BLKÖ:Bürg, Johann Tobias von

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Bugát, Paul Anton
Band: 2 (1857), ab Seite: 196. (Quelle)
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Bürg, Johann Tobias von (Astronom, geb. zu Wien 24. Dec. 1766, gest. zu Wiesenau bei Klagenfurt 25. Nov. 1834). Der Sohn wohlhabender Eltern, begann B. die Studien in seiner Vaterstadt, als eine Verschlimmerung der Vermögensverhältnisse seines Vaters ihn in der Fortsetzung derselben bedrohte. Doch der Lehrer der Schule, welche B. besuchte, überredete den Vater, das Opfer zu bringen und B. die Studien fortsetzen zu lassen. B. trat nun in die höhern Classen. Um diese Zeit wurden die Schulen in Oesterreich durch Gottfried Freiherrn van Swieten reformirt, und B. genoß bereits die Vortheile des neuen zweckmäßigeren Studienplanes. B. machte so schöne Erfolge in den Studien, daß er bei der ersten Prüfung dem Freiherrn van [197] Swieten vorgestellt wurde, der über den Eifer des Jünglings erfreut, ihn nachher mit dem Livius beschenkte, welches Buch B. immer wie einen kostbaren Schatz aufbewahrte. Merkwürdiger Weise wollte B. anfänglich die Mathematik – damals nach Kästner, später von Metzburg nach eigenem Lehrbuche vorgetragen – schwer begreifen. Erst als ihm der Zufall den Euklid in die Hände spielte, und B. von Anfang denselben durchmachte, zeigte sich seine natürliche Anlage zur Mathematik im schönsten Lichte, und auf van Swietens Aufmunterung wendete er sich der höhern Mathematik zu. Damit er seinen verarmten Eltern ferner nicht mehr zur Last falle, wendete ihm sein Gönner van Swieten eine Unterstützung zu. Nun studirte B. die Differential- und Integral-Rechnung, die Mechanik, die sphärische Trigonometrie, und zuletzt auf van Swietens Rath die Astronomie, auf welche er sich endlich ausschließlich verlegte. Bürg erhielt nun die Erlaubniß, an den Beobachtungen der k. k. Sternwarte Theil zu nehmen, sich mit den daselbst befindlichen Instrumenten zu üben und für diese Wissenschaft auszubilden. Unter des Adjuncten der Sternwarte Franz de Paula Triesnecker Anleitung machte B. drei Jahre hindurch seine astron. Studien, u. beschäftigte sich nebenbei fleißig mit der Naturlehre. 1791 wurde das Lehramt der Physik am Lyceum zu Klagenfurt erledigt. B. bewarb sich um dasselbe und wurde in Folge eines ausgezeichneten Concurselaborates dahin ernannt. Aber das Studium der Astronomie hatte B. so sehr angezogen, daß sein ganzes Streben dahin abzielte, eine Stelle, die dieser Neigung entsprach, zu erhalten. Im J. 1792 starb Hell; durch Triesneckers Beförderung wurde die Adjunctenstelle leer; um diese bewarb sich B. und erhielt sie. Im Sept. 1792 trat B. seinen Dienst an der Wiener Sternwarte an. Nun lebte B. ganz seinem Berufe. Sieben Bände der vortrefflichen Wiener astronomischen Ephemeriden vom J. 1795–1801, an deren Berechnung und Ausführung B. von Amtswegen Theil nehmen mußte, u. die seit Triesneckers Leitung einen vorzüglichen, insbesondere von den Astronomen in Europa anerkannten Werth erhielten, geben zahlreiche Belege des Eifers und Wissens des jungen Astronomen, namentlich im Anhänge die schätzbarsten für Astronomen hochwichtigen Abhandlungen B.’s; sie erschienen unter dem Titel: „Ephemerides astronomicae ad meridian. Vindobonn. anno 1793–1803 et 1806, edid. F. v. P. Triesnecker et Joh. Bürg“ (Wien 1792 u. f., Trattner, gr. 8°.). Der einen von diesen Abhandlungen, der Theorie des Mondlaufs, weil sie zugleich das Denkmal eines Sieges ist, den die Wissenschaft eines gebornen Wieners in der Fremde auf eine merkwürdige Weise feierte, muß hier ausführlicher gedacht werden. Zu den schwierigsten astronomischen Theorien gehört die Theorie des Mondlaufs, und die Mondtafeln sind wegen ihres unmittelbaren Nutzens für die Schifffahrt die wichtigsten astronomischen Tafeln. Die europäischen Seemächte, insbesondere die englische, hatten seit langer Zeit auf die Erfindung der Länge zur See Preise gesetzt; man konnte sich dazu nur trefflicher See- oder Längeuhren, wie etwa der Harrison’schen u. Mudge’schen, und genauer Mondtafeln, u. z. der Tobias Mayer’schen bedienen. Da schrieb das Pariser National-Institut der Wissenschaften u. Künste im sechsten Jahre der franz. Republik 1798 die astronomische Preisaufgabe aus: „aus einer großen Anzahl der besten, zuverlässigsten alten und neuen Mondesbeobachtungen, wenigstens 500 an der Zahl, die Epochen der mittlern Länge des Apogeums u. des aufsteigenden Knotens der Mondesbahn [198] zu bestimmen.