in die Vollzugsacte – an denen seine Heimat zu leiden hatte; dies verleidete ihm alsbald den weiteren Aufenthalt im Vaterlande. Wenn man ihm auch persönlich gestattete, so lange er lebte, an seinem Glaubensbekenntnisse zu halten, so widerten ihn doch die im Ganzen gewaltsamen Vorgänge aus tiefster Seele an. Vorerst legte er die Landeshauptmannstelle, die er bisher bekleidet hatte, nieder, die von ihm am 17. December 1614 begehrte Enthebung von seinem Amte wurde ihm am 26. Februar 1615 gewährt, dann verkaufte er seine großen Güter seinem Schwager Albrecht Waldstein Herzog von Friedland und behielt nur die Herrschaft Prerau in seinem Besitze. Und nun theilte er freiwillig mit anderen Glaubensgenossen das Exil und lebte zu Breslau. Als er sein Ende nahe fühlte, trieb ihn die Sehnsucht nach seiner schwer heimgesuchten Heimat zurück und auf dem Schlosse zu Prerau schloß er, 72 Jahre alt, für immer die Augen, welche in warmer Treue über sein Vaterland gewacht. Werfen wir noch einen kurzen Blick auf Zierotin den Förderer der Wissenschaft und Glaubensfreiheit und über seine häuslichen Verhältnisse. Er selbst war kein Gelehrter im gewöhnlichen Sinne des Wortes, aber er trieb mit großem Eifer das Studium philosophischer, mathematischer und der schönen Wissenschaften. Chlumetzky’s großes und treffliches Geschichtswerk gibt im fünften Capitel ein anziehendes Bild seines geistigen Lebens und Webens. Der Ruf seiner Thätigkeit ging bald weit über die Grenzen seines kleinen Stammlandes hinaus, und wie hochgeschätzt der mährische Edelmann im Auslande war, bezeugen die vielen Zueignungsschriften, mit welchen die Gelehrten seiner Zeit vornehmlich in Deutschland und in den Niederlanden sich und ihn ehrten. Er schrieb eine Geschichte seiner Zeit, die zwar nicht gedruckt, aber doch von zwei gediegenen Forschern, Balbin und Pessina benützt wurde. Auch soll er, wie Balbin in „Epitome Rer. Boh.“ lib. V c. 15 berichtet, eine Geschichte des böhmischen Krieges „Bellum bohemicum“ verfaßt haben. Wäre ja doch Niemand mehr dazu berufen gewesen als gerade er, der, über den Parteien stehend, Augenzeuge aller Vorfallenheiten war. Aber das Werk, [90] welches Balbin für eine Arbeit Zierotin’s hält, hat nicht diesen, sondern einen Anhänger des Pfalzgrafen Friedrich, den seinerzeit berühmten Arzt Andreas von Habernfeld zum Verfasser. Eines der schönsten Denkmale seiner Liebe für die Wissenschaft war aber die Errichtung einer Buchdruckerei der mährischen Brüder, die Zierotin auf seine Kosten zu Kralitz in Mähren, unweit von seinem Schlosse Namiest, wo er gemeiniglich wohnte, aufstellte. Außer verschiedenen anderen Werken ist namentlich die čechische Bibel des alten und neuen Testamentes in 6 Bänden hervorzuheben, welche aus der Kralitzer Druckerei hervorgegangen. Sie ist nicht nur ein Denkmal der Typographie infolge der Pracht der Ausstattung, sondern auch ein Denkmal der Sprache, welche sich durch ihre Reinheit, Zierlichkeit und Gediegenheit hervorthut, wurden doch zur Ausführung die gelehrtesten Männer jener Zeit zur Mitwirkung beigezogen. Ueber Karls häusliche Verhältnisse hat erst Chlumecky die wahren und richtigen Angaben gebracht. Karl von Zierotin hatte sich viermal verheiratet. Seine erste Frau war Barbara von Kragiř, aus einer Familie, die zu den eifrigsten Beschützern der Brüder zählte. Im Sommer 1589 fand die Vermälung statt. Barbara gebar ihm 1590 die Tochter Bohunka, starb aber schon am 21. Juni 1591. Vor seiner Kriegsfahrt nach Gran (1595) lernte er Elise Kragiř, eine entfernte Verwandte seiner ersten Frau und Tochter des Heinrich Wenzel von Kragiř auf Mladoniowitz kennen und feierte mit ihr im Februar 1596 auf seinem Schlosse Namiest mit großem Pompe die Hochzeit. Auch Elise verlor er nach erst vierjähriger Ehe durch den Tod am 24. Jänner 1600, sie hatte ihm eine Tochter Helene und den Sohn Friedrich geboren, der aber, nur drei Monate alt, der Mutter ins Grab folgte. Nach vierjährigem Witwerstand schritt er zur dritten Ehe mit Katharina Anna (geb. 1584), einer Tochter Wilhelms von Waldstein auf Heřmanitz und der Frau Margaretha Smiřicky, einer Schwester Albrechts von Waldstein, des in der Dichtung als Wallenstein populären Friedländers. Die Vermälung fand in Rossitz am 24. August 1604 statt, aber nicht ein ganzes Jahr dauerte die Ehe mit dieser dritten Frau, die nach langwieriger Krankheit – sie war sieben Monate bettlägerig – am 8. August 1605 starb. Zehn Jahre später schritt Karl, damals schon 50 Jahre alt, zur vierten Ehe mit einer gleichaltrigen Dame Katharina, aus dem Hause Waldstein, verwitweten Smil Osowsky von Daubrawitz auf Trebitsch. Die Hochzeit fand am 22. Juni 1614 statt. Aus allen vier Ehen blieben ihm nur die zwei Töchter Buhunka (Beatrix) und Helena. Bohunka war in erster Ehe mit Hynek von Wrbna [Bd. LVIII, S. 179, Nr. 19] vermält; in zweiter Ehe mit Wolfgang Siegmund v. Teuffenbach [Bd. XLIV, S. 80, Nr. 56]. Helena heiratete Georg von Náchod. Wir können diese kurze Skizze nicht besser schließen als mit den Worten des Herrn von Chlumecky: „Zierotin wurde eine Lieblingsgestalt seiner Nation, weil diese Nation in ihm ihr Ideal verwirklicht sah. Er war ein leuchtendes Gestirn im Niedergang, welches noch helle Lichtstrahlen hinwarf, bevor die Nacht hereinbrach, welche lang und tief auf den Gefilden Böhmens und Mährens ruhte.“ [Chlumecky (Peter Ritter von). Karl von Zierotin und seine Zeit. 1564–1615 (Brünn 1862, A. Nitsch, Lex. 8°., XXIV u. 864 S. und Urkundenband). – Slavin (Pantheon). Sbírka podobizen autografů a životopisů předních mužů českoslovanských, d. i. Slavin. Sammlung von Bildnissen, Autographen und Lebensbeschreibungen hervorragender čechoslavischer Männer (Prag 1873, F. Bartel, 8°.) S. 242 bis 251. – Taschenbuch für vaterländische Geschichte. Herausgegeben von Freiherrn von Hormayr und von Mednyansky (Wien. 12°.) I. Jahrgang 1820, S. 171–176. – Blätter für literarische Unterhaltung (Brockhaus, 4°.) 1864, S. 50. – Světozor (Prager illustrirtes Blatt) Bd. I, S. 240 und 253. – Monse (J. W. v.). Caroli L. B. a Zierotin epistolae selectae fascic. I (Brunae 1781, 8°.). – Brandl (K.). Spisy Karla staršího z Žerotina (Matice moravská 1772). – Das Archiv des Schlosses Blauda in Mähren enthält eine Fülle von Briefen und anderen Handschriften, Karl von Zierotin betreffend, welche aber wohl schon Peter von Chlumecky benützt hat. Viele Briefe des Comenius an Zierotin in der Graf Wrbna’schen Bibliothek, vordem zu Horowitz aufbewahrt, wurden nebst dem handschriftlichen Nachlaß Karls von Zierotin von der Familie Zierotin [91] angekauft und sind in dem Archiv zu Blauda aufbewahrt. – Porträts. 1) Unterschrift: „Carolus Liber Baro a Zierotin“. Joann. Quirin. Jahn. del. Joan. Balzer sc. (Pragae, 8°.) . – 2) Holzschnitt ohne Angabe des Zeichners und Xylographen. – 3) Facsimile des Namenszuges. Holzschnitt in den „Květy“ 1871, Nr. 11, S. 81. – 4) Facsimile des Namenszuges. Holzschnitt von Bartel (?) in dessen „Slavín“.] –
37. Karl (geb. zu Brandeis in Böhmen 14. September 1564, gest. zu Prerau 9. October 1636). Ein Sohn des Kreishauptmannes des Brünner Kreises