“ Zwei Beantwortungen, eine lateinische und eine französische waren beim Institut eingelaufen. Nach des Berichterstatters De Lambres Ausspruch, waren beide Arbeiten so vorzüglich, daß er auf eine Theilung des Preises antrug. Andere Mitglieder der Preiscommission erkannten wieder der lateinischen Beantwortung so große Vorzüge zu, daß sie eine Vertheilung des Preises von 2 zu 1 antrugen, wonach die lateinische 2/3 die französische 1/3 des ausgesetzten Preises erhalten hätte. Als der Ausspruch in der feierlichen öffentlichen Sitzung geschehen sollte, schloß der Berichterstatter, daß er nur Einen Preis zu vertheilen, aber zwei gleich preiswürdige Arbeiten vor sich liegen habe. Bonaparte als erster Consul hatte als Präsident der mathematischen Classe den Vorsitz. Nun wurde der Antrag gestellt, in Rücksicht dieses außerordentlichen Umstandes, daß zwei so ausgezeichnete Beantwortungen einer Preisfrage eingelangt waren, zwei Preise zu decretiren. Der Vorsitzende Consul Bonaparte genehmigte sogleich diesen Vorschlag. Die Abstimmung ergab, daß beiden Verfassern, dem der lateinischen und dem der französischen Preisschrift einstimmig der volle Preis eines Kilogrammes in Gold = 260 Ducaten vom National-Institut zuzuerkennen sei. Als die versiegelten Billeten, welche die Namen der Concurrenten enthielten, geöffnet wurden, fand sich, daß der Verfasser der lateinischen Preisschrift Joh. T. Bürg war; die französische hatte Alexis Bouvard, Astronom an der Nationalsternwarte zum Verfasser. B. hatte seiner Ausarbeitung nicht die vom Institut geforderten 500, sondern 3000 Beobachtungen zum Grunde gelegt. B. arbeitete auch dann noch ununterbrochen an der Politur der Elemente der Mondbahn. Die in der Folge bekannt gemachten Mondtafeln von B. gelten allgemein als die besten. Späterhin traf ihn das Unglück sein Gehör zu verlieren. Bürg zog sich 1813 von seinem Amte in’s Privatleben zurück. Die letzten Jahre seines Lebens brachte er unthätig, ganz seiner Liebhaberei, Vögel und Waldthiere zu pflegen und zu füttern, hingegeben zu, und ging darin so weit, daß die Anschaffung des Futters und ihrer sonstigen Unterhaltung seinen größten Aufwand ausmachte. Seine Verdienste hatte der Monarch durch Verleihung des Leopoldordens belohnt. Seine Bibliothek und Handschriften wurden auf Anrathen seines Nachfolgers des berühmten Littrow vom Staate angekauft, u. befinden sich dieselben gegenwärtig auf dem Observatorium zu Mailand. B.’s wissenschaftliche Arbeiten sind zerstreut in Zachs „monatlicher Correspondenz“, in Bode’s „astronomischem Jahrbuch“ und in Schumachers „astronomischen Nachrichten“. Wie es geschehen, daß das anfänglich innige Freundschaftsverhältniß zwischen Zach und Bürg, wobei Ersterer bei jeder Gelegenheit seinen Liebling auszuzeichnen suchte, später sich auflöste und in bittere Gehässigkeit, aus der insbesondere Zach kein Hehl machte, ausartete, ist nicht bekannt.

Zach, Monatl. Correspondenz zur Beförderung der Erd- und Himmelskunde. LV. Bd. S. 53 [daselbst sein Porträt]. – Nouvelle Biographie générale ... publiée sous la direction de Mr. le Dr. Hoffer (Paris 1853) VII. Bd. Sp. 826 [dort ist sein Sterbeort irrig als Wiesena statt Wiesenau bezeichnet]. – Neuer Nekrolog der Deutschen (Weimar 1837, Voigt) XIII. Jahrgang, 1835, I. Thl. S. 3. – Oestr. National-Encyklopädie (von Gräffer und Czikann), (Wien 1835, 6 Bde.) I. Bd. S. 419. – Ersch (J. S.) und Gruber (J. G.), Allgem. Encyklopädie der Wissenschaften und Künste (Leipzig 1822, Gleditsch, 4°.) I. Sect. 11. Th. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für gebildete Stände (Hildburghausen 1845, Bibl. Inst., Lex. 8°.) VI. Bd. S. 753